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BVerfG, 26.01.1972 - 1 BvL 3/71

Daten
Fall: 
Kranzgeld
Fundstellen: 
BVerfGE 32, 296; NJW 1972, 571; MDR 1972, 393
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
26.01.1972
Aktenzeichen: 
1 BvL 3/71
Entscheidungstyp: 
Beschluss

§ 1300 BGB ist vorkonstitutionelles Recht.

Inhaltsverzeichnis 

Beschluß

des Ersten Senats vom 26. Januar 1972
- 1 BvL 3/71 -
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 1300 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Landgerichts Kaiserslautern vom 9. Dezember 1970 (2 O 391/69)

Entscheidungsformel:
Die Vorlage ist unzulässig.

Gründe

Die Vorlage betrifft die Vereinbarkeit des in § 1300 BGB normierten sogenannten Kranzgeldanspruchs mit der Verfassung.

A.

I.

Die zur Prüfung vorgelegte Norm lautet:

§ 1300
(1) Hat die unbescholtene Verlobte ihrem Verlobten die Beiwohnung gestattet, so kann sie, wenn die Voraussetzungen des § 1298 oder des § 1299 vorliegen, auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen.
(2) ...

Die Verweisung auf §§ 1298 und 1299 BGB besagt, daß der Anspruch nur gegeben ist, wenn der Verlobte ohne wichtigen Grund vom Verlöbnis zurückgetreten ist oder durch ein Verschulden, das einen wichtigen Grund für den Rücktritt bildet, die Verlobte zum Rücktritt veranlaßt hat.

II.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens nimmt den Beklagten wegen eines Verlöbnisbruches nach § 1300 BGB in Anspruch. Das Landgericht Kaiserslautern sieht die Voraussetzungen dieser Vorschrift als gegeben an, hält die Norm jedoch für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 2 GG. Es hat daher das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber beantragt, ob § 1300 BGB mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Nach seiner Auffassung ist die zur Prüfung vorgelegte Norm nachkonstitutionelles Recht, da der nachkonstitutionelle Gesetzgeber sie in seinen Willen aufgenommen habe. Das Gleichberechtigungsgesetz habe das gesamte bürgerliche Recht, besonders das Familienrecht, dem Art. 3 Abs. 2 GG anpassen sollen. Wenn der Gesetzgeber dabei entgegen einem Antrag der SPD-Fraktion § 1300 BGB unberührt gelassen habe, habe er seine Ansicht, daß die Vorschrift nicht gegen Art. 3 Abs. 2 GG verstoße, und seinen Willen, daß sie unverändert fortgelten solle, deutlich zum Ausdruck gebracht.

III.

Der Bundesminister der Justiz hat namens der Bundesregierung zur Zulässigkeit der Vorlage ausgeführt, daß für die Frage, ob der Gesetzgeber die zur Prüfung gestellte Norm im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in seinen Willen aufgenommen habe, folgende Gesichtspunkte bedeutsam seien:

1.

Wie die amtliche Bezeichnung des Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts vom 18. Juni 1957 (BGBl. I S. 609) deutlich mache, habe der nachkonstitutionelle Gesetzgeber mit diesem Gesetz dem Auftrag des Art. 117 Abs. 1 GG entsprechend das bürgerliche Recht dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau anpassen wollen. Für eine bestätigende Aufnahme in den Willen des nachkonstitutionellen Gesetzgebers kämen nur diejenigen - in ihrer Fassung unverändert gebliebenen - Bestimmungen in Betracht, für deren verfassungsrechtliche Beurteilung gerade der Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau von entscheidender Bedeutung sei. Da Bestimmungen dieser Art naturgemäß vornehmlich im Familienrecht anzutreffen seien, könne das Gleichberechtigungsgesetz als eine durchgreifende Überprüfung gerade dieses "begrenzten und überschaubaren Rechtsgebietes" (BVerfGE 11, 126 [132]) an Hand des Art. 3 Abs. 2 GG durch den nachkonstitutionellen Gesetzgeber verstanden werden. Zu den Normen, die sich dem Gesetzgeber für eine Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit dieser Verfassungsvorschrift anboten, habe unzweifelhaft auch § 1300 BGB gehört, zumal da in der Zeit vor der Beratung des Gesetzes in der Rechtsprechung und im juristischen Schrifttum erhebliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung laut geworden seien. Aus den Beratungen des Unterausschusses "Familienrechtsgesetz" des Bundestagsausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ergebe sich, daß der Gesetzgeber diese Bestimmung bei der Anpassung des Familienrechts an Art. 3 Abs. 2 GG nicht aus seinen Überlegungen ausgeklammert habe.

