RG, 12.12.1883 - I 399/83

Daten
Fall: 
Verbindung der neu aufgefundenen Urkunde mit anderen Beweismitteln
Fundstellen: 
RGZ 14, 329
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
12.12.1883
Aktenzeichen: 
I 399/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hamburg
  • OLG Hamburg

1. Ist eine Verbindung der neu aufgefundenen Urkunde mit anderen Beweismitteln zum Zwecke der Begründung der Restitutionsklage nach §. 543 Nr. 7 lit. b C.P.O. zulässig?
2. Unbrauchbarkeit der Eideszuschiebung zur Begründung der Restitutionsklage.
3. Können in der mündlich in Verhandlung über die Restitutionsklage auch andere als die in der Klageschrift erwähnten Restitutionsgründe geltend gemacht werden?

Gründe

"Die Restitutionsklage ist vom Kläger darauf begründet worden, daß er nach dem Tage derjenigen mündlichen Verhandlung, auf welche das mittels jener angefochtene Berufungsurteil ergangen war, gewisse Urkunden aufgefunden habe, welche nach seiner Meinung bei rechtzeitiger Benutzung als Beweismittel eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Wenn nun das Oberlandesgericht die Restitutionsklage deswegen als unzulässig bezeichnet hat, weil die Urkunden nicht von dieser letzteren Beschaffenheit gewesen seien, so unterlag es freilich großen Bedenken, ob aus diesem Grunde "Unzulässigkeit" der Klage anzunehmen war, und ob nicht vielmehr die letztere richtiger als unbegründet wäre zurückgewiesen worden; dieser Punkt konnte jedoch auf sich beruhen, da die irrige Wahl des Ausdruckes in der Urteilsformel dem Kläger keinesfalls zur Beschwerde gereichen würde.

Was aber die Gründe selbst betrifft, aus welchen sich das Oberlandesgericht für die Zurückweisung entschieden hat, so ist zwischen den als Anlagen III und IV bezeichneten Urkunden einerseits und den als Anlagen V und VI bezeichneten andererseits zu sondern. Von den ersteren erkennt das Oberlandesgericht an, daß sie in Verbindung mit einem Beweise, daß sie seiner Zeit von F. mit Wissen der Beklagten dem Kläger zugesandt seien, möglicherweise eine dem Kläger günstigere Entscheidung bewirkt haben würden; es stellt aber fest, daß sie selbst für den letzterwähnten Beweis gar nichts erbringen, und daß sie ohne einen solchen Beweis völlig unerheblich seien, und nimmt ferner an, daß die Restitutionsklage auf eine Verbindung der neu aufgefundenen Urkunden mit anderen neuen Beweismitteln, als welche der Kläger hier das Zeugnis des F. über die Thatsache der Zusendung an ihn, den Kläger, und die Eideszuschiebung über das Wissen der Beklagten um diese Zusendung in Aussicht genommen hatte, nicht gestützt werden könne. Diesen letzten Entscheidungsgrund hat der Kläger angegriffen, jedoch an sich mit Unrecht. Allerdings können zum Beweise der Thatsachen, welche die Restitutionsklage begründen, zu welchen im Falle des §. 543 Nr. 7 lit. b C.P.O. die Erheblichkeit der neu entdeckten Urkunde gehört, alle Arten von Beweismitteln, wenn auch nach §. 544 Abs. 2 C.P.O. mit Ausnahme der Eideszuschiebung, benutzt werden; aber man kann eben nicht sagen, daß eine Urkunde im Sinne des §. 543 Nr. 7 lit. b erheblich sei, daß sie eine dem Restitutionskläger günstigere Entscheidung bewirkt haben würde, wenn sie dies nur in Verbindung mit anderen Beweismitteln gethan haben würde, die vor dem angefochtenen Urteile ebenfalls noch nicht beigebracht worden waren.1

