RG, 04.11.1925 - V 621/24

Daten
Fall: 
Aufwertungsgesetz
Fundstellen: 
RGZ 111, 320
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
04.11.1925
Aktenzeichen: 
V 621/24
Entscheidungstyp: 
Urteil

Amtlicher Leitsatz

1. Sind die Gerichte zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Reichsgesetzen befugt?
2. Steht die im Aufwertungsgesetz geschehene Regelung der Aufwertung von Hypotheken und der unter die §§ 62, 63 fallenden Ansprüche mit Vorschriften der Reichsverfassung in Widerspruch?
3. Nach welchen Vorschriften ist eine Darlehnsforderung aufzuwerten, deren hypothekarische Sicherheit vor dem Beginn des Währungsverfalls fortgefallen ist?
4. Liegt eine Annahme der Leistung im Sinne des § 14 des Aufwertungsgesetzes vor, wenn der Gläubiger den Nennbetrag seiner Forderung in Papiermark auf Grund eines von ihm erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom Drittschuldner eingezogen hat?

Tatbestand

Der Kläger hat dem Beklagten im März 1909 ein zu 5 v. H. verzinsliches Darlehen von 50000 M gegen hypothekarische Sicherstellung gegeben. Das Darlehen war abredegemäß am 1. April 1914 fällig, es wurden aber darauf nur 5000 M zurückgezahlt. Das Pfandgrundstück kam im Juni 1914 zur Zwangsversteigerung, wobei die Hypothek des Klägers bis auf 2110,87 M ausfiel. Im Jahre 1923 pfändete dieser auf Grund der Schuldurkunde, in der sich der Beklagte der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hatte, eine dem Beklagten zustehende Forderung und erhielt durch deren Einziehung von dem Drittschuldner den Nennbetrag des Darlehensrestes ausbezahlt. Demnächst wurde er klagbar, um einen Ausgleich für die Geldentwertung zu erlangen, und zwar forderte er mit der Klage, die er auf die 3. Steuernotverordnung und auf Schuldnerverzug des Beklagten stützte, unter Vorbehalt weitergehender Ansprüche vorläufig Zahlung von 600 Goldmark nebst 5 v. H. Zinsen seit 1. Januar 1914. Der Beklagte wandte unter anderem ein, ein Aufwertungsanspruch des Klägers bestehe nach § 11 der 3. StNVO. nicht mehr, weil der Kläger bei Empfangnahme des Geldes keinen Vorbehalt gemacht habe.

Das Landgericht gab der Klage statt. Berufung und Revision des Beklagten blieben ohne Erfolg.

Gründe

1.

(Betrifft das Vorhandensein der Revisionssumme.)

2.

Was die Sache selbst anbetrifft, so ist die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nicht mehr nach der inzwischen außer Kraft getretenen 3. Steuernotverordnung, sondern auf Grund des Aufwertungsgesetzes vom 16. Juli 1925 vorzunehmen, das mit Wirkung vom 15. Juli 1925 in Kraft getreten ist (§ 88 Abs. 1), daher von diesem Tage an auch auf anhängige Rechtsstreitigkeiten Anwendung finden muß. Daß die Anwendung des Gesetzes auf die bei seinem Inkrafttreten bereits in der Revisionsinstanz anhängigen Sachen zu erfolgen hat, ergeben die Vorschriften des § 68, wonach es bei einer die Aufwertung regelnden rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung sein Bewenden behalten soll mit der Maßgabe, daß der Anwendung der §§ 15 bis 24 über die Aufwertung kraft Rückwirkung auch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung nicht entgegensteht. Soweit also noch keine rechtskräftige Entscheidung vorliegt, sollen hiernach die Vorschriften des Aufwertungsgesetzes in vollem Umfang zur Anwendung gebracht werden.

Voraussetzung für die Anwendung der Vorschriften des Aufwertungsgesetzes ist, daß sich keine durchgreifenden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes ergeben, das mit einfacher Mehrheit des Reichstags zustande gekommen ist. Im Hinblick auf die in der Öffentlichkeit gegen die Rechtsgültigkeit des Aufwertungsgesetzes erhobenen Angriffe erscheint es hiernach geboten, die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes von Amts wegen einer Prüfung zu unterziehen.