2.

Auch wenn er danach § 1300 BGB für vereinbar mit Art. 3 Abs. 2 GG angesehen habe, zwinge dies jedoch noch nicht zu dem Schluß, daß er die Bestimmung auch für rechtspolitisch sinnvoll gehalten habe. Immerhin sei in der erwähnten Unterausschußsitzung auf die rechtspolitische Problematik dieser Bestimmung hingewiesen worden, die unter Berücksichtigung der heutigen gesellschaftspolitischen Vorstellungen mit der gesetzlichen Normierung des Kranzgeldanspruchs verbunden sei. Möglicherweise habe die Ausschußmehrheit die Bestimmung zwar für verfassungsgemäß, jedoch für - zu einem späteren Zeitpunkt - überprüfungsbedürftig gehalten. Es frage sich daher, ob der Gesetzgeber die Norm, ohne sie bestätigend in seinen Willen aufzunehmen, nicht lediglich hingenommen und ihre Aufhebung oder sachliche Änderung vorerst unterlassen habe (BVerfGE 11, 126 [131]; 25, 25 [26 f.]). Diese Frage lasse sich schwerlich beantworten, ohne auf die subjektiven Vorstellungen der Mitglieder der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe einzugehen. Entscheidend sei aber der objektivierte Wille des Gesetzgebers, für dessen Erschließung die Ablehnung des Streichungsantrages der SPD einen geeigneten Anhaltspunkt bieten könne, insofern danach die Fortgeltung des § 1300 BGB Gegenstand einer ausdrücklichen Willensentscheidung des Gesetzgebers gewesen sei. Den aus diesen und aus anderen Hinweisen zu ziehenden Schlußfolgerungen brauche nicht entgegenzustehen, daß nach den möglichen Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder § 1300 BGB nur einstweilen bis zu einer späteren, die rechtspolitische Zweckmäßigkeit dieser Regelung überprüfenden Reform weitergelten sollte (BVerfGE 26, 44 [54]).

B.

Die Vorlage ist unzulässig, weil § 1300 BGB vorkonstitutionelles Recht ist.

I.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterliegen Gesetze, die vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes verkündet worden sind (sog. vorkonstitutionelles Recht), nicht der ausschließlichen Entscheidungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 2, 124 [128 ff.]). Etwas anderes gilt nur, wenn der Gesetzgeber eine vorkonstitutionelle Norm bei einer nach Inkrafttreten des Grundgesetzes vorgenommenen Gesetzesänderung "in seinen Willen aufgenommen" hat. Dies setzt voraus, daß sich ein Wille zur Bestätigung der Norm aus dem Inhalt des nachkonstitutionellen Gesetzes selbst oder aus dem engen sachlichen Zusammenhang zwischen unveränderten und geänderten Normen objektiv erschließen läßt (vgl. BVerfGE 11, 126 [129 ff. m. weit. Nachw.]; 18, 216 [219 f.]; 23, 272 [274]; 26, 321 [324]). Eine Bestätigung kann dagegen nicht angenommen werden, wenn der an das Grundgesetz gebundene Gesetzgeber eine vorkonstitutionelle Norm nur als solche hinnimmt und ihre Aufhebung oder sachliche Änderung vorerst unterläßt, ohne sie in ihrer Geltung bestätigen zu wollen (vgl. BVerfGE 11, 126 [131]; 18, 216 [223]; 32, 256 [258]). Demgemäß läßt sich aus der Änderung einzelner Bestimmungen eines vorkonstitutionellen Gesetzes noch nicht ohne weiteres entnehmen, daß der Gesetzgeber die übrigen Bestimmungen geprüft und insgesamt bestätigt habe. "Die Meinung, jede Änderung eines vorkonstitutionellen Gesetzes durch den Bundesgesetzgeber mache das ganze Gesetz zu einem nachkonstitutionellen, ... wird der Wirklichkeit nicht gerecht. Besonders bei umfangreichen Gesetzen kann nicht die irreale Unterstellung gemacht werden, der Gesetzgeber habe aus Anlaß einzelner Änderungen jeweils die Verfassungsmäßigkeit des gesamten Gesetzes geprüft und bejaht" (BVerfGE 11, 126 [131]). Vielmehr muß der Gesetzgeber seinen konkreten Bestätigungswillen im Gesetz zu erkennen gegeben haben. Das ist z. B. der Fall, wenn die alte Norm als Gesetz neu verkündet wird, wenn eine neue (nachkonstitutionelle) Norm auf die alte Norm verweist, wenn ein begrenztes und überschaubares Rechtsgebiet vom nachkonstitutionellen Gesetzgeber durchgreifend geändert wird und ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen veränderten und unveränderten Normen besteht.

