BVerfG, 21.05.1974 - 1 BvL 22/71, 1 BvL 21/72
1. Es ist mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Art. 3 Abs. 2 GG) nicht vereinbar, daß nach § 4 Abs. 1 Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz das eheliche Kind eines deutschen Vaters und einer ausländischen Mutter stets die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt, das eheliche Kind ein deutschen Mutter und eines ausländischen Vaters aber nur dann, wenn es sonst staatenlos sein würde.
2. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, allen seit dem 1. April 1953 geborenen ehelichen Kindern deutscher Mütter, die bisher vom Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt ausgeschlossen waren, einen Weg zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu eröffnen.
3. Stellt das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit einer Norm fest, so darf die Norm - ebenso wie im Falle der Nichtigerklärung - vom Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an in dem sich aus dem Tenor der Entscheidung ergebenden Ausmaß nicht mehr angewandt werden.
Beschluß
des Ersten Senats vom 21. Mai 1974
- 1 BvL 22/71 und 21/72 -
in dev Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 4 Absatz 1 Satz 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913 (RGBl. S. 583), Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse a) des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 1971 (BVerwG I C 75.67) - 1 BvL 22/71 -, b) des Verwaltungsgerichts Frankfurt/Main vom 15. August 1972 (VI/2-E-166/71) - 1 BvL 21/72 -.
Entscheidungsformel:
1. § 4 Absatz 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913 (Reichsgesetzbl. S. 583), ergänzt durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 19. Dezember 1963 (Bundesgesetzbl. I S. 982), ist mit Artikel 3 Absatz 1 sowie mit Artikel 3 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit danach das eheliche Kind einer deutschen Mutter und eines ausländischen Vaters die deutsche Staatsangehörigkeit nicht unter den gleichen Voraussetzungen erwirbt wie das eheliche Kind eines deutschen Vaters und einer ausländischen Mutter.
2. Soweit nach der in 1. genannten Regelung eheliche Kinder mit nur einem deutschen Elternteil durch die Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben, gilt dies bis zu einer neuen gesetzlichen Regelung weiter.
Gründe
Die beiden Vorlagen betreffen die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung über den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch eheliche Kinder, bei denen nur die Mutter die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. § 4 Abs. 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913 (RGBl. S. 583) - im folgenden: RuStAG - in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 19. Dezember 1963 (BGBl. I S. 982) bestimmt darüber:
§ 4
(1) Durch die Geburt erwirbt das eheliche Kind eines Deutschen die Staatsangehörigkeit des Vaters, das uneheliche Kind einer Deutschen die Staatsangehörigkeit der Mutter. Das eheliche Kind einer Deutschen erwirbt durch die Geburt die Staatsangehörigkeit der Mutter, wenn es sonst staatenlos sein würde.
(2) ...
A.
I.
Das Staatsangehörigkeitsrecht ist nationales Recht. Unbeschadet einiger Völkerrechtsgrundsätze regelt jeder Staat selbständig, wann und unter welchen Voraussetzungen jemand seine Staatsangehörigkeit erwirbt oder verliert. Kein Staat ist jedoch völkerrechtlich befugt, Rechtsvorschriften über den Erwerb oder Verlust einer fremden Staatsangehörigkeit zu treffen (vgl. BVerfGE 1, 322 [328 f.]). Demgemäß verbietet das geltende Völkerrecht doppelte oder mehrfache Staatsangehörigkeit nicht. Sie entsteht hauptsächlich dadurch, daß die Staaten bei der Regelung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit von verschiedenen Anknüpfungspunkten ausgehen und die gewählten Prinzipien sich überschneiden.
Obwohl die nationalen Regelungen über den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt im einzelnen stark voneinander abweichen, lassen sie sich auf zwei Grundprinzipien zurückführen: Die Staatsangehörigkeit wird entweder kraft Abstammung von einem Staatsangehörigen (ius sanguinis) oder kraft Geburt im Staatsgebiet (ius soli) erworben; nicht selten werden auch beide Prinzipien miteinander kombiniert.
II.
1.
In der Bundesrepublik bildet noch heute das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913 (RGBl. S. 583), wenn auch mit zahlreichen Änderungen und Ergänzungen, die wesentliche Grundlage des Staatsangehörigkeitsrechts. Seine Regelung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit durch die Geburt richtete sich von Anfang an entsprechend der deutschen und kontinental-europäischen Tradition nach dem Abstammungsprinzip. § 4 Abs. 1 RuStAG lautete ursprünglich:
Durch die Geburt erwirbt das eheliche Kind eines Deutschen die Staatsangehörigkeit des Vaters, das uneheliche Kind einer Deutschen die Staatsangehörigkeit der Mutter.
Es entsprach sowohl dieser Tradition wie der damaligen patriarchalischen Gesellschaftsordnung, wenn bei der Anknüpfung der Staatsangehörigkeit ehelicher Kinder der Staatsangehörigkeit des Vaters der Vorrang vor der der Mutter gegeben wurde. Vor allem kam eine Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit der Mutter schon deswegen nicht in Betracht, weil die Staatsangehörigkeit der Ehefrau nach dem Prinzip der Familieneinheit, d. h. der einheitlichen Staatsangehörigkeit aller Familienmitglieder, stets der Staatsangehörigkeit des Ehemannes folgte (vgl. § 6, § 16 Abs. 2, § 17 Nr. 6, § 18 RuStAG). Die Anerkennung einer selbständigen Staatsangehörigkeit verheirateter Frauen wurde im Reichstag zwar erörtert, aber ausdrücklich abgelehnt (vgl. Verhandlungen des Reichstags, 13. Legislaturperiode, 153. Sitzung vom 28. Mai 1913, S. 5271, 5276, 5282 sowie Anlage Nr. 962 - Bericht der 6. Kommission - S. 1414, 1417, 1435 f.).
2.
a) Der Wandel der Stellung der Frau in Familie, Gesellschaft und Staat hat dazu geführt, daß heute im Recht der meisten Staaten die Eigenständigkeit der Ehefrau in bezug auf die Staatsangehörigkeit anerkannt ist. International kommt dies in dem UN-Übereinkommen vom 20. Februar 1957 über die Staatsangehörigkeit verheirateter Frauen zum Ausdruck, in dem jeder Vertragsstaat anerkennt, daß weder die Schließung einer Ehe mit einem Ausländer noch deren Auflösung noch der Staatsangehörigkeitswechsel des Ehemanns während des Fortbestandes der Ehe die Staatsangehörigkeit der Ehefrau ohne weiteres berührt. Das Inkrafttreten des Abkommens für die Bundesrepublik steht bevor (vgl. das Zustimmungsgesetz vom 27. August 1973 [BGBl. II S. 1249]); jedoch hat sich im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht bereits unter dem Einfluß des Grundgesetzes die Selbständigkeit der Ehefrau gegenüber der staatsbürgerlichen Einheit der Familie durchgesetzt.
b) So wurde der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit durch Eheschließung einer deutschen Frau mit einem Ausländer (§ 17 Nr. 6 RuStAG) schon durch Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG eingeschränkt und ist als mit dem Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 117 Abs. 1 GG unvereinbar am 1. April 1953 entfallen (vgl. BVerwGE 15, 226 [227]). Entsprechend wurde die ausländische Ehefrau eines Deutschen von demselben Zeitpunkt an durch die Eheschließung nicht mehr automatisch deutsche Staatsangehörige (vgl. das Dritte Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 19. August 1957 - BGBl. I S. 1251). Nach der jetzt geltenden Regelung, die ausländische Ehefrauen deutscher Männer mit ausländischen Ehemännern deutscher Frauen gleichstellt, ist für ausländische Ehegatten von Deutschen nur noch eine gewisse Erleichterung der Einbürgerung vorgesehen (vgl. § 9 RuStAG, eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 8. September 1969 - BGBl. I S. 1581).
3.
