RG, 12.12.1918 - IV 328/18
1. Ist für die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts das Vorbringen des Klägers zur Zeit der Klagerhebung oder zur Zeit der Urteilsfällung maßgebend?
2. Was hat der Kläger zur Begründung des Gerichtsstandes nach § 32 ZPO. darzutun?
3. Ist das Recht eines Ausländers zur Führung eines Namens in Deutschland nach deutschem Rechte zu beurteilen?
4. Kann eine Klage wegen unbefugter Führung eines adligen Namens auf § 360 Nr. 8 StGB. gestützt werden?
Tatbestand
den in Basel wohnhaften Beklagten zu verurteilen, daß er es unterlasse, innerhalb des Deutschen Reichs für sich und seine Ehefrau, dem Namen "St." den Zusatz: "von B." zu geben, und zwar unter Androhung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Strafe.
Zur Begründung hat er in der Klageschrift ausgeführt: Der Beklagte sei mit einer Tochter des verstorbenen von B. verheiratet und habe drei Kinder aus dieser Ehe. Vor etwa 1 1/2 Jahren habe der König von Preußen das Gesuch des jetzt verstorbenen Schwiegervaters des Beklagten, daß dem Beklagten und seinen Angehörigen gestattet werde, ihrem Namen den Zusatz "von B." zu geben, abschlägig beschieden. Trotzdem habe sich der Beklagte in letzter Zeit wieder beikommen lassen, für sich selbst und seine Frau dem Namen St. den Zusatz "von B." zu geben.
Der Kläger hat dann im Laufe des Rechtsstreits noch dargelegt, daß sich der Beklagte auch sonst noch des Zusatznamens "von B." bedient habe. Er habe in einigen Fällen den Zusatznamen auch ohne Beifügung eines Trennungsstriches gebraucht.
Der Beklagte hat unter Widerspruch gegen Klagänderung um Abweisung der Klage gebeten. Er hat die Einrede der mangelnden örtlichen Zuständigkeit erhoben und erklärt, daß er sich zur Hauptsache nicht einlasse und den gesamten Inhalt seiner Schriftsätze nur insoweit vorgetragen haben wolle, als es für seine Einrede der Unzuständigkeit von Bedeutung sei.
Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben übereinstimmend die Klage wegen mangelnder örtlicher Zuständigkeit abgewiesen, weil der Beklagte im Inlande keinen allgemeinen Gerichtsstand habe und auch ein besonderer Gerichtsstand, insbesondere der Gerichtsstand des § 32 ZPO., im Inlande nicht gegeben sei.
Das Berufungsgericht führt aus, daß nach dem zur Zeit der Urteilsfällung vorliegenden unstreitigen Sachverhalt ein objektiv rechtswidriges Verhalten des Beklagten nicht dargetan sei, weil er nach dem für ihn maßgeblichen Schweizer Rechte berechtigt gewesen sei, den Zusatznamen "von B." unter Beifügung eines Trennungsstriches auch in Deutschland zu gebrauchen, daß dies aber auch dahingestellt sein könnte, da aus den vom Kläger vorgebrachten Tatsachen nicht gefolgert werden könne, daß der Beklagte schuldhaft rechtswidrig gehandelt habe, hiernach aber das Vorliegen einer "unerlaubten Handlung" im Sinne des § 32 ZPO. nicht schlüssig dargetan sei.
Die Revision des Klägers ist zurückgewiesen worden.
Gründe
"Es ist mit dem Vordergerichte davon auszugehen, daß die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nur begründet ist, wenn im Inland ein besonderer Gerichtsstand für den Beklagten besteht, daß als solcher nur der des § 32 ZPO. in Frage kommt und daß dieser eine unerlaubte Handlung im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs voraussetzt.
Weiter ist davon auszugehen, daß im vorliegenden Falle die Tatsachen, von denen die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts abhängig ist, mit denjenigen Tatsachen zusammenfallen, die zur Begründung des erhobenen Anspruchs selbst geltend gemacht werden müssen, und daß es deshalb nach feststehender Rechtsprechung des Reichsgerichts eines Nachweises der für die Begründung der Zuständigkeit vorgebrachten Behauptungen nicht bedurfte; vgl. besonders RGZ. Bd. 29 S. 371, Bd. 61 S. 71; Jur. Wochenschr. 1901 S. 396 Nr. 3. "Der Gedanke ist der, daß andernfalls die nach der Struktur des Prozesses vorgesehene präjudizielle besondere Erörterung jener Prozeßvoraussetzung der Zuständigkeit dann nicht stattfinden könnte, wenn der Nachweis der Kompetenztatsachen mit der ganzen sachlichen Untersuchung zusammenfällt.