II.

1.

§ 1300 BGB gilt noch in der ursprünglichen Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 18. August 1896 (RGBl. S. 195); er ist namentlich durch die verschiedenen - 1957, 1961 und 1969 verabschiedeten - Novellen zum Familienrecht nicht geändert worden.

Der 1952 von der Bundesregierung vorgelegte - nicht Gesetz gewordene - "Entwurf eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts und über die Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete des Familienrechts (Familienrechtsgesetz)" sah keine Änderung des § 1300 BGB vor; die Vorschrift wurde auch in der Begründung nicht erwähnt (vgl. BTDrucks. I/3802 S. 2, 40 ff.).

In der folgenden (2.) Wahlperiode brachte die Fraktion der FDP am 2. Dezember 1953 im Bundestag einen weitgehend der Regierungsvorlage der 1. Wahlperiode entsprechenden Gesetzentwurf ein; auch danach sollte § 1300 BGB unverändert bleiben (vgl. BTDrucks. II/112). Dagegen legte die SPD-Fraktion am 13. Januar 1954 dem Bundestag den "Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Familienrechts an Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes" vor, der in Art. I Nr. 3 die Aufhebung des § 1300 BGB vorsah (vgl. BTDrucks. II/178 S. 1).

Inzwischen hatte die Bundesregierung dem Bundesrat am 24. Dezember 1953 den "Entwurf eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts" zugeleitet (vgl. BRDrucks. 532/53; BTDrucks. II/ 224). Nach seiner Begründung beschränkte sich der Entwurf ausdrücklich auf das Ziel, im Hinblick darauf, daß der Stichtag des 1. April 1953 bereits verstrichen war, das bürgerliche Recht baldmöglichst mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung in Übereinstimmung zu bringen. Der Entwurf schlug keine Streichung oder Änderung des § 1300 BGB vor; die Vorschrift wurde auch in der Einzelbegründung nicht erwähnt (vgl. BTDrucks. a.a.O., S. 3 und 28). Ebensowenig befaßten sich die Änderungsvorschläge des Bundesrats und die diesen zugrunde liegenden Beratungen der Ausschüsse und des Plenums des Bundesrats mit dieser Bestimmung (vgl. Anlage 1 zu BRDrucks. 532/53 (Beschluß); Niederschriften über die Sitzung des Unterausschusses des Rechtsausschusses vom 7./8. Januar 1954, Nr. R 2/54, S. 1 ff., über die 128. Sitzung des Rechtsausschusses vom 14. Januar 1954, Nr. R 7/54, S. 1 ff.).