a) In dieser Hinsicht erhebt sich zunächst die Frage, ob und inwieweit die Gerichte überhaupt berechtigt und verpflichtet sind, die Rechtsgültigkeit eines an sich ordnungsmäßig verkündeten Reichsgesetzes nachzuprüfen. Dabei ist mit dem Urteil des I. Strafsenats vom 15. Dezember 1921 (RGSt. Bd. 56 S. 177) davon auszugehen, daß in erster Reihe etwaige reichsrechtliche Bestimmungen, seien es gesetzliche oder gewohnheitsrechtliche, die unmittelbar oder mittelbar zu der Frage Stellung nehmen, maßgebend sein müssen und daß, soweit solche Bestimmungen fehlen, auf die allgemeinen Grundsätze zurückzugehen ist, die aus dem Wesen der gesetzgebenden oder richterlichen Gewalt und der von diesen Gewalten ausgehenden Betätigungen sowie aus ihrem gegenseitigen Verhältnis abzuleiten sind. Die Reichsverfassung hat im Art. 102 den im § 1 GVG. aufgestellten Grundsatz aufgenommen, daß die Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen seien. Diese letztere Bestimmung schließt nicht aus, daß einem Reichsgesetz oder einzelnen seiner Bestimmungen vom Richter die Gültigkeit insoweit aberkannt werden kann, als sie mit anderen, vom Richter zu beachtenden Vorschriften, die ihnen vorgehen, in Widerspruch stehen. Das ist der Fall, wenn ein Gesetz einem in der Reichsverfassung aufgestellten Rechtssatz widerspricht und bei seinem Erlaß die durch Art. 76 RV. für eine Verfassungsänderung vorgeschriebenen Erfordernisse nicht vorgelegen haben. Denn die Vorschriften der Reichsverfassung können nur durch ein ordnungsmäßig zustande gekommenes verfassungsänderndes Gesetz außer Kraft gesetzt werden. Sie bleiben daher auch gegenüber abweichenden Bestimmungen eines späteren, ohne Beobachtung der Erfordernisse des Art. 76 erlassenen Reichsgesetzes für den Richter verbindlich und nötigen ihn, die widersprechenden Bestimmungen des späteren Gesetzes außer Anwendung zu lassen. Da die Reichsverfassung selbst keine Vorschrift enthält, nach der die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Reichsgesetze den Gerichten entzogen und einer bestimmten anderen Stelle übertragen wäre, muß das Recht und die Pflicht des Richters, die Verfassungsmäßigkeit von Reichsgesetzen zu prüfen, anerkannt werden.

b) Die Verfassungsmäßigkeit des Aufwertungsgesetzes wird unter verschiedenen Gesichtspunkten in Zweifel gezogen. Es wird behauptet, daß die im Gesetz vorgenommene Schematisierung der Aufwertung gewisser Rechte durch Festsetzung eines nach bestimmten Regeln zu berechnenden festen Aufwertungsbetrags, die Einführung bestimmter Stichtage für die Zulässigkeit oder die Höhe der Aufwertung, die Abhängigmachung der Aufwertung von einem bei Annahme des gezahlten entwerteten Geldbetrags gemachten Vorbehalt des Gläubigers einen nach Art. 153 RV. unzulässigen Eingriff in das gewährleistete Eigentum enthielten, daß diese Vorschriften sowie einige weitere Bestimmungen, z. B. die Versagung der dem Schuldner gewährten Härteklausel gegenüber dem Gläubiger, den im Art. 109 Abs. 1 RV. aufgestellten Grundsatz der Gleichheit aller Deutschen vor dem Gesetz verletzten, daß die Begründung der ausschließlichen Zuständigkeit der Aufwertungsstelle für die Entscheidung gewisser ihr zugewiesener Streitpunkte mit Art. 105 RV. unvereinbar sei, und daß endlich auch im Hinblick darauf, daß für die Festsetzung des Maßes der Aufwertung Erwägungen steuerpolitischer Natur maßgebend gewesen seien, ein Verstoß gegen Art. 134 RV. vorliege (vgl. Zeiler, Die Rechtsgültigkeit der Aufwertungsgesetzgebung, Halle a. S., Verlag "Der Rechtsstaat"; die Aufsätze: "Der vorläufige Sieg Dr. Luthers und des Großkapitals" und "Verfassungsmäßigkeit der Aufwertungsgesetze" im Rechtsstaat 1925 Nr. 25; Daltrop in JW. 1925 S. 1714; ferner Stampe Aufwertungsurteil, Nachtr. S. 87; Zeiler und Sontag, Brennende Fragen der Aufwertung S. 81 flg.; Oertmann, Die Aufwertungsfrage S. 76). Diese Angriffe gegen die Verfassungsmäßigkeit des Aufwertungsgesetzes decken sich, abgesehen von der Heranziehung des Art. 109, in der Hauptsache mit den Gründen, aus denen schon die Verfassungsmäßigkeit der 3. Steuernotverordnung bekämpft worden ist. Das Reichsgericht hat diese Bedenken bezüglich der letzteren in dem Urteil vom 1. März 1924 (RGZ. Bd. 107 S.375) zurückgewiesen. An den dort entwickelten Gründen ist auch bei erneuter Prüfung unter Berücksichtigung der dagegen vorgebrachten Bedenken durchweg festzuhalten.

