BGH, 23.02.1979 - V ZR 171/77

Daten
Fall: 
Vollmacht zur Übertragung eines Grundstücks
Fundstellen: 
DB 1979, 1226; DNotZ 1979, 684; MDR 1979, 653; NJW 1979, 2306
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
23.02.1979
Aktenzeichen: 
V ZR 171/77
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Hill, Eckstein, Hagen, Vogt, Räfle
Instanzen: 
  • LG Essen
  • OLG Hamm, 07.07.1977

Eine Vollmacht zur Übertragung eines Grundstücks bedarf nicht schon deshalb notarieller Beurkundung nach § 313 BGB, weil der Vollmachtgeber entschlossen ist, die Vollmacht nicht zu widerrufen, auch wenn er dem Vertreter Befreiung von § 181 BGB erteilt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 7. Juli 1977 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 5. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Klägerinnen sind die Erben des am 5. November 1974 verstorbenen Johann (genannt Hans) H.. Ihm und der Beklagten gehörte je zur Hälfte ein bebautes Grundstück in S. Der Erblasser wollte seinen Miteigentumsanteil auf die Beklagte übertragen. Da die am 30. September 1974 beabsichtigte Vertragsbeurkundung wegen Abwesenheit des Notars nicht möglich war, erteilte der Erblasser am selben Tage der Beklagten folgende durch das Ortsgericht in R. beglaubigte Vollmacht:

"Der Fliesenlegermeister Hans H. bevollmächtigt hiermit die Witwe Frau Olga T. (Beklagte), den Kauf- oder Tauschvertrag bzw. Übergabevertrag betreffend das Grundstück ... abzuschließen und sämtliche Erklärungen zur Auflassung und Eintragung im Grundbuch vor einem Notar abzugeben. Diese Vollmacht soll auch über meinen Tod gelten. Die Bevollmächtigte soll von der Beschränkung des § 181 BGB befreit sein."

Aufgrund dieser Vollmacht übertrug die Beklagte nach dem Tode des Erblassers dessen Miteigentumsanteil durch notariellen Vertrag vom 16. November 1974 auf sich selbst und bewilligte eine entsprechende Auflassungsvormerkung. In der Vertragsurkunde erklärte sie, daß die Übertragung zum Ausgleich für ihre "zehnjährige unentgeltliche Mitarbeit im Fliesenlegerbetrieb des Herrn Hans H. und in Übereinstimmung mit dessen oft bekundeten Willen" erfolge.

Die Klägerinnen halten die Vollmacht und den Vertrag für nichtig. Sie sind u.a. der Ansicht, die Vollmacht habe der für das Grundstücksgeschäft nötigen notariellen Beurkundung bedurft.

Das Landgericht hat - im wesentlichen den Klageanträgen entsprechend - der Beklagten den Erwerb des strittigen Grundstücksanteils, die Herbeiführung der Eigentumsumschreibung und die Weiterveräußerung untersagt; es hat darüber hinaus festgestellt, daß die Vollmacht vom 30. September 1974 und der notarielle Vertrag vom 16. November 1974 unwirksam sind.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Mit der Revision erstrebt sie die Abweisung der Klage. Die Klägerinnen beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht hält die der Beklagten erteilte Vollmacht zur Grundstücksübertragung, mithin auch den Vertrag vom 16. November 1974, mangels notarieller Beurkundung für nichtig (§§ 125, 313 BGB). Den Formzwang leitet es daraus her, daß sich der Erblasser mit der, wenn auch widerruflichen, Vollmacht endgültig zur Übertragung seines Grundstücksanteils habe binden wollen; dieser Wille ergebe sich insbesondere aus der Befreiung der Beklagten von dem Verbot des § 181 BGB, aber auch aus der genauen Bezeichnung des Grundstücks in der Vollmachtsurkunde und aus dem Umstand, daß die Bevollmächtigung das "Ersatzgeschäft" für die tatsächlich zunächst beabsichtigte und nur durch die Abwesenheit des Notars verhinderte Vertragsbeurkundung dargestellt habe.

