RG, 01.12.1883 - I 381/83

Daten
Fall: 
Eidesweigerung auf den Nachprozess
Fundstellen: 
RGZ 11, 420
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
01.12.1883
Aktenzeichen: 
I 381/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hamburg, Kammer für Handelssachen
  • OLG Hamburg

Erstreckt sich die im §. 429 Abs. 2 C.P.O. festgesetzte Folge einer Eidesweigerung auch auf den Nachprozeß wegen Schadensersatzes, welchen der Gegner des den Eid Verweigernden gegen diesen deshalb anstellt, weil letzterer gegen ihn auf Grund eines Urteiles, das in höherer Instanz wegen der Eidesweigerung aufgehoben wurde, die Zwangsvollstreckung betrieben hat?

Tatbestand

Die jetzigen Beklagten D. & Co. hatten in einem Wechselvorprozesse als Kläger aus einem vom jetzigen Kläger K. acceptierten Wechsel diesen auf Zahlung in Anspruch genommen. K. hatte damals eingewendet, die Wechselkläger hätten die Verpflichtung, den Wechsel selbst einzulösen, übernommen. Da für diesen Einwand erstinstanzlich kein Beweis angetreten worden war, hatte das Gericht erster Instanz den K. verurteilt und das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt. Auf Grund dieses Urteiles hatten D. & Co. das Warenlager des K. pfänden und öffentlich versteigern lassen. In der Berufungsinstanz hatte aber K. seinen Einwand durch Eideszuschiebung unter Beweis gestellt, und es waren Kläger in dem zur Ableistung des Eides anberaumten Termine ausgeblieben. Das Berufungsgericht hatte hierauf infolge Antrages des K. erkannt, daß der Eid für verweigert anzusehen, und infolge ferneren Antrages des K. nach Ablauf der Einspruchsfrist auf Aufhebung des Urteiles erster Instanz und Abweisung der Klage sowie Erstattung des durch die Pfändung an D. & Co. gelangten Betrages erkannt. Hierauf hat K. wider D. & Co. Klage auf Ersatz des ihm durch die Pfändung verursachten Schadens erhoben. Entsprechend diesem Antrage ist in den Instanzen erkannt worden, weil D. & Co,, wenn sie, wie durch ihre Nichtleistung des Eides im Wechselprozesse feststehe, selbst zur Einlösung des Wechsels verpflichtet gewesen, danach schuldhafterweise eine Forderung, die ihnen nicht zustand, geltend gemacht und auf Grund derselben die Zwangsvollstreckung betrieben hätten. Das Reichsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Aus den Gründen

"Das Berufungsgericht spricht mit voller Deutlichkeit aus, daß, weil die jetzigen Beklagten im Vorprozesse den ihnen als Klägern zugeschobenen Eid nicht geleistet haben, nach §. 429 C.P.O. für den jetzigen Schadensprozeß vollbewiesen sei, daß sie sich verpflichtet hatten, dem damaligen Beklagten und jetzigen Schadenskläger Deckung auf den Wechsel zu verschaffen, bezw. den Wechsel vor Verfall einzulösen. Diese Rechtsansicht ist unzutreffend. Die Wirkung des §. 429 Abs. 2 C.P.O. beschränkt sich auf den Prozeß, in welchem die Eidesweigerung stattgefunden hat. Der Prozeß wegen Ersatz des durch Pfändung, auf Grund eines vorläufig vollstreckbaren Urteiles zugefügten Schadens ist gegenüber dem Prozesse, in welchem das in Vollzug gesetzte Urteil ergangen, ein durchaus selbständiger, und es muß in ihm völlig selbstständig geprüft werden, ob die Thatsachen, deren Entgegenstellung im Vorprozesse wegen Eidesweigerung zur schließlichen Abweisung des Anspruches geführt haben, wahr sind. Dabei mag der Umstand, daß die Partei, welcher die Thatsachen entgegengestellt wurden, die Leistung des über dieselben zugeschobenen Eides verweigert hat, für die Überzeugung von der Richtigkeit der Thatsachen im neuen Prozesse eine Anzeige bilden. In dieser Richtung hat das Berufungsgericht das prozessualische Verhalten der jetzigen Beklagten im früheren Rechtsstreite, für welches dieselben jetzt unter Aufrechthaltung des Bestreitens der dort unter Eid gestellten Behauptung eine Erklärung zu geben versucht haben, nicht gewürdigt. ...

Da, wie in dem Urteile des ersten Civilsenates des Reichsgerichtes vom 14. November 1883 i. S. W. w. C. Rep. I. 363/831 ausgeführt ist, die Verpflichtung zum Ersatze des durch Vollzug eines vorläufig vollstreckbaren Urteiles verursachten Nachteiles nicht schlechthin dadurch begründet wird, daß das Urteil wieder beseitigt wurde, so mußte das Urteil des Berufungsgerichtes aufgehoben werden. Dem Antrage der Revisionskläger, eine Sachentscheidung auf Abweisung der Schadensforderung zu treffen, konnte aber nicht entsprochen werden. Es bedarf dies thatsächlicher Würdigungen. Daß es dem Anspruche an der erforderlichen Begründung fehle, laßt sich nicht behaupten. Der Kläger erachtet die Thatsache, daß Beklagte im Vorprozesse den Eid verweigert haben, für die Bildung der Überzeugung von der Nichtigkeit der im Vorprozesse aufgestellten Einwände ausreichend, desgleichen beim Entgegenstehen der Einwandsthatsachen die Beklagten in Schuld, wenn sie trotz derselben den Wechselanspruch verfolgten. Es kann auch durchaus nicht geleugnet werden, daß die beanspruchten Schlußfolgerungen des Haltes nicht ohne weiteres entbehrten, sofern Beklagte nichts Thatsächliches gegen dieselben vorzubringen vermochten. Was aber die Frage anlangt, ob sich im Falle schuldhaften Eingriffes in das Vermögen des Beklagten eine Ersatzpflicht nach den Grundsätzen des maßgebenden bürgerlichen Rechtes begründen läßt, so erscheint die Begründung, welche das Berufungsgericht sowohl unter dem Gesichtspunkte widerrechtlicher und schädigender Entziehung des Sacheneigentumes wie unter dem einer im Falle einer wirklich ertheilten Zusage, den Wechsel selbst einzulösen, begangenen Verletzung einer Vertragspflicht angenommen hat, zutreffend."

  • 1. S. oben Nr. 111 S. 415. D. R.