RG, 25.11.1918 - VI 254/18
Zur Anwendung des § 313 Satz 1 BGB.
Tatbestand
Inhaltlich einer notariellen Urkunde vom 16. Juni 1913 hat der Kläger bekannt, dem Kaufmanne R. aus Frankfurt a. M. aus barem Darlehen 25000 M - nebst Zins - zu schulden, und sich verpflichtet, dieses Darlehen am 15. Juli 1914 zurückzuzahlen. Wegen dieser Verpflichtungen hat sich der Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde für die Zeit vom 16. Juli 1914 an unterworfen. R. hat seine Rechte hieraus dem Beklagten abgetreten, wogegen dieser die Darlehnssumme zugesagt und nach seiner Behauptung auch gewährt hat, nämlich 17500 M in bar, 7500 M in Grundstücken, die er dem R. verkauft hat. Unstreitig war zur Zeit der Beurkundung des Schuldbekenntnisses vom 16. Juni 1913 von der Schuldsumme an den Kläger noch nichts ausgezahlt; in der Folge sind Zahlungen geleistet worden.
Der Kläger hat verlangt, die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde vom 16. Juni 1913 solle für unzulässig erklärt werden, weil das Schuldbekenntnis durch Wucher und Betrug erlangt, die urkundliche Erklärung wie die Forderungsabtretung R.s an den Beklagten auch nur zum Schein abgegeben sei und die vom Beklagten am 10. März 1915 unternommene Zwangsvollstreckung auch für sich genommen eine betrügerische und deshalb gegen die guten Sitten verstoßende Handlung darstelle.
Das Kammergericht gab der Klage ohne Eingehen auf diese Begründung statt. Die Revision ist zurückgewiesen worden.
Aus den Gründen
... "Das Berufungsgericht hält für erwiesen, daß -- neben der Ausstellung der Schuldurkunde vom 16. Juni 1913 - zwischen R. und dem Kläger vereinbart worden sei, der Kläger müsse auf das Darlehen von 25000 M die vom Beklagten an R. verkauften Grundstücke übernehmen. Dadurch habe sich R. dem Kläger gegenüber, da diesem gesagt war, er solle die Grundstücke bekommen, und er sich zur Rückzahlung des vollen Darlehens von 25 000 M verpflichtete, zur Übertragung des Eigentums an diesen Grundstücken verpflichtet. Dieser Teil der Vereinbarung hätte daher zu seiner Rechtsgültigkeit nach § 313 BGB. der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung bedurft und sei, da es an dieser Form fehle, nichtig. Nach § 139 sei aber demgemäß das ganze Abkommen zwischen R. und dem Kläger einschließlich des Schuldbekenntnisses vom 16. Juni 1913 nichtig, da nach Sachlage angenommen werden müsse, daß R. das Geschäft mit dem Kläger allein bezüglich des (Bar-) Darlehens von 17500 M nicht abgeschlossen hätte, wenn er gewußt hätte, daß die Vereinbarung über die Übertragung der Grundstücke auf den Kläger nichtig sei.
Die Revision wendet hiergegen ein, diese Beurteilung verkenne die Interessenlage. Für M. habe kein Interesse daran bestanden, sich zur Übereignung der Grundstücke zu verpflichten. Ihm habe es genügen müssen, wenn der Kläger sich verpflichtete, die Grundstücke in Anrechnung auf den Darlehnsbetrag in Zahlung zu nehmen (hereinzunehmen), - eine Abrede, die der Formvorschrift des § 313 nicht unterliege. Ebensowenig habe der Kläger ein Interesse daran gehabt, die Grundstücke übereignet zu erhalten; nur notgedrungen habe er sich zu deren Übernähme bereit finden lassen, er habe bares Geld gewollt. Wäre ein auf Übertragung des Eigentums an den Grundstücken gerichteter Vertrag im Sinne des §313 geschlossen worden, so hätte der Kläger nur deren Auflassung und eine Darlehnssumme von 17500 M verlangen können. Würde dagegen nur eine Übernahmepflicht für den Kläger begründet, so habe dieser 7500 M in bar fordern können, wenn ihm die Grundstücke nicht übereignet wurden. R. sei auch die Formvorschrift des § 313 durchaus bekannt gewesen.
Diese Ausführungen vermögen das Urteil nicht zu erschüttern.
In der Rechtsprechung des Reichsgerichts steht grundsätzlich fest, daß, wenn durch den Vertrag eine Verpflichtung, das Eigentum an einem Grundstücke zu übertragen, festgesetzt ist, der Formzwang des § 313 nicht nur auf den diese Verpflichtung betreffenden Bestandteil des Vertrags, sondern auf alle Vereinbarungen sich erstreckt, aus denen sich nach dem Willen der Vertragschließenden der schuldrechtliche Veräußerungsvertrag zusammensetzen soll (vgl. RGZ. Bd. 93 S. 220 und die dort angef. Entsch., auch RGZ. Bd. 81 S. 134). Weiter ist in dieser Rechtsprechung anerkannt, daß Verträge rechtlich möglich sind, durch die nur der eine Teil zum Erwerb, nicht auch der andere zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstücke verpflichtet wird, und daß Verträge dieser Art der Formvorschrift des § 313 nicht unterliegen (RGZ. Bd. 81 S.134; Warneyer 1913 Nr. 396 S.470,1915 Nr. 42 S. 54 in Abs. 3, 1918 Nr. 71; vgl. auch RGZ. Bd. 82 S.302; Leipz. Z.1913 Sp. 293 Nr. 15, Sp. 851 Nr. 17; Komm. v. RGR. Erl. 1 zu § 313).
