RG, 17.12.1881 - V 754/81
Geht die durch eine Vormerkung im Grundbuche gesicherte Verpflichtung zur Auflassung einer Gutsparzelle bei der notwendigen Subhastation in Ermangelung entgegenstehender Festsetzungen des Zuschlagsbescheides auf den Erwerber über?
Aus den Gründen
"Der Kläger hat das Rittergut G. P. in notwendiger Subhastation erstanden und ist infolgedessen als Eigentümer desselben im Grundbuche eingetragen worden. Bereits vor der Versteigerung stand auf dem Grundbuchblatte dieses Gutes eine Vormerkung für Beklagten - nach dessen Behauptung mit Bewilligung des Eigentümers - eingetragen zur Erhaltung des Rechtes auf Auflassung einer gekauften Gutsparzelle. Diese Vormerkung ist nach Berichtigung des Besitztitels für den Kläger stehen geblieben. Kläger verlangt, daß der Beklagte sich deren Löschung gefallen lasse und die zum Gute gehörigen Gebäude räume, welche er in Besitz genommen habe. Beklagter beantragt Zurückweisung der Klage und widerklagend Verurteilung des Gegners zur Auflassung der streitigen Parzelle.
Auf diesem Thatbestande beruht die angegriffene Entscheidung, welche zur Klage abändernd den Kläger mit dem Anspruche auf Löschung der Vormerkung abgewiesen, im übrigen sowie zur Widerklage die Berufung gegen das zur Klage verurteilende, zur Widerklage abweisende erste Erkenntnis zurückgewiesen hat.
Nur die Revision des Beklagten war begründet.
Mit Recht hat der Berufungsrichter den Antrag des Klägers auf Löschung der Vormerkung nicht für gerechtfertigt erachtet.
§. 8 des Gesetzes vom 5. Mai 1872 über den Eigentumserwerb bestimmt:
"Eine Vormerkung zur Erhaltung des Rechtes auf Auflassung ... kann nur unter Vermittelung des Prozeßrichters oder mit Bewilligung des eingetragenen Eigentümers ... eingetragen werden."
Darüber, welche Wirkung eine solche Eintragung hat, ist eine weitere Bestimmung in dem angezogenen Gesetze nicht gegeben. Es läßt sich dafür auch aus dem Allg. Landrechte eine Regel nicht entnehmen. Nahe liegt es zwar, auf den Grundsatz desselben zurückzugehen, nach welchem die Kenntnis von dem einem Anderen zustehenden Rechte zur Sache ein jüngeres Recht auf die Sache jenem gegenüber wirkungslos macht (A.L.R. I. 10. §. 25; I. 19. §. 5). Man könnte eine Anerkennung dieses Grundsatzes in dem §. 8 des angezogenen Gesetzes für den Fall finden, in welchem die Kenntnis von dem persönlichen Rechte zusammenfällt mit der Wahrscheinlichkeit eines bösen Glaubens. Denn die Bedingungen für die Eintragung der Vormerkung - richterliche Vermittelung und die damit notwendig verbundene richterliche Prüfung oder Bewilligung des eingetragenen Eigentümers - müssen zu Zweifeln führen über die Berechtigung des letzteren, das vorgemerkte Recht außer Beachtung zu lassen, welche schwerer wiegen als diejenigen, welche hervorgerufen werden durch die bloße Kenntnis eines älteren Rechtes, dessen Gültigkeit in seinem Ursprunge oder in seinem Fortbestande wegen mangelnder Gelegenheit und Veranlassung zur Prüfung in Frage gezogen werden darf. Aber auch für solchen besonderen Fall hat die Anwendung des landrechtlichen Grundsatzes Bedenken, weil die allgemeine Vorschrift des §. 4 des angeführten Gesetzes mit diesem Grundsatze gebrochen hat:
"Die Kenntnis des Erwerbers eines Grundstückes von einem älteren Rechtsgeschäfte, welches für einen anderen ein Recht auf Auflassung dieses Grundstückes begründet, steht dem Eigentumserwerbe nicht entgegen."
Ist man deshalb darauf angewiesen, lediglich aus dem mehrerwähnten §. 8 die Wirkung der Eintragung zu bemessen, so darf auch angenommen werden, daß der Gesetzgeber an dieser Stelle die nötige Norm hat geben wollen. Daraus ergiebt sich weiter, daß die Worte:
"Eine Vormerkung zur Erhaltung des Rechtes auf Auflassung" nicht bloß den Zweck haben, eine bestimmte Gattung von Vormerkung zu bezeichnen, sondern auch den Erfolg der Eintragung auszudrücken, sodaß also die Worte "zur Erhaltung" ebenso verstanden werden müssen, als wenn die Worte gebraucht wären, "durch welche das Recht auf Auflassung erhalten wird."