Erst seit die Eigenständigkeit der Staatsangehörigkeit der verheirateten Frau anerkannt wurde, ist das Problem entstanden, ob bei gemischt-nationalen Ehen nicht auch die deutsche Mutter dem Kind ihre Staatsangehörigkeit vermitteln müsse oder könne. Der Gesetzgeber sah jedoch bis in die jüngste Zeit hierin keinen Anlaß zu wesentlichen Änderungen des Staatsangehörigkeitsrechts. Das Gesetz zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 19. Dezember 1963 (BGBl. I S. 982) ergänzte lediglich § 4 Abs. 1 RuStAG durch den heutigen Satz 2
"Das eheliche Kind einer Deutschen erwirbt durch die Geburt die Staatsangehörigkeit der Mutter, wenn es sonst staatenlos sein würde."
und gab der Vorschrift damit die geltende Fassung.
Diese Novelle ging zum einen auf ein Ersuchen des Bundestages an die Bundesregierung im Jahre 1960 zurück, das seinerseits einer Empfehlung der Beratenden Versammlung des Europarats aus dem Jahre 1959 entsprach (vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 3. Wahlperiode, 106. Sitzung vom 11. März 1960, S. 5751 f.; Makarov, ZaöRV Bd. 33, 1973, S. 118 ff.). Weiteren Anstoß gab das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 1962 (BVerwGE 15, 226 = DÖV 1963, S. 468). Nach dieser Entscheidung war § 4 RuStAG als durch Art. 3 Abs. 2 GG dahin ergänzt anzusehen, daß das eheliche Kind einer deutschen Mutter nunmehr die deutsche Staatsangehörigkeit erhalte, wenn es sonst staatenlos werden würde.
4.
Die bis auf die Ergänzung durch die Novelle von 1963 unverändert gebliebene Regelung der Staatsangehörigkeit ehelicher Kinder mit nur einem deutschen Elternteil wurde und wird in der Verwaltungspraxis des Bundes und der Länder als verfassungsmäßig angesehen. Im juristischen Schrifttum erklärten anfänglich nur einige wenige Autoren die geltende Regelung als verfassungswidrig.
Vgl. besonders Erna Scheffler, Verhandlungen des 38. DJT 1950 (1951) B 11, 28; dies. in Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Bd. IV/1, 1960, S. 301; dies. in FamRZ 1965, S. 471 ff.; Schätzel, Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht, 2. Aufl., 1958, S. 81; ders., Das Jus sanguinis der ehelichen Mutter: Festgabe Herrfahrdt, 1961, S. 167 ff., insbes. S. 175.
Inzwischen hat sich diese Ansicht, namentlich in der letzten Zeit, zunehmend durchgesetzt.
Vgl. Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Art. 3 Abs. II Anm. 38 f.; Mosler, Gleichheit der Eltern beim Erwerb der Staatsangehörigkeit der Kinder: Festschrift Scheuner, 1973, S. 473 ff., insbes. S. 490; Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 2. Aufl., 1971, S. 510 f.; Henrich, Familienrecht, 1970, S. 135 und FamRZ 1974, S. 110; Samtleben, FamRZ 1973, S. 1 ff.; Sturm, JZ 1972, S. 734 f. und StAZ 1973, S. 292; Schürmann, NJW 1971, S. 269 ff. und NJW 1972, S. 236 f.; Schickedanz, StAZ 1971, S. 330 ff. und StAZ 1972, S. 174.
Die Nichtberücksichtigung der Staatsangehörigkeit der deutschen Mutter wird dabei meist als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG, bisweilen auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG betrachtet. Demgegenüber halten die folgenden Autoren § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG für verfassungsgemäß:
Makarov, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Kommentar, 2. Aufl., 1971, S. 224; ders., DÖV 1963, S. 471 und JZ 1972, S. 160; Jayme und Neuhaus, NJW 1971, S. 832 f.; Seifert, DÖV 1963, S. 472 ff.; Wuppermann, FamRZ 1972, S. 550 f.
Die Rechtsprechung hat, soweit bekannt, bis zu den noch zu behandelnden höchstrichterlichen Vorlagen (vgl. unten B I 1 und II 2) die Verfassungsmäßigkeit der Regelung bejaht (vgl. OVG Münster, FamRZ 1968, S. 84 f.; BayObLGZ 1970, 6 [16]; KG, FamRZ 1972, S. 304 [308]).
III.
Nach der Zahl der betroffenen Personen und Familien ist das Problem der Staatsangehörigkeit von Kindern aus gemischt-nationalen Ehen von erheblicher Bedeutung. In den letzten 20 Jahren haben im Inland jährlich rund 15 000 deutsche Frauen Ausländer geheiratet, das sind rund 3,5% aller Eheschließungen. Die Zahl der im Inland geborenen ehelichen Kinder einer deutschen Mutter und eines nichtdeutschen Vaters betrug im Jahre 1960 rund 7000, wuchs dann bis 1967 kontinuierlich auf über 14000 an und betrug in den letzten Jahren jeweils rund 12000. Dazu kommen die statistisch nicht erfaßten, aber sicherlich zahlreichen Geburten im Ausland (vgl. wirtschaft und statistik 1974, S. 83 f., 86 mit S. 60).
IV.
Aus den vom Bundesverfassungsgericht eingeholten Gutachten der Professoren Mosler und Kegel (vgl. unten B III) und der Stellungnahme der Bundesregierung ergibt sich hinsichtlich der vergleichbaren, vielfältig divergierenden Regelungen ausländischer Staaten folgender Gesamtüberblick:
Die Mehrzahl der Länder stellt die Inländerin und deren eheliche Kinder aus einer Ehe mit einem Ausländer besser als das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht, sei es, daß die Vermittlung der Staatsangehörigkeit durch Vater oder Mutter von vornherein gleich geregelt ist, oder sei es, daß trotz eines Vorranges des Vaters dem Kinde der Erwerb der mütterlichen Staatsangehörigkeit leichter ermöglicht wird als nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz. Beide Gruppen enthalten sowohl Rechte, die dem ius sanguinis, wie solche, die dem ius soli folgen. Das reine ius soli, bei dem es von vornherein kein Gleichberechtigungsproblem geben könnte, existiert im übrigen nirgends; für die Staaten mit ius soli entsteht die Frage nach der Gleichstellung von Mann und Frau, wenn - wie in der Regel - auch im Ausland geborene Kinder von Angehörigen dieser Staaten unter bestimmten Voraussetzungen einbezogen werden sollen.
Eine Reihe von Staaten, die den Erwerb der mütterlichen Staatsangehörigkeit in weiterem Maße vorsehen als das geltende deutsche Recht, suchen mehrfache Staatsangehörigkeit zu vermeiden oder einzuschränken, indem sie einen Verzicht auf die inländische Staatsangehörigkeit zulassen, eine Option für die Staatsangehörigkeit der Mutter nur unter Verzicht auf die bisherige Staatsangehörigkeit gestatten oder - wie vielfach Staaten des Ostblocks - durch gegenseitige Staatsverträge bei Doppelstaatsangehörigkeit ein Wahlrecht einräumen und bei Unterbleiben der Option den Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten entscheiden lassen.
1.
Eine völlige Gleichstellung von Mann und Frau hinsichtlich der Vermittlung ihrer Staatsangehörigkeit an ihre ehelichen Kinder findet sich in den kommunistischen Staaten Ost- und Südosteuropas und Asiens, in Frankreich und in den meisten frankophonen Ländern Afrikas, in den USA, in den meisten Staaten Lateinamerikas sowie in einigen anderen Ländern.
Für diese Gleichstellung haben zum Teil bevölkerungspolitische Motive im Vordergrund gestanden (vgl. z. B. Frankreich); überwiegend wird sie aus der Gleichberechtigung von Mann und Frau hergeleitet.
2.
