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BVerwG, 29.01.1987 - 2 C 34.85

Daten
Fall: 
Ehrenrührigen dienstlichen Beanstandung
Fundstellen: 
BVerwGE 75, 354; DVBl 1987, 738; JZ 1987, 422; NJW 1987, 2529
Gericht: 
Bundesverwaltungsgericht
Datum: 
29.01.1987
Aktenzeichen: 
2 C 34.85
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Fischer, Franke, Lemhöfer, Sommer, Müller
Instanzen: 
  • VG Hannover, 03.09.1981 - 2 A 325/80
  • OVG Niedersachen, 04.09.1984 - 5 OVG A 29/82

Amtlicher Leitsatz

Ein Beamter hat keinen Anspruch gegen seinen Vorgesetzten persönlich auf Widerruf einer ehrenrührigen dienstlichen Beanstandung.

Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 4. September 1984 wird im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es der Berufung und der Klage stattgegeben hat.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 3. September 1981 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Gründe

I.

Der klagende Bundesbahnbeamte war als Kundenberater bei einer Generalvertretung der Deutschen Bundesbahn in Braunschweig tätig. Der beklagte Bundesbahnbeamte war Leiter dieser Generalvertretung und unmittelbarer Dienstvorgesetzter des Klägers. Dieser hatte ihm seine monatlichen Dienstreise-Abrechnungen zur Abzeichnung als "sachlich richtig" vorzulegen.

Über die Abrechnung eines Monats kam es zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu Differenzen hinsichtlich zweier Dienstreisen. Für eine Dienstreise hatte der Kläger im Dienstreisetagebuch den Antritt der Hinreise mit 7.00 Uhr angegeben. Hinsichtlich einer zweiten Dienstreise hatte er die Abfahrtszeit mit 7.20 Uhr und die Beendigung der Rückreise mit 13.38 Uhr eingetragen. Als dem Beklagten das Dienstreisetagebuch zur Abzeichnung vorlag, ließ dieser den Kläger zu sich kommen und erklärte ihm, er habe ihn an beiden Tagen morgens gegen 8.50 Uhr am D-Zug auf dem Bahnsteig des Hauptbahnhofs gesehen. Ebenso habe er ihn am Tag der zweiten Reise abweichend von seinen Angaben schon wieder um 12.42 Uhr auf dem Hauptbahnhof gesehen - dieser letztere Punkt ist noch allein im Streit -. Nachdem der Beklagte dem Kläger erklärt hatte, er könne die sachliche Richtigkeit seiner Angaben im Dienstreisetagebuch nicht bescheinigen, und ihm eine Berichtigung anheimgestellt hatte, änderte der Kläger die Hinreisezeiten und strich später sämtliche Eintragungen für den Tag der zweiten Reise.

Wegen dieser Begebenheit verlängerte die Bundesbahndirektion auf Vorschlag des Beklagten die Probezeit des Klägers auf dem ihm übertragenen Beförderungsdienstposten um drei Monate. Ferner wurde der Kläger auf Antrag des Beklagten zur Bundesbahndirektion abgeordnet und später dorthin versetzt. Aufgrund eines mit der Bundesbahndirektion geschlossenen außergerichtlichen Vergleichs wurde er befördert und besoldungsrechtlich so gestellt, als sei die Beförderung bereits früher erfolgt. Inhalt des Vergleichs war ferner, daß der Kläger auf das von ihm beantragte disziplinarrechtliche Selbstreinigungsverfahren verzichtete.

Auf die inzwischen beim Landgericht Hannover gegen den Beklagten erhobene Klage auf Rücknahme seiner die beiden Dienstreisen betreffenden Behauptungen hat das Landgericht den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht verwiesen. Dieses hat die Klage abgewiesen: Bei den streitbefangenen Behauptungen handele es sich um dienstliche Äußerungen, die der Beklagte in seiner damaligen Eigenschaft als unmittelbarer Dienstvorgesetzter getan habe und derentwegen sich der Kläger allein an den Dienstherrn halten könne.

Die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht nach Beweiserhebung hinsichtlich des ersten streitigen Reisetages zurückgewiesen. Hinsichtlich des zweiten streitigen Reisetages hat es das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und den Beklagten verurteilt, die Behauptung zurückzunehmen, der Kläger sei am Tag der zweiten Reise entgegen seinem Reisekostenantrag. um 12.42 Uhr nicht mehr im Raum H. bei Kundenbesuchen, sondern bereits in B. am Hauptausgang des Hauptbahnhofs gewesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht insbesondere ausgeführt:

Grundsätzlich habe sich der Kläger wegen des Widerrufs der aus seiner Sicht ehrkränkenden dienstlichen Äußerung seines damaligen Vorgesetzten an den Dienstherrn und nicht an den Beklagten zu halten, weil in der Regel der Dienstherr ein vorrangiges Interesse an der herbeizuführenden Klärung habe (BGHZ 34, 99 ff.). Der Beklagte habe die streitbefangenen Behauptungen als dienstliche Äußerungen abgegeben; es habe zu seiner Dienstpflicht gehört, Angaben des Klägers zu beanstanden, die er auf Grund eigenen Wissens und eigener Beobachtungen für unrichtig hielt. Der als Ausnahme anzuerkennende Fall, daß die streitige Äußerung ein rein persönliches und daher den Zusammenhang mit der Amtsführung zurückdrängendes Gepräge besitze, möge zwar im Zeitpunkt der Äußerung noch nicht vorgelegen haben. Das ursprünglich gegebene Interesse des Dienstherrn an der Klärung der Angelegenheit sei aber spätestens durch den Abschluß des Vergleiches mit dem Kläger entfallen. Dadurch hätten die streitigen Äußerungen des Beklagten nachträglich ein rein persönliches, den Zusammenhang mit der Amtsführung zurückdrängendes Gepräge erhalten. Deshalb könne es dem Kläger nicht verwehrt werden, ausnahmsweise den Beklagten auf Rücknahme der streitigen Behauptungen zu verklagen. Diese Streitigkeit falle in die Zuständigkeit der Zivilgerichte, jedoch sei die Verweisung des Rechtsstreits vom Landgericht an das Verwaltungsgericht bindend.