Geht man hiervon aus, so ist zu unterscheiden der Gegenstand des Rechtes, welches erhalten werden soll, und seine Richtung.
Erhalten wird nur etwas bereits bestehendes. Es handelt sich also um das Recht in dem Umfange, in welchem es zur Zeit der Eintragung bestehend war, auch bezüglich des Gegenstandes der Auflassung. Daraus folgt, daß eine nach der Eintragung erfolgende Belastung des Grundstückes dem Vorgemerkten nicht nachteilig sein kann.
Erhalten wird aber ferner ein solches Recht nur dann, wenn es nicht bloß geschützt wird gegen den Vertragsgenossen des Vorgemerkten und dessen Verfügungen - dazu genügt die Vertragsklage -, sondern auch gegen jeden Dritten, welchem durch solche Verfügungen Rechte bestellt worden sind. Verhindert wird die Bestellung solcher Rechte durch die Eintragung zwar nicht. Denn das vorgemerkte Recht, um welches es sich hier handelt, der Vertragsanspruch des Käufers auf Abtretung des Eigentumes der gekauften Sache, verändert seine rechtliche Natur nicht durch die Eintragung, es bleibt ein bloßes Recht zur Sache, schließt also an sich ein dingliches Recht auf dieselbe Sache nicht aus. Aber, weil es erhalten bleibt nach Inhalt und Umfang, so muß mit seiner Durchführung der Zustand wiederhergestellt werden, welcher zur Zeit der Eintragung vorhanden war; es muß also mit seiner Durchführung auf alle früheren Rechte resolvierend wirken.
Die vorstehend entwickelten allgemeinen Grundsätze müssen als solche auch auf die Zwangsversteigerung Anwendung finden, insofern nicht besondere Gesetze ein anderes vorschreiben. Bei der weiteren Erörterung ist nun vorweg der Fall auszuscheiden, in welchem in den Kaufbedingungen über den Fortfall oder Übergang der Vormerkung auf den Ersteher Bestimmung getroffen ist, weil sich ein solcher Fall nach anderen Gesichtspunkten regelt, auch hier nicht in Frage steht. Ebensowenig interessiert der gleichfalls nicht vorliegende Fall, in welchem das vorgemerkte Recht bei seiner Erhaltung Rechte voreingetragener Gläubiger schädigen würde, denen es unbedingt weichen muß.
Es handelt sich nur um den nach dem Thatbestande der Vorinstanz gegebenen Fall, in welchem jüngere Real- oder Personalgläubiger allein oder zusammen mit älteren aus den Kaufgeldern zur Befriedigung gelangenden Realgläubigern bei der Zwangsversteigerung beteiligt sind. Ist nun das Recht jüngerer Realgläubiger der Vormerkung gegenüber nur ein bedingtes, d. h. wird es resolviert, sobald das vorgemerkte Recht zur Durchführung gelangt, so muß dasselbe von dem Rechte gelten, welches sie in Ausübung ihres Rechtes an Andere übertragen (A.L.R. Einl. §. 101). Ein Recht des Erstehers gegenüber dem vorgemerkten Rechte auf Auflassung würde deshalb auch von diesem Gesichtspunkte aus nur unmittelbar aus dem Gesetze über die Wirkung der Zwangsversteigerung zu begründen sein.
Derartige besondere Vorschriften, welche das in Frage stehende Verlangen des Klägers begründen würden, existieren nicht.
Zunächst in Betracht kommt der §. 47 des angeführten Gesetzes über den Eigentumserwerb. Derselbe unterscheidet zwischen Hypotheken und Grundschulden einerseits und dinglichen Lasten, welche aus privatrechtlichen Titeln herrühren, andererseits. Von jenen wird das in einer Zwangsversteigerung erworbene Grundstück frei. Diese muß der Ersteher immer übernehmen, wenn ihnen keine Hypothek oder Grundschuld vorgeht.
"Gebote, durch welche der Bietende sich zur Übernahme derartiger einer Hypothek oder Grundschuld nachstehender Lasten bereit erklärt, dürfen nur dann berücksichtigt werden, wenn dieselben zugleich für sämtliche der zu übernehmenden Last vorgehende Hypotheken oder Grundschulden vollständige Deckung gewähren."
