BGH, 18.01.1996 - III ZR 121/95

Daten
Fall: 
Nichtexistierende Treuhandgesellschaft
Fundstellen: 
BB 1996, 503; DB 1996, 1915; DStR 1996, 473; EWiR 1996, 445; MDR 1996, 455; NJW 1996, 1053; WM 1996, 592; ZIP 1996, 459
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
18.01.1996
Aktenzeichen: 
III ZR 121/95
Entscheidungstyp: 
Urteil
Stichwörter: 
  • Falsus procurator, unternehmensbezogene Willenserklärung, Stellvertretung, Scheinfirma, Vollmacht, Haftung des vollmachtlosen Vertreters bei Handeln für eine nicht existierende Scheinfirma

Eine Haftung nach § 179 BGB tritt nicht ein, wenn der Vertreter zwar namens einer nichtexistierenden Scheinfirma handelt, hinter dieser Firma jedoch ein tatsächlicher Träger des Unternehmens steht, der als wirklicher Vertragspartner gewollt ist und dem Vertreter Vollmacht erteilt hat.

Tatbestand

Die Beklagten - nach eigenen Angaben selbständige Versicherungsmakler - unterhielten in S. eine Bürogemeinschaft mit dem Devisenhändler V. S. Die Klägerin trat mit dem Beklagten zu 1 über einen gemeinsamen Bekannten in Verbindung, der ihr erklärt hatte, daß die Beklagten besonders zinsgünstige Kapitalanlagen anböten. Am 25. März 1994 schloß die Klägerin als "Treugeber" mit einer Firma "V. Investments Inc. International Bond & Investment Corp., 418 T. A., C. C. 32920 Fl./USA" als "Treuhänder" einen Vertrag über eine internationale Kapitalanlage mit einem Kapitalbetrag von 50.000 DM mit einer Renditegarantie von 10 Prozent jährlich. Die Kapitalanlage sollte durch einen "Sicherungsfonds" abgesichert werden. Die Vertragsurkunde wurde durch den Beklagten zu 1 für beide Beklagte als Bevollmächtigte des Treuhänders unterzeichnet. Die Klägerin händigte dem Beklagten zu 1 den Anlagebetrag von 50.000 DM in bar aus; der Verbleib dieses Betrages ist streitig.

Die in dem Vertrag als Treuhänder bezeichnete Firma existiert tatsächlich nicht. Der Devisenhändler V. S. hatte unter dieser Bezeichnung Anlagengeschäfte in erheblichem Umfang getätigt. Ende April 1994 schied er durch Freitod aus dem Leben. Über seinen Nachlaß wurde das Nachlaßkonkursverfahren eröffnet, in dem Forderungen geschädigter Anlagekunden in Höhe von über 100 Mio. DM angemeldet sind.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Rückzahlung des Anlagebetrages von 50.000 DM. Sie trägt vor, der Beklagte zu 1 habe sie dadurch irregeführt, daß er die Anlage als seriös und sicher dargestellt habe. Außerdem hafteten die Beklagten als Vertreter ohne Vertretungsmacht, da sie als Bevollmächtigte einer nicht existierenden juristischen Person aufgetreten seien.

Das Berufungsgericht hat die Beklagten antragsgemäß als Gesamtschuldner zur Zahlung an die Klägerin verurteilt, Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Klägerin gegen die Treuhänderin.

Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten nach § 179 BGB bejaht. Es hat ausgeführt, die Beklagten hätten den Vertrag vom 25. März 1994 als Bevollmächtigte der darin bezeichneten amerikanischen Treuhandgesellschaft geschlossen, die aber in Wirklichkeit nicht existiert habe. Deshalb hafteten die Beklagten als Vertreter ohne Vertretungsmacht.

Hiergegen wendet sich die Revision der Beklagten mit Recht.

2. Richtig ist allerdings, daß vollmachtloser Vertreter im Sinne des § 179 Abs. 1 BGB nicht nur derjenige ist, der ohne rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Vertretungsmacht im Namen eines Dritten tätig wird. Die Vorschrift ist vielmehr auch dann entsprechend anzuwenden, wenn jemand im Namen einer nicht vorhandenen Person vertragliche Vereinbarungen trifft, der angeblich Vertretene also gar nicht existiert (BGHZ 105, 283, 285 [BGH 20.10.1988 - I ZR 219/87] m.w.N.).

