RG, 20.06.1884 - II 202/83

Daten
Fall: 
Einrede der mangelnden Parteifähigkeit
Fundstellen: 
RGZ 12, 398
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
20.06.1884
Aktenzeichen: 
II 202/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Bonn
  • OLG Köln

1. Welche Bedeutung hat die Einrede der mangelnden Parteifähigkeit?
2. Ist dieselbe als eine prozeßhindernde Einrede im Sinne der §§. 247. 248 C.P.O. anzusehen?

Gründe

"Was die Berufung gegen das landgerichtliche Zwischenurteil vom 12. Oktober 1882 angeht, so ist durch dasselbe die von der Beklagten geltend gemachte Einrede der mangelnden Aktivlegitimation, auf welche in Gemäßheit des §. 137 C.P.O. die Verhandlung beschränkt worden, als unbegründet zurückgewiesen.

Wie der Thatbestand ergiebt, war die genannte Einrede darauf gestützt, daß die Kirche M., welche eine Annexe der beklagten Pfarrkirche sei, kein selbständiges Klagerecht und kein eigenes Vermögen habe, und hatte in gleichem Sinne in der Berufungsinstanz die Beklagte beantragt, die erhobene Klage wegen mangelnder juristischen Persönlichkeit der Klägerin als unannehmbar abzuweisen. Aus dem Vorstehenden erhellt nun, daß es sich hier nicht um die Einrede der mangelnden Aktivlegitimation, wie die irrige Bezeichnung in erster Instanz lautete, auch nicht um den Einwand der mangelnden Prozeßfähigkeit, wie das Oberlandesgericht annimmt, sondern um die Einrede der mangelnden Parteifähigkeit handelte. Für die Beurteilung der Einrede ist nämlich nicht die unrichtige Qualifikation, sondern, wie das Oberlandesgericht zutreffend erwägt, die sachliche Bedeutung derselben maßgebend.

Was nun letztere anlangt, so ist Parteifähigkeit die aus der Rechtssubjektivität fließende Fähigkeit, Rechte und rechtliche Verpflichtungen zu haben, aktiv und passiv Subjekt des Prozesses zu sein. Dieselbe bestimmt sich, wie in dem norddeutschen Entwurfe §. 79 ausdrücklich hervorgehoben war, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes, und steht danach - ohne Rücksicht auf Handlungsfähigkeit - allen physischen und juristischen Personen zu. Der Mangel der Parteifähigkeit wird namentlich solchen Personenmehrheiten und Vermögensmassen gegenüber zur Sprache kommen, bei denen es streitig ist, ob ihnen die Rechte einer juristischen Person zustehen, oder ob sie derselben wenigstens in Beziehung auf die Prozeßführung gleichgestellt sind.1

Für Personenvereine und Vermögensmassen, welche klagen und verklagt werden können, bestimmt §. 19 C.P.O. den allgemeinen Gerichtsstand.

Unter Prozeßfähigkeit versteht dagegen die Civilprozeßordnung - Motive S. 73 - die Fähigkeit, vor Gericht, zu stehen, d. h. die Fähigkeit, einen Prozeß als Partei selbst zu führen oder durch einen Prozeßbevollmächtigten führen zu lassen - legitimam personam standi in judico. Die Prozeßfähigkeit kommt nicht allen Rechtssubjekten als solchen zu, sie ist vielmehr ein Ausfluß der Handlungs- und Dispositionsfähigkeit. Deshalb bestimmt §. 50 C.P.O., daß jeder insoweit prozeßfähig ist, als er sich durch Verträge verpflichten kann. Die nicht prozeßfähigen Parteien - vgl. Motive S. 77 -, wozu namentlich alle juristischen Personen und die Personenvereine und Vermögensmassen, welche als solche klagen und verklagt werden können, gehören, werden im Prozesse nach Maßgabe der Vorschriften des bürgerlichen Rechtes durch gesetzliche Vertreter repräsentiert, denen auch die Zustellungen für dieselben zu machen sind (§§. 50. 157 C.P.O.).

Aus dem Angeführten ergiebt sich, daß es rechtsirrtümlich ist, wenn das Oberlandesgericht annimmt, daß hier, wo die rechtliche Persönlichkeit der Klägerin bestritten war, in Wahrheit die in §. 247 Nr. 6 C.P.O. bezeichnete Einrede der mangelnden Prozeßfähigkeit und der mangelnden gesetzlichen Vertretung vorliege.

Da nun die bezogene Gesetzesvorschrift nach dem Wortlaute derselben in Abs. 2 "als solche Einreden sind nur anzusehen u. s. w.", wie auch die Kommentatoren übereinstimmend annehmen, streng restriktiv aufzufassen ist, so konnte auf das in Rede stehende Zwischenurteil der §. 248 Abs. 2 C.P.O. nicht zur Anwendung kommen, und hat deshalb das Oberlandesgericht die gegen dasselbe eingelegte Berufung mit Unrecht als unzulässig verworfen (vgl. §. 473 C.P.O.)."

  • 1. Vgl. Seuffert, 2. Aufl. zu §. 50 C.P.O.; Petersen, 2. Aufl. ebenfalls zu §. 50 a. a. O.; Wilmowski und Levy, 3. Aufl. S. 73. 74; Wach, Vorträge S. 59. 60.