RG, 13.06.1884 - II 101/84

Daten
Fall: 
Verurteilung zur Herausgabe von Wertpapieren
Fundstellen: 
RGZ 12, 42
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
13.06.1884
Aktenzeichen: 
II 101/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Freiburg
  • OLG Karlsruhe

Zur Auslegung der §§. 5. 6. 23. 24 der Konkursordnung.

Tatbestand

Am 2. November 1881 übergab der Beklagte leihweise dem Kaufmanne L. in Freiburg Wertpapiere im Gesamtnominalwerte von 12000 M, damit der Entleiher dieselben für ein Darlehn verpfände; L. nahm sodann bei der Gewerbebank in Freiburg ein Darlehn von 12000 M auf und gab hierfür die Papiere als Faustpfand. Am 28. April 1882 gab er dem Beklagten die eine Hälfte der Papiere zurück; dieser drängte auf Rückgabe der übrigen; am 19. Oktober 1882 zahlte L. der Gewerbebank 5700 M und erhielt den Rest der Papiere zurück; am 20. Oktober morgens zwischen 9 und 10 Uhr übergab er dieselben in einem Packete der Post in Freiburg und am 21. Oktober gelangte der in Heilbronn wohnende Beklagte in deren Besitz. - Am 20. Oktober vormittags 11 Uhr war gegen L. der Konkurs eröffnet worden. Der Konkursverwalter erhob nun Klage auf Rückgabe der am 19. Oktober bei der Gewerbebank ausgelösten und am 21. Oktober dem V. zugekommenen Papiere bezw. auf Bezahlung eines gleichkommenden Geldbetrages. Die Klage ist in doppelter Richtung begründet: einmal auf die Behauptung, daß die Empfangnahme in Heilbronn maßgebend, danach die Rückgabe nach Eröffnung des Konkurses erfolgt, dieselbe daher nichtig sei (§§. 5. 6 K.O.); sodann auf die §§. 23. 24 K.O. und die Behauptung, daß die Auslösung zur Begünstigung des Beklagten und zur Benachteiligung der übrigen Gläubiger des L. geschehen und jenem dies bekannt gewesen sei. - Mit Urteil vom 16. Mai 1883 hat das Landgericht zu Freiburg dem Beklagten einen richterlichen Eid dahin auferlegt:

"Es ist nicht wahr, daß ich bei dem am 21. Oktober v. J. erfolgten Empfange der von L. mir übersendeten Wertpapiere Kenntnis davon hatte, daß L. in der Absicht, mich von der Notwendigkeit der Auslösung der Papiere aus meinen eigenen Mitteln zu entheben und diese aus dem Vermögen, welches bei dem nachher ausgebrochenen Konkurse den Gläubigern zugefallen wäre, zu bewirken, am 19. Oktober v. J. die in meinen Besitz gelangten Wertpapiere bei der Gewerbebank ausgelöst und an mich übersendet hat."

Für den Fall der Eidesleistung ist die Klage abgewiesen, für den Fall der Verweigerung der Beklagte verurteilt worden, der Konkursmasse die Wertpapiere oder den Betrag von 5000 M zurückzugewähren. Das Oberlandesgericht hat die von der Klägerin eingelegte Berufung verworfen, und die Revision gegen dessen Urteil wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

1.

"In erster Linie ist die Klage dahin begründet, daß auf Grund der §§. 5 und 6 K.O. die unbedingte Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe der Wertpapiere begehrt wird. Hierbei ist von der behaupteten benachteiligenden Absicht des L. bei deren Einlösung abzusehen und lediglich daran festzuhalten, daß derselbe die wieder in seinen Besitz gekommenen Papiere dem Beklagten zurückgegeben hat. Diese waren, wie festgestellt ist, Eigentum des letzteren, gehörten daher nicht zu dem die Konkursmasse bildenden Vermögen des L. (§§. 1. 5 Abs. 1 K.O.) und hatte Beklagter einen Anspruch auf Aussonderung derselben (§. 35 K.O.), sodaß die Rückforderung der Papiere jedenfalls durch die Einrede ausgeschlossen wird, daß die Klägerin die Ausfolgung einer Sache begehrt, welche sie sofort wieder zurückzugeben verpflichtet wäre. Der Vertreter der Revisionsklägerin scheint zwar darauf Gewicht zu legen, daß dieser Einrede mit der Replik begegnet werden könne, daß L. die Einlösung der Papiere in der dem Beklagten bekannten Absicht bewirkt habe, die Gläubiger zu benachteiligen. Diese Behauptung ist aber die Grundlage der gleichzeitig erhobenen Anfechtungsklage und kann nicht unabhängig von dieser geprüft werden.

