RG, 22.11.1883 - II 264/83

Daten
Fall: 
Darlehnsforderung durch Novation einer Deliktsobligation
Fundstellen: 
RGZ 10, 395
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
22.11.1883
Aktenzeichen: 
II 264/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Köln
  • OLG Köln

Liegt eine Klagänderung vor, wenn aus barem Darlehn geklagt worden ist und später angegeben wird, die Darlehnsforderung sei durch Novation einer Deliktsobligation entstanden?

Gründe

"Der Kläger hat mit der schriftlichen Klage im Urkundenprozesse aus barem Darlehn die Summe von 5000 M nebst Zinsen unter Vorlage eines Darlehnsschuldscheines vom 10. März 1881 gefordert. Vor der mündlichen Verhandlung ist Kläger von dem Urkundenprozesse in der Art abgestanden, daß der Rechtsstreit im ordentlichen Verfahren anhängig blieb (§. 559 C.P.O.), und hat über die Entstehung des Schuldscheines angegeben, der Beklagte habe ihm durch unrechte That einen bedeutenden Schaden zugefügt, dessen Höhe mit 10 000 M fixiert worden sei, davon habe der Beklagte die Hälfte bar bezahlt und über den Rest einen Schuldschein ausgestellt, welcher später gegen die Klagurkunde ausgetauscht worden sei. Darin erblickte der Beklagte eine Klagänderung und widersprach derselben vor der Einlassung in der mündlichen Verhandlung. Der erste Richter hat aus diesem Grunde die Klage als unzulässig verworfen, wogegen der Kläger in der Berufungsinstanz hervorgehoben hat, der ursprüngliche Entschädigungsanspruch sei durch Novation in ein Darlehn verwandelt worden, also stehe das neue Vorbringen auf dem Boden der schriftlichen Klage.

Was das Berufungsgericht erwogen hat, kann nur so verstanden werden: Wenn auch eine Novation anzunehmen wäre, so läge doch nur ein fingiertes Darlehn vor, während die Klage ein bares Darlehn geltend mache, und dies bilde eine Klagänderung. Hierin liegt eine Verkennung des Wesens der Novation und ein Verstoß gegen §. 240 C.P.O. Nach Art. 1271 Nr. 1 Code civil können die Parteien jede Schuld in eine andere Verbindlichkeit umwandeln, wodurch die alte Schuld erlischt; die so geschaffene neue Verbindlichkeit hat alle Wirkungen, die ihr rechtlich zukommen. Also kann auch der Realkontrakt des Darlehns durch Novation geschaffen werden, was nicht eine Fiktion, sondern ein wirkliches Rechtsgeschäft ist, das alle Folgen eines durch Hingabe von Geld oder fungiblen Sachen erzeugten Darlehns im Sinne des Art. 1892 Code civil hat. Es ist rechtsirrtümlich, bei der Novation des Art. 1271 Nr. 1 Code civil von Fiktion zu reden, während es sich dabei um eine Manifestation des Parteiwillens handelt.

Die Tatbestände beider Instanzen geben nun keinen genügenden Anhalt dafür, daß der Kläger unter Aufgebung der Klage aus Darlehn eine Deliktsklage erhoben habe, was allerdings eine Änderung des Klagegrundes, also gemäß §. 240 C.P.O. eine Änderung der Klage bilden würde. Vielmehr kann das Vorbringen des Klägers so aufgefaßt werden, daß derselbe den Klagegrund des Darlehns festgehalten und nur die Entstehungsart seines Anspruches geändert hat. Nach der schriftlichen Klage hatte es den Anschein, als ob schon ursprünglich ein Darlehn vorgelegen habe, und dies hat der Kläger dahin geändert, daß seine Darlehnsforderung durch Novation einer früheren Deliktsobligation entstanden sei.

Nach der Vorschrift des §. 240 C.P.O. ist, entsprechend der Tendenz des neuen Prozeßgesetzes nach möglichst freier Gestaltung des mündlichen Verfahrens, auch dem Kläger gestattet, seine schriftliche Klage in jeder Beziehung zu modifizieren, soweit nicht die Änderung des Klagegrundes vorliegt, deren Zulässigkeit von der ausdrücklichen oder stillschweigenden Einwilligung des Beklagten abhängt (§. 235 Nr. 3 mit §. 241 C.P.O.).

Mit Rücksicht auf die obige Erörterung der rechtlichen Natur der Novation steht aber das aus einer anderen Verbindlichkeit durch Novation entstandene Darlehn rechtlich ganz gleich dem gewöhnlichen Darlehn, weshalb darin, daß vom Kläger an die Stelle des letzteren Anspruches ein durch Novation entstandenes Darlehn gesetzt worden ist, nicht eine Änderung des Klagegrundes gefunden werden darf, vielmehr liegt darin nur eine Berichtigung der thatsächlichen und rechtlichen Anführungen der schriftlichen Klage, welche zufolge §. 240 Nr. 1 C.P.O. dem Kläger auch ohne Einwilligung des Beklagten erlaubt ist."