Hiergegen läßt sich nicht einwenden, daß es sich ja um solche andere Beweismittel handeln könne, welche der Restitutionskläger ohne die Urkunde zu benutzen keine Veranlassung hatte, weil sie für sich allein unerheblich gewesen sein würden, die er aber, wenn die Urkunde schon aufgefunden gewesen wäre, ohne Zweifel gleichfalls früher benutzt haben würde; denn abgesehen davon, daß diese Betrachtung höchstens auf solche Beweismittel passen würde, von denen man wüßte, daß sie dem Restitutionskläger schon früher bekannt gewesen, daß sie für ihn nicht etwa gleichfalls neu aufgefunden seien, würde sie doch auch den Sinn der Gesetzesworte: "welche eine ihr günstigere Entscheidung herbei geführt haben würde", in einer unstatthaften Weise ausdehnen. Innere Gründe aber sprechen keineswegs für die von dem Kläger verlangte freiere Behandlung dieses Restitutionsgrundes; denn da das Gesetz nun doch einmal nicht alle Arten von, Beweismitteln in Ansehung demselben gleichgestellt, sondern, die Urkunden, in gewissem Sinne willkürlich, bevorzugt hat, so wäre nicht abzusehen, warum gerade von einer Verbindung von Urkunden und Zeugen gelten sollte, was von Zeugen allem unzweifelhaft doch niemals gelten könnte. Auch hat sich der Kläger ohne Grund hierbei auf das in den Entscheidungen in Civilsachen Bd. 7 S. 321 gedruckte Urteil des Reichsgerichtes berufen, indem dort nur gesagt ist, daß es genüge, wenn die neu aufgefundene Urkunde auch nur in Verbindung mit dem im früheren Verfahren Vorgebrachten als erheblich erscheine. Freilich ist nun aber anzuerkennen, daß der in thesi richtige Grund des Oberlandesgerichtes in hypothesi deshalb nicht völlig paßt, weil der neu vorgeschlagene Zeuge F. auch schon im früheren Verfahren vernommen worden war. Würde aus den Aussagen desselben bei seiner eventuellen Vernehmung jetzt hervorgehen, daß er, wenn ihm bei seiner früheren Abhörung die Anlagen III und IV vorgelegt wären, damals bekundet haben würde, daß er diese Urkunden dem Kläger zugesandt habe, so müßte allerdings die Sache aus dem Gesichtspunkte geprüft werden, welchen Einfluß solche Zeugenaussage auf die damalige Entscheidung geübt haben würde; denn wenn der Kläger die Urkunden damals schon aufgefunden gehabt hätte, so würde er unter Vorlegung derselben die betreffende Frage an den Zeugen F. haben richten können, da, wenn ein Zeuge einmal abgehört wird, die an denselben zu richtenden Fragen nicht gerade nur unmittelbar den Beweissatz, zu welchem er benannt worden ist, zu berühren brauchen, sondern auch Thatsachen, die mittelbar für denselben von Bedeutung sind, betreffen können. Dennoch war die Entscheidung des Oberlandesgerichtes in diesem Punkte aufrechtzuhalten, und zwar aus einem Grunde, auf den die vorigen Richter gleichfalls schon hingedeutet haben, nämlich deshalb, weil ein Teil des jedenfalls erforderlichen Beweises nicht durch den Zeugen F., sondern nur durch Eideszuschiebung vom Kläger angetreten worden ist. Die Entscheidungsgründe des Oberlandesgerichtes müssen offenbar dahin verstanden werden, daß die Urkunden Anlagen III und IV nur dann erheblich sein würden, wenn feststünde, sowohl daß sie von F. dem Kläger zugesandt seien, als auch daß dies mit dem Wissen der Beklagten geschehen sei, und dieser Beweisbeurteilung können auch Rechtsirrtümer in keiner Weise vorgeworfen werden. Nun ist aber der Beweis für das Wissen der Beklagten um die Zusendung nur durch Eideszuschiebung angetreten worden, während doch durch dieses Beweismittel nach §. 544 Abs. 2 C.P.O. die Thatsachen, welche die Restitutionsklage begründen, überhaupt nicht bewiesen werden können. Ganz ohne Grund nämlich will der Kläger diese Bestimmung auf die Fälle des §. 543 Nr. 1-5 einschränken, von welchen im ersten Absatze des §. 544 ausschließlich die Rede ist; sie geht nach ihrem klaren Wortlaute vielmehr auf alle Fälle der Restitutionsklage.

Was die als Anlagen V und VI bezeichneten Urkunden anlangt, so war zwar der Ansicht des Oberlandesgerichtes, daß es nicht ausgeschlossen sei, in der mündlichen Verhandlung über die Restitutionsklage andere als die in der Klageschrift erwähnten Restitutionsgründe geltend zu machen, welche ebenfalls die der Regierungsmotive zu dem entsprechenden Paragraphen, sowie aller Schriftsteller ist, unbedenklich beizutreten. Denn aus einer Vergleichung von §. 551 Abs. 1 Nr. 1 mit §. 550 C.P.O. ergiebt sich, daß, trotz der allgemeinen Bestimmung in §. 548, die §§. 230 Abs. 2 Nr. 2 und 235 Abs. 2 Nr. 3 auf die Restitutionsklage keine entsprechende Anwendung finden sollen. Andererseits fand sich aber auch gegen die Feststellung des Oberlandesgerichtes, trotz der Angriffe des Klägers, nichts zu erinnern. Die Begründung mit den Worten, daß die fraglichen Urkunden ihrem Inhalte nach "offensichtlich" eher zu Gunsten der beklagtischen, als der klägerischen Darstellung ins Gewicht fallen, ist nach Lage der Sache völlig ausreichend, da die Richtigkeit dieser Bemerkung jedem Unparteiischen sofort einleuchten muß." ...

  • 1. Durch diese Entscheidung hat nicht ausgeschlossen werden sollen, daß die Echtheit der Urkunde nach §§. 405 flg. C.P.O. mit anderen Beweismitteln dargethan werden könne.