Das ist, wie gleichfalls vom Reichsgerichte wiederholt ausgesprochen ist, nicht dahin zu verstehen, daß bloße Rechtsbehauptungen genügen, um die Zuständigkeit zu begründen, daß vielmehr die tatsächlichen Angaben des klägerischen Vorbringens bei zutreffender rechtlicher Würdigung das Vorliegen der klagebegründenden Tatsache, hier also der unerlaubten Handlung, ergeben müssen (vgl. u. a. Jur. Wochenschr. 1912 S. 643 Nr. 15).
Auch diese Grundsätze hat das Berufungsgericht im wesentlichen nicht verkannt. Für die Frage, ob das Vorliegen einer unerlaubten Handlung schlüssig begründet ist, kommt in erster Linie der Inhalt der Klagschrift in Betracht. Dieser ist auch allein maßgebend in dem Sinne, daß durch Vorbringen neuer Tatsachen im Sinne einer Klagänderung die Zuständigkeit nicht nachträglich begründet werden kann. Er ist aber nicht allein entscheidend, wenn sich aus den später vom Kläger selbst vorgetragenen Tatsachen die Unzuständigkeit des Gerichts zur Zeit der Urteilsfällung ergibt. Denn es ist allgemeiner Grundsatz, daß die Behauptungen einer Partei ohne Rücksicht auf ihre Bestrittenheit gegen die Partei gelten, welche sie vorbringt.
Zur Begründung einer Klage aus unerlaubter Handlung muß der Kläger Tatsachen behaupten, aus denen sich - abgesehen von der sowohl zum Tatbestande des § 12 als auch des § 823 BGB. gehörigen objektiven Rechtswidrigkeit - ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten ergibt, also Tatsachen, aus denen sich entnehmen läßt, daß der Beklagte sich der Rechtswidrigkeit seines Tuns bewußt oder aus Fahrlässigkeit nicht bewußt gewesen ist. Von diesem Erfordernis kann, was die vom Landgericht angeführte Entscheidung des Kammergerichts vom 28. Mai 1901 (Rechtsprech. der OLG. Bd. 3 S. 86) anscheinend verkennt, auch hier, wo die Verletzung eines Namensrechts in Frage steht, nicht abgesehen werden. Denn das Bürgerliche Gesetzbuch hat in den §§ 823 flg. an dem Verschuldungsprinzip als Regel festgehalten und dieses Prinzip nur in einigen nachfolgenden Bestimmungen durchbrochen. Die in diesen Ausnahmebestimmungen geregelten Schuldverhältnisse sind dem aus der Verletzung des Namensrechts entspringenden Schuldverhältnis keineswegs gleichgeartet. Für die Ausdehnung des Verursachungsprinzips auf die Schadenshaftung für Verletzung eines Persönlichkeitsrechts kann ein Bedürfnis nicht anerkannt werden (vgl. auch RGZ. Bd. 24 S. 394).
Ob auch die Behauptung eines aus dem Mißbrauche des Namens erwachsenen Vermögensschadens zur schlüssigen Begründung der Klage aus unerlaubter Handlung gehört, kann unerörtert bleiben.
Denn zweifellos hat das Berufungsgericht auf Grund des beachtlichen Klagvorbringens und des unstreitigen Sachverhalts, wie er ihm zur Zeit der Urteilsfällung vorlag, mit Recht angenommen, daß weder ein rechtswidriges noch ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten schlüssig begründet sei. Nicht beachtlich ist die erst im Laufe des Prozesses aufgestellte Behauptung des Klägers, daß der Beklagte den Zusatznamen "von B." auch ohne Trennungsstrich gebrauche. Zwar nicht, wie das Berufungsgericht ausführt, deshalb, weil diese Behauptung nicht erwiesen ist (denn auf den Beweis der Klagbehauptung kommt es für die Zuständigkeitsfrage nicht an), wohl aber deshalb, weil darin eine - übrigens auch vom Beklagten gerügte - Änderung des ursprünglichen Klagvorbringens liegt. Denn ursprünglich hat, wie das Berufungsgericht hervorhebt, der Kläger nur behauptet, daß der Beklagte, den Zusatznamen mit dem Trennungsstrich führe. Das ergibt auch der Inhalt der Klagschrift, wo lediglich die Unterzeichnung der Todesanzeige mit dem Zusatznamen "von B." gerügt wird, die unstreitig diesen Trennungsstrich enthielt.
Der Kläger hat die Tatsachen, aus denen der Beklagte ein Recht herleitet, den Zusatznamen von B. mit dem Trennungsstriche zu führen, sämtlich zugegeben und sich zu eigen gemacht. Diese Tatsachen ergeben aber nach der rechtlich unanfechtbaren Annahme des Berufungsgerichts, daß dem Beklagten in Wirklichkeit ein solches Recht zusteht, daß also sein Handeln nicht "unbefugt", oder "objektiv widerrechtlich" war. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts diese Frage nach dem Heimatrechte (der Staatsangehörigkeit) des Beklagten zu beurteilen ist (vgl. v. Bar, Theorie Bd. 1 S. 290; v. Gierke, Deutsch. Privatrecht Bd. 1 S. 223; v. Meili, Intern. Ziv.- u. Handelsrecht S. 257; RGZ. Bd. 29 S. 127; Seuff. Arch. Bd. 45 Nr. 264).