Dagegen wendet sich die Revision zu Recht.

Nach § 167 Abs. 2 BGB bedarf eine Vollmacht nicht der Form, die für das beabsichtigte Rechtsgeschäft vorgeschrieben ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nach ständiger Rechtsprechung für den Fall einer unwiderruflichen Vollmacht zur Veräußerung oder zum Erwerb von Grundstücken (vgl. die Senatsurteile vom 22. April 1966, V ZR 164/63, WM 1966, 761 und vom 11. Juli 1952, V ZR 80/52, DNotZ 1952, 477 = NJW 1952, 1210 mit zustimmender Anm. von Grussendorf). Eine unwiderrufliche Vollmacht hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

Es kommt deshalb darauf an, ob hier der von der Rechtsprechung zugelassene weitere Ausnahmefall vorliegt, daß zwar die Vollmacht rechtlich widerrufen werden kann, tatsächlich aber mit der Bevollmächtigung schon die gleiche Bindungswirkung eintreten sollte und nach der Vorstellung des Vollmachtgebers auch eingetreten ist wie durch Abschluß des formbedürftigen Hauptvertrages, die Vollmacht also den damit in Wahrheit bereits gewollten Grundstückstibertragungsvertrag nur verdeckt (Senatsurteile vom 13. November 1964, V ZR 179/62, WM 1965, 107; vom 21. Mai 1965, V ZR 156/64, WM 1965, 1006; vom 11. Oktober 1974, V ZR 25/73, LM Nr. 2 zu § 121 BGB).

Eine tatsächlich bindende Vorwegnahme des Grundstückstibertragungsvertrages sieht das Berufungsgericht "entscheidend" darin, daß der Erblasser in der Vollmachtsurkunde die Beklagte von der Beschränkung des § 181 BGB freigestellt hat. Das ist für sich allein jedoch kein ausschlaggebender Gesichtspunkt, wie der Senat schon mehrfach entschieden hat (vgl. die vorerwähnten Urteile vom 11. Oktober 1974, 22. April 1966 und 21. Mai 1965). Wird der Vertreter ermächtigt, das Geschäft mit sich selbst abzuschließen, so wird damit zunächst lediglich seine Vertretungsmacht erweitert. Hierdurch wird aber der Vollmachtgeber nicht stärker an die Vollmacht gebunden als bei einer Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 181 BGB. Für die Frage der Bindungswirkung kommt es mithin auch dann, wenn Befreiung von § 181 BGB erteilt wird, immer auf die umstände des Einzelfalles an, insbesondere auf das der Vollmacht zugrunde liegende Rechtsverhältnis (vgl. die vorstehenden Senatsurteile; ebenso Soergel/Schmidt BGB 10. Aufl., § 313 Rdnr. 10 und 11; BGB-RGRK, 12. Aufl. § 167 Anm. 5). Ausreichende Feststellungen in dieser Hinsicht finden sich in dem Berufungsurteil nicht.

