RG, 13.12.1918 - III 259/18
1. Provision auch aus Erhöhungen des Kaufpreises, soweit diese nicht rein als Ersatz von Mehrauslagen bewilligt sind. Welche Bedeutung hat dabei die Ersparung durch Produktionssteigerung?
2. Tragweite der Rechtskraft eines Teilurteils.
Tatbestand
Auf Grund einer beiderseits schriftlich bestätigten Abrede der Parteien vom September 1914 beansprucht der Kläger von der Beklagten aus deren Patronenlieferungen an die Heeresverwaltung, und zwar aus den dafür eingegangenen Zahlungen, eine Provision von 3 % und fordert entsprechende Feststellung und Verurteilung zur Rechnungslegung. Die Beklagte lieferte der Heeresverwaltung bis 6. April 1916 eine bestimmte Anzahl Patronen; der Preis betrug zunächst eine bestimmte Summe für das Tausend und wurde sodann vom Januar 1915 ab achtmal erhöht. Das Landgericht hat der Klage entsprochen und der Berufungsrichter hat durch rechtskräftiges Teilurteil die Berufung der Beklagten insoweit zurückgewiesen, als die Provision aus dem ursprünglich angesetzten Preise berechnet wird. In diesem Teilurteil wurde insbesondere der Einwand einer nur viermonatigen Dauer der Provisionsverpflichtung und der Einwand eines am 1. Mai 1915 vollzogenen Neuabschlusses zwischen der Beklagten und der Heeresverwaltung verworfen und ein Verstoß des Provisionsvertrages gegen die guten Sitten verneint. Die Beklagte hat an den Kläger freiwillig und sodann in Verfolg des Teilurteils Zahlungen gemacht; der strittig gebliebene Provisionsanspruch aus den Mehrpreisen beläuft sich noch auf rund den vierten Teil dieser Zahlungen. Auch bezüglich des Restanspruchs hat das nunmehr mit der Revision angefochtene Berufungsurteil die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision der Beklagten hatte Erfolg.
Gründe
"Nach der rein tatsächlichen Auffassung des Berufungsrichters umfaßte die Provisionsabrede, welche der anfänglichen Preisbestimmung vorausgegangen war, an sich die sämtlichen bei der Beklagten eingegangenen Preiszahlungen, jedoch mit Ausschluß derjenigen Beträge, welche der Beklagten von der Heeresverwaltung rein als Ersatz von Mehrauslagen bewilligt worden sind; auch diese Einschränkung beruht ganz auf tatsächlicher, rechtsirrtumsfreier, übrigens der Beklagten günstiger Auslegung. Die Beklagte hat unter Beweis gestellt, daß die sämtlichen Preiserhöhungen immer nur Auslagenersatz gewesen seien. Der Berufungsrichter meint jedoch, die in runden, auf Schätzung beruhenden Summen geforderten und bewilligten Preiszuschläge seien nach dem Vorbringen der Beklagten selbst kein reiner Auslagenersatz. Sie seien von ihr zwar mit Erhöhung der Rohstoff- und Betriebskosten, jedoch ohne Erwähnung der Ersparung durch die außerordentliche Produktionssteigerung begründet worden. Ein Nachweis, daß sie reiner Auslagenersatz gewesen seien, sei nicht führbar; deshalb müsse die Provision auch aus den erhöhten Preisen bezahlt werden.
Diese Begründung ist nicht zureichend und nicht haltbar.
Der Berufungsrichter sagt mit keinem Worte, was er unter "Ersparung durch die außerordentliche Produktionssteigerung" versteht; schon darum bleibt seine Erwägung unverständlich und nicht nachprüfbar. Eine Ersparung durch die Produktionssteigerung kann in mannigfaltiger Art erwachsen: durch bessere Ausnutzung der menschlichen Arbeitskraft im Wege der eine Verbesserung, Beschleunigung und Verbilligung der einzelnen Arbeitsakte bewirkenden Arbeitsteilung; durch bessere Ausnutzung und steigende Amortisation der maschinellen Ausrüstung; durch Verbilligung des Rohstoffbezugs infolge Einkaufs größerer Mengen; durch Verteilung der gleichgebliebenen sog. Generalunkosten auf einen an Umfang, Ausdehnung und Arbeitsergebnis gewachsen Betrieb. In allen diesen Richtungen hatte die Beklagte der Heeresverwaltung gegenüber bei den einzelnen Preiszuschlägen Ausführungen gemacht, insbesondere über relative und absolute Erhöhung der Arbeitslöhne, über notwendige kostspielige Neubeschaffung von Maschinen und über erhebliche Steigerung der Rohstoffpreise an sich und infolge des Warenmangels für jede noch so große Menge. Es ist deshalb nicht abzusehen, wie der Berufungsrichter aufstellen konnte, die Beklagte habe die von ihr geforderten Preisaufschläge der Heeresverwaltung gegenüber nicht als reinen Auslagenersatz begründet. Die Beklagte hat dies allerdings getan, und sie hat im Prozesse unter Antritt schlüssiger Beweise hieran klar und deutlich festgehalten. Die Beweise sind schlüssig auch um deswillen, weil es sich der Natur der Sache nach nicht um Errechnung bis in die kleinsten Zahlen, sondern nur um eine, wenn auch genaue und vorsichtige, so doch immerhin runde Abschätzung der Produktionskosten der Beklagten handeln kann.
