BGH, 26.02.1988 - V ZR 231/86

Daten
Fall: 
Unwiderruflich erteilte Vollmacht
Fundstellen: 
DB 1988, 1211; DNotZ 1989, 84; JZ 1988, 873; MDR 1988, 659; NJW 1988, 2603; WM 1988, 714; ZIP 1988, 723
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
26.02.1988
Aktenzeichen: 
V ZR 231/86
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Thumm, Eckstein, Hagen, Linden, Räfle
Instanzen: 
  • OLG Stuttgart, 14.08.1986

1. Eine unwiderruflich erteilte Vollmacht, der keine Kausalvereinbarung zugrunde liegt, ist frei widerruflich.
2. Die vom Treuhandeigentümer dem Treugeber unwiderruflich erteilte Vollmacht zur Verwaltung, Veräußerung und Belastung des Treuguts (hier: Teileigentum) kann in der Regel dann widerrufen werden, wenn die der Vollmacht zugrundeliegende Abrede nur Belastungen erlaubt, der Treugeber aber die Sache verkauft (Abgrenzung zu BGH Urt. v. 20. März 1972, II ZR 52/71, WM 1972, 588).

Tenor

Die Revision gegen das Teilurteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 14. August 1986 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Beklagte verkaufte dem Kläger durch notariellen Vertrag vom 22. März 1984 seinen Miteigentumsanteil an dem Grundstück R. straße 21 in S. G. mit dem zugehörigen Sondereigentum an einem Laden im Erdgeschoß des Hauses. Gleichzeitig wurde die Auflassung beurkundet. Der Eigentumswechsel ist im Grundbuch eingetragen. Nach § 2 des Vertrages betrug der Kaufpreis 610.000 DM. Der Kläger verpflichtete sich, bis zur Höhe dieses Betrages als Mitschuldner -"kumulative bestärkende Schuldübernahme"- die durch Grundschulden gesicherten Forderungen der Volksbank - Raiffeisenbank S. G. zu tilgen; für den Fall eines geringeren als des mit 610.000 DM (nebst Zinsen ab 22. März 1984) angenommenen Forderungsstandes sollte der Kläger den Differenzbetrag nach Beendigung des Schuldverhältnisses mit der Bank an den Beklagten zahlen.

In einer weiteren notariellen Urkunde vom 22. März 1984 bevollmächtigte der Kläger den Beklagten unwiderruflich und unter Befreiung von dem Verbot des § 181 BGB zur Verwaltung, Veräußerung und Belastung des Teileigentums. Diese Vollmacht widerrief der Kläger durch notariell beurkundete Erklärung vom 8. Juli 1985. Er forderte mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 10. Juli 1985 den Beklagten zur Herausgabe der Vollmachtsurkunde auf. Beide Erklärungen sind dem Beklagten spätestens am 16. Juli 1985 zugegangen. Am gleichen Tage verkaufte der Beklagte durch notariellen Vertrag, ergänzt durch beurkundete Erklärungen vom 19. und 21. August 1985, das Teileigentum im Namen des Klägers an Jürgen S. und ließ es diesem auf. Die Eigentumsumschreibung ist noch nicht erfolgt.

Der Kläger hat die Feststellung beantragt, daß die Vollmacht unwirksam sei, hilfsweise, daß sie seit dem 8. Juli 1985, äußerst hilfsweise, daß sie seit dem 16. Juli 1985 nicht mehr bestehe. Darüber hinaus hat er beantragt, den Beklagten zur Herausgabe der diesem erteilten Ausfertigung der Vollmachtsurkunde zu verurteilen. Er hat den Standpunkt vertreten, die Vollmacht sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig; jedenfalls aber habe er sie wirksam widerrufen, weil der Beklagte unter Mißbrauch der Vollmacht, die ihm nur zwecks Beratung und Vertretung bei der Verwaltung erteilt worden sei, mit notarieller Urkunde vom 8. August 1984 Rechtsanwalt St. ein Vorkaufsrecht für einen noch zu benennenden Dritten eingeräumt habe und zur Sicherung eine Vormerkung habe eintragen lassen sowie später das Teileigentum an Schierenberg verkauft habe.