Daß der Erblasser, wie das Berufungsgericht ausführt, entschlossen war, seinen Grundstücksanteil der Beklagten zu übereignen, und daß die Bevollmächtigung diesen Entschluß ohne weiteres verwirklichen sollte, entspricht dem Wesen einer derartigen Vollmacht; denn sie setzt naturgemäß voraus, daß der Vollmachtgeber ernstlich das auch erreichen will, wozu er den Vertreter bevollmächtigt. Damit bringt er noch keinen unumstößlichen Bindungswillen zum Ausdruck. Der Vollmachtgeber muß nicht nur entschlossen sein, an der Vollmacht festzuhalten; er muß sich zudem in einer Lage sehen, die ihn jedenfalls nach eigener Überzeugung tatsächlich an die Vollmacht bindet. Eine solche Bindungswirkung wird hier auch nicht dadurch belegt, daß es zu der Vollmacht vom 30. September 1974 nur gekommen ist, weil sich die am selben Tage beabsichtigte Vertragsbeurkundung nicht durchführen ließ. Dieser Umstand erklärt nur, was der äußere Anlaß für die Bevollmächtigung war. Sie kann auf einer bloßen Zweckmäßigkeitserwägung beruht haben, die möglicherweise lediglich darauf abzielte, die Sache zu vereinfachen und dem damals schon kranken Erblasser weitere Mühen zu ersparen. Zweckmäßigkeitsgründe dieser Art rechtfertigen keinen zwingenden Schluß auf eine gewollte Bindungswirkung der Vollmacht (Senatsurteil WM 1965, 1006, 1007). Der Fall läge anders, wenn der Erblasser damals etwa schon so schwer erkrankt gewesen sein sollte, daß er sich außerstande fühlte, künftig noch Einfluß auf das Grundstücksgeschäft zu nehmen und deshalb mit der Vollmacht bereits vollendete Tatsachen schaffen wollte. Dahingehende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Entgegen seiner Ansicht besagt auch die in der Vollmachtsurkunde enthaltene Bezeichnung des Grundstücksanteils nichts über eine endgültige Willensbindung; daraus ergibt sich nur der Gegenstand des Rechtsgeschäfts, auf das sich die Vollmacht bezog.

Indessen könnte hier einem anderen, vom Berufungsgericht nicht erörterten Umstand wesentliche Bedeutung zukommen: Wie die Beklagte selbst in der Vertragsurkunde vom 16. November 1974 angegeben hat, erfolgte die Grundstücksübertragung zum Ausgleich für ihre jahrelange unentgeltliche Mitarbeit in dem Betrieb des Erblassers und "in Übereinstimmung mit dessen oft bekundeten Willen". Sie hat dazu eine angebliche privatschriftliche Erklärung des Erblassers vom 29. Dezember 1973 vorgelegt, wonach er ihr einen Betrag von 54.300 DM schulde, der "mit den Besitzungen F. und S. verrechnet" werden solle. Dieser Betrag entspricht nahezu dem Verkehrswert des Grundstücksanteils (57.500 DM). Eine weitere Schuld des Erblassers in Höhe von 30.162,05 DM soll sich aus der "Zusammenstellung" vom selben Tage ergeben. Das alles kann darauf hindeuten, daß der Erblasser nur in Erfüllung einer Zahlungsverpflichtung die Beklagte zu dem Grundstücksgeschäft bevollmächtigt hat, mag auch eine Schuldtilgung in dieser Weise erst für die Zeit nach seinem Tode gedacht gewesen sein. Diente aber die Vollmacht nach dem ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnis und nach ihrer etwa hierauf beruhenden umfassenden Ausgestaltung gerade dem Zweck, die behaupteten Ansprüche zu befriedigen, so könnte die Bevollmächtigung allein im Interesse der Beklagten als der forderungsberechtigten Gläubigerin erfolgt sein. Das wiederum könnte ein erhebliches Indiz dafür sein, daß sich der Erblasser an die Vollmacht unwiderruflich binden wollte und auch gebunden glaubte (vgl. Senatsurteil WM 1965, 1006).

Ob die Dinge hier so liegen und welcher Beweiswert daraus für eine gewollte Bindungswirkung der Vollmacht abzuleiten ist, muß der tatrichterlichen Beurteilung vorbehalten bleiben. Dabei wird zu klären sein, ob die angeblich vom Erblasser am 29. Dezember 1973 bestätigte Zahlungspflicht auch noch am 30. September 1974 die - zumindest stillschweigend - maßgebliche Grundlage der Bevollmächtigung war oder ob in diesem Zeitpunkt, wie die Klägerinnen in anderem Zusammenhang geltend gemacht haben, nur intime Beziehungen zwischen ihm und der Beklagten den Ausschlag für die mit der Vollmacht verknüpfte Zuwendung gaben. Etwaige Zweifel gehen zu Lasten der darlegungs- und beweispflichtigen Klägerinnen. Dieser Beweislage wird ihr in den Vorinstanzen nicht eindeutiger Sachvortrag nunmehr Rechnung tragen müssen.

Das Verfahren ist daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.