danke-sagen-unterstützen

RG, 28.10.1884 - III 171/84

Daten
Fall: 
Bestimmtheit der Feststellungsklage
Fundstellen: 
RGZ 12, 388
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
28.10.1884
Aktenzeichen: 
III 171/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Göttingen
  • OLG Celle

Was gehört bei der Feststellungsklage (§. 231 C.P.O.) zur Bestimmtheit der Angabe des Gegenstandes des erhobenen Anspruches und des Antrages? (§. 230 Ziff. 2 C.P.O.)

Tatbestand

In dem Statute des von der Berghauptmannschaft zu Clausthal im Anfange des vorigen Jahrhundertes gegründeten Waisenhauses werden demselben auch außer anderen Geldeinkünften überwiesen:

  1. "Die zum Clausthal zu Rathhause von Hurenbrüchen, Scheltsachen und anderen geringeren Deliktis fallende und allda bei der Kammerei bisher berechnete Strafen."

Durch Reskript des Geheimen Raths Kollegii zu Hannover vom 20. Dezember 1718 wurde der Stiftung die landesherrliche Genehmigung erteilt. Das Waisenhaus hat bis zum Jahre 1877, mit geringen Unterbrechungen, die von den im Stadtbezirke Clausthal begangenen geringen Delikten, insbesondere in Injuriensachen, eingegangenen Strafgelder bezogen, seitdem aber ist die Zahlung unterblieben. Nachdem ihre Versuche, bei den Verwaltungsbehörden dieses Recht zur Geltung zu bringen, vergeblich gewesen, weil dieselben davon ausgehen, daß dasselbe durch die spätere Gesetzgebung aufgehoben sei, hat die Direktion des Waisenhauses Klage erhoben mit dem Antrage:

"Die Beklagte zu verurteilen, den Anspruch des Waisenhauses zu Clausthal auf den Bezug der Strafgelder, welche für die im Clausthaler Stadtbezirke von 1718 begangenen geringeren Delikte, namentlich Injuriensachen, nähere Feststellung des Begriffes vorbehaltlich, eingehen, als gegenwärtig zu Recht bestehend anzuerkennen."

Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage, weil sie bei ihrer Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit den Vorschriften in den §§. 230. 231 C.P.O. nicht entspreche, und führte aus, daß das dem Waisenhause erteilte Recht auf den Bezug der Strafgelder erloschen sei.

Das Landgericht erkannte nach dem Klagantrage.

Das Oberlandesgericht wies dagegen auf Berufung der Beklagten die Klage ab. Ohne auf die Frage der materiellen Begründung des Anspruches einzugehen, erachtete es den Einwand der mangelnden formellen Begründung der Klage für gerechtfertigt. Auf Revision des Klägers wurde dieses Urteil aufgehoben und die Sache zu anderweiten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Ohne auf eine Prüfung der materiellen Begründung der Klage und der gegen dieselbe erhobenen sachlichen Einwendungen einzugehen, hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen, weil es dieselbe für formell mangelhaft erachtet, indem sie den Vorschriften des §. 230 Abs. 2 C.P.O. nicht entspreche. Dieser allein für die Abweisung der Klage geltend gemachte Grund und damit die Entscheidung selbst beruht auf einer Verletzung der Vorschriften in den §§. 230 und 231 C.P.O. Die von dem Kläger angestellte Klage ist nach dem gestellten Antrage wie nach ihrer Begründung als eine Feststellungsklage nach §. 231 C.P.O. anzusetzen. Sie bezweckt die unter den Parteien streitige Frage, ob das dem klagenden Waisenhause 1718 erteilte Recht zum Bezuge gewisser Strafgelder zur Zeit noch besteht, oder ob dasselbe infolge der neueren Gesetzgebung aufgehoben ist, zur Entscheidung zu bringen. Einen Anspruch auf eine bestimmte Leistung hat der Kläger nicht erhoben, sondern beantragt:

"die Beklagte zu verurteilen, den Anspruch des Waisenhauses zu Clausthal auf den Bezug der Strafgelder, welche für die im Clausthaler Stadtbezirke von 1718 begangenen geringeren Delikte, namentlich Injuriensachen, nähere Feststellung des Begriffes, vorbehaltlich, eingehen, als gegenwärtig zu Recht bestehend anzuerkennen."

Es handelt sich also um die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des durch das gedachte Privileg von 1718 begründeten Rechtsverhältnisses. Nun ist zwar dem Berufungsgerichte darin beizutreten, daß die in §. 230 Ziff. 2 C.P.O. gegebene Vorschrift:

Der Schriftsatz, durch dessen Zustellung die Erhebung der Klage erfolgt, " muß enthalten:

  1. die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruches, sowie einen bestimmten Antrag,"

obligatorisch ist; daß also die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruches, sowie ein bestimmter Antrag zu den wesentlichen Bestandteilen der Klageschrift gehören, und ferner, daß diese Vorschrift für alle Klagen, also auch für die Feststellungsklagen des §. 231 C.P.O., gilt. Es fragt sich aber, was in dem zur Zeit interessierenden letzten Falle zur Bestimmtheit der Angabe des Gegenstandes des erhobenen Anspruches und des Antrages gehört. Bei Beantwortung dieser Frage geht das Berufungsgericht von einer unrichtigen Auffassung der maßgebenden Vorschriften aus.