Was zunächst den angeblichen Verstoß gegen Art. 153 RV. anbetrifft, so ist im Urteil vom 1. März 1924 ausgeführt worden: Es könne schon zweifelhaft sein, ob die Regelung der Hypothekenaufwertung überhaupt eine Enteignung, d. h. eine zwangsweise Entziehung von Rechten, darstelle oder nicht vielmehr auf die gesetzliche Normierung des streitig gewordenen zivilrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen Hypothekengläubiger und Hypothekenschuldner sich beschränke. In keinem Falle aber liege eine verfassungsmäßig unzulässige Entziehung von Gläubigerrechten vor, da die im Abs. 2 des Art. 153 aufgestellten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Enteignung erfüllt seien. Diese Erwägungen treffen auch gegenüber den Vorschriften des Aufwertungsgesetzes zu. Die Geldentwertung und der Wirtschaftsverfall in der Nachkriegszeit hatten zu einer völligen Erschütterung aller wirtschaftlichen Verhältnisse geführt. Wenngleich den Gläubigern in der Rechtsprechung das Recht zugestanden wurde, an Stelle des entwerteten Papiermarkbetrags ihrer Forderungen einen der Billigkeit entsprechend aufgewerteten Betrag zu verlangen, so fehlte es doch an jeder sicheren Grundlage für die Beurteilung, welchen Wert die einzelne Forderung in Wahrheit noch darstellte. Denn dabei waren nicht nur die gesamten in Ansehung des Schuldverhältnisses in Betracht kommenden Verhältnisse, sondern auch die Wirtschaftslage des Gläubigers und des Schuldners und die allgemeine, auf der Verringerung des Volksvermögens beruhende Verarmung zu berücksichtigen. Die Berechnung des Aufwertungsbetrags hing also von einer großen Anzahl an sich unsicherer und schwer feststellbarer Umstände ab, deren Beurteilung in das Ermessen der für die Festsetzung des Aufwertungsbetrags zuständigen Stelle gelegt war. Niemand konnte daher mit annähernder Sicherheit voraussagen, wie hoch die einzelne Forderung ihrem Aufwertungsbetrage nach zu bewerten war. Diese völlige Unsicherheit ließ eine gesetzliche Regelung im Interesse des gesamten Wirtschaftslebens dringend geboten erscheinen und zwar in einer Weise, die möglichst schnell eine sichere feste Grundlage für die Bewertung der durch die Geldentwertung betroffenen Verhältnisse zu schaffen geeignet war. Dieses Ziel schien nur im Wege der Schematisierung der Aufwertung erreichbar. Demgemäß begründete die Mehrheit des Reichstagsausschusses ihren Beschluß, der weiteren Beratung den Regierungsentwurf zugundezulegen, dahin:

Notwendigkeit einer sofortigen, klaren und abschließenden Regelung im Hinblick auf die öffentlichen und privaten Haushalte zur Wiederherstellung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Innern und in der Steuerwirtschaft, daher Ablehnung der zwar gerechteren, aber wirtschaftlich unhaltbaren und praktisch undurchführbaren Individualmethode des Best'schen Entwurfs und jeder zeitlichen Hinausschiebung des Aufwertungsergebnisses; vielmehr schematische Lösung unter Anpassung des Normalsatzes, der Zahlungsfristen und Zinshöhe an die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft, Ausdehnung der Rückwirkung, Wahrung des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs, Zulassung einer Individualregelung, wo sie wirtschaftlich möglich oder aus sozialen Gründen notwendig sei.

Bei dieser Sachlage läßt sich die Annahme vertreten, daß es sich bei der Regelung der Aufwertung durch das Gesetz vom 16. Juli 1925 nicht um eine Entziehung wohlbegründeter Rechte, sondern um eine Festsetzung und Begrenzung des Inhalts der durch die Geldentwertung und den Wirtschaftsverfall in ihren Grundlagen völlig erschütterten Rechtsverhältnisse im Sinne des Art. 153 Abs. 1 Satz 2 RV. gehandelt hat. In dieser Beziehung sei darauf hingewiesen, daß das Aufwertungsgesetz die durch Vereinbarungen oder rechtskräftige Entscheidungen zugunsten der Gläubiger bereits festgestellten weitergehenden Rechte hat bestehen lassen (§§ 67, 68).

