RG, 19.11.1884 - I 293/84

Daten
Fall: 
Erstrittenes verurteilendes Erkenntnis gegen Gesellschafter
Fundstellen: 
RGZ 13, 96
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
19.11.1884
Aktenzeichen: 
I 293/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • OLG Berlin

Bedeutung des gegen eine Handelsgesellschaft erstrittenen verurteilenden Erkenntnisses gegenüber den einzelnen Gesellschaftern. Verjährung des Art. 146 H. G. B.

Tatbestand

Auf eine am 24, Februar 1874 vom Kaufmanne A. L. gegen "die Handelsgesellschaft B. & H. in Berlin, bestehend aus a) dem Bankier B. B. , b) dem Bankier E. H.", erhobene Klage wurde durch Purifikationsurteil vom 18. Juli 1876 "die Beklagte" schuldig erkannt, an den Kläger 27000 M nebst 5 % Zinsen seit dem 11. März 1873 zu zahlen.

Die Handelsgesellschaft B. & H. hat sich im Jahre 1877 aufgelöst.

In der vorliegenden, gegen den einen der Gesellschafter B. B. im Jahre 1883 erhobenen Klage beantragt A. L. : den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1600 M nebst 5 % Zinsen seit dem 11. März 1873 zu zahlen und das Urteil gegen Sicherheitsbestellung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

In erster Instanz wurde der Klage gemäß erkannt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung und die gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision wurden zurückgewiesen.

Aus den Gründen

... "3.

Der Beklagte macht, geltend, bei Abschluß des Vergleiches vom 11. März 1873, auf welchem der Anspruch des Klägers gegen die Gesellschaft B. & H. beruhte, sei, als die wechselseitigen Auslagen, Guthaben und Zahlungen zusammengestellt wurden, übersehen worden, daß der Kläger noch einen Vorschuß von 300 Rthlr. zur Reise und zur Bestreitung von Auslagen bei der Geschäftsvermittelung von der Firma B. & H. erhalten habe. Dieser Vorschuß sei jetzt in Anrechnung zu bringen. Beide vorigen Richter haben diese Einrede verworfen und ihre Auffassung entspricht dem die ganze Lehre beherrschenden Grundsatze.1

Ebensowenig, wie in der Exekutionsinstanz die betreffende Einrede hätte vorgebracht, bezw, durch eine Klage hätte geltend gemacht werden können (§. 686 C. P. O. ), kann ein gegen den Vergleich gerichteter Angriff in der Klage gegen den einzelnen Gesellschafter nach Durchführung der Klage gegen die Gesellschaft erhoben werden. ...

4.

Die Verwerfung der exceptio rei judicatae ist völlig korrekt motiviert. Soweit über die gegen die Gesellschaft begründete Forderung erkannt ist, ist im gegenwärtigen Prozesse nach der übereinstimmenden Auffassung des Klägers und der beiden Richter nicht mehr zu erkennen gewesen. Soweit es sich um die Verpflichtung speziell des Beklagten handelt, ist im Vorprozesse nicht erkannt worden. Daraus, daß im Vorprozesse im Rubrum als Beklagte "die Handelsgesellschaft B. & H. bestehend aus B. B. und E. H." genannt ist, kann nicht entnommen werden, daß der Prozeß gegen die beiden Gesellschafter als einzelne mitgefühlt worden war. Zu bemerken ist, daß die Vollmacht des Vertreters der beklagten Gesellschaft nur mit der Firma der Gesellschaft von einem Prokuristen unterzeichnet war.

5.

Die Gesellschaft B. & H. ist im Jahre 1877 aufgelöst und am 27. August 1877 ist die Firma im Handelsregister gelöscht worden. Die purificatoria im Vorprozesse ist ergangen am 18. Juli 1876. Die vorliegende Klage ist erhoben und zugestellt im Jahre 1883, also mehr als fünf Jahre nach der Auflösung der Gesellschaft.