Die Regierungsvorlage und die Initiativanträge der FDP und der SPD-Fraktion wurden in der 15. Sitzung des Bundestages vom 12. Februar 1954 dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführendem Ausschuß überwiesen (vgl. Verh. d. BT, 2. Wp, 516 [C.]), der zur Beratung einen besonderen Unterausschuß "Familienrechtsgesetz" einsetzte (Protokoll Nr. 11 der Sitzung vom 1. April 1954, S. 2). Bei der Erörterung des § 1300 BGB in der 73. Sitzung des Unterausschusses vom 9. Januar 1957 wandte sich ein Vertreter des Bundesjustizministeriums gegen die Ansicht, die Vorschrift verstoße gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung. Gegen die sachliche Berechtigung des § 1300 BGB könnten bestimmt Bedenken bestehen, wegen des Grundsatzes der Gleichberechtigung könne man diese Vorschrift aber nicht aufheben. Jedenfalls sei der vorliegende Gesetzentwurf nicht der richtige Platz, sie zu ändern oder zu streichen. Demgegenüber verwies die Abgeordnete Frau Nadig (SPD) darauf, daß es sich hier um eine Frage der Gleichberechtigung handele, weil das Kranzgeld eine einseitige Bevorzugung der Frau bedeute. Die Abgeordnete Frau Dr. Schwarzhaupt (CDU/CSU) erklärte, ihr liege nicht viel an der Bestimmung, die zumal nach den Erfahrungen der Praxis entbehrlich sei. Trotzdem solle man sie nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung streichen, weil das den Irrtum begünstigen würde, daß man die Gleichberechtigung schematisch verstehe und den wesentlichen Unterschied, der gerade in dieser Frage zwischen Mann und Frau bestehe, nicht sehe. Man solle es den Frauen überlassen, den Anspruch nicht geltend zu machen. Der Unterausschuß lehnte danach die Aufnahme einer Bestimmung über die Streichung des § 1300 BGB ab.

Die im Unterausschuß erarbeitete Vorlage über die nicht das Güterrecht betreffenden Teile der Entwürfe mit Ausnahme der §§ 1628, 1629 BGB wurde vom Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht in seiner 206. Sitzung vom 12. April 1957 einstimmig gebilligt. § 1300 BGB wurde weder vom Berichterstatter erwähnt noch von einem anderen Ausschußmitglied zur Diskussion gestellt (vgl. Protokoll Nr. 206 der Sitzung vom 12. April 1957, s. a. Protokoll Nr. 203 über die Sitzung des Ausschusses vom 3. April 1957). Der Ausschuß entschied sich dafür, seinen Antrag an das Plenum lediglich auf die vom Ausschuß beschlossene Gesetzesfassung zu beschränken, d. h. weder eine Synopse der zur Beratung überwiesenen Gesetzentwürfe vorzulegen noch zu beantragen, bestimmte Teile der überwiesenen Vorlagen abzulehnen (Protokoll Nr. 206, S. 11). Demgemäß wurde der Antrag auf Streichung des § 1300 BGB in der Vorlage des Ausschusses an das Plenum vom 12. April 1957 weder im Beschlußteil noch im schriftlichen Bericht erwähnt (vgl. BTDrucks. II/3409 und zu Drucks. 3409).

Auch der Bundestag befaßte sich bei der zweiten und dritten Beratung des Entwurfs, der als Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts (Gleichberechtigungsgesetz) verabschiedet wurde, nicht mehr mit der genannten Vorschrift (vgl. StenBer. der 206. Sitzung vom 3. Mai 1957, S. 11768 ff.).

2.

Aus dem Inhalt des Gleichberechtigungsgesetzes ergibt sich nicht, daß der Bundesgesetzgeber § 1300 BGB in seinen Willen aufgenommen hat, d. h. als eigene Norm bestätigen wollte.