Zu den Staaten, deren Recht trotz Differenzierung zwischen den Geschlechtern dennoch rechtlich oder faktisch für die inländische Mutter und deren eheliche Kinder günstiger ist als die deutsche Regelung, gehören sowohl die Staaten mit ius soli, bei denen die Geburt im Inland zum Erwerb der Staatsangehörigkeit führt, wie diejenigen Länder, bei denen das Kind die Staatsangehörigkeit der Mutter zwar nicht durch die Geburt erwirbt, aber später durch Erfüllung weiterer Voraussetzungen wie Option, Registrierung, Wohnsitznahme im Heimatstaat der Mutter. In diese Gruppe fallen insbesondere Großbritannien und die meisten Länder des früheren britischen Weltreichs, einige west- und südeuropäische Staaten (Belgien, Luxemburg, Portugal, Spanien) sowie eine Reihe afrikanischer und islamischer Staaten.
3.
Danach verbleiben nur verhältnismäßig wenige Länder, besonders in Westeuropa und im Nahen und Fernen Osten, deren Recht dem § 4 Abs. 1 RuStAG entspricht oder die nicht einmal zur Vermeidung von Staatenlosigkeit des Kindes einen Erwerb der mütterlichen Staatsangehörigkeit mit der Geburt vorsehen. Dies sind in Europa Griechenland, Italien, Liechtenstein, die Niederlande, Österreich, die Schweiz sowie die skandinavischen Staaten, Island und Finnland mit der Maßgabe, daß ein im Inland aufgewachsenes ausländisches Kind die inländische Staatsangehörigkeit nach Erreichung eines bestimmten Lebensalters durch Erklärung erwerben kann.
4.
Überlegungen in Richtung auf eine Gleichstellung von Mann und Frau bei der Übertragung der Staatsangehörigkeit auf ihre Kinder werden zur Zeit vom Europarat und von der Commission on the Status of Women des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen angestellt (vgl. Europarat, Beratende Versammlung, Doc. 3159 S. 13 f. sowie Sitzungsbericht vom 24. Januar 1973 S. 855 ff.; UN-Dokument E/CN.6/L.660/Add.7,S.11).
B.
I.
Den Vorlagebeschlüssen liegen folgende Ausgangsverfahren zugrunde:
1. Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts - 1 BvL 22/71
a) Die Klägerin zu 1) ist deutsche Staatsangehörige. Seit 1959 ist sie mit einem Spanier verheiratet und besitzt infolgedessen auch die spanische Staatsangehörigkeit. Aus der Ehe sind drei in Madrid geborene und dort zusammen mit den Eltern wohnende Kinder - die Kläger zu 2) bis 4) - hervorgegangen, die nach ihrem Vater die spanische Staatsangehörigkeit besitzen. Im Jahre 1964 beantragten die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann, den Kindern Ausweise über ihre deutsche Staatsangehörigkeit zu erteilen. Die Verwaltungsbehörde lehnte den Antrag ab, weil die Kinder nicht deutsche Staatsangehörige seien; Widerspruch, Klage und Berufung (OVG Münster, FamRZ 1968, S. 84) blieben ohne Erfolg.
b) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Beschluß vom 24. Juni 1971 (FamRZ 1971, S. 577 = JZ 1972, S. 158) gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG insoweit mit Art. 3 Abs. 2 GG vereinbar ist, als das eheliche Kind eines deutschen Mannes, nicht aber das eheliche Kind einer deutschen Frau durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt.
Es hat die Vorlage wie folgt begründet:
Wenn eine Regelung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt wie hier ausschließlich dem Abstammungsgrundsatz (ius sanguinis) folge und dabei nur an den Vater anknüpfe, so behandle sie die Mutter in verfassungswidriger Weise ungleich.
Wie schon im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 1962 (BVerwGE 15, 226) ausgeführt, sei die Staatsangehörigkeit des Kindes nicht nur ein objektiver Status, von dem lediglich rechtsunerhebliche Tatbestands- und Reflexwirkungen auf die Eltern ausgingen; vielmehr berühre die Regelung über ihren Erwerb auch Rechte und Pflichten oder rechtlich anerkannte und geschützte Interessen der Eltern. Solange der Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt an die Abstammung anknüpfe, ließen die vielfältigen Bande zwischen Eltern und Kindern bei der gebotenen Beachtung der Würde des Menschen nicht zu, die Eltern als von der Regelung der Staatsangehörigkeit der Kinder rechtlich nicht berührt anzusehen.
Ein die Ungleichbehandlung von Mann und Frau rechtfertigender biologischer Unterschied komme offensichtlich nicht in Betracht. Auch auf funktionale, arbeitsteilige Unterschiede lasse sich diese nicht stützen. Hier müsse Gleiches gelten wie bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Bestimmungen über die elterliche Gewalt (vgl. BVerfGE 10, 59 [75]).
Das international anerkannte Ziel des Staatsangehörigkeitsrechts, doppelte Staatsangehörigkeit tunlichst zu vermeiden, müsse zurücktreten, soweit es die Verwirklichung des Gleichberechtigungsgebotes hindere; es könne unter der Herrschaft von Art. 3 Abs. 2 GG nicht einseitig zu Lasten der Frau verfolgt werden. Abgesehen davon ließen sich die unerwünschten Folgen, die aus einer doppelten Staatsangehörigkeit von Kindern hervorgehen könnten, auch ohne ungleiche Behandlung von Vater und Mutter vermeiden, z. B. durch ein Recht oder eine Pflicht des Kindes, sich in einem bestimmten Alter für eine der beiden durch Geburt erworbenen Staatsangehörigkeiten zu entscheiden.
Auf der Grundlage des - an die Abstammung anknüpfenden - geltenden Rechts sei die einzige verfassungsgemäße Lösung, § 4 Abs. 1 RuStAG als durch Art. 3 Abs. 2 GG dahin ergänzt anzusehen, daß die ehelichen Kinder einer Deutschen die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt ebenso erwürben wie die ehelichen Kinder eines Deutschen.
2. Verfahren des Verwaltungsgerichts Frankfurt - 1 BvL 21/72
Die Mutter der Kläger ist deutsche Staatsangehörige, ihr Ehemann ist jugoslawischer Staatsangehöriger oder staatenlos. Die in dieser Ehe geborenen Kläger leben mit ihren Eltern in Venezuela und haben durch Geburt in diesem Land die venezolanische Staatsangehörigkeit erworben. 1970 beantragten die Kläger festzustellen, daß sie die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen. Die beklagte Stadt lehnte dies unter Berufung auf § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG ab; der Widerspruch blieb ohne Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat durch Beschluß vom 15. August 1972 gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über dieselbe Frage eingeholt, die Gegenstand der Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts ist. Die Begründung folgt im wesentlichen dem Vorlagebeschluß des Bundesverwaltungsgerichts.
II.
1.
Der Bundesminister des Innern, der sich namens der Bundesregierung eingehend zu den Vorlagen geäußert hat, stellt die Argumente für und gegen die Verfassungsmäßigkeit der Norm einander gegenüber und führt zusammenfassend folgendes aus:
Die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG habe sich seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes gewandelt; in jüngster Zeit würden zunehmend verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung vorgebracht. Dies beruhe zum einen auf einem Wandel der Verhältnisse. Die Stellung der Frau in Ehe, Familie und Gesellschaft habe sich seit dem Erlaß des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes im Jahre 1913 tiefgreifend geändert; ihre Gleichberechtigung sei heute unumstritten. Die Frau beeinflusse gerade auch in national-gemischten Ehen ebenso wie der Mann die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Prägung der Familie. Auch international werde, nicht zuletzt aufgrund weltweiter Pakte, das früher dieses Recht beherrschende Motiv der Rechtseinheit der Familie nicht mehr mit dem gleichen Nachdruck vertreten.
Zum anderen habe der fortschreitende Prozeß einer internationalen partiellen Rechtsangleichung und Rechtsvereinheitlichung zur Folge, daß mehrfache Staatsangehörigkeit heute nicht mehr so gravierende Schwierigkeiten mit sich bringe wie früher. Die zunehmende Berücksichtigung der Menschenrechte in der Rechtspraxis der Staaten, die Verdichtung des internationalen Rechtsverkehrs und ein weitgespanntes Vertragssystem erlaubten es künftig, an sachgemäßere Tatbestände, wie z. B. den effektiven Wohnsitz, anzuknüpfen.