Das Berufungsgericht habe auf Grund der Zeugenaussage der Ehefrau des Klägers die Überzeugung gewonnen, daß der Kläger am Tag der zweiten Reise erst um 13.38 Uhr von der Dienstreise zurückgekehrt sei; dies ist im einzelnen ausgeführt.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die vom erkennenden Senat zugelassene Revision eingelegt, mit der er die vollständige Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger tritt der Revision entgegen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit es der Berufung und der Klage stattgegeben hat, und zur vollständigen Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils erster Instanz. Der Kläger kann aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt den beklagten früheren Dienstvorgesetzten persönlich auf Widerruf der streitigen dienstlichen Äußerungen in Anspruch nehmen.

1.

Ein Widerrufsanspruch öffentlich-rechtlicher Art könnte dem Kläger, wenn überhaupt, nur gegen seinen Dienstherrn, die Deutsche Bundesbahn, zustehen oder zugestanden haben, nicht aber gegen den beklagten früheren Dienstvorgesetzten persönlich. Dieser hat die streitigeÄußerung im Rahmen seiner Aufgaben als damaliger Dienstvorgesetzter für den Dienstherrn und in bezug auf das zwischen diesem und dem Kläger bestehende Beamtenverhältnis abgegeben. Soweit sich aus ihr der Verdacht eines Dienstvergehens ergibt, konnte der Kläger - wie zunächst geschehen - nach § 34 BDO die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens gegen sich beantragen, um sich von diesem Verdacht zu reinigen. Inwieweit neben diesem speziellen Rechtsbehelf (vgl. auch §§ 124, 31 BDO für den Fall einer schriftlichen Mißbilligung mit dem Vorwurf eines Dienstvergehens) Raum bleibt für einen Anspruch auf Widerruf auf Grund der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht (§ 79 BBG) oder unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der Beseitigung der fortdauernden Folgen ehrverletzender amtlicher Äußerungen im Bereich der hoheitlichen Verwaltung (vgl. BVerwGE 59, 319 <325 f.> mit weiteren Nachweisen), bedarf keiner näheren Erörterung; denn als zur Fürsorge sowie zur Folgenbeseitigung Verpflichteter käme allein der Dienstherr in Betracht, dessen hoheitliche Aufgaben mit der streitigen Äußerung wahrgenommen wurden, nicht aber der einzelne, diese Aufgaben wahrnehmende Amtsträger (vgl. Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Dezember 1967 - BVerwG 6 B 35.67 - ).

2.

Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht angesichts der die Verwaltungsgerichte bindenden Verweisung des Rechtsstreits durch das Landgericht (§41 Abs. 2 VwGO, § 17 Abs. 1 GVG) auch geprüft, ob sich der Klageanspruch aus bürgerlichem Recht ergibt. Das scheidet indessen schon deshalb aus, weil die streitige Äußerung in Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben der Deutschen Bundesbahn als Dienstherrin des Klägers abgegeben wurde. Ihre Aufrechterhaltung oder Rücknahme kommt daher als Gegenstand privatrechtlicher Ansprüche oder Verpflichtungen nicht in Betracht, insbesondere nicht als Gegenstand privatrechtlicher Verpflichtungen eines einzelnen Amtsträgers, zumal selbst im Bereich nicht hoheitlicher Tätigkeit der Verwaltung der Widerruf einer ehrkränkenden dienstlichen Äußerung eines Beamten grundsätzlich nicht von diesem persönlich, sondern von der zuständigenöffentlich-rechtlichen Körperschaft zu verlangen ist (vgl. Beschluß des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1960 ). Ein privatrechtlicher Widerrufsanspruch gegen den einzelnen Amtsträger kann bei hoheitlichem Handeln lediglich insoweit in Betracht kommen, als der Amtsträger gelegentlich der hoheitlichen Äußerung eine darüber nach Form oder Inhalt hinausgehende, insoweit ihm persönlich zuzurechnende und selbständig die Ehre des Betroffenen beeinträchtigendeÄußerung getan hat und gerade deren Widerruf verlangt wird (vgl. auch BGH und BVerwG, a.a.O.). Derartiges ist im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht, vielmehr richtet sich schon das Klagebegehren gerade auf den Widerruf der hoheitlichen Äußerung in ihrem sachlichen Gehalt.

An dieser Rechtslage ändert sich - entgegen der Meinung des Berufungsgerichts - nichts dadurch, daß nachträglich der Kläger sich mit dem Dienstherrn verglichen und dieser, wie das Berufungsgericht annimmt, sein ursprünglich gegebenes Interesse an der Klärung der Angelegenheit verloren hat. Insbesondere hängt die rechtliche Qualifikation der streitigen Äußerung sowie ihrer Aufrechterhaltung oder Rücknahme als hoheitlich nicht davon ab, ob und welches Interesse der Dienstherr im konkreten Falle an der Klärung des Sachverhalts hat.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertbeschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerde- und das Revisionsverfahren auf je 4 000 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.).