Der Thatbestand des Art. 146 H. G. B. liegt also vor; denn die angestellte Klage ist "eine Klage gegen einen Handelsgesellschafter aus einem Ansprüche gegen die Handelsgesellschaft", ein Anspruch aus Gesellschaftsgeschäften, ein Anspruch gegen einen Gesellschafter als solchen. Daß die Forderung gegen die Gesellschaft schon eingeklagt ist, ist gleichgültig, sobald nur, was das Reichsgericht annimmt, aus dem gegen die Gesellschaft ergangenen Urteile nicht unmittelbar gegen den einzelnen Gesellschafter Exekution genommen werden kann, sondern eine actio judicati angestellt werden muß. Der Berufungsrichter läßt diese Frage dahingestellt und durfte dies auch, da er Unterbrechung der Verjährung annimmt.

Der erste Richter findet schon im Antrage auf Ableistung des Manifestationseides eine Unterbrechung der Verjährung. Dies ist nicht begründet, da dieser Antrag im Verfolge der Zwangsvollstreckung aus dem gegen die Gesellschaft erwirkten Urteile in das Vermögen des Beklagten gestellt wurde, diese unmittelbare Zwangsvollstreckung aber nicht zulässig ist, wie dies auch vom Berufungsrichter in jenem Falle anerkannt wurde. Der Berufungsrichter im vorliegenden Rechtsstreite läßt diesen Punkt dahingestellt. Allein er findet eine Unterbrechung darin, daß der Beklagte "schon vorher im Jahre 1880 Zahlungen an den Kläger geleistet habe, und dabei ausdrücklich zugebe, daß er diese Zahlungen als Abschlagszahlungen auf die Forderung des Klägers gegen die Firma B. & H. geleistet habe". Es ist nun mit Recht ausgeführt, daß für die Frage, durch welche Handlungen die Klageverjährung des Art. 146 H. G. B. unterbrochen werde, das Landesrecht maßgebend ist2 ferner, daß in dem Geben und Nehmen von Abschlagszahlungen ein gegenseitiges Anerkenntnis des Rechtes enthalten sei, welches nach §. 562 A. L. R. I. 9 eine Unterbrechung der Verjährung bewirkt.

Es ist aber auch ohne rechtliche Bedeutung, wenn der Kläger bestreitet, die Abschlagszahlung, welche er auf die Forderung gegen die Gesellschaft geleistet hat, "in eigenem Namen" geleistet, "eine eigene persönliche Schuld als Gesellschafter anerkannt zu haben". Die Forderung gegen die Gesellschaft ist identisch mit der Forderung gegen die einzelnen Gesellschafter, und diese begriffliche Identität wird dadurch nicht berührt, daß durch die prozessuale Feststellung der Forderung gegenüber den zur Gesellschaft verbundenen Gesellschaftern die Forderung nicht auch sofort den einzelnen Gesellschaftern gegenüber festgestellt und folglich aus deren Privatvermögen exigibel erklärt wird. Erklärt der einzelne Gesellschafter, eine Forderung zwar als gegen die Gesellschaft, nicht aber als gegen ihn persönlich begründet anzuerkennen, so kann diese Erklärung die Bedeutung haben, daß die an sich gegen ihn begründete Forderung wegen eines besonderen Grundes gegen ihn nicht geltend gemacht werden könne. Möglicherweise kann auch in der Erklärung und Annahme eines solchen Anerkenntnisses die Vereinbarung eines pactum de non petendo enthalten sein. Besteht aber ein solcher besonderer Grund nicht, oder ist er nicht als neu vereinbart anzusehen, so ist die Beschränkung der Erklärung bedeutungslos, denn sie enthält nur die Negierung eines Rechtssatzes, dessen Bestehen und Wirksamkeit vom Willen des Erklärenden unabhängig ist. Die dem Anerkenntnisse des Beklagten beigefügte Beschränkung kann daher dem Anerkenntnisse die Wirkung, die Verjährung aus Art. 146 H. G. B. zu unterbrechen, nicht entziehen." ...

  • 1. Vgl. Bd. 3 Nr. 17 S. 57. D. E.
  • 2. vgl. Entsch. des R. G. 's in Civils. Bd. 2 Nr. 5 S. 12.