Die Auslegung des Berufungsrichters geht dahin, daß dem Provisionsanspruche der Stand des Reingewinns, wie er sich im September 1914 aus den damaligen Verhältnissen und aus dem damals entsprechend bemessenen Preise ergab, nach dem Willen der Parteien zugrunde zu legen sei; daß also ein äußerlich höherer Preis nur insoweit von der Provision erfaßt werde, als aus ihm ein größerer Reingewinn fließe, nicht aber insoweit, als der Preiszuschlag nur Ersatz höher gewordener Auslagen sei. Von diesem Standpunkte aus entfällt der Provisionsanspruch, soweit in den Preiszuschlägen Auslagenersatz darin steckte, und dies kann zu einem größeren oder kleineren Teile der Fall gewesen sein. Daß die Beklagte die Provision aus dem vollen Betrage der Preiszuschläge bezahlen müsse, wenn sie nicht beweise, daß der ganze Preiszuschlag reiner Auslagenersatz sei, geht durchaus fehl. Wenn festgestellt wird, daß - was jetzt schon durch den Briefwechsel der Beklagten mit der Heeresverwaltung wahrscheinlich gemacht ist - die Preiszuschläge, wenn auch nicht völlig, so doch zum überwiegenden Teile wirklich nur Auslagenersatz waren, und zwar Ersatz der Mehrauslagen für Rohstoffe, wenn also eine Erhöhung des Reingewinns der Beklagten über den Stand von September 1914 hinaus durch die Preiszuschläge nur zum kleineren oder kleinsten Teile eintrat, dann bleibt von der Vertragsauslegung des Berufungsrichters aus unverständlich, warum die Beklagte aus ihren reinen Auslagen Provision sollte zahlen müssen, weil sie in den Preiszuschlägen neben dem Ersatz dieser Auslagen auch noch eine Reingewinnerhöhung erzielte.
Die bisherige sachliche und rechtliche Würdigung gibt zugleich Material für die von der Revision erbetene Nachprüfung, ob nicht ein Verstoß gegen die guten Sitten zu bejahen sei. Das jetzt angefochtene Urteil hat die Erwägungen des Teilurteils wiederholt und erweitert und dabei die Ausführung des Klägers, die Frage sei durch das Teilurteil rechtskräftig erledigt, für nicht zutreffend erklärt. Jedoch steht nach dem Teilurteil zwischen den Parteien rechtskräftig fest, daß die Provisionsabrede für die ganze Zeit und für die gesamte Patronenmenge bis zum ursprünglichen Preisbelaufe und damit bis zu den bereits bezahlten Provisionsbeträgen nicht gegen die guten Sitten verstößt. Die Frage der Sittenwidrigkeit darf also nur noch für den späteren uns höheren Preisbelauf und für den daraus unter Umständen zu folgernden Provisionsrestbetrag erhoben werden. Insoweit aber ist die Sittenwidrigkeit ohne weiteres zu verneinen. Diese Restforderung bildet nur den letzten Teil und Ausläufer eines die Beklagte in viel weiterem Maße beschwerenden, jedoch als unanstößig festgestellten Vertrages, und sie soll dem Kläger nur dann zustießen, wenn und soweit der Beklagten eine Reingewinnerhöhung erwachsen ist. Eben darum wird die Frage der Sittenwidrigkeit ganz oder zum Teil gegenstandslos, falls die Vollbeträge oder gewisse Teilbeträge der Preiszuschläge als reiner Auslagenersatz nachgewiesen sind und damit die entsprechende Provisionsforderung selbst zurückgeschlagen wird."