Es kann dahingestellt bleiben, ob Vormerkungen der in Rede stehenden Art zu den Lasten im Sinne der mitgeteilten Vorschrift zu rechnen sind oder nicht. Gehören sie nicht dazu, so kommt §. 47 überhaupt nicht in Frage. Gehören sie aber dazu, so gehen sie nach §. 47 auf den Ersteher jedenfalls über, wenn sie mit älteren Hypotheken oder Grundschulden nicht konkurrieren. Bei vorhandener Konkurrenz behandelt §. 47 nach seiner Fassung und Entstehungsgeschichte, wie letztere in dem Erkenntnisse des preuß. Obertribunales vom 7. Mai 1874 - Entsch. Bd. 72 S. 142 flg. - aus den Motiven und Verhandlungen über das betreffende Gesetz näher mitgeteilt wird, nur zwei Fälle. Den Fall, in welchem das Gebot die der Last vorstehenden Hypotheken oder Grundschulden nicht deckt; dann muß der Subhastationsrichter mit Ausschluß der Last ausbieten. Der andere Fall setzt voraus, daß der Bieter seine Bereitwilligkeit erklärt, die Last zu übernehmen.
Beide Fälle interessieren hier nicht. Der Fall aber, in welchem der Ersteher ein die der Last vorstehenden Schulden deckendes Gebot abgegeben hat, ohne daß wegen Übernahme der Last von ihm eine Erklärung abgegeben oder sonst darüber etwas bestimmt worden ist, bleibt nach den allgemeinen Gesetzen, namentlich nach A.L.R. I. 11. §§. 342 flg., zu entscheiden.
Das richtige Verständnis dieser Vorschriften ergiebt aber den Grundsatz, daß die in Rede stehenden Lasten in Ermangelung besonderer Abreden bezüglich besonderer Feststellungen im Zuschlagsurteile allemal auf den Ersteher übergehen, insofern dadurch nicht ältere Rechte geschädigt werden. §. 79 der Subhast.-O. vom 15. März 1869, welcher die Löschung aller nicht nach gesetzlicher Vorschrift auf den Ersteher übergehenden oder von ihm nicht namentlich übernommenen Realforderungen anordnet, läßt die Frage offen, was nach gesetzlicher Vorschrift der Ersteher übernehmen muß. Endlich trifft auch die im §. 43 und §. 13 Nr. 7 der Subhast.-O. vorgesehene Präklusion nicht das durch die Vormerkung gesicherte Recht des Käufers auf Auflassung des gekauften Grundstückes. Denn von dieser Präklusion werden nach klarer Bestimmung der angezogenen Stellen nur betroffen Rechte, welche ihrer Natur nach dinglich sind, aber der Eintragung ermangeln. Hier dagegen handelt es sich um ein seiner Natur nach persönliches, aber eingetragenes Recht. Ebensowenig läßt sich das Verlangen des Klägers aus der besonderen Eigentümlichkeit des öffentlichen Zwangsverkaufes begründen. Aufgabe eines jeden geordneten Verfahrens muß es zwar sein - und die Subhast.-O. v. 15. März 1869 erstrebt unzweifelhaft dasselbe Ziel - dafür möglichste Sicherheit zu gewähren, daß das durch den Zuschlag erworbene Eigentum nachträglicher Anfechtung entzogen bleibe. Dagegen scheint es auf den ersten Blick zu verstoßen, wenn der Ersteher den Anspruch des Vorgemerkten wider sich gelten lassen muß. Denn wenn dadurch auch formell das durch den Zuschlag erlangte Eigentumsrecht nicht berührt wird, so bleibt doch, wenigstens in der Hauptsache, dem tatsächlichen Erfolge nach der Nachteil des Erstehers derselbe, ob er aus diesem oder einem anderen rechtlichen Grunde das versteigerte Grundstück wieder herausgeben muß. Aber dieser Widerspruch mit der Absicht des Gesetzes ist nur ein scheinbarer. Das Gesetz will nur schützen und hat nur Veranlassung zu einem Schutze gegen unbekannte Ansprüche. Dem bekannten Rechte der Vormerkung gegenüber unterzieht sich der Ersteher wissentlich und aus freien Stücken der möglichen Gefahr, daß ihm das ersteigerte Grundstück wieder abgefordert wird. Er ist auch in der Lage gewesen, mit Rücksicht auf diese Möglichkeit sein Gebot zu bemessen und sich dadurch vor materiellem Schaden zu behüten. - Weitere besondere gesetzliche Vorschriften, welche für den vorliegenden Fall überhaupt in Betracht kommen könnten, sind nicht vorhanden. Er unterliegt daher der Anwendung der aus dem §. 8 des Gesetzes vom 5. Mai 1872 entwickelten allgemeinen Rechtsnormen.
Damit ergiebt sich die Zurückweisung der vom Kläger eingelegten Revision. In der angegriffenen Entscheidung ist schon darauf hingewiesen, daß das frühere preußische Obertribunal (Entsch. Bd. 74 S. 248) mit der hier vertretenen Ansichten grundsätzlich übereinstimmt."