Aber auch wenn in der Regelung der Aufwertung eine unter den Begriff der Enteignung fallende Entziehung von Gläubigerrechten zu finden sein sollte, wären die im Abs. 2 des Art. 153 aufgestellten Erfordernisse für die Zulässigkeit der Enteignung erfüllt. Die gesetzliche Grundlage, die Abs. 2 Satz 1 für eine zulässige Enteignung erfordert, ist hier, wo die Enteignung unmittelbar durch ein Reichsgesetz geschieht, in dem Gesetz selbst enthalten. Daß eine Enteignung nicht nur durch einen Verwaltungsakt auf Grund eines ihn rechtfertigenden Gesetzes, sondern unmittelbar durch ein Gesetz selbst erfolgen kann, ist vom Reichsgericht bereits wiederholt ausgesprochen worden (RGZ. Bd. 103 S. 200. Bd. 109 S. 317/18). Der Mangel einer den verkürzten Gläubigern zu gewährenden angemessenen Entschädigung steht der Zulässigkeit der Enteignung nicht entgegen, da Abs. 2 Satz 2 des Art. 153 den Ausschluß einer Entschädigung durch ein Reichsgesetz zuläßt, und demnach für eine durch Reichsgesetz vorgenommene Enteignung das Erfordernis einer Entschädigung überhaupt nicht zwingend vorgeschrieben ist. Im übrigen geht aus den Vorschriften des Aufwertungsgesetzes mit hinreichender Deutlichkeit hervor, daß eine Entschädigung der Gläubiger für ihren etwaigen Rechtsverlust nicht stattfinden soll. Daß endlich auch dem Erfordernis genügt ist, daß die Enteignung "zum Wohle der Allgemeinheit" vorgenommen ist, ergibt sich aus den oben mitgeteilten Erwägungen, die für den Erlaß des Aufwertungsgesetzes und die darin geschehene Regelung der Aufwertung der Hypotheken und anderen Vermögensanlagen maßgebend gewesen sind. Gerade die Abweichung von der Individualaufwertung, in der eine teilweise Enteignung der Gläubiger zu finden sein könnte, geschah aus dem Grunde, weil zur Wiederherstellung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Innern und in der Steuerwirtschaft eine sofortige klare und abschließende Regelung der Aufwertungsfrage unbedingt geboten war, und diese ohne eine Schematisierung der Aufwertung zur Erreichung des erstrebten Zieles nicht möglich erschien. Die Herstellung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Innern dient dem Wohle der Allgemeinheit und eine zu diesem Zwecke vorgenommene Enteignung kann daher nicht als unzulässig angesehen werden. Ob der mit dem Gesetz erstrebte gemeinnützige Zweck in dem erhofften Umfang tatsächlich erreicht wird, ist ohne Belang. Wesentlich für die Zulässigkeit einer Enteignung kann immer nur sein, daß ein dem Wohle der Allgemeinheit dienender Zweck erstrebt wird und wenigstens teilweise erreichbar erscheint, und das trifft unter den gegebenen Verhältnissen zu.

Der Einwand, daß die Zulassung einer Enteignung im Interesse der Wirtschaft in Fällen der vorliegenden Art zu einer Aufhebung jeder verfassungsmäßigen Gewähr für das Eigentum der Staatsbürger führe, trifft nicht zu. Die Gewähr für das Eigentum wird von der Verfassung nicht unbedingt geleistet, sie kann nicht nur im Wege einer Verfassungsänderung gänzlich beseitigt werden, sondern sie gilt überhaupt nur mit den sich aus den Vorschriften des Abs. 1 Satz 2 und des Abs. 2 des Art. 153 ergebenden Beschränkungen. Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz, daß das Wohl der einzelnen Staatsbürger hinter dem Allgemeinwohl zurückstehen muß. Dieser Grundsatz kommt in der Vorschrift des Abs. 2 Art. 153 zum Ausdruck, daß das Eigentum zum Wohle der Allgemeinheit entzogen werden kann. Damit wird die im Abs. 1 Satz 1 ausgesprochene Gewährleistung des Eigentums in gewissem Umfang eingeschränkt, aber keineswegs gegenstandslos. Es sind im Abs. 2 bestimmte Garantien dafür geschaffen, daß keine willkürliche Eigentumsentziehung stattfinden kann, indem ausdrücklich festgesetzt wird, daß die Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit und nur auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden und mangels abweichender Bestimmung eines Reichsgesetzes nur gegen eine im Rechtswege verfolgbare angemessene Entschädigung erfolgen darf. Gerade in der Festlegung dieser Voraussetzungen für die Vornahme einer Enteignung besteht der Schutz, den die Verfassung mit der im Abs. 1 ausgesprochenen Gewährleistung dem Privateigentum gewähren will. Dieser Schutz versagt, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 für eine Enteignung vorliegen. Soweit dabei das Wohl der Allgemeinheit in Betracht kommt, sind von der Verfassung keine Unterscheidungen gemacht, auf welchem Gebiet die Förderung des Wohles der Allgemeinheit geschehen soll. Sie kann daher auch auf dem Gebiet der allgemeinen Wirtschaft liegen.