2.

Diese Anfechtungsklage wird dahin begründet, daß L. bei der Auslösung lediglich den Zweck gehabt habe, den Beklagten der Notwendigkeit, seine Papiere aus eigenen Mitteln einzulösen, zu entheben und solche vielmehr mit den Mitteln der Konkursmasse zum Nachteile der Gläubiger zu bewirken, und daß Beklagter von dieser Absicht Kenntnis hatte. Diese Behauptung hat nicht sowohl den Sinn, daß L. in gefährdender Absicht seine Verbindlichkeit aus dem Darlehn gegenüber der Gewerbebank erfüllt habe, als vielmehr den, daß er seiner dem Beklagten gegenüber bestehenden Verpflichtung, die Papiere vom Pfandnexus zu befreien, in rechtswidriger Absicht nachgekommen sei. Durch diese Einlösung hat er nicht bloß die Befriedigung der Gewerbebank, sondern weiter noch zum Vorteile des Beklagten bewirkt, daß dieser seine Papiere zurückerhielt, ohne sie aus eigenen Mitteln pfandfrei machen und wegen des Gezahlten sich als Konkursgläubiger anmelden zu müssen. - Wenn nun auch die Bezahlung des Darlehns an die Gewerbebank nur dieser gegenüber anfechtbar ist, und es hierbei darauf ankäme, ob bei dieser die Voraussetzungen für die Anfechtung gegeben sind, so kann doch andererseits die zugleich mit dieser Zahlung bewirkte Erfüllung der dem Beklagten gegenüber bestandenen Verpflichtung des L. auch dem Beklagten gegenüber als selbständig anfechtbar betrachtet werden. Hiernach erscheint aber nicht die Rückgabe der Papiere, sondern deren Einlösung als die anzufechtende Rechtshandlung, und wäre daher eventuell entscheidend, ob dem Beklagten zur Zeit der Einlösung - 19. Oktober, - die unredliche Absicht des 2. bekannt gewesen sei. Zu einer Änderung des Eides in dieser Richtung hatte aber das Berufungsgericht um deswillen keinen Grund, weil sich der Beklagte dabei beruhigt hatte, daß er schon dann verurteilt werde, wenn durch seine Eidesverweigerung feststeht, daß er wenigstens am 21. Oktober von der gedachten Absicht des Gemeinschuldners Kenntnis hatte. Aber auch zu einer Änderung des Urteiles nach den Anträgen der Klägerin giebt die vorstehende rechtliche Beurteilung keinen Anlaß. Zu einer unbedingten Verurteilung des Beklagten hätte das Berufungsgericht nur gelangen können, wenn entweder die Klage in der ersten Richtung (§§. 5. 6 K.O.) begründet, oder die Kenntnis des Beklagten von der unredlichen Absicht des L. im entscheidenden Zeitpunkte für erwiesen zu achten oder, wenn §. 23 Ziff. 2 K.O. anwendbar wäre. Auf die §§. 5. 6 K.O. kann sich aber die Klage, wie dargethan, nicht stützen, und daß die Kenntnis des Beklagten von der unredlichen Absicht des Gemeinschuldners nicht voll erwiesen sei, beruht auf unanfechtbarer Beweiswürdigung. Der §. 23 Ziff. 2 K.O. findet aber deshalb keine Anwendung, weil der Anspruch des Beklagten auf pfandfreie Rückgabe der Papiere, also auch auf die Einlösung derselben, ein längst fälliger war, also keine Rechtshandlung in Frage steht, welche ihm eine Befriedigung gewährte, die er nicht, oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, zu welcher sie erfolgt ist. Auch der eventuelle Antrag der Klägerin auf Änderung des Eides dahin, daß dem Beklagten zur Zeit, als er die Papiere in Empfang nahm (21. Oktober), deren Auslösung am 19. Oktober und die Konkurseröffnung am 20. Oktober nicht unbekannt gewesen seien, erscheint nicht begründet. Nach dem Ausgeführten ist nicht der Zeitpunkt der Empfangnahme, sondern derjenige der Auslösung der entscheidende, dieser geht aber der Konkurseröffnung voraus. Daß zu diesem Zeitpunkte, am 19. Oktober, L. bereits seine Zahlungen eingestellt habe und dem Beklagten dies bekannt gewesen sei, behauptet die Klägerin nicht. Mithin findet auch §. 23 Ziff. 1 K.O. keine Anwendung."