Die Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG sei daher nicht mehr zeitgemäß und begegne rechts- und verfassungspolitischen - möglicherweise auch verfassungsrechtlichen - Bedenken. Allerdings sei die Vorschrift nicht schon jetzt als verfassungswidrig anzusehen, zumal da ihre nachteiligen Auswirkungen für Mutter und Kind durch eine erleichterte Einbürgerungspraxis ausgeräumt werden könnten. Vielmehr könne die Vorschrift noch hingenommen werden, bis der Gesetzgeber eine Neuregelung getroffen habe, welche die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit beseitige. Hierbei müsse berücksichtigt werden, daß es sich um eine Regelung von Statusverhältnissen handele, die einer gesetzlichen Grundlage bedürften; ein gesetzloser Zustand würde nicht näher an der Verfassung sein als die gegenwärtige Regelung. Die Bundesregierung wolle noch in dieser Legislaturperiode eine Neuregelung herbeiführen.
Ergänzend zu dieser Stellungnahme hat die Bundesregierung umfangreiches Material vorgelegt, besonders eine Darstellung der Einbürgerungspraxis bei Kindern einer deutschen Mutter und eines ausländischen Vaters sowie Zusammenstellungen der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und der zu ihrer Vermeidung in anderen Rechtsordnungen entwickelten Lösungen.
2.
Auch der Bundesgerichtshof (IV. Zivilsenat) hatte ursprünglich mit Beschluß vom 20. Dezember 1972 (BGHZ 60, 68) gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG mit Art. 3 Abs. 2 GG vereinbar sei. Die Vorlage erledigte sich durch Einbürgerung des Kindes, auf dessen Staatsangehörigkeit es für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens ankam; jedoch hat der zuständige Zivilsenat entsprechend einer Anregung des Bundesverfassungsgerichts erklärt, daß die Begründung des Vorlagebeschlusses als Äußerung gemäß § 82 Abs. 4 Satz 2 BVerfGG zu der Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts verstanden werden solle. Danach schließt sich der Senat in der Frage der Vereinbarkeit des § 4 Abs. 1 RuStAG mit Art. 3 Abs. 2 GG grundsätzlich dem Vorlagebeschluß des Bundesverwaltungsgerichts an und führt ergänzend aus:
Ob eine doppelte Staatsangehörigkeit für das Kind überwiegend Nachteile mit sich bringe, möge dahingestellt bleiben. Das Ergebnis der Abwägung der einzelnen Vor- und Nachteile könne jedenfalls nicht den Ausschlag geben. Im Zweifel sei es für ein in Deutschland lebendes Kind einer deutschen Mutter als ein Vorteil anzusehen, auch die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen. Dann stelle es sich aber für die Mutter in einer gemischtnationalen Ehe als eine Benachteiligung gegenüber ihrem Ehemann dar, wenn ihr gemeinsames eheliches Kind nur die Staatsangehörigkeit des Mannes erwerbe, ebenso wie es umgekehrt als eine Benachteiligung des Vaters anzusehen wäre, erwürbe das Kind allein die Staatsangehörigkeit der Mutter. Auch müsse eine doppelte Staatsangehörigkeit nicht notwendig die Folge einer an die Stelle der Norm des § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG tretenden verfassungsgemäßen Regelung sein; die Ersatzlösung könne auch in der Anknüpfung an den Geburtsort (ius soli) bestehen.
III.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Professoren Mosler (Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg), Zweigert (Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg) und Kegel (Institut für internationales und ausländisches Privatrecht der Universität Köln) gebeten, sich vom Blickpunkt des öffentlichen Rechts und des Internationalen Privatrechts gutachtlich zu der von den Gerichten vorgelegten Rechtsfrage und im Zusammenhang damit zu bestimmten Einzelfragen zu äußern. In der Hauptfrage kommen die Gutachten Mosler und Kegel zu dem Ergebnis, daß § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG mit Art. 3 Abs. 2 GG nicht vereinbar sei. Dagegen hält das Gutachten Zweigert (Bearbeiter Professor Neuhaus) diese Regelung weder für verfassungswidrig noch für reformbedürftig. Aus den auf umfangreichem Material aufbauenden Überlegungen der Gutachter ist folgendes hervorzuheben:
1. Gutachten Mosler
a) Ob die nach Grundgesetz und bürgerlichem Recht gleichberechtigte Stellung der Eltern gemeinsamer ehelicher Kinder den Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichte, an die Abstammung von jedem der beiden Elternteile gleichmäßig anzuknüpfen, hänge davon ab, ob mit der Anknüpfung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit durch die Geburt an den ehelichen Vater eine von der Rechtsordnung ihm als Person zugerechnete Position entstehe. Dies sei zu bejahen, weil die Staatsangehörigkeit ihrerseits Anknüpfung für viele Rechte und Pflichten im Verhältnis Eltern - Kinder sei. Besitze danach der die Staatsangehörigkeit vermittelnde Vater im Zusammenhang damit eine subjektive Rechtsposition, so müsse diese nach Art. 3 Abs. 2 GG auch der Mutter zustehen.
b) Völkerrechtliche Regeln, welche die Gleichstellung der Frau hinderten, gebe es nicht, obwohl die Ausdehnung des ius sanguinis auf die eheliche Mutter die Zahl der Kinder mit doppelter Staatsangehörigkeit vermehren werde.
Die Forderung nach der einheitlichen Staatsangehörigkeit der Familie sei international schon vor dem Zweiten Weltkrieg abgeschwächt worden. Ein allgemeiner internationaler Konsens darüber, die Anknüpfung des ius sanguinis auf die eheliche Mutter auszudehnen, sei allerdings trotz einer stärker werdenden Strömung nicht oder noch nicht festzustellen.
Es bestehe eine breite internationale Übereinstimmung über die Schädlichkeit der doppelten und mehrfachen Staatsangehörigkeit. Im einzelnen hänge jedoch die Entscheidung, ob und in welchem Umfange doppelte Staatsangehörigkeit ein Übel sei, davon ab, welchen materiellen Inhalt die Gesetzgebung der beteiligten Staaten mit dem Staatsangehörigkeitsstatus verbände. Z. B. könne weitestgehend die Gleichbehandlung von Inländern und Ausländern sowie eine Rechtsangleichung der mehrfachen Staatsangehörigkeit ihre Problematik nehmen; immerhin bleibe unter den heutigen Verhältnissen mehrfache Staatsangehörigkeit weiter unerwünscht. Der Gesichtspunkt, neue Fälle doppelter Staatsangehörigkeit zu vermeiden, sei jedoch bei den Anknüpfungen im familienrechtlichen Bereich in zunehmendem Maße nicht mehr beachtet worden. Die Erweiterung der Anknüpfung der Staatsangehörigkeit der ehelichen Kinder auch an die der Mutter liege auf derselben Linie wie die Abschaffung der automatischen Wirkung der Eheschließung auf die Staatsangehörigkeit der Frau. Vorrangiger Gesichtspunkt sei dabei nicht nur die Gleichbehandlung der subjektiven Rechtsposition der Eltern, sondern auch das Interesse des Kindes, dessen Verbindung zur Mutter bisher der auf den Vater konzentrierten Familieneinheit geopfert worden sei.
c) Nach der bestehenden Rechtslage wirke sich der Mangel der deutschen Staatsangehörigkeit für die deutsche Mutter und ihr Kind aus einer Ehe mit einem Ausländer vielfach nachteilig aus. Wie die eingehende Übersicht über das geltende deutsche Recht ergebe, würden zwar aufgrund von Gesetzen und zwischenstaatlichen Verträgen in wichtigen Fragen Deutsche und Nichtdeutsche bereits gleichbehandelt, dennoch besäßen aber Angehörige fremder Staaten weitgehend nicht die Rechtsposition eines Deutschen. Insbesondere könne sich die verschiedene Staatsangehörigkeit von Mutter und Kind nachteilig auf die Ausübung der der Mutter nach Art. 6 Abs. 2 GG zustehenden Elternrechte und -pflichten auswirken. Die Nachteile einer doppelten Staatsangehörigkeit für das Kind seien nicht so erheblich, daß im Hinblick auf das Kindesinteresse die Gleichstellung der ehelichen Mutter mit dem Vater zurücktreten müsse.