Demgegenüber hat der Beklagte vorgetragen, die Vollmacht habe seine Rechte aus einer am 22. März 1984, zeitlich vor den an diesem Tage notariell beurkundeten Rechtsgeschäften, geschlossenen privatschriftlichen Vereinbarung sichern sollen. Darin sei ihm die alleinige Verwaltung des Teileigentums übertragen und die Befugnis eingeräumt worden, es für seinen Kreditbedarf mit Grundpfandrechten zu belasten; außerdem sei beiden Parteien das Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag vorbehalten worden. Verabredeter Zweck des Vertragswerks sei gewesen, daß im Hinblick auf sein Ehescheidungsverfahren das Teileigentum nur treuhänderisch auf den Kläger habe übergehen sollen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat durch Teilurteil den Beklagten zur Herausgabe der Vollmachtsurkunde verurteilt.

Mit der Revision will der Beklagte die Abweisung des Herausgabeanspruchs erreichen.

Der Kläger beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht hält den Anspruch des Klägers auf Herausgabe der Vollmachtsurkunde gemäß § 175 BGB für begründet. Es läßt offen, ob das Vorbringen des Klägers oder das des Beklagten richtig ist, weil der Kläger jedenfalls nach dem vom Beklagten vorgenommenen Verkauf des Teileigentums an S. zum Widerruf der Vollmacht berechtigt gewesen sei.

Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

1.

Von der Schlüssigkeit des Herausgabeanspruchs ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen. Insoweit sind auch keine Revisionsrügen erhoben.

a)

Lag der Vollmacht, wie vom Kläger behauptet, die Vereinbarung zugrunde, daß ihn der Beklagte bei der Verwaltung des Teileigentums beraten und gegebenenfalls vertreten solle, so ist schon fraglich, ob die Vollmacht bei einem solchen, allein dem Interesse des Vollmachtgebers dienenden Auftragsverhältnis überhaupt unter Ausschluß des Widerrufsrechts erteilt werden konnte (vgl. BGH Urt. v. 13. Mai 1971, VII ZR 310/69, WM 1971, 956 f). Jedenfalls aber konnte sie aus wichtigem Grund widerrufen werden (BGH Urt. v. 12. Mai 1969, VII ZR 15/67, WM 1969, 1009 undv. 8. Februar 1985, V ZR 32/84, WM 1985, 646, 647). Dieser lag in der Tatsache, daß der Beklagte das Teileigentum des Klägers entgegen der für den Gebrauch der Vollmacht getroffenen Rechtsgrundabrede an S. verkauft hat. Zwar hat sich der Kläger auf diesen Grund erst im Rechtsstreit berufen; das genügt jedoch, weil mit dem diesbezüglichen Vorbringen konkludent ein erneuter Widerruf erklärt worden ist.

b)