Im Gegensatz zu den gegen die 3. Steuernotverordnung gerichteten Angriffen, die deren Verfassungsmäßigkeit in Zweifel zu ziehen suchten, weil sie eine unzulässige Enteignung enthielte, wird jetzt die Ansicht vertreten ( Zeiler a. a. O. S. 15), daß das Aufwertungsgesetz gegen Art. 153 RV. verstoße, weil es eine Rechtsentziehung vornehme, die nicht unter den Begriff einer Enteignung falle und daher durch Art. 153 Abs. 2 nicht gedeckt werde. Diese Ansicht beruft sich darauf, daß mit dem Worte Enteignung ein bestimmter, rechtswissenschaftlich feststehender Begriff, wie er sich auf Grund des preußischen Enteignungsgesetz es gebildet habe, verbunden werde und daher auch im Abs. 2 Art. 153 RV. nur in diesem Sinne gebraucht sein könne. Allein mit Recht weist Wolff (Festgabe für Kahl, IV S. 20) darauf hin, daß die Frage, was Enteignung sei, nicht mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Enteignung zulässig sei, verwechselt werden dürfe, und daß Abs. 2 des Art. 153 RV. - wie auch das preußische Enteignungsgesetz - nur die Erfordernisse für eine zulässige Enteignung aufstellt, den Begriff der Enteignung jedoch nicht näher bestimmt. Ist aber das Wort "Eigentum" im Abs. 1 Satz 1, wie die heute allgemein herrschende Meinung annimmt, nicht in dem dem Bürgerlichen Gesetzbuch entsprechenden Sprachgebrauch im Sinne von Sacheigentum zu verstehen, sondern im weitesten Sinne auszulegen, so daß darunter auch Rechte aller Art, insbesondere auch Forderungsrechte fallen, so würde auch der Abs. 2, der die Zulässigkeit einer Enteignung regelt, in dem Sinne auszulegen sein, daß darunter eine Entziehung oder Beschränkung des im Abs. 1 Satz 1 gewährleisteten Eigentums zu verstehen ist, also jeder Eingriff der Staatsgewalt in ein durch Abs. 1 Satz 1 geschütztes Recht. Daß darunter nicht nur Eingriffe durch Verwaltungsakt, sondern auch durch den Gesetzgeber selbst fallen, ist, wie oben erwähnt, vom Reichsgericht bereits wiederholt angenommen worden. Ob zum Begriff der Enteignung im Sinne des Art. 153 eine "Überführung" des entzogenen Rechtes in das Vermögen eines anderen Rechtssubjekts erforderlich ist (vgl. Wolff a. a. O. S. 24 flg. und die dort S. 25 in Anm. 1 angeführten Schriftsteller), kann dahingestellt bleiben, weil diesem Erfordernis hier dadurch genügt wäre, daß die Schuldner zu dem Betrag, um den die Aufwertungsbeträge der Forderungen durch das Aufwertungsgesetz gegenüber den allgemeinen Vorschriften herabgesetzt worden sind, von ihrer Leistungspflicht befreit worden sind (RGZ. Bd. 103 S. 200, Bd. 109 S. 317/18). Das von Zeiler angeregte Bedenken kann hiernach nicht als durchschlagend anerkannt werden (vgl. auch Triepel, Goldbilanzen- Verordnung S. 25).

Bezüglich der Bedeutung und der Tragweite des Ausspruchs im Art. 109 Abs. 1 RV. besteht Streit, ob sie sich in der Bedeutung erschöpfe, die dem gleichlautenden Ausspruche der preußischen Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 (Art. 4) beigelegt worden ist, nämlich dahin, daß die Gesetze ohne Unterschied des Standes gegen jeden in vollem Umfang angewendet werden sollen (Entsch. des preuß. OVG. Bd. 56 S. 235; Anschütz, Preuß. VU., Bd. I S. 108 flg.), und mithin nur als eine Norm für Justiz und Verwaltung, nicht für die Gesetzgebung selbst aufzufassen sei ( Anschütz, Reichsverf. S. 189; Giese, RV. 6. Aufl. S. 300), oder ob dadurch auch eine Schranke für die Gesetzgebung gezogen worden ist ( Triepel, Goldbilanzen- Verordnung, S. 26 flg.; Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, bes. S. 34, 37, 95, 99; Aldag, Die Gleichheit vor dem Gesetz in der RV., bes. S. 38, 41, 51 flg.). Es kann ferner zweifelhaft sein, ob sich Abs. 1 des Art. 109, wie aus dem weiteren Inhalt des Art. 109 gefolgert werden könnte, nur auf reine Persönlichkeits-, nicht auch auf Vermögensrechte bezieht ( Daltrop, JW. 1924 S. 1714) oder ob er eine allgemeine, auch das Gebiet des Vermögensrechts umfassende Vorschrift aufstellt. Einer Stellungnahme zu diesen Fragen bedarf es nicht, weil auch eine Prüfung unter dem Gesichtspunkt des Art. 109 Abs. 1 RV. nicht zur Verneinung der Verfassungsmäßigkeit des Aufwertungsgesetzes führt. Der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz kann nur die Bedeutung haben, daß Tatbestände vom Gesetz als gleich zu behandeln sind, die ungleich zu behandeln Willkür bedeuten würde. Eine verschiedene Behandlung, die durch keinen auf vernünftigen Erwägungen beruhenden Grund zu rechtfertigen ist, würde als willkürlich erscheinen und gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen ( Triepel, S. 30; Leibholz, S. 87, 95; Aldag, S. 41, 51). Die Regelung der Aufwertung, wie sie im Gesetz vom 16. Juli 1925 geschehen ist, insbesondere ihre Schematisierung, beruht aber, wie die oben wiedergegebene Begründung für die Ablehnung der als gerechter ausdrücklich anerkannten Individualmethode ergibt, auf durchaus vernünftigen Erwägungen, nämlich auf der allseitig betonten und durch die Wirtschaftslage tatsächlich begründeten Notwendigkeit einer sofortigen, klaren und abschließenden Regelung des Aufwertungsproblems unter Anpassung der Regelung im einzelnen an die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft, und Zulassung der Individualaufwertung, wo sie wirtschaftlich möglich oder aus sozialen Gründen erforderlich war. Die Unterschiede, die sich aus der Regelung des Gesetzes für die Aufwertung nach der Art der betroffenen Ansprüche und nach gewissen im Gesetz hervorgehobenen Umständen ergeben, können hiernach nicht als willkürliche, den Grundsatz des Art. 109 Abs. 1 RV. verletzende Unterscheidungen angesehen werden, wenngleich damit, wie auch die Reichstagsmehrheit nicht verkannt hat, vielfach große Härten und beklagenswerte Unbilligkeiten, namentlich für die Gläubiger, verbunden sind. Man mag über die Zweckmäßigkeit oder Notwendigkeit einzelner Bestimmungen des Gesetzes streiten können; gerade die umstrittenen Vorschriften sind aber bei den Beratungen im Reichstagsausschuß Gegenstand eingehender Prüfung und Erörterung gewesen und schließlich zur Annahme gelangt, weil eine anderweite Regelung mit dem erstrebten Zwecke des Gesetzes nicht vertraglich erschien. Von einer willkürlichen, vernünftiger Erwägungen entbehrenden Regelung kann daher auch in diesen Beziehungen nicht gesprochen werden.