d) Außer der automatischen Erstreckung des Abstammungsprinzips auf die Mutter könne der Gleichberechtigung der Elternteile auch auf andere Weise Rechnung getragen werden. Sowohl für die formelle, absolute Gleichstellung von Vater und Mutter wie für rechtstechnisch differenzierende, beide Eltern aber materiell gleichstellende Regelungen stünden verschiedene Modelle zur Wahl. Verfassungsmäßig sei auch eine Lösung, welche die Gleichstellung nicht durch automatisch wirkende Gesetzesbestimmungen herbeiführe, sondern von einem Willensakt der Mutter abhängig mache, oder die dem Kind bei Erreichung der Volljährigkeit ein Verzichtsrecht auf die vom Vater oder von der Mutter abgeleitete Staatsangehörigkeit einräume oder die einer Vermehrung der Fälle doppelter Staatsangehörigkeit durch einen Zwang zur Entscheidung für eine der beiden Staatsangehörigkeiten entgegenwirke.
Insgesamt sei die gleiche Staatsangehörigkeit für das Verhältnis zwischen den Eltern und dem Kind sowohl für die Ausübung der Elternrechte und -pflichten im Sinne von Art. 6 Abs. 2 GG wie unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 Abs. 1 GG (Zusammengehörigkeit der Familie) relevant. Die Verletzung der Gleichberechtigung durch § 4 Abs. 1 RuStAG lasse sich weder mit funktionalen noch mit biologischen Unterschieden rechtfertigen.
2. Gutachten Zweigert/Neuhaus
a) Vom Standpunkt des Internationalen Privat- und Prozeßrechts sei ein entschiedenes Interesse an einer bestimmten Regelung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit durch Geburt nicht festzustellen.
Nach geltendem deutschen Internationalen Privatrecht sei die Staatsangehörigkeit der Kinder für die Beziehungen zu den Eltern kaum von Bedeutung. Durchweg sei für die Bestimmung des anwendbaren Rechts nicht die Staatsangehörigkeit des Kindes, sondern diejenige eines Elternteils maßgebend (vgl. Art. 18 f., 22, 24 f. EGBGB). Durch die Haager Abkommen über die Unterhaltsansprüche Minderjähriger von 1956 und über den Schutz Minderjähriger von 1961 sei Art. 19 EGBGB weitgehend verdrängt durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes. Nur Art. 3 des Minderjährigenschutzabkommens knüpfe für ex lege bestehende Gewaltverhältnisse, d. h. besonders für die gesetzlich zugeteilte elterliche Gewalt, an die Staatsangehörigkeit des Kindes an. Insgesamt erleide danach das eheliche Kind selbst durch den Nichterwerb der deutschen Staatsangehörigkeit in aller Regel keine privatrechtlichen Nachteile, für die Mutter gelte das gleiche jedenfalls im unmittelbaren Mutter-Kind-Verhältnis.
Dagegen könnten für die sonstigen Rechtsverhältnisse Minderjähriger und für das erwachsene Kind aus dem Nichtbesitz der deutschen Staatsangehörigkeit durchaus relevante Nachteile (oder auch Vorteile) entstehen, da im Bereich des Personen-, Familien- und Erbrechts die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit dominiere. Jedoch sei dabei zu bedenken, daß die Anwendung einer ausländischen Regelung für Mutter oder Kind auch günstiger sein könne als die Anwendung deutschen Rechts; in Notfällen könne diese auch mit Hilfe des ordre public durchgesetzt werden. Zur Abwehr möglicher Nachteile genüge es wahrscheinlich, den Kindern die spätere Einbürgerung zu erleichtern, falls sie sich als Erwachsene der deutschen Rechtsordnung mehr verbunden fühlten als dem Heimatrecht ihres Vaters oder dem Recht ihres Geburtsorts.
b) Doppelte Staatsangehörigkeit sei ein Übel, auch für die Betroffenen, und besonders vom Standpunkt des Internationalen Privatrechts abzulehnen. Da alle Rechtsordnungen bei eigenen Staatsangehörigen den Besitz einer zweiten Staatsangehörigkeit zu ignorieren pflegten, führe doppelte Staatsangehörigkeit leicht zu widersprechenden Entscheidungen im In- und Ausland, die der Autorität des Rechts schadeten und praktisch unerwünscht seien. Der momentane Vorteil, den in der Bundesrepublik die Anwendung deutschen Rechts mit sich bringen möge, werde oft durch einen späteren Konflikt mit dem anderen Heimatrecht bezahlt. Ferner spreche die Entscheidung des Grundgesetzes für internationale Zusammenarbeit in Verbindung mit dem Europaratsübereinkommen über die Verringerung der Mehrstaatigkeit von 1963 gegen eine Vermehrung der Fälle doppelter Staatsangehörigkeit.
Auch die relativ beste Verwirklichung formeller Gleichheit zwischen beiden Gruppen von Kindern - nämlich Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch alle Kinder eines deutschen und eines ausländischen Elternteils bei Geburt im Inland - würde keine tatsächliche Gleichheit schaffen; denn die meisten Kinder einer deutschen Mutter würden anders als die Kinder eines deutschen Vaters Doppelstaater werden, weil die meisten Heimatstaaten der ausländischen Ehepartner den Kindern einer deutschen Mutter und eines inländischen Vaters viel leichter ihre Staatsangehörigkeit verliehen als dem Kinde eines deutschen Vaters und einer inländischen Mutter.
c) Gegen alle Lösungen für eine formelle Gleichstellung der Kinder deutscher Mütter mit Kindern deutscher Väter aus gemischt-nationalen Ehen bestünden Bedenken. Am ehesten käme bei grundsätzlicher Neuregelung eine Verbindung von ius sanguinis mit ius soli in der Form in Betracht, daß die Kinder zweier Inländer stets, die Kinder zweier Ausländer nie, die Kinder mit nur einem Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nur bei Geburt im Inland erwürben. Angesichts der unvermeidbaren Zunahme der Fälle doppelter Staatsangehörigkeit bringe jedoch diese Lösung vom Standpunkt des deutschen Internationalen Privatrechts keine so eindeutige Verbesserung, daß dafür eine abermalige Änderung des gesetzlichen Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit mit aller Rechtsunsicherheit, die durch die verspätete Kenntnisnahme im Ausland entstehe, geboten sei.
3. Gutachten Kegel
a) Das starke Interesse der meisten Staaten, sowohl Staatenlosigkeit wie mehrfache Staatsangehörigkeit zu vermeiden, habe seinen Grund darin, daß die Staatsangehörigkeit den Staat in einem seiner konstituierenden Elemente berühre. Mehrfache Staatsangehörigkeit könne zu Treuekonflikten führen und Spannungen mit anderen Staaten heraufbeschwören. Auch der Bürger, der mehreren Staaten angehöre, könne hierunter leiden, besonders bei Konflikten infolge mehrfacher Wehrpflicht; jedoch könne doppelte Staatsangehörigkeit für ihn auch vorteilhaft sein. Sicher habe das eheliche Kind einer deutschen Mutter im allgemeinen ein starkes Interesse daran, selbst Deutscher zu sein, schon, um vor einer Ausweisung ganz sicherzugehen. Zudem führe nach deutschem Internationalen Privatrecht die jetzige Staatsangehörigkeitsregelung häufig nicht zur Anwendung der Rechtsordnung, mit der das Kind am engsten verbunden sei.