Die in der Literatur vertretene abweichende Auffassung (vgl. Zitelmann, Intern. Privatrecht Bd. 1 S. 138, Bd. 2 S. 819), wonach das Gebietsstatut entscheiden soll, ist vom Standpunkte des positiven deutschen internationalen Privatrechts abzulehnen. Die Vorschriften der Art. 7 flg. EG. z. BGB. sind von dem Gedanken beherrscht, daß das Personalstatut als Regel und das Gebietsstatut (Art. 28) als Ausnahme anzusehen ist. Eine analoge Anwendung der in Art. 28 getroffenen Regelung auf das Namensrecht kann nicht schon damit gerechtfertigt werden, daß dieses Recht ebenso wie die dinglichen Rechte mit dem negatorischen Schütze ausgestattet ist.
Ist nach Vorstehendem das Schweizer Recht für die Frage nach dem Rechte des Beklagten zur Anwendung zu bringen, so ist die weitere Annahme des Berufungsgerichts, daß sich in der Schweiz ein Gewohnheitsrecht gebildet habe, wonach den dortigen Staatsangehörigen ganz allgemein die Berechtigung zustehe, den Namen ihrer Ehefrauen als Zusatznamen mit einem Trennungsstrich ihrem eigenen Namen beizufügen und diesen Gesamtnamen nunmehr als "Ehenamen" zuführen, in diesem Rechtszug unangreifbar (§ 549 ZPO.).
Es fragt sich nur noch, ob Art. 30 EG. der Anwendung des Schweizer Rechtes entgegensteht. Nach der Auslegung, die das Reichsgericht ständig dieser Bestimmung gegeben hat, muß die Frage verneint werden. Denn es kann nicht angenommen werden, daß der Gebrauch des Namens in Deutschland so, wie er vom Kläger behauptet ist, geeignet sein würde, die Grundlagen des deutschen staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens anzugreifen (RGZ. Bd. 60 S. 296, Bd. 93 S.182).
Rechtlich und prozessual nicht zu beanstanden sind auch die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen auf Grund des unstreitigen Sachverhalts die schlüssige Darlegung eines schuldhaften Verhaltens verneint ist. Nachdem der Kläger sich auf den Boden der Tatsachen gestellt hatte, aus denen der Beklagte seine Befugnis zum Gebrauche des Doppelnamens auch in Deutschland herleitete, mußte er, um die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zur Zeit der Urteilsfällung zu begründen, weitere Tatsachen angeben, die geeignet waren, die Schlußfolgerung zuzulassen, daß der Beklagte selbst nicht an eine ihm nach Schweizer Recht zustehende Befugnis geglaubt oder wenigstens an dieser gezweifelt habe. Die in dieser Richtung vom Kläger angegebenen Tatsachen hat das Berufungsgericht geprüft, aber aus tatsächlichen Erwägungen für unschlüssig erachtet, die einen Rechtsirrtum nicht erkennen lassen.
Unbegründet ist endlich der Revisionsangriff, das Berufungsgericht habe den § 360 Nr. 8 StGB. übersehen. Die Zulässigkeit des Rechtswegs für eine auf diese Vorschrift gestützte Klage auf Unterlassung der Führung des Adelsprädikats kann freilich nicht schon deshalb verneint werden, weil die Zugehörigkeit zum Adel eine Frage des öffentlichen Rechtes ist (Jur. Wochenschr. 1901 S. 173 Nr. 36; Urteil des RG. v. 24. Juni 1909 IV 533/08 u. a.). Denn damit wird die Nachprüfung im ordentlichen Rechtswege nicht ausgeschlossen, wenn auf Unterlassung geklagt wird und jene Frage daher nur als Inzidentpunkt für die Entscheidung in Betracht kommt. Allein zur Schlüssigkeit einer solchen Klage würde mindestens die Behauptung gehören, daß der Beklagte sich mit dem Gebrauche des Namens die Zugehörigkeit zum preußischen Adel anmaße, und auch der Klagantrag müßte erkennen lassen, daß die Unterlassung einer solchen Anmaßung begehrt wird. Im übrigen würde in Frage kommen, ob - sofern es sich hier überhaupt um ein "Schutzgesetz" im Sinne des § 823 Abs. 2 handelt - für eine auf Unterlassung gerichtete Klage wegen Verletzung eines solchen Schutzgesetzes das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist (vgl. RGZ. Bd. 77 S. 217, Bd. 88 S. 129, Bd. 91 S. 265), und ob daher die Abweisung der Klage in diesem Falle zwar nicht wegen mangelnder Zuständigkeit, wohl aber wegen Mangels jener anderweiten gleichartigen Prozeßvoraussetzung aufrecht zu erhalten wäre."