Daß das Aufwertungsgesetz keinen Verstoß gegen die Artikel 105 und 134 RV. enthält, ergibt sich aus den Gründen, aus denen in dem Urteil vom 1. März 1924 (RGZ. Bd. 107 S. 376/377) die Vereinbarkeit der 3. Steuernotverordnung mit den genannten Artikeln angenommen wurden ist. Auf die dort gemachten Ausführungen, an denen der Senat festhält, wird hiermit verwiesen. Von Daltrop (JW. 1925 S. 1714) wird die im § 68 Abs. 2 AufwG. vorgeschriebene Ausdehnung der in den §§ 15 bis 24 geregelten Rückwirkung der Aufwertung gegenüber rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen mit Art. 105 Satz 2 RV. für unvereinbar gehalten. Da indessen grundsätzlich kein Bedenken dagegen besteht, daß ein Gesetz sich rückwirkende Kraft beilegen kann, und auch eine Änderung der Vorschriften der Zivilprozeßordnungüber die Rechtskraftwirkung gerichtlicher Entscheidungen im Wege eines einfachen Reichsgesetzes zulässig ist, könnte es sich nur fragen, ob der in Rede stehenden Bestimmung des Aufwertungsgesetzes der Art. 153 RV. entgegensteht. Das ist zu verneinen. Es handelt sich bei der Vorschrift des § 68 Abs. 2 wie auch bei der des § 67 Abs. 2 um die Beseitigung eines Rechtsverlusts des Gläubigers aus Billigkeitsrücksichten, nicht um einen Eingriff in ein konkretes, unter den Eigentumsbegriff im Sinne des Art. 153 Abs. 1 fallendes Vermögensrecht des Schuldners. Will man aber einen derartigen Eingriff als vorliegend ansehen, so wäre er aus den oben zu Art. 153 gemachten Ausführungen als zulässig zu erachten. Ebensowenig enthält § 67 Abs. 2 AufwG. einen unzulässigen Eingriff in den im Art. 152 RV. aufgestellten öffentlichrechtlichen Grundsatz der Vertragsfreiheit. Denn dieser Grundsatz gilt nach Art. 152 nur "nach Maßgabe der Gesetze". Da hiermit der Gesetzgebung das Recht vorbehalten ist, Beschränkungen der Vertragsfreiheit aufzustellen, steht Art. 152 auch einem im Wege des Gesetzes erfolgenden Eingriff mit rückwirkender Kraft in schon bestehende Vertragsverhältnisse nicht entgegen (RGZ. Bd. 103 S. 310).

Die im Aufwertungsgesetz vorgenommene Regelung der Aufwertung von Hypotheken und der unter die §§ 62, 63 fallenden Ansprüche verstößt hiernach weder im ganzen noch hinsichtlich der vorstehend erörterten Einzelbestimmungen gegen Vorschriften der Reichsverfassung.

3.