a) § 1300 BGB ist weder in seinem Inhalt noch im Wortlaut verändert worden (vgl. BVerfGE 7, 282 [290]; 26, 321 [324]); ebensowenig ist die Vorschrift durch formellen Gesetzgebungsakt wiederholt worden (vgl. BVerfGE 8, 210 [213 f.]), noch hat der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmt, daß sie unverändert weitergelten solle (vgl. BVerfGE 9, 39 [46]). Die Novellen, die jeweils nur eine begrenzte Zielsetzung hatten, haben weder das ganze Familienrecht noch den Ersten Abschnitt "Bürgerliche Ehe" des Vierten Buches des Bürgerlichen Gesetzbuchs, dessen Erster Titel sich mit dem Verlöbnis befaßt, in ihrem ganzen Inhalt reformiert oder neu kodifiziert. Keine der durch diese Gesetze ausdrücklich geänderten oder neu geschaffenen Vorschriften verweist auf § 1300 BGB (vgl. BVerfGE 13, 290 [294 f.]); es besteht auch in anderer Weise kein enger sachlicher Zusammenhang, aus dem sich notwendig eine den Inhalt der unveränderten Norm umfassende Willensentscheidung des nachkonstitutionellen Gesetzgebers folgern ließe. Das Gleichberechtigungsgesetz verfolgte vor allem das Ziel, die im alten Recht bestehenden rechtlichen Benachteiligungen der Frau zu beseitigen (vgl. Vorbemerkung zur Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrucks. II/224 S. 27 in Verbindung mit BTDrucks. I/3802 S. 40 f.); dieses Anliegen erforderte keine Änderung der die Frau begünstigenden Norm des § 1300 BGB. Umgekehrt setzen die zur Verwirklichung der Gleichberechtigung vorgenommenen Änderungen der Vorschriften über die Wirkungen der Ehe im allgemeinen und über das eheliche Güterrecht (§§ 1353 ff., 1363 ff. BGB) nicht die Geltung der Bestimmung über das Kranzgeld voraus.

Insgesamt ergibt sich daher aus dem Inhalt der nachkonstitutionellen Gesetzesänderungen kein Bestätigungswille des Gesetzgebers für diese Norm, sondern lediglich, daß der Gesetzgeber die bezeichnete Novelle nicht zum Anlaß genommen hat, auch den § 1300 BGB zu ändern oder aufzuheben.

b) Es bestehen auch keine anderen Umstände, die in Verbindung mit dieser Unterlassung einer Änderung den sicheren Schluß erlauben würden, der Gesetzgeber habe die Norm in seinen Willen aufnehmen und sie als seine eigene weitergelten lassen wollen. Besonders läßt sich aus dem Verlauf der Beratungen im Unterausschuß "Familienrechtsgesetz" des Rechtsausschusses des Bundestages keine derartige Willenskundgebung entnehmen.

Aus der Niederschrift über die maßgebende Sitzung des Unterausschusses ergibt sich nicht eindeutig, welche Motive für die Stellungnahme der einzelnen Unterausschußmitglieder und entsprechend für die Ausschußmehrheit letztlich ausschlaggebend waren. Dabei ist wesentlich, daß - wie auch der Regierungsvertreter hervorhob - die rechtspolitische Problematik des § 1300 BGB weit über die Frage der Gleichberechtigung hinausgeht. Mit Rücksicht darauf kann die Ablehnung des SPD-Vorschlages ganz verschiedene Motivationen gehabt haben, nämlich etwa die Vorstellung, daß das begrenzte Ziel der Novelle eine Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Vorschrift überhaupt nicht erforderlich mache, diese vielmehr "ausgeklammert" werden könne, oder die Auffassung, daß § 1300 BGB zwar reformbedürftig sei, seine Geltung als eine schon vor dem Grundgesetz bestehende Norm aber vorerst, bis zu einer Reform der entsprechenden Teile des Familienrechts hingenommen werden solle, oder schließlich das Einverständnis mit dem Inhalt der Norm und der Wille, sie ins nachkonstitutionelle Recht zu übernehmen.

Danach bestehen erst recht Bedenken, diese in dem hier entscheidenden Punkt nicht eindeutige Willensäußerung des Unterausschusses als repräsentativ für den Willen des Gesetzgebers anzusehen. Die Sachlage im vorliegenden Fall unterscheidet sich insoweit wesentlich von dem der Entscheidung in BVerfGE 6, 55 [64 ff.] zugrunde liegenden Tatbestand. Denn dort ist die zur Prüfung gestellte Norm im Gesetzgebungsverfahren eingehend diskutiert worden und war Gegenstand mehrerer Beschlüsse der beiden gesetzgebenden Körperschaften. Ein ähnlich deutlicher Bestätigungswille des Gesetzgebers läßt sich im vorliegenden Fall nicht feststellen.

3.

Das vorlegende Gericht wird daher selbst zu entscheiden haben, ob § 1300 BGB mit dem Grundgesetz vereinbar ist (vgl. BVerfGE 2, 124 [129]).

Benda Ritterspach Haager Rupp-v. Brünneck Böhmer Faller Brox Simon