Dem Berufungsgericht ist auch in der Auffassung zu folgen, daß die Vollmacht selbst dann, wenn ihr die vom Kläger behauptete Rechtsgrundabrede nicht zugrunde gelegen haben sollte, mit Recht widerrufen worden wäre. Die Befugnis zum jederzeitigen Widerruf einer derartigen isolierten Vollmacht ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt (RGZ 62, 334, 337; BGH Urt. v. 16. Mai 1963, VII ZR 209/61 - unveröffentlicht; KG DNotZ 1980, 166, 167; OLG Zweibrücken OLGZ 1985, 45, 46; BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl. § 168 Rdn. 2; Soergel/Schultze-von Lasaulx, BGB 11. Aufl. § 168 Rdn. 26; Palandt/Heinrichs, BGB 47. Aufl. § 168 Anm. 3 b; Flume, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts Bd. II 3. Aufl. § 53, 4; von Tuhr in Festschr. für Laband 1908 S. 50; a.M. Enneccerus/Nipperdey, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts 15. Aufl. § 186 IV 2 b; Staudinger/Dilcher, BGB 12. Aufl. § 168 Rdn. 17). Denn ohne ein der Vollmacht zugrundeliegendes Kausalverhältnis gibt es keinen rechtfertigenden Grund, den Vollmachtgeber an den einseitig erklärten Ausschluß des Widerrufsrechts zu binden (vgl. Prot. I 144 f; KG aaO; BGB-RGRK/Steffen aaO; MünchKomm/Thiele 2. Aufl. § 168 Rdn. 32). Wenn schon eine nach dem Kausalverhältnis unwiderrufliche Vollmacht (§ 168 Satz 2 BGB) aus wichtigem Grund widerrufen werden darf (Senatsurt.v. 8. Februar 1985, V ZR 32/84, WM 1985, 646, 647 m.w.N.), muß die Befugnis zum Widerruf einer isolierten Vollmacht erst recht, und zwar auch ohne wichtigen Grund möglich sein, weil es dann mangels eines der Bevollmächtigung zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses an einem Beurteilungsmaßstab für die Frage des Bestehens eines wichtigen Grundes fehlt.

2.

Rechtsfehlerfrei ist die Ansicht des Berufungsgerichts, der Herausgabeanspruch nach § 175 BGB sei auch auf der Grundlage des Sachvortrages des Beklagten gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht unterstellt die Behauptung des Beklagten als wahr, der ihm unwiderruflich erteilten Vollmacht habe die privatschriftliche Vereinbarung vom 22. März 1984 zugrunde gelegen. Danach aber, so meint der Tatrichter, sei der Beklagte ausschließlich zur Belastung des Teileigentums, nicht hingegen zur Veräußerung berechtigt gewesen. Der vom Beklagten behauptete Zweck der "Transaktion", dem Kläger das Teileigentum lediglich zu treuhänderischem Erwerb zu übertragen, habe eine Veräußerungsbefugnis nicht unabdingbar erfordert, weil sich der Treugeber in der Regel die Verfügungsmöglichkeit durch den im Innenverhältnis bestehenden Anspruch gegen den Treuhänder auf Rückübertragung des Eigentums verschaffen könne. Die Vereinbarung vom 22. März 1984 könne nicht entgegen ihrem einschränkenden Wortlaut ausgelegt werden. Der Beklagte habe infolgedessen durch den Verkauf an S. gegen die von ihm vorgetragene Rechtsgrundabrede der Bevollmächtigung verstoßen und damit einen wichtigen Grund zum Widerruf der Vollmacht gegeben.

Diese Ausführungen halten der Revision stand.

a)

Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß dem Beklagten bei dem von ihm behaupteten Zweck des Rechtsgeschäfts - einer nur treuhänderischen Eigentumsübertragung - ein Anspruch gegen den Kläger auf Rückübertragung des Teileigentums zustehen kann. Wenn der Tatrichter gleichwohl die privatschriftliche Vereinbarung vom 22. März 1984 dahin auslegt, sie habe den Gebrauch der Vollmacht allein für den Zweck einer den Kreditbedarf des Beklagten sichernden Belastung des Teileigentums erlaubt, so ist das eine mögliche Auslegung. Dies gesteht auch die Revision zu. Die Rüge, das Berufungsgericht habe sich durch die Annahme, ein Treugeber könne sich in der Regel schon durch den ihm aus dem Innenverhältnis zustehenden Rückübertragungsanspruch gegen den Treuhänder die Verfügungsmöglichkeit über das Treugut verschaffen, in der Auslegung gebunden gefühlt, trifft nicht zu. Denn nicht allein auf diesen Gesichtspunkt stellt die Auslegung ab, sondern auch auf Wortlaut und Erklärungssinn der Vereinbarung. Eine die Veräußerungsbefugnis einschließende Vertragsauslegung brauchte sich hiernach dem Berufungsgericht nicht aufzudrängen. Was die Revision dazu vorbringt, liegt auf tatrichterlichem Feld. Treuhandabrede und Vollmachtsvereinbarung müssen nicht notwendig deckungsgleich sein.