Bei der Beurteilung des vorliegenden Streitfalles nach den Vorschriften des Aufwertungsgesetzes erhebt sich zunächst die Frage, ob die Darlehensforderung, deren Aufwertung der Kläger geltend macht, als eine durch Hypothek gesicherte Forderung der Aufwertung gemäß den §§ 8 flg. unterliegt, oder ob sie als ungesicherte Forderung nach §§ 62, 63 aufzuwerten ist. Die Forderung ist im Jahre 1909 begründet worden und zunächst durch eine Hypothek gesichert gewesen. Bei der im Frühjahr 1914 erfolgten Zwangsversteigerung des belasteten Grundstücks ist die Hypothek mit 2110,87 M zur Hebung gelangt, der Rest ist ausgefallen und die Hypothek gelöscht worden. Der damals ungetilgt gebliebene Rest der Forderung bestand seitdem ohne hypothekarische Sicherung fort. Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung der Rechtslage auf Grund der 3. Steuernotverordnung angenommen, daß die Forderung, da sie bei Beginn des Währungsverfalls bereits nicht mehr durch Hypothek gesichert war, im Sinne der 3. Steuernotverordnung als eine ungesicherte Vermögensanlage zu behandeln und demnach als ein Anspruch aus einer Vermögensanlage anderer Art gemäß § 12 der 3. Steuernotverordnung aufzuwerten sei. Die Behandlung als einer ungesicherten Forderung erweist sich auch nach den Vorschriften des Aufwertungsgesetzes als zutreffend. Es kann dahingestellt bleiben, ob im Sinne dieses Gesetzes nur die Forderungen, für die bei seinem Inkrafttreten noch eine Hypothek bestand, als durch Hypothek gesichert anzusehen sind, oder ob für diese Frage ein früherer Zeitpunkt, etwa der im § 2 für die Berechnung des Goldmarkbetrags als Stichtag angegebene 1. Januar 1918, als maßgebend anzunehmen wäre. Das Gesetz bezeichnet im § 1 als Gegenstand der Aufwertung Ansprüche, die auf einem vor dem 14. Februar 1924 begründeten Rechtsverhältnis beruhen, wenn sie durch den Währungsverfall betroffen sind. Soweit also das Gesetz eine verschiedene Art der Aufwertung für die durch den Währungsverfall betroffenen Ansprüche festsetzt, je nachdem sie dinglich gesichert sind oder nicht, können Ansprüche, deren dingliche Sicherheit bereits vor dem Beginn des Währungsverfalls fortgefallen war und die als ungesicherte von dem Währungsverfall betroffen worden sind, für die Aufwertung nur als ungesicherte Ansprüche in Betracht kommen. Der Währungsverfall hat erst im Laufe des Weltkriegs eingesetzt. Da die für die Forderung des Klägers bestellte Hypothek bereits im Jahre 1914 gelöscht worden ist, stellt sich hiernach seine Forderung jedenfalls als eine ungesicherte im Sinne des Aufwertungsgesetzes dar. Anderseits ist dem Berufungsgericht darin beizustimmen, daß die Forderung des Klägers, die als Darlehensforderung begründet worden ist, ihren Charakter als eine Vermögensanlage durch den Fortfall der hypothekarischen Sicherheit nicht verloren hat. Der Umstand, daß eine Forderung hypothekarisch sichergestellt wird, kann bei der Beurteilung, ob eine Vermögensanlage vorliegt, von Erheblichkeit sein, zum Begriff der Vermögensanlage gehört aber das Bestehen einer hypothekarischen Sicherung nicht. Stellt sich eine Forderung als eine solche aus einer Vermögensanlage dar, so bleibt dieser Charakter durch den Ausfall der dafür bestellten Hypothek unberührt.

4.

Die Aufwertung der Darlehensforderung des Klägers bestimmt sich hiernach nach § 62 AufwG. und zwar richtet sie sich nach den allgemeinen Vorschriften mit den sich aus § 63 Abs. 1 und 4 ergebenden Maßgaben für die Aufwertung von Vermögensanlagen. Danach ergibt sich kein Anlaß zu einer Beanstandung der vom Berufungsgericht in Ansehung der Klage getroffenen Entscheidung. Denn das Berufungsgericht hat den Aufwertungsanspruch des Klägers auf Grund der allgemeinen Vorschriften, insbesondere der §§ 157, 242 BGB., geprüft und dabei den bisher eingeklagten Betrag, der kaum 2 v. H. des Goldmarkbetrags der Forderung ausmache, als jedenfalls begründet befunden. Da § 63 Abs. 1 AufwG. eine Aufwertung bis zu 25 v. H. des Goldmarkbetrags zuläßt, so ergibt sich in dieser Hinsicht kein rechtliches Bedenken.

Der vom Beklagten auf § 11 der 3. Steuernotverordnung gestützte Einwand, der Kläger habe den Nennbetrag seiner Restforderung vorbehaltlos angenommen, ist vom Berufungsgericht mit der Begründung verworfen worden, daß § 11 nicht bloß Hinnahme der Leistung, sondern deren Annahme als Erfüllung voraussetze, ein derartiger Tatbestand aber hier nicht dargetan sei, wo der Kläger den Betrag auf Grund einer Pfändung der Forderung des Beklagten vom Drittschuldner eingezogen habe. An sich würde der Mangel eines Vorbehalts bei der Annahme der Zahlung dem Aufwertungsverlangen des Klägers nach § 15 Satz 1 AufwG., der nach § 63 Abs. 1 Satz 2 auch auf die Aufwertung nicht gesicherter Vermögensanlagen entsprechende Anwendung zu finden hat, nicht entgegenstehen, da der Kläger die Zahlung erst im Jahre 1923 erhalten hat. Der Beklagte hat sich aber in der Revisionsinstanz darauf berufen, daß die Voraussetzungen des § 15 Satz 2 für einen Aufschluß der Aufwertung kraft Rückwirkung vorlägen, und ihm Gelegenheit gegeben werden müsse, nach dieser Richtung neue tatsächliche Anführungen zu machen, da er vor dem erst im Laufe der Revisionsinstanz erfolgten Inkrafttreten des Aufwertungsgesetzes nicht in der Lage gewesen sei, seine Verteidigung auf diesen Gesichtspunkt abzustellen. Dieses Verlangen würde an sich berechtigt sein, es kommt aber gegenwärtig auf die Zulässigkeit einer Aufwertung kraft Rückwirkung nicht an, weil der Annahme des Berufungsgerichts zuzustimmen ist, daß es eines Vorbehalts des Klägers zur Erhaltung seines Aufwertungsanspruchs nicht bedurft hat.