Das Berufungsgericht führt aus, daß der Antrag, wenn er den Erfordernissen des §. 230 C.P.O. entsprechen solle, deutlich ersehen lassen müsse, was der Kläger quantitativ und qualitativ fordere; daß zwar der Antrag nach den Bestimmungen in §. 231 C.P.O. auf Feststellung einer Verpflichtung beschränkt und die Liquidation des Betrages einem späteren Verfahren vorbehalten bleiben könne, daß jedoch der Kläger im vorliegenden Falle auf Anerkennung des Rechtes zum Bezüge gewisser, für im Bezirke der Stadt Clausthal begangene Delikte eingehender Strafgelder klage. Es hält diese Klage den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechend, weil der Kläger dabei dahingestellt sein lasse, welches im einzelnen diejenigen strafbaren Handlungen gewesen seien, von denen die Strafgelder in die Waisenhauskasse geflossen und welche Delikte heute an deren Stelle getreten seien, vielmehr dieses einem späteren Verfahren vorbehalte, und die Anerkennung eines Privileges fordere, dessen Inhalt und jetzige Bedeutung völlig im unklaren gelassen sei.

Die Annahme, der Antrag sei nur dann ein bestimmter im Sinne des §. 230 C.P.O., wenn er deutlich erkennen lasse, was der Kläger qualitativ und quantitativ fordere, ist für die auf Verurteilung zu einer bestimmten Leistung gerichteten, für die kondemnatorischen Klagen im allgemeinen zutreffend, ohne daß es jedoch notwendig ist, daß das Quantum schon in, der Klage beziffert ist. Vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 10 Nr. 108 S. 355, Nr. 136 S. 411, Nr. 138 S. 422. S. a. oben Nr. 93 S. 353. D. R.

Allein für die nur auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichteten Klagen gilt dieser Satz nicht. Zur bestimmten Angabe des Gegenstandes des erhobenen Anspruches und zur Bestimmtheit des Antrages gehört hier nur die bestimmte Bezeichnung und Angabe des unter den Parteien streitigen Rechtsverhältnisses, dessen Existenz oder Nichtexistenz durch das Gericht festgestellt werden soll, und ein Antrag, aus dem hervorgeht, daß der Kläger die Feststellung dieses Rechtsverhältnisses verlangt. Indem nun der Kläger den Wortlaut des ihm erteilten Privileges angiebt und, anschließend an denselben, seinen Antrag, wie oben angegeben, formuliert, hat er den Erfordernissen des §. 230 Ziff. 2 C.P.O. genügt, und es kann zur Begründung der Klage nicht verlangt werden, daß der Kläger genau darlege, was unter den in dem Statute aufgeführten Kategorieen von Delikten, insbesondere unter "Scheltsachen" und "geringeren Delikten" nach den 1718 geltenden strafrechtlichen Normen zu verstehen sei, und welche Delikte nach der jetzigen Gesetzgebung als an die Stelle jener getreten zu betrachten seien. Wenn auch die Frage, welche nach den jetzt geltenden Strafgesetzen strafbare Handlungen unter die in dem Privileg von 1718 erwähnten Kategorieen von Delikten fallen, mit zum Gegenstande des jetzigen Verfahrens hätte gemacht werden können, so war es doch um so weniger eine notwendige Voraussetzung für die Zulässigkeit der erhobenen Feststellungsklage, daß dieses geschah und von dem Kläger genau angegeben wurde, welche Strafgelder er beanspruche, da die Beklagte nicht das Recht des Klägers auf den Bezug der Strafgelder für dieses oder jenes bestimmte Delikt bestritten hat, weil dieses nicht unter die in dem Privileg erwähnten Kategorieen von Delikten falle, sondern das Recht des Waisenhauses auf den Bezug von Strafgeldern ganz allgemein bestritten hat, weil das Privileg gänzlich erloschen sei. Der Streit der Parteien dreht sich daher um die Frage, ob das durch das Privileg von 1718 begründete Recht zum Bezuge von Strafgeldern überhaupt noch besteht oder nicht.

Nicht richtig ist es, wenn der Berufungsrichter geltend macht, es liege auf der Hand, daß eine Anerkennung des Privileges, wie sie von dem Kläger begehrt worden, eine praktische Bedeutung überall nicht haben würde, vielmehr erst in einem zweiten nachfolgenden Rechtsstreite das eigentliche Rechtsverhältnis zwischen den Parteien festgestellt werden könne und müsse. Denn wenn durch das in der Sache ergehende Urteil festgestellt wird, daß das Recht des Waisenhauses zu Clausthal zum Bezuge von Strafgeldern, wie der Kläger es beantragt hat, bestehe, so braucht nicht in einem zweiten Rechtsstreite eine weitere Feststellung des unter den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses zu erfolgen, sondern es handelt sich dann nur darum, ob eine von dem Kläger erhobene Forderung auf Zahlung der für ein bestimmtes Delikt eingegangenen Strafgelder begründet ist, ob also dieser Anspruch unter das Privileg, dessen fortdauernde Gültigkeit festgestellt ist, fällt.

Da die übrigen in §. 231 C.P.O. aufgestellten Voraussetzungen der Feststellungsklage gegeben sind, so war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die materielle Begründung der Klage und die dagegen von der Beklagten erhobenen sachlichen Einwendungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen."