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BGH, 23.09.1969 - VI ZR 19/68

Daten
Fall: 
Daseinsvorsorge als hoheitliche Tätigkeit
Fundstellen: 
BGHZ 52, 325; NJW 1969, 2195; MDR 1970, 36; DVBl 1970, 172; DB 1969, 2335; DÖV 1970, 61
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
23.09.1969
Aktenzeichen: 
VI ZR 19/68
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Düsseldorf
  • OLG Düsseldorf

a) Der Verkehrsbetrieb einer Stadtgemeinde hat bei der Gestaltung seiner Tarife auch dann die die öffentliche Verwaltung bindenden Grundsätze, vor allem den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) zu beachten, wenn der Betrieb zwar in der Form einer Gesellschaft des Privatrechts geführt wird, deren Anteile aber in der Hand der Gemeinde sind.
b) Zur Bedeutung des Gleichheitssatzes, wenn im Tarif für Schüler-Karten die verschiedenen Typen der Privatschulen unterschiedlich behandelt werden.

Inhaltsverzeichnis 

Urteil

vom 23. September 1969
i.S. Dr. j. (Kl.) w. Rh. B. AG (Bekl.)
- VI ZR 19/68 -
I. Landgericht Düsseldorf
II. Oberlandesgericht Düsseldorf

Der Kläger ist Inhaber einer berufsbildenden Privatschule in D. Die Beklagte betreibt in D. und Umgebung den Personenverkehr mit Straßenbahnen und Omnibussen; sie ist eine Aktiengesellschaft, deren Aktien sämtlich der Stadt D. gehören.

Infolge der gestiegenen Lohnkosten arbeitete die Beklagte seit Jahren mit Verlust. Daher entschloß sich ihr Vorstand, Fahrpreisvergünstigungen abzubauen oder einzuschränken, so auch bei den Schüler-Monatskarten. Diese hatte sie bisher sowohl den Schülern der öffentlichen Schulen wie denen der Privatschulen gewährt, gleich ob diese Privatschulen staatlich genehmigte Schulen (Ersatzschulen im Sinne des An. 7 Abs. 4 GG) oder Ergänzungsschulen (§§ 45,36 Abs. 2 des Schulordnungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. April 1952 - GV. NW. S. 61) waren. In dem Tarif, der am 1. Januar 1966 in Kraft trat, gewähre sie nur noch Schülern der öffentlichen Schulen und der entsprechenden Ersatzschulen Schüler-Monatskarten. Doch ließ sie auch noch die Schüler solcher Ergänzungsschulen der bisher gewährten Vergünstigungen teilhaftig werden, deren Ziel die mittlere oder die Reifeprüfung ist. Diese Voraussetzungen erfüllen die Schüler der vom Kläger geführten Schule nicht, so daß sie für ihre Monatskarten den vollen Preis zahlen müssen. Sie werden nämlich nicht auf die Ablegung einer staatlichen Prüfung (mittlere Reife oder Abitur) vorbereitet, sondern in kaufmännischen, kaufmännisch-praktischen, fremdsprachlichen und ähnlichen, der beruflichen Fort- und Weiterbildung dienenden Kursen unterrichtet. Einige dieser Schüler sind allerdings Vollschüler: sie erhalten an mindestens 24 Stunden in der Woche Unterricht und zwar in halb-, ein-, unter Umständen auch zweijähriger Ausbildungszeit, so in der allgemeinen und in der höheren Handelsschule.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei,

  1. ihre Schülertarife auch den Schülern seiner Schule zu gewähren, die Vollunterricht erhalten und Antrag auf Gewährung der Schülertarife gestellt haben oder stellen,
  2. ihm den Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden ist, daß die Beklagte den vorbezeichneten Schülern die Schülertarife nicht mehr gewährt hat.

Der Kläger steht auf dem Standpunkt, die Beklagte verletze mit ihrem neuen Tarif die Grundrechte der Gleichbehandlung aller (Art 3 GG) und der Privatschulfreiheit (Art 7 Abs. 4 GG). Diese rechts- und sittenwidrige Handlung sei die Ursache dafür, daß die Zahl der seine Schule besuchenden Schüler zurückgegangen sei.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie durch das angefochtene Urteil (abgedruckt in BB 1968,232 und in WRP 1968,113) abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

A.

[...]

B.

I.

Nach Art. 3 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Diesen Gleichheitssatz haben nicht nur der Gesetzgeber und die Rechtsprechung zu beachten, sondern auch die Verwaltung (Art. 1 Abs. 3 GG). Er gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfGE 4,155). Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt vor, wenn eine Gruppe von Einzelfällen, die aus der Natur der Sache heraus und gemäß den Forderungen der Gerechtigkeit unzweifelhaft hätte gleich geregelt werden müssen, ohne zureichenden sachlichen Grund und entgegen den Forderungen der Gerechtigkeit rechtlich ungleich geregelt ist (so BGHZ 38,13, 20 m. w. Nachw.). Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich für eine Differenzierung kein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund finden läßt, so daß die Regelung, wird sie am Gerechtigkeitsgedanken orientiert, als willkürlich bezeichnet werden muß (so BVerfGE 18, 38, 46). Aus sachfremden Gründen vorgenommene Differenzierungen sind daher grundgesetzwidrig und damit rechtswidrig.

1.

Zu Unrecht hat sich die Beklagte dagegen gewehrt, daß Landgericht und Oberlandesgericht auch sie in ihrem Verwaltungshandeln dem Gleichheitssatz unterworfen und ihr nicht die im allgemeinen einer Aktiengesellschaft zustehende Privatautonomie zugebilligt haben. Die Beklagte gehört als der öffentliche Verkehrsbetrieb der Stadt D. zu den öffentlichen Einrichtungen, die zur Befriedigung lebenswichtiger Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich sind (vgl. § 18 Abs. 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Oktober 1952 - GV. NW. S. 167), und ist damit, neben den der Versorgung mit Gas, Elektrizität und Wasser dienenden Betrieben, ein Versorgungsbetrieb der öffentlichen Hand.

a) Ohne Bedeutung ist, daß die Rechtsbeziehungen, die die Beklagte mit ihren Benutzern unterhält, nicht öffentlich- rechtlicher Art sind, sondern auf Grund ihrer allgemeinen Beförderungsbedingungen als privatrechtlicher Beförderungsvertrag zustandekommen. Denn der Gleichheitssatz bindet die öffentliche Verwaltung auch dort, wo sie sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben privatrechtlicher Formen bedient (BGHZ 29,76, 80; 36,91, 96; BGH LM Art. 3 GG Nr. 84).

b) Diese Bindung entfällt hier auch nicht deshalb, weil die Beklagte eine Aktiengesellschaft, also eine juristische Person des Privatrechts, ist. Für die Geltung des Gleichheitssatzes der Verfassung ist es nicht von Bedeutung, in welcher Rechtsform des öffentlichen oder privaten Rechts die öffentliche Hand auf dem hier gegebenen Gebiet der sog. Daseinsvorsorge tätig wird.

Daß der Gleichheitssatz für die Versorgungs- und Verkehrsbetriebe der Gemeinden unmittelbar gilt (Art. 1 Abs. 3 GG), bedarf dann keiner näheren Begründung, wenn man annimmt daß diese Betriebe nicht zu den wirtschaftlichen Unternehmen im Sinne der §§ 69 ff der Gemeindeordnung gehören, sondern ein Stück der Gemeinden sind, weil sie zu deren Funktionskern gehören und damit unmittelbar zu der ihnen obliegenden Daseinsvorsorge (so BayVfGH 10 II 113 = UV 1958,216; Hüttl, UV 1958, 198). Nichts anderes gilt, wenn man die Verkehrsbetriebe zur wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden rechnet (so Fischerhof, UV 1960,41; vgl. RdErl des Innenministers NRW vom 23. Juni 1953 im SMBl. NW. 6411 und in Kottenberg/Rehn, Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen 8. Aufl. S. 498). Denn auch diese Betätigung der Gemeinden dient lebenswichtigen Bedürfnissen der Gemeinschaft, gehört daher zur Daseinsvorsorge und ist deshalb öffentliche Verwaltung und nicht privatwirtschaftliche Tätigkeit (vgl. Zeiß, UV 1958,201; Torz, UV 1958,205/206).

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, daß die Stadt DL ihr Verkehrsunternehmen nicht in der Form eines Eigenbetriebes (§ 74 GO NW), sondern als rechtlich selbständiges Wirtschaftsunternehmen (§ 72 GO NW: Eigengesellschaft) organisiert hat. Die Rechtsform entscheidet nicht darüber, ob die öffentliche Hand dem Verwaltungs- und nicht dem Privatrecht unterworfen und damit an den Gleichheitssatz gebunden ist. Alles, was funktionell zur Daseinsvorsorge gehört, ist nach den Grundsätzen des öffentlichen und nicht des privaten Rechts zu beurteilen (Forsthoff, Verwaltungsrecht I 9. Aufl. S. 382,484; Wolff, Verwaltungsrecht 7. Aufl. Bd. I § 23 II b1; vgl. BGH Urt. v. 10. Juli 1969 - KZR 13/68-, Betrieb 1969,1790). Infolgedessen ist die Tarifgestaltung der Beklagten nicht Sache des privaten Beliebens, sondern gehört zur öffentlichen Aufgabe der Daseinsvorsorge. Daher kann sie nicht einzelne Schulen oder Gruppen von Schulen ohne sachlichen Grund bevorzugen oder benachteiligen (so schon Raiser, ZHR 1948, 85, 97). Ebensowenig kann sie sich dem Verfassungsgebot, Gleiches gleich zu behandeln, mit dem Hinweis entziehen, daß sie nach allgemeinen handels- und aktienrechtlichen Bestimmungen gehalten sei, zur Beseitigung des Defizits die bisher gewährten Vergünstigungen abzubauen. Zudem bestimmt § 76 Abs. 1 GO NW, daß die Erfüllung des mit einem wirtschaftlichen Unternehmen verfolgten öffentlichen Zwecks (§ 69 Abs. 1 Nr. 1 GO NW), hier die Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse der Bevölkerung in ihren verschiedenen Schichten, dem Streben, Gewinne zu erzielen, vorgeht (vgl. Kottenberg/Rehn aaO § 76 Anm. II). Das mag zwar unmittelbar nur für solche Betriebe vorgeschrieben sein, die die Gemeinde als unselbständige Eigenbetriebe (§ 74 GO NW) organisiert hat. Dem Grundsatz nach gilt das aber auch dann, wenn die Gemeinde ihren Verkehrsbetrieb als Eigengesellschaft (§ 72 GO NW) gestaltet hat, - jedenfalls dann, wenn sie an dieser Gesellschaft nicht nur beteiligt ist, sondern sie ihr, wie hier, allein gehört.

2.

Somit ist der Standpunkt des Berufungsgerichts, daß die Beklagte dem Gleichheitssatz unterworfen sei, zutreffend. Infolgedessen kommt es nicht auf die vom Berufungsgericht angeführte, aber umstrittene Frage an, ob und inwieweit eine unmittelbare oder doch mittelbare Einwirkung der Grundrechte auch auf privatrechtliche Rechtsbeziehungen anerkannt werden kann und muß (BGHZ 36,95: Drittwirkung der Grundrechte). Mit Recht hat jedoch das Berufungsgericht betont, daß der Gleichheitssatz sowohl dem Gesetzgeber wie der Exekutive einen Spielraum läßt. Erst die Überschreitung dieses Spielraums ist Willkür und verstößt daher gegen den Gleichheitssatz (BVerfGE 3, 58, 135; 17, 381, 388; 25, 269, 292/93).

a) Dies ist vor allem im vorliegenden Fall von Bedeutung, weil es sich hier nicht um einen hoheitlichen Eingriff der Verwaltung handelt, sondern um eine Tätigkeit der Daseinsvorsorge der öffentlichen Hand. Im Bereich gewährender Staatstätigkeit muß dem Gesetzgeber eine größere Gestaltungsfreiheit zugestanden werden als bei der Eingriffs-Verwaltung (BVerfGE 12, 210, 216 m. w. Nachw.). Daher sind, soweit es um Hilfe und Förderung gewährende Staatstätigkeit geht, Regelungen zugunsten einzelner Gruppen schon dann zulässig, wenn vernünftige Gründe dafür bestehen, den Kreis der Begünstigten abzugrenzen, dabei aber willkürliche Privilegierungen oder Diskriminierungen vermieden sind (so BVerfGE 12, 354, 367; Ipsen in Neumann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte Bd. II S. 148/149).

b) Das gilt - sowohl hinsichtlich der Grenzen des Ermessensspielraums wie, bei bloßer Daseinsvorsorge, hinsichtlich der Weite dieses Spielraums - auch für die Daseinsvorsorge, die von der Exekutive, hier von der Stadtgemeinde, gewährt wird (vgl. Rupp, NJW 1969,1273; Wolff aaO Bd. III § 138 IV). Auch ihr muß bei aller Bindung an den Gleichheitssatz eine gewichtige Gestaltungsfreiheit bei Entscheidung der Frage belassen werden, welchen Kreis der Bevölkerung, hier welchen Kreis der Schüler, sie durch Gewährung verbilligter Tarife sozial unterstützen will. Zu Unrecht meint die Revision, die Bindung der Verwaltung an das Grundgesetz dürfe nicht weiter, sondern müsse strenger sein als die Bindung des Gesetzgebers. Das ist nur insoweit richtig, als die Verwaltung nicht nur das Grundgesetz zu beachten hat, sondern auch die Gesetze, die sie zu ihrem Handeln ermächtigen (Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung). Darüber hinaus ist sie bei Anwendung und Durchführung der Gesetze an die konkreten Wertentscheidungen gebunden, die der Gesetzgeber in seinen Gesetzen getroffen hat (BVerfGE 18, 353, 362; Leibholz/Rinck, Grundgesetz 3. Aufl. Art. 3 Rdn. 17). Daher war die Beklagte gehalten, ihre Tarife nach den Richtlinien aufzustellen, die ihr der Gesetzgeber in § 39 Abs. 2 PBefG vorgeschrieben hat, insbesondere also unter Beachtung des Gemeinwohls. Darunter sind nicht nur die Verkehrsbedürfnisse der Bevölkerung zu verstehen, sondern auch die sozialen Belange, denen der Verkehrsbetrieb einer Gemeinde Rechnung tragen muß. Das führt wiederum zur Beachtung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes.

II.

Ist demnach mit dem Kläger davon auszugehen, daß die Beklagte an den Gleichheitssatz gebunden war, als sie in ihrem neuen Tarif Schülern Vergünstigungen gewährte, so kann doch fraglich sein, ob, inwiefern und inwieweit der Kläger daraus, daß die Beklagte, wie er behauptet, diesen Grundsatz verletzt habe, die von ihm erhobenen Klageansprüche herleiten kann. Denn nicht ohne weiteres steht der Verpflichtung der Beklagten, den Gleichheitssatz zu beachten, ein subjektives Recht des Klägers gegenüber - sei es auf Erfüllung des Verfassungsgebots, sei es auf Schadensersatz wegen seiner Mißachtung. Diesen Zweifeln braucht hier nicht weiter nachgegangen zu werden. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, daß die Beklagte aus sachgerechten Gründen die Schüler der allgemeinbildenden Ergänzungsschulen gegenüber den Schülern der berufsbildenden Ergänzungsschulen bevorzugt hat.

1.

Die Beklagte durfte bei ihrem Entschluß, ob und wem sie Schüler-Tarife gewähren sollte, hinsichtlich der Schüler differenzieren, je nach der Schule, die sie besuchten, und durfte auch eine dem entsprechende typisierende Regelung einführen (vgl. BGHZ 14,138, 144; BVerfGE 11, 50, 60; 11, 245, 253).

Die Beklagte hat die in ihrem neuen Tarif enthaltene Differenzierung dem Schulrecht entlehnt. Dieses unterscheidet zunächst zwischen den öffentlichen Schulen und den Privatschulen (vgl. §§ 3 ff des Schulverwaltungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 3. Juni 1958 - GV. NW. 241). Bei den Privatschulen wird wiederum unterschieden zwischen Ersatzschulen und Ergänzungsschulen. Ersatzschulen sind Privatschulen, die, weil entsprechende öffentliche Schulen bestehen oder grundsätzlich vorgesehen sind, an Stelle - dieser Schulen treten und daher der staatlichen Genehmigung bedürfen (Art. 7 Abs. 4 GG; Peters in Neumann/Nipperdey/Scheuner aaO Bd. IV/1 S. 430). Die übrigen, nicht genehmigten, daher auch nicht der eigentlichen Schulaufsicht unterliegenden Privatschulen sind die sogenannten Ergänzungsschulen (vgl. die Vereinbarung der Unterrichtsverwaltungen der Länder über das Privatschulwesen vom 10./11. August 1951, abgedr. bei Heckel, Deutsches Privatschulrecht S. 85 ff). Sie wollen und sollen nicht Ersatz für die öffentlichen Schulen (die Volksschulen und die weiterführenden allgemeinbildenden Schulen sowie die Berufsschulen) sein, sondern durch zusätzliche Formen deren Ausbildung ergänzen. Sie stehen somit außerhalb des Aufbaus des öffentlichen Schulwesens. Allerdings sind allgemein-bildende Ergänzungsschulen nur in Ausnahmefällen denkbar, weil der Kreis des allgemeinbildenden Schulwesens nahezu geschlossen ist. Infolgedessen ist das Feld des Ergänzungsschulwesens das berufsbildende Schulwesen (Heckel aaO S. 46, 226, 227; von Mangoldt/Klein, GG Art. 7 Anm. VI 4).

a) Auch das nordrhein-westfälische Schulordnungsgesetz vom 8. April 1952 unterscheidet diese Schultypen. Daß und warum die Beklagte den Schülern der öffentlichen Schulen weiterhin Schüler-Monatskarten gewährt, liegt auf der Hand. Sowohl für die Volks- und Berufsschulen wie für die höheren Schulen besteht in Nordrhein-Westfalen Schulgeldfreiheit (Art. 9 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und Gesetz vom 31. Januar 1956 - GV. NW. 1956,95). Ähnliches gilt für die Ersatzschulen, für die die Beklagte ebenfalls Schüler-Ermäßigung gewährte und gewährt - gleich ob allgemeinbildende oder berufsbildende Ersatzschulen. Auch diese Schulen werden nämlich gemäß Art. 8 Abs. 4 Satz 3 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen durch staatliche Zuschüsse subventioniert; so wird ihnen der Ausfall ersetzt, der ihnen durch Gewährung von Schulgeldfreiheit entsteht (Art. 9 Abs. 2 Satz 3 der Verfassung und Ersatzschulfinanzgesetz vom 27. Juni 1961 - GV. NW. S. 230). Auch hinsichtlich Lehr- und Lernmitteln stehen öffentliche Schulen und Ersatzschulen gleich. Für den Besuch einer öffentlichen Schule und einer als Ersatzschule genehmigten Privatschule bestehen daher von Staats wegen die gleichen Bedingungen (vgl. auch § 14a Abs. 1 Nr. 1 des Bundeskindergeldgesetzes). Ihre Schüler haben grundsätzlich das gleiche Anrecht auf alle den öffentlichen Schulen gewährten Vergünstigungen (vgl. Geller/ Kleinrahm/Fleck, Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, Art. 8 bei Fußnote 110). Der Kläger beanstandet daher auch nicht, daß die Beklagte zwischen Privatschulen, die Ersatzschulen sind, und den Privatschulen, die Ergänzungsschulen sind, differenziert. Der Streit der Parteien geht allein darum, daß die Beklagte in ihrem neuen Tarif nur noch Ergänzungsschulen begünstigt, deren Ziel die Ablegung der mittleren Reife oder des Abiturs ist, also allgemeinbildende Schulen, deren Schüler nach dem Besuch der Schule versuchen wollen, als Externer die Prüfung an einer öffentlichen Schule zu bestehen

b) Indes entstammt auch die Unterscheidung zwischen allgemeinbildenden Schulen und berufsbildenden Schulen dem Schulrecht. Nach § 4 des nordrhein-westfälischen Schulverwaltungsgesetzes sind vor allem die Volksschulen, die Mittelschulen und die höheren Schulen allgemeinbildende Schulen. Berufsbildende Schulen sind insbesondere die Berufsschulen, die Berufsfachschulen, die Fachschulen, die Ingenieurschulen und andere höhere Fachschulen. Auch das nordrhein-westfälische Schulpflichtgesetz vom 14. Juni 1966 (GV. NW. S. 365) spricht in § 12 Abs. 2 von den öffentlichen weiterführenden allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schulen oder einer vergleichbaren Ersatzschule. Allerdings knüpfen die Schulgesetze an diese Unterscheidung keinen wesentlichen Unterschied. Zu der den Kläger treffenden Differenzierung ist es dadurch gekommen, daß der Regierungspräsident es mißbilligt hatte, als die Beklagte in ihrem Tarif-Antrag für 1966 sämtlichen Ergänzungsschulen die Vergünstigung von Schüler-Monatskarten streichen wollte. Der Regierungspräsident wünschte, daß wenigstens noch die Schüler solcher Ergänzungsschulen begünstigt würden, deren Ziel die mittlere Reife oder das Abitur ist.

Schon angesichts dieser Entstehungsgeschichte der neuen Tarifbestimmung kann nicht angenommen werden, daß die Beklagte gegen Art. 3 GG verstoßen hätte, als sie dem Wunsch der Genehmigungsbehörde nachkam. Denn der Regierungspräsident hatte nach § 39 Abs. 2 PBefG auch das Gemeinwohl bei seiner Entscheidung zu beachten. Vor allem scheidet der Vorwurf, die Beklagte habe rechts- und sittenwidrig gehandelt (§ 826 BGB), ohne weiteres aus. Ihr ging es nicht um eine Benachteiligung der Schule des Klägers, sondern um die Aufrechterhaltung der Vergünstigung wenigstens für die allgemeinbildenden Ergänzungsschulen. Im Grunde ist somit die Benachteiligung des Klägers nur das Spiegelbild der Bevorzugung der allgemeinbildenden Ergänzungsschulen. Bei bevorzugender Typisierung ist aber die Gestaltungsfreiheit der öffentlichen Hand weiter als bei benachteiligender Typisierung (so BVerfGE 17, 1, 23). In solchen Fällen muß auf den Normalfall abgestellt werden, d. h. auf den Fall, der nach Sinn und Zweck der sozialen Leistung in der Regel erfaßt wird und erfaßt werden soll. Denn es bedeutet keinen Verfassungsverstoß, wenn gelegentlich einer Typisierung auch Personen in den Genuß von Vorteilen kommen, die ihnen nach Sinn und Zweck der Daseinsvorsorge an sich nicht gebühren; anders ist es nur dann, wenn Personen davon ausgeschlossen werden, denen die Vorteile zukommen müßten (so BVerfGE aaO).

2.

Die Prüfung der Tarifgestaltung der Beklagten an Hand dieser Grundsätze ergibt, daß die von ihr beschlossene Differenzierung nicht willkürlich, sondern sachgerecht ist.

a) Insofern hat die Beklagte den Standpunkt vertreten, dies folge schon daraus, daß ihre Differenzierung an Unterscheidungen angelehnt ist, die auch das Schulrecht kennt. Ob das allein ausreichen würde, um einen Verstoß gegen Art. 3 GG zu verneinen, kann indes zweifelhaft sein. Es ist nicht gesagt, daß die im Schulrecht getroffenen Unterscheidungen entscheidendes Gewicht auch für die Frage haben, um die es hier, bei der durch Schüler-Monatskarten gewährten Sozialleistung, geht. Fragen des Schulrechts und der Bildungspolitik haben für die hier zu entscheidende Frage nur beschränkte Bedeutung. Diese Erwägung zeigt zugleich, daß sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die Bestrebungen berufen kann, im Schulrecht die Unterscheidung zwischen Ersatz- und Ergänzungsschulen fallen zu lassen (Heckel aaO S. 46,227 sowie in Schulrecht und Schulpolitik - 1967 - S. 117; UV 1964,595; von Mangoldt/Klein, GG Art. 7 Anm. VI 4). Ebensowenig kann der Kläger einen Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) geltend machen. Im Lande Nordrhein-Westfalen ist den Eltern und Schülern der Besuch der öffentlichen Schulen und der Ersatzschulen finanziell weitgehend erleichtert. Die für diese Schulen gewährten Vergünstigungen auch den Ergänzungsschulen zu gewähren, gebietet die grundgesetzliche Ordnung nicht (vgl. dazu Scholz, WRP 1968,318). Um so weniger kann die Beklagte verpflichtet werden, auch den Schülern des Klägers Fahrpreisermäßigungen zu bewilligen.

b) Das Berufungsgericht erwägt zunächst, daß die Schüler berufsbildende Ergänzungsschulen nur verhältnismäßig kurz besuchen, nämlich nur ein bis zwei Jahre lang. Berufsbildende Schulen können nur von Schülern besucht werden, die die Schulpflicht bereits erfüllt haben, also älter als 14 Jahre sind. Nur dann verlassen sie die Schule des Klägers erst nach drei Jahren, wenn sie im Anschluß an den zweijährigen Besuch der allgemeinen Handelsschule noch die einjährige höhere Handelsschule besuchen. Demgegenüber müssen die Schüler, die die von der Beklagten weiterhin begünstigten allgemeinbildenden Ergänzungsschulen besuchen, in aller Regel mindestens bis zu ihrem 19. Lebensjahr auf die Schule gehen, bevor sie sich zur Ablegung der Reifeprüfung melden können. Als besonders stark ins Gewicht fallenden Sachgrund für die Differenzierung sieht das Berufungsgericht die Tatsache an, daß die Schüler, die sich auf Ergänzungsschulen auf die Ablegung der Reifeprüfung vorbereiten, nach deren Bestehen noch keine spezielle Berufsausbildung erfahren haben, sondern erst im Anschluß an den Schulbesuch damit beginnen müssen. Dieser Umstand ist in der Tat von entscheidender Bedeutung. Er läßt es als sachlich berechtigt erscheinen, diese Schüler nicht erst dann, wenn sie nach Ablegung der Prüfung als Studenten auf die Hochschule oder andere weiterführende Schulen gehen, sozial zu begünstigen, sondern schon - so wie die anderen Schüler der allgemeinbildenden öffentlichen und Ersatzschulen - während ihrer Schulzeit. Demgegenüber sind die Schüler des Klägers nach Abschluß ihrer, zudem meist kürzeren, Schulzeit sogleich auf den Beruf, den sie ergreifen wollen, vorbereitet und haben, was besonders wesentlich ist, eben wegen ihrer speziellen berufsbildenden Ausbildung begründete Aussicht, sogleich gut zu verdienen. Diese überzeugenden Überlegungen des Berufungsgerichts zeigen zugleich, daß es sich nicht kurzerhand von dem Rechtsstatus der Schulen hat leiten lassen, wie die Revision meint, sondern zutreffend von den bei der verteilenden Daseinsvorsorge ins Gewicht fallenden sozialen Unterschieden (vgl. Ballerstedt, Tarifgerechtigkeit, in Festschrift für Gieseke - 1958 - S. 324).

Der Kläger kann auch nichts daraus für sich herleiten, daß die Beklagte die Unterscheidung zwischen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen nicht auch bei den öffentlichen Schulen und den Ersatzschulen gemacht hat. Ob sie das hätte tun dürfen, steht nicht zur Prüfung. Vor allem übersieht die Revision, daß sich die öffentlichen Schulen und die Ersatzschulen nicht nur schulrechtlich als Schultypen von den Ergänzungsschulen unterscheiden, sondern auch bezüglich der Rolle, die ihnen innerhalb der allgemeinen Daseinsvorsorge des Staates und der Gemeinden hinsichtlich ihrer Pflicht zukommt, die Kinder in den Schulen zu erziehen und zu bilden sowie den Jugendlichen ihre Ausbildung zum Beruf zu sichern. Wie ausgeführt, werden nicht nur die öffentlichen Schulen, sondern auch die Ersatzschulen vom Staat finanziert - übrigens nicht nur in Nordrhein-Westfalen (vgl. Vogel, UV 1967,17 Fn. 2). Beide sind hinsichtlich der Zahlung von Schulgeldern und der Aufwendungen für Beschaffung von Lernmitteln gleichermaßen begünstigt. Nicht begünstigt hat das Land Nordrhein-Westfalen aber die Ergänzungsschulen. Es mag zwar sein, daß auch solche Ergänzungsschulen, deren Inhaber nicht auf Gewinn ausgehen, sondern sie zum Nutzen der Allgemeinheit unterhalten (gemeinnützige Privatschule, der öffentlichen finanziellen Hilfe bedürftig und würdig sind (so Heckel aaO S. 257,304; Peters in Neumann/Nipperdey/Scheuner aaO Bd. IV/1 S. 441; vgl. auch Geiger, Recht und Wirtschaft der Schule - 1960/61 - S. 80,113). Der Anspruch auf staatliche Hilfe ist indes nur für die anerkannten und genehmigten Ersatzschulen, für die allein Art. 7 Abs. 4 GG gilt, anerkannt, nicht aber für jede Privatschule (so Art. 8 Abs. 4 Satz 2 der Verfassung Nordrhein-Westfalen; vgl. im übrigen BVerwGE 23,347; 27, 360, 363; Menger/Erichsen, VerwArch 1968,275). Das gilt nicht nur für die sog. freien (Schul-) Einrichtungen, sondern auch für die Ergänzungsschulen, mag die Allgemeinheit an ihrem Bestehen auch ein gewisses Interesse haben. Doch brauchen diese umstrittenen Fragen der öffentlichen Schulpolitik hier nicht weiter erörtert zu werden. Jedenfalls kann von der Verletzung des Gleichheitssatzes durch die Beklagte nicht gesprochen werden, wenn sie nicht allen Schülern von Ergänzungsschulen dieselbe Vergünstigung einräumt wie den Schülern der Ersatzschulen. Zudem geht es hier nicht um den Anspruch der Schüler auf staatliche Hilfe, sondern darum, ob die Beklagte, die kein Schulträger, sondern ein öffentlicher Verkehrsbetrieb ist, mittelbar durch Fahrpreisermäßigungen die Schule des Klägers subventionieren soll (vgl. Scholz, WRP 1968,316).