3. Hiervon sind jedoch diejenigen Fälle zu unterscheiden, in denen der Vertreter für eine tatsächlich existierende Person als Trägerin eines bestimmten Unternehmens mit deren Vollmacht handelt und die von ihm vertretene Partei in dem Vertrag lediglich unrichtig bezeichnet wird. Bei derartigen unternehmensbezogenen Geschäften geht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Wille der Beteiligten im Zweifel dahin, daß der wahre Betriebsinhaber Vertragspartner werden soll (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 13. Oktober 1994 - IX ZR 25/94 = NJW 1995, 43, 44 m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn der Geschäftspartner den Vertreter für den Betriebsinhaber hält oder sonst unrichtige Vorstellungen über die Person des Betriebsinhabers hat (BGHZ 62, 216, 221; 64, 11, 15; 91, 148, 152 [BGH 07.05.1984 - II ZR 276/83]/153; 92, 259, 268; Palandt/Heinrichs, BGB, 55. Aufl. 1996, § 164 Rn. 2). Eben dies war hier nach dem dem Revisionsverfahren zugrundezulegenden Sachvortrag der Beklagten der Fall: In der Vertragsurkunde war eindeutig und auch seitens der Klägerin unbestritten zum Ausdruck gebracht, daß die Beklagten nicht im eigenen Namen, sondern namens der Treuhänderin tätig wurden. Tatsächlicher Träger des Treuhandunternehmens war nach dem Vorbringen der Beklagten der Devisenhändler V. S., der den von der Klägerin eingezahlten Betrag auch für diese anlegen sollte. Dementsprechend sind die Beklagten als bloße Bevollmächtigte des wahren Unternehmensträgers nicht selbst verpflichtet worden (§ 164 Abs. 1 BGB). Wegen der bloßen Fehlbezeichnung kommt dann eine Haftung der Beklagten auch nach § 179 BGB nicht in Betracht. Die benannte amerikanische Firma als juristische Person existierte zwar nicht, wohl aber der als Vertragspartner der Klägerin gewollte Träger des Handelsgeschäfts. Auf Fälle dieser Art den § 179 BGB auszudehnen und damit dem Gläubiger einen zusätzlichen Schuldner zum Geschäftsinhaber zu geben, besteht kein Grund (vgl. zu diesen Grundsätzen insbesondere BGHZ 91, 148, 153 [BGH 07.05.1984 - II ZR 276/83], betreffend die Vertreterhaftung für eine nicht existierende GmbH in Gründung). Unterstrichen wird dies im vorliegenden Fall auch dadurch, daß die Klägerin in beiden Vorinstanzen durchgängig vorgetragen hat, bei der Anlageberatung durch den Beklagten zu 1 hätten weder die Person des V. S. noch die angebliche Treuhandgesellschaft eine Rolle gespielt. Daraus ist nämlich zu entnehmen, daß die Anlageentscheidung der Klägerin nicht etwa durch ein besonderes Vertrauen gerade in die Existenz der Treuhänderin als ausländischer juristischer Person mitbeeinflußt worden ist. Das Risiko, daß V. S. als Inhaber des Unternehmens die ihm treuhänderisch überlassene Einlage möglicherweise veruntreut und die Treuhänderin nur vorgeschoben hat, um nicht selbst Vertragspartner der Anleger zu werden, liegt außerhalb des Schutzbereichs der Vertreterhaftung nach § 179 BGB.

4. Das Berufungsurteil kann daher mit der ihm gegebenen Begründung nicht bestehenbleiben. Eine abschließende eigene Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Unabhängig von der Vertreterhaftung nach § 179 BGB kommt nämlich im vorliegenden Fall eine Haftung der Beklagten aus weiteren Rechtsgründen in Betracht, die das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - offengelassen hat. Zu denken ist insbesondere an eine Eigenhaftung des Vertreters aus Verschulden bei Vertragsschluß (vgl. dazu die in BGHR BGB vor § 1/Verschulden bei Vertragsschluß Vertreterhaftung Nr. 1-15 veröffentlichten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs), ferner an eine Haftung als Anlageberater und/oder -vermittler, als Beauftragter oder aus unerlaubter Handlung. In diesem Zusammenhang könnte von Bedeutung werden, ob es sich bei den von V. S. betriebenen Geschäften um verbotene Einlagengeschäfte im Sinne des § 1 Nr. 3 des Kreditwesengesetzes gehandelt hat (vgl. zu dieser Verbotsvorschrift Senatsurteil vom 9. März 1995 - III ZR 55/94 = NJW 1995, 1494, für BGHZ vorgesehen) und ob den Beklagten dies hätte erkennbar sein müssen. - Des weiteren bedarf gegebenenfalls auch die Frage eines mitwirkenden Verschuldens der Klägerin einer neuen Bewertung.