b) Eine Neuregelung der Staatsangehörigkeit des ehelichen Kindes müsse die vielleicht widerstreitenden Interessen der ehelichen Kinder deutscher Mütter und der Bundesrepublik ausgleichen. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 2 GG) solle bei der Auswahl der Anknüpfungsmomente gewahrt werden. Folge man dem ius sanguinis, so solle - ähnlich wie bei Art. 116 Abs. 1 GG - die Staatsangehörigkeit der Mutter ebensoviel gelten wie die des Vaters. Da im großen und ganzen die Kinder - wenigstens in der Jugend - der Mutter näherstünden, müßte bei völligem Gleichgewicht ihre Staatsangehörigkeit sogar etwas mehr zählen. Eine Neuregelung, die sowohl eine Bevorzugung der väterlichen Staatsangehörigkeit vermeide wie beachte, daß doppelte Staatsangehörigkeit dem Staatsinteresse zuwiderlaufe und auch nicht eindeutig im Interesse des Kindes liege, müsse davon ausgehen, daß die Staatsangehörigkeit eine objektive Seite, die Lebensgemeinschaft, und eine subjektive, das Zusammengehörigkeitsgefühl, habe. Die Lebensgemeinschaft werde verwirklicht durch das Leben im Staat, das rechtlich heute meist als gewöhnlicher Aufenthalt verstanden werde; das Zusammengehörigkeitsgefühl könne bestätigt werden durch Annahme der Staatsangehörigkeit (Option), das fehlende Zusammengehörigkeitsgefühl durch Ausschlagung (Verzicht). Die auf dieser Grundlage zu suchende, den Willen des Kindes beachtende Lösung solle nicht von dem oft zufälligen Geburtsort des Kindes ausgehen, sondern von dem gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter bei der Geburt des Kindes. Zur Änderung von § 4 Abs. 1 RuStAG empfehle sich daher folgende Mittellösung:
- Das eheliche Kind eines deutschen Elternteils erwirbt durch die Geburt grundsätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit. Es erwirbt sie nicht,
a) wenn nur die Mutter Deutsche ist und im Zeitpunkt der Geburt ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Heimatstaat des Vaters hat;
b) wenn die Mutter Ausländerin ist und im Zeitpunkt der Geburt entweder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in ihrem Heimatstaat oder in einem Staat hat, dem weder der Vater noch die Mutter angehört, oder überhaupt keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Das Kind erwirbt die Staatsangehörigkeit auch in den Fällen a) und b), wenn es sonst staatenlos sein würde. - Das Kind eines deutschen und eines ausländischen Elternteils kann bis ein Jahr nach Eintritt der Volljährigkeit auf die deutsche Staatsangehörigkeit verzichten, wenn es mit der Geburt oder später auch die ausländische Staatsangehörigkeit des anderen Elternteils erworben hat.
- Ein Kind eines deutschen Elternteils, das gemäß Nr. 1 nicht durch Geburt deutscher Staatsangehöriger geworden ist, kann bis ein Jahr nach Eintritt der Volljährigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit wählen, wenn es auf die ausländische Staatsangehörigkeit verzichtet.
IV.
1.
Wie in ihrer Stellungnahme angekündigt, hat die Bundesregierung im März 1974 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes eingebracht (BTDrucks. 7/2175). Danach soll das eheliche Kind durch die Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben, wenn ein Elternteil (Vater oder Mutter), Deutscher ist. Jeder Deutsche, der mehrere Staatsangehörigkeiten hat, soll das Recht erhalten, auf die deutsche Staatsangehörigkeit zu verzichten.
Die vorgesehene Überleitungsregelung gibt jedem vor Inkrafttreten des Gesetzes geborenen ehelichen Kind einer deutschen Mutter, das durch Geburt nicht Deutscher geworden ist, das Recht, durch Erklärung gegenüber der deutschen Einbürgerungsbehörde binnen einer bestimmten Frist die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben, falls es bis zum Inkrafttreten des Gesetzes das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Hierdurch soll eine nachträgliche Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit gegen den Willen der Betroffenen ausgeschlossen werden. Die Beschränkung des Erklärungsrechts auf Minderjährige wird damit gerechtfertigt, daß volljährige Kinder deutscher Mütter, die ein Interesse am Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit gehabt hätten, inzwischen eingebürgert seien und keine Veranlassung bestehe, den anderen Kindern, die einen solchen Wunsch bisher nicht geäußert hätten, jetzt noch ein Recht auf den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit einzuräumen (Begründung B zu Artikel 3 Nr. 2 Absatz 1 a).
2.
Ein Ende März 1974 im Bundestag von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachter Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (BTDrucks. 7/1880) sieht ebenfalls den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Kinder einer deutschen Mutter und eines nichtdeutschen Vaters ohne Rücksicht darauf vor, ob das Kind zugleich eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt. Abweichend vom Regierungsentwurf soll jedoch danach das eheliche Kind einer Deutschen, das in der Zeit vom 1. April 1953 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes geboren worden ist, durch die Geburt stets die Staatsangehörigkeit der Mutter erwerben, wenn es sonst nicht Deutscher sein würde, es sei denn, daß es die deutsche Staatsangehörigkeit binnen Jahresfrist ausschlägt.
C.
I.
Die zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorgelegte Norm des Staatsangehörigkeitsrechts ist nachkonstitutionelles Recht.
Zwar gilt § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG nach Inhalt und Fassung seit Erlaß des Gesetzes im Jahre 1913 unverändert. Der Gesetzgeber hat jedoch bei einer nach Inkrafttreten des Grundgesetzes vorgenommenen Gesetzesänderung diese vorkonstitutionelle Norm "in seinen Willen aufgenommen" (vgl. BVerfGE 32, 296 [299 f.] mit weiteren Nachweisen; besonders BVerfGE 11, 126 [131 f.]). Dies ergibt sich jedenfalls eindeutig aus dem Änderungsgesetz vom 19. Dezember 1963. Dafür spricht schon der Wortlaut des Art. 1 dieser Novelle, wonach der neu angefügte Satz 2 den bisherigen Inhalt des § 4 Abs. 1 RuStAG "ergänzt". Vor allem steht die neu angefügte Vorschrift nach Inhalt und Zweck in so engem sachlichen Zusammenhang mit der bisherigen, daß daraus zwingend auf eine auch den unveränderten Teil umfassende Willensentscheidung des nachkonstitutionellen Gesetzgebers zu schließen ist.
II.
1.
Für die Entscheidung der verwaltungsgerichtlichen Ausgangsverfahren kommt es allein darauf an, ob die Regelung der Staatsangehörigkeit ehelicher Kinder deutscher Mütter und ausländischer Väter mit der Verfassung vereinbar ist. Die Gerichte haben insoweit zutreffend die Vorlagen auf den entsprechenden Teilinhalt des § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG beschränkt. Auf der anderen Seite muß über die Vorlagebeschlüsse hinaus auch § 4 Abs. 1 Satz 2 RuStAG in die Regelung einbezogen werden, weil - wie dargelegt - erst Satz 1 und Satz 2 zusammen die Regelung für die genannte Gruppe ehelicher Kinder deutscher Mütter ergeben.
2.
Soweit das Bundesverwaltungsgericht meint, § 4 Abs. 1 RuStAG müsse als durch Art. 3 Abs. 2 GG dahin ergänzt angesehen werden, daß die ehelichen Kinder einer deutschen Mutter mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit ebenso erwerben wie die ehelichen Kinder eines deutschen Vaters, ist dies nicht dahin zu verstehen, daß das Gericht eine verfassungskonforme Auslegung der geltenden Regelung - wie sie jedes zuständige Gericht selbst vornehmen könnte - für geboten oder möglich hält. Mit diesen Ausführungen will das Gericht nur darlegen, daß nach seiner Ansicht die Verfassungswidrigkeit zwangsläufig zu der umschriebenen Ergänzung führen muß mit der Folge, daß dann der Klage im Ausgangsverfahren stattzugeben wäre.
D.
Die Regelung der Staatsangehörigkeit ehelicher Kinder mit nur einem deutschen Elternteil in § 4 Abs. 1 RuStAG ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, weil sie Kindern deutscher Mütter den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht in gleichem Maße ermöglicht wie Kindern deutscher Väter.
I.