b)

Wenn aber der Beklagte - wie hier zu unterstellen ist - von der Vollmacht abredewidrig Gebrauch gemacht hat, dann ist ein wichtiger Grund zum Widerruf gegeben. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Beklagte, wovon das Berufungsgericht auszugehen scheint, nach der behaupteten Treuhandvereinbarung jederzeit Rückübertragung des Teileigentums auf sich hätte verlangen, zudem nach Ziff. 4 der privatschriftlichen Vereinbarung vom 22. März 1984 auch den Rücktritt vom Kaufvertrag hätte erklären können und dann zur Weiterveräußerung in der Lage gewesen wäre. Denn es ist ein Unterschied, ob der Treugeber in dieser Weise vorgehen muß und dabei etwaigen Gegenansprüchen des Treuhänders ausgesetzt ist oder ob er ihn durch Mißbrauch der Vollmacht von der Mitwirkung an der Rückübertragung ausschalten kann. Es ist weder festgestellt noch hinreichend dargetan, daß hier der Vollmachtsmißbrauch den Kläger im Ergebnis nicht schlechter gestellt habe, als dieser sich bei einem Verlangen des Beklagten nach Rückübertragung des Teileigentums gestanden hätte.

c)

Unbegründet ist auch die Rüge, der Kläger habe die Vollmacht selbst dann, wenn ein wichtiger Grund zum Widerruf vorgelegen haben sollte, nur entziehen können, falls er zugleich das vom Beklagten behauptete Treuhandverhältnis gekündigt hätte.

Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden (Urt. v. 20. März 1972, II ZR 52/71, WM 1972, 588), daß ein fremdnütziger Treuhänder, der den Treugeber umfassend zur Verwaltung, Verfügung und Nutznießung bevollmächtigt hat, diese Vollmacht nur bei gleichzeitiger Kündigung des Treuhandverhältnisses widerrufen darf, weil beides untrennbar zusammengehört. Im dortigen Fall bestand jedoch kein wichtiger Grund zum Widerruf, weil das Treuhandverhältnis, auf dem die Bevollmächtigung beruhte, nur dem Interesse des Treugebers diente und darum der Bestand der Vollmacht an die Dauer des Treuhandverhältnisses gebunden blieb. Hier hingegen lag der Vollmacht nach tatrichterlicher Unterstellung die privatschriftliche Vereinbarung vom 22. März 1984 zugrunde, und diese beschränkte nach tatrichterlicher Auslegung den Gebrauch der Vollmacht auf Belastungen des Teileigentums. Somit ist hier, da der Beklagte die Vollmacht abredewidrig ausgenutzt hat, nach dem maßgebenden Kausalverhältnis (vgl. BGH Urt. v. 12. Mai 1969, VII ZR 15/67, WM 1969, 1009 unter Nr. 3) ein wichtiger Grund zum Widerruf gegeben. In einem solchen Fall steht die Fortdauer des Treuhandverhältnisses nicht dem Widerruf der Vollmacht entgegen, weil das der Kausalabrede widerspräche. Es ist dann vielmehr Sache des Treugebers, also des Beklagten, die Treuhandvereinbarung zu kündigen. Er mag auch berechtigt sein, vom Kläger eine neue Vollmacht mit den sich aus der Rechtsgrundabrede ergebenden Einschränkungen zu verlangen. Das ist jedoch nicht geltend gemacht.

3.

Das Berufungsgericht hat demnach zu Recht dem Anspruch des Klägers auf Herausgabe der Vollmachtsurkunde stattgegeben. Die Revision des Beklagten ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.