Indessen nimmt das Berufungsgericht nicht an, daß ein solcher Vertrag hier vorliege. Vielmehr wird aus den Ergebnissen der Beweisaufnahme und dem unstreitigen Sachverhalt gefolgert, der Vertragswille des Klägers und R.s sei dahin gegangen, daß jener die Grundstücke erhalten und volle 25000 M zurückzahlen solle. Daß hierbei die von der Revision hervorgehobene Interessenlage übersehen sei, dafür besteht kein Anhalt. Nach Umständen allerdings wird in der Tat ein Abkommen dahin, auf ein zugesagtes Darlehen Grundstücke oder andere Sachen in Zahlung zu nehmen, nur als eine dem Darlehnsgeber eingeräumte Vergünstigung, den Darlehnsnehmer statt Geldzahlung zum Teil anderweit abzufinden, dergestalt zu betrachten sein, daß nur der Darlehnsnehmer zur Hinnahme, zum Erwerb, nicht der Darlehnsgeber zur Übereignung verpflichtet sein solle. Ob und unter welchen näheren Voraussetzungen solchenfalls, sofern es sich um Grundstücke handelt, die Formvorschrift des § 313 eingreift oder nicht, braucht hier im allgemeinen nicht erörtert zu werden. Für den vorliegenden Fall nimmt das Berufungsgericht an, daß die Einigung der Parteien sich nicht darauf beschränkt habe, dem Darlehnsgeber jene Abfindungsbefugnis einzuräumen, sondern daß weitergehend eine Verpflichtung festgesetzt worden sei, die Grundstücke aus dem Eigentum des R. in das des Klägers zu überführen. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts, auf die tatsächlichen Umstände des Falles und die Auslegung des Vertragswillens gestützt, wie sie ist, läßt keinen Rechtsverstoß erkennen. Hat sich der Kläger in der Tat zur Zeit seines Abkommens mit R. - aus welchen Gründen immer - dazu bestimmen lassen, einer Übertragung des Eigentums an den Grundstücken unter Anrechnung von 7500 M auf den Darlehnsbetrag zuzustimmen, so kann es nicht für rechtsirrig erachtet werden, wenn das Berufungsgericht anderseits annimmt, R. habe damals eine Verpflichtung zur Übereignung übernommen, sich nicht nur eine dahingehende Befugnis einräumen lassen.
Ebensowenig erhellt ein Rechtsverstoß aus den weiteren Erwägungen des Berufungsgerichts, womit es in Anwendung des § 139 BGB. die Rechtsbeständigkeit des ganzen Darlehnsabkommens verneint. Insbesondere ist die Feststellung des Berufungsgerichts, daß R. dem Kläger das Darlehen nur aus den Mitteln geben konnte, die er von dem Beklagten erhielt, dieser aber zur Darlehnsgewährung nur bereit war, wenn die Grundstücke in Zahlung genommen wurden, geeignet und ausreichend, das Urteil zu tragen. Ohne Rechtsirrtum folgert das Berufungsgericht weiter, daß R. jene Grundstücke hiernach seinerseits kaufen mußte, dies aber nur tat in der Erwartung, daß der Kläger sie ihm abnehmen werde, und das Abkommen über die weiteren 17500 M des Darlehnskapitals nicht eingegangen wäre, wenn er gewußt hätte, daß das Übereinkommen bezüglich der Grundstücke ungültig sei.
Ist dem so, dann hat R. aus dem gesamten Darlehnsabkommen - einschließlich des klägerischen Schuldbekenntnisses - keinen Anspruch erworben, der Beklagte also auch keinen solchen wider den Kläger von R. übertragen erhalten können. Die Vollstreckung aus der eingangs bezeichneten Schuldurkunde ist mithin unzulässig (§ 797 Abs. 4, § 767 ZPO.; vgl. auch RGZ. Bd. 55 S. 101 und Jur. Wochenschr. 1905 S. 53 Nr. 29).
Die auf Grund des Darlehnsverhältnisses empfangenen, Geldzahlungen wird der Kläger allerdings nach Maßgabe des § 812 BGB. zurückzuerstatten haben, also unter besonderen rechtlichen Voraussetzungen, für die insbesondere auf § 818 Abs. 3 und § 822 hingewiesen sei. Für diesen Anspruch aber besteht keine vollstreckbare Urkunde, er ist hier gar nicht im Streite." ...