Die früher vorherrschende und zum Teil noch jetzt anzutreffende Vorstellung, es handele sich bei der Zuerkennung der Staatsangehörigkeit um eine Abgrenzung des Staatsvolkes unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten, die der Staat nach seinem Ermessen - allenfalls eingeschränkt durch das Willkürverbot - vornehmen könne, entspricht nicht dem Verständnis des demokratischen und sozialen Rechtsstaats im Sinne des Grundgesetzes. Dieses Verständnis wird verfassungsrechtlich dadurch gekennzeichnet, daß alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht (Art. 20 Abs. 2 GG), daß sich die Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen, nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk hin vollzieht, und daß die staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten, die für jeden einzelnen mit dem Besitz der Staatsbürgerschaft verbunden sind, zugleich konstituierende Grundlagen des gesamten Gemeinwesens bilden. Der inneren Beziehung des freien Bürgers zu einem freiheitlichen demokratischen Gemeinwesen entspricht es, daß seine Staatsbürgerschaft als grundsätzlich unentziehbar gewährleistet ist (Art. 16 Abs. 1 GG). Mit alledem wäre die Auffassung unvereinbar, die Entscheidung über den Erwerb eines derart bedeutsamen Status könne im freien Belieben von Staatsorganen stehen; auch würde es nicht genügen, die Regeln darüber lediglich sach- und systemgerecht auszugestalten. Vielmehr müssen die entsprechenden Gesetze die Grundentscheidungen der Verfassung, wie sie vor allem in den Grundrechten zum Ausdruck kommen, beachten und ihrerseits zu deren Verwirklichung beitragen. Regeln über die Weitergabe der Staatsangehörigkeit in der Generationenfolge, die an die Familienbindung des einzelnen anknüpfen, können daher nur auf der Grundlage der Wertentscheidungen getroffen werden, in denen die Verfassung das Verhältnis der Geschlechter zueinander, die Beziehungen in der Familie und deren Verhältnis zum Staat kennzeichnet und bestimmt. Als solche Wertentscheidungen sind im vorliegenden Zusammenhang namentlich der Grundsatz der Gleichberechtigung von Männern und Frauen nach Art. 3 Abs. 2 GG und das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG maßgebend.
II.
1.
Die geltende Regelung der Staatsangehörigkeit ehelicher Kinder aus gemischt-nationalen Ehen beruht eindeutig auf einer Differenzierung nach dem Geschlecht des deutschen Elternteils, die sowohl die Situation der deutschen Mutter wie die ihrer ehelichen Kinder berührt. Das Kind eines deutschen Vaters erhält mit der Geburt automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit, ohne Rücksicht darauf, ob seine Eltern dies wünschen oder ob dies in seinem Interesse liegt, ob es im Inland oder Ausland geboren wird, wo die Familie ihren ständigen Wohnsitz hat, vor allem auch ohne Rücksicht darauf, ob das Kind nach dem Staatsangehörigkeitsrecht des Heimatstaates seiner Mutter oder des Geburtsstaates zugleich eine ausländische Staatsangehörigkeit erwirbt. Umgekehrt werden Kinder deutscher Mütter, die mit der Geburt eine ausländische Staatsangehörigkeit erhalten, vom Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit auch dann ausgeschlossen, wenn das Kind oder seine Eltern nach den Umständen hieran ein Interesse haben, etwa weil die Familie in der Bundesrepublik lebt und das Kind hier aufwachsen soll; sie können die deutsche Staatsangehörigkeit nur auf dem für alle Ausländer geltenden Wege der Einbürgerung erhalten. Die Einbürgerung ist aber den oben genannten Möglichkeiten eines vom Willen der Beteiligten abhängigen Staatsangehörigkeitserwerbs durch Option, Registrierung oder Wohnsitznahme im Heimatstaat der Mutter (vgl. oben A IV 2) nicht vergleichbar. Sie unterscheidet sich von diesen wesentlich dadurch, daß auf sie kein Rechtsanspruch besteht, die Entscheidung darüber vielmehr in das Ermessen der Einbürgerungsbehörden gestellt ist. Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, daß die zwischen dem Bundesminister des Innern und den Innenministern der Länder abgestimmten Richtlinien für die Einbürgerung im Ermessenswege in einzelnen Beziehungen Erleichterungen für Kinder von Deutschen zulassen.
2.
Diese Differenzierung trifft die Rechtsstellung der Beteiligten zunächst insoweit, als die Kinder deutscher Mütter von der in der Staatsangehörigkeit zum Ausdruck kommenden Grundbeziehung der mitgliedschaftlichen Verbindung und rechtlichen Zugehörigkeit zur staatlichen Gemeinschaft der Bundesrepublik und den kraft der Verfassung daraus unmittelbar erwachsenden Rechten ausgeschlossen werden. So sind ihnen - abgesehen von der hier zu vernachlässigenden Sondergruppe der unter Art. 116 Abs. 1 GG fallenden Personen - die nur den Deutschen vorbehaltenen Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte versagt, nämlich die Versammlungsfreiheit (Art. 8), die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1), das Recht auf Freizügigkeit (Art. 11), die Berufsfreiheit (Art. 12), das Auslieferungsverbot (Art. 16 Abs. 2 Satz 1), das Widerstandsrecht (Art. 20 Abs. 4), das aktive und passive Wahlrecht (Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Art. 38 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 und § 16 Abs. 1 Bundeswahlgesetz), das Recht auf Zugang zu öffentlichen Ämtern (Art. 33 Abs. 2) und auf staatsbürgerliche Gleichstellung in allen Bundesländern (Art. 33 Abs. 1). Ähnliche Differenzierungen hinsichtlich der Grundrechte und des Wahlrechts finden sich im Verfassungs- und Gesetzesrecht der Bundesländer.
Unmittelbar aus der Grundbeziehung der Staatsangehörigkeit erwächst ferner der nur den Deutschen zustehende Anspruch auf Schutz seitens der Bundesrepublik gegenüber dem Ausland, besonders auf diplomatischen Schutz und konsularische Betreuung durch die deutschen Auslandsvertretungen. Kinder deutscher Mütter aus gemischt-nationalen Ehen sind hier jedenfalls insoweit benachteiligt, als sie gegenüber einem Drittstaat keinen Schutz durch die Auslandsvertretungen der Bundesrepublik beanspruchen können.
3.
a) Da zahlreiche Vorschriften an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, wirkt sich der Besitz oder Nichtbesitz der deutschen Staatsangehörigkeit weiter mittelbar auf vielen Rechtsgebieten in einer Fülle bestimmter Rechtsfolgen aus. Ungeachtet einzelner Begünstigungen der Ausländer - vgl. etwa die Freistellung von staatsbürgerlichen Pflichten, besonders der Wehrpflicht gemäß §§ 1, 2 Wehrpflichtgesetz - ist die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit regelmäßig mit einer Schlechterstellung der Ausländer verbunden. Dies wird besonders ersichtlich im Ausländerrecht (Erfordernis einer Aufenthaltserlaubnis, Beschränkung der politischen Betätigung, Möglichkeit der Ausweisung - vgl. dazu BVerfGE 35, 382 [384 ff.]), im Arbeits- und Berufsrecht (Notwendigkeit einer Arbeitserlaubnis, Ausschluß oder erschwerter Zugang bei bestimmten Berufen), im Recht der Förderungs- und Sozialleistungen (Ausbildungsförderung, Sozialhilfe).
