RG, 19.04.1884 - I 81/84

Daten
Fall: 
Steuerforderung des Staates
Fundstellen: 
RGZ 14, 118
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
19.04.1884
Aktenzeichen: 
I 81/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Bremen
  • OLG Hamburg

Kann eine Steuerforderung des Staates eine Forderung aus einer Freigebigkeit des Gemeinschuldners im Sinne des §. 56 Nr. 4 der Konkursordnung sein?

Tatbestand

Das Generalsteueramt hatte im Konkurse des M. eine Forderung von 401,73 M an Einkommensteuer und Armensteuer für das Jahr 1882 angemeldet; der Ansatz war nach Maßgabe der betreffenden Steuergesetze auf Grund der eigenen Deklarationen des Gemeinschuldners über sein Einkommen der letzten Jahre gemacht. Der Konkursverwalter bestritt die Forderung u. a. deshalb, weil der Gemeinschuldner wissentlich fälschlich ein Einkommen, welches er gar nicht gehabt habe, deklariert habe, also die Forderung auf einer Liberalität des Gemeinschuldners beruhe. Auf Klage des Generalsteueramtes wurde aber die angemeldete Forderung festgestellt und die Revision des Beklagten vom Reichsgerichte für unbegründet erklärt.

Aus den Gründen

... "Mit Recht ist vom Oberlandesgerichte ... die Einwendung des Beklagten verworfen worden, die angemeldete Steuerforderung rühre, weil der Gemeinschuldner auch schon im Jahre 1880 gar kein Einkommen gehabt und dies wissend fälschlich am 13. Juni 1881 ein Einkommen von 18000 M deklariert habe, aus einer Freigebigkeit des Gemeinschuldners her und könne deshalb nach §. 56 Nr. 4 K.O. im Konkursverfahren nicht geltend gemacht werden. Dabei kommt es auf die in den vorigen Instanzen erörterten Fragen, worin bei einer Freigebigkeit der Zweck des Handelnden bestehen müsse, und ob eine Freigebigkeit im Rechtssinne ohne Bewußtsein des Bereicherten von dieser Beschaffenheit der Handlung möglich sei, gar nicht an. "Forderungen aus einer Freigebigkeit" können überhaupt nur solche Forderungen sein, deren Entstehungsgrund rechtlich in einem Rechtsgeschäfte des Schuldners besteht. Steuerforderungen des Staates haben aber ihren Ursprung nicht in einem Rechtsgeschäfte, sondern unmittelbar in einem staatsrechtlichen Rechtssatze, welcher unter bestimmten Voraussetzungen den dem Besteuerungsrechte des Staates Unterworfenen zur Entrichtung der betreffenden Steuer in einer bestimmten Höhe für verpflichtet erklärt. Mag unter jenen Voraussetzungen auch die Abgabe einer Erklärung des Steuerpflichtigen über die Höhe seines Einkommens erscheinen, so ist das für die, hier allein in Frage stehende, privatrechtliche Auffassung der Natur der Steuerforderung doch ganz gleichgültig: sie bleibt immer eine Forderung unmittelbar aus gesetzlicher Vorschrift und kann nie zu einer Forderung aus einer Freigebigkeit des Steuerpflichtigen werden." ...