Nach § 14 Aufw.G., der nach § 63 Abs. 1 Satz 2 entsprechende Anwendung findet, ist die Aufwertung ausgeschlossen, wenn der Gläubiger sich "bei der Annahme der Leistung" seine Rechte nicht vorbehalten hat. Der § 14 AufwG. schließt sich, soweit er die Aufwertung von einem Vorbehalt des Gläubigers abhängig macht, an § 11 der 3. Steuernotverordnung an. Zur Begründung des § 11 war angeführt, es müsse verhindert werden, daß der wirtschaftliche Erfolg einer nachträglichen Aufwertung bereits erloschener Ansprüche auf Umwegen (ungerechtfertigte Bereicherung, Irrtumsanfechtung) herbeigeführt werde. Der Vorschrift liegt hiernach die Auffassung zugrunde, daß das Schuldverhältnis erlösche, wenn der Gläubiger eine ihm als Erfüllung angebotene unvollständige Leistung als Erfüllung annehme. Wenngleich diese Auffassung nach feststehender Rechtsprechung unrichtig ist, so ist sie doch für die Auslegung der auf ihr beruhenden Vorschriften zu berücksichtigen. Danach ist davon auszugehen, daß unter der Annahme der Leistung im Sinne der genannten Vorschriften ein Verhalten des Gläubigers zu verstehen ist, das nach Lage des Falles unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der Grundsätze von Treu und Glauben sich als Ausdruck des Willens darstellt, eine ihm zugehende Leistung als Erfüllung gelten zu lassen ( Schlegelberger S. 104; Mügel S. 270). Ein derartiges Verhalten mag an sich auch dann vorliegen können, wenn der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner vorgeht und von ihm eine Leistung erzwingt. Es ist aber rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht unter den Umständen des vorliegenden Falles, wo der Kläger auf Grund einer vollstreckbaren Ausfertigung der Schuldurkunde eine Forderung des Beklagten hat pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, in der Entgegennahme der vom Drittschuldner geleisteten Zahlung des gepfändeten Betrags keine Erklärung des Willens erblickt hat, sich dadurch wegen seiner Forderung gegen den Beklagten für befriedigt zu erklären. Der dem Kläger zur Verfügung stehende vollstreckbare Titel lautete nur über den Nennbetrag seiner Forderung, einen Titel über den Aufwertungsbetrag hatte er nicht, sondern sucht er sich mit der gegenwärtigen Klage erst zu verschaffen. Wenn er sich des ihm zur Verfügung stehenden Vollstreckungstitels bedient hat, um zwangsweise gegen den Beklagten vorzugehen, so bekundete er damit seinen Willen, den Beklagten im Rahmen des vollstreckbaren Titels zu einer Leistung zu zwingen, er gab jedoch damit nicht zu erkennen, daß er diese Leistung als die volle Erfüllung der dem Beklagten obliegenden Verbindlichkeit annehmen wollte. Der Beklagte konnte den Umständen nach das Vorgehen des Klägers auch nicht anders auffassen; denn dem Kläger stand damals eine weitergehende Vollstreckungsmöglichkeit nicht zu Gebote. Ein Anlaß zu einem Vorbehalt dem zahlenden Drittschuldner gegenüber bestand für den Kläger nicht, da die Zahlung des Drittschuldners nicht als Erfüllung der Schuld des Beklagten geleistet wurde, sondern nur zur Tilgung seiner eigenen Schuld in Höhe des vom Kläger gepfändeten Betrags erfolgte. Eine Annahme der Leistung, wie sie § 14 AufwG. voraussetzt, hat seitens des Klägers hiernach nicht stattgefunden, es bedurfte daher zur Erhaltung des Aufwertungsanspruchs des Klägers auch keines Vorbehalts ( Schlegelberger S. 105).

Die Ansicht des Oberlandesgerichts Marienwerder (JW. 1924 S. 1269/70), daß auch bei zwangsweiser Beitreibung des Nennbetrags ein Vorbehalt erforderlich sei, ist unrichtig. Das Oberlandesgericht begründet diese Ansicht damit, daß der Gläubiger, wenn er gegen den Schuldner vorgehe, noch besser in der Lage sei, sich zu überlegen, wieviel er fordern könne, als wenn der Schuldner ihm eine Zahlung aufdränge. Daß diese Erwägung nicht zutreffend ist, zeigt der vorliegende Fall, wo der Kläger nicht in der Lage war, auf Grund des vollstreckbaren Titels mehr als den Nennbetrag beizutreiben, wie er es getan hat. ...