Das deutsche Internationale Privatrecht folgt auf dem Gebiet des Personen-, Familien- und Erbrechts dem Staatsangehörigkeitsprinzip. Die Rechtsverhältnisse des Kindes als Einzelperson, besonders nach Eintritt der Volljährigkeit, richten sich überwiegend nach dem Recht des Staates, dem es angehört; die Staatsangehörigkeit bleibt damit für das Kind während seines ganzen Lebens maßgebend für die Beurteilung seiner personen-, familien- und erbrechtlichen Verhältnisse (vgl. Art. 7 ff. EGBGB). Auch für die Eltern-Kind-Beziehung hat die eigene Staatsangehörigkeit des Kindes neuerdings durch das Haager Minderjährigenschutzabkommen vom 5. Oktober 1961 (BGBl. 1971 II S. 217) wesentlich an Bedeutung gewonnen (vgl. dessen Art. 3 und dazu BGHZ 60, 68 [73 ff.]; Siehr, DAVorm. 1973, Sp. 265 ff.).
b) Bei einer Gesamtbewertung ist die nachteilige Wirkung der Regelung des § 4 Abs. 1 RuStAG für die ehelichen Kinder deutscher Mütter im Bereich des öffentlichen Rechts offensichtlich. Faktisch fällt diese Benachteiligung namentlich ins Gewicht, wenn das Kind sich in der Bundesrepublik aufhält oder als Erwachsener später dort leben will.
Dagegen ist das Ergebnis für das Internationale Privatrecht deswegen weniger eindeutig, weil die Anwendung des deutschen Rechts nach Lage des Einzelfalles für das Kind oder seine Mutter günstiger oder ungünstiger sein kann als ausländisches Recht. Weiter muß der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit in den Fällen, in denen das Kind daneben noch die seines ausländischen Vaters oder seines ausländischen Geburtslandes besitzt, nicht zwingend zur Anwendung deutschen Rechts führen. Während nach früher herrschender Auffassung in solchen Fällen ohne weiteres deutsches Recht angewandt wurde, wird heute zunehmend die Ansicht vertreten, bei mehreren Staatsangehörigkeiten sei das Recht des Staates maßgebend, mit dem die betreffende Person am engsten verbunden ist - das ist in der Regel der Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts (Grundsatz der effektiven Staatsangehörigkeit - vgl. dazu Ferid, RabelsZ Bd. 23, 1958, S. 498 ff., insbes. S. 506 ff.; Kegel in Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Aufl., Bd. 7, 1970, Art. 29 EGBGB Anm. 37 mit weiteren Nachweisen; BGHZ 60, 68 [82]).
Auch bei Beachtung dieser Gesichtspunkte bleibt jedoch - wie im Gutachten Kegel ausgeführt - für eine erhebliche Zahl der betroffenen Kinder und Familien eine nachteilige Wirkung bestehen. Die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit beruht auf der Annahme, es entspreche dem Interesse des einzelnen, in persönlichen Beziehungen nach dem Recht seines Heimatstaates beurteilt zu werden, weil die Staatsangehörigkeit eine dauernde persönliche Verbundenheit mit diesem Staat dokumentiere und ihm das vom Gesetzgeber der eigenen Nationalität geschaffene, auf Personen dieser Nationalität ausgerichtete Recht am vertrautesten sei (vgl. BVerfGE 31, 58 [78 mit weiteren Nachweisen]). Eheliche Kinder mit Eltern verschiedener Staatsangehörigkeit sind von Hause aus potentiell sowohl dem Staate des Vaters wie dem der Mutter verbunden; wo die engere Bindung liegt, hängt meist von anderen Umständen als von Vaterschaft oder Mutterschaft ab; in aller Regel wird der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes im Heimatstaat eines der Elternteile der Verbundenheit zu diesem Staat das Übergewicht geben. Der Ausschluß vom Erwerb der mütterlichen Staatsangehörigkeit durch die Geburt führt daher entgegen der ratio des Staatsangehörigkeitsprinzips bei Kindern deutscher Mütter in vielen Fällen nicht zur Anwendung der Rechtsordnung, mit der das Kind am engsten verbunden ist, besonders dann, wenn die Familie oder auch nur das Kind dauernd in der Bundesrepublik lebt.
Im übrigen ist allgemein zu bedenken, daß die Anwendung ausländischen Rechts Mutter und Kind, jedenfalls bei ständigem Aufenthalt in der Bundesrepublik, in der Wahrnehmung ihrer Interessen beeinträchtigen kann, weil ausländisches Recht schwerer zu ermitteln ist als deutsches und seine Feststellung oft erhebliche Kosten verursacht (vgl. Kegel, Festschrift Nipperdey [1965] Bd. I S. 455 ff.; D. Müller in Die Anwendung ausländischen Rechts im internationalen Privatrecht [1968] S. 66 ff.; s. a. Zweigert, RabelsZ Bd. 37, 1973, S. 445).
III.
Die Differenzierung zwischen den ehelichen Kindern deutscher Väter und ausländischer Mütter einerseits und den ehelichen Kindern deutscher Mütter und ausländischer Väter andererseits, die sich für die ehelichen Kinder deutscher Mütter und diese selbst in der beschriebenen Weise nachteilig auswirkt, verletzt den Grundsatz der Gleichberechtigung nach Art. 3 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 GG.
1.
Dieses Verfassungsgebot verbietet grundsätzlich und ein für allemal die rechtliche Differenzierung nach dem Geschlecht (BVerfGE 3, 225 [239 f.]; 10, 59 [73] - Stichentscheid -; 15, 337 [343 ff.] - Höfeordnung -; 21, 329 [343]; 31, 1 [4]). Im vorliegenden Fall hat der Gesetzgeber aber eine solche Differenzierung nach dem Vergleichspaar Mann-Frau vorgenommen, indem er die Staatsangehörigkeit des ehelichen Kindes an der Staatsangehörigkeit des Vaters ausgerichtet und der Staatsangehörigkeit der Mutter nur eine subsidiäre Bedeutung zuerkannt hat. Die zur Prüfung stehende Regelung behandelt im Blick auf die Staatsangehörigkeit der Kinder Ehen zwischen Deutschen und Ausländern je nach dem Geschlecht des deutschen Ehepartners und Elternteils verschieden. Dies ist mit den vorgenannten Rechtsgrundsätzen nicht vereinbar (s. a. BVerwGE 42, 133 [135] und BVerfGE 35, 382 [408] zur Ausweisung).
2.
Gegen eine Verletzung des Art. 3 Abs. 2 GG wird eingewandt, § 4 Abs. 1 RuStAG ordne ausschließlich den objektiven Status des Kindes, von dem allenfalls rechtsunerhebliche Tatbestands- oder Reflexwirkungen auf die Eltern ausgingen. Der primäre Zweck der Regelung liege darin, das Kind der Personalhoheit eines bestimmten Staates zuzuordnen; subjektive Rechte der Eltern auf Übertragung ihrer Staatsangehörigkeit bestünden nicht. Bei der Ableitung der Staatsangehörigkeit des ehelichen Kindes nur vom Vater gehe es daher weder um die Gleichberechtigung von Vater und Mutter noch um die Ordnung von Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern; die Staatsangehörigkeit der Kinder sei für die Eltern eine "res aliena" (vgl. besonders Makarov, Kommentar, a.a.O., S. 224, DÖV 1963, S. 471 und JZ 1972, S. 160; Seifert, DÖV 1963, S. 473; BayObLGZ 1970, 6 [16]).
Dieser Einwand geht jedoch fehl.
a) Zwar trifft es zu, daß der Erwerb der Staatsangehörigkeit des Vaters oder der Mutter nach § 4 Abs. 1 RuStAG nicht auf einer "Übertragung" im rechtstechnischen Sinne beruht; besonders vollzieht sich der Erwerb unabhängig vom Willen der Eltern. Vielmehr erwirbt das Kind die Staatsangehörigkeit originär, kraft eigenen Rechts, wobei die Abstammung von einem Elternteil und dessen Staatsangehörigkeit nur Anknüpfungspunkte bilden (vgl. auch BGHZ 60, 68 [83]). Dennoch wird die Rechtsstellung der Mutter durch die zur Prüfung stehende Regelung objektiv berührt, und zwar sowohl in ihrem Verhältnis zum Staat wie zur Familie. Gerade wenn nach demokratischem Verständnis das Wesen der Staatsangehörigkeit nicht darin gesehen wird, daß die betreffende Person der Hoheitsgewalt eines bestimmten Trägers staatlicher Herrschaft untersteht, sondern darin, daß sie selbst diese staatliche Gemeinschaft mitbildet und mitträgt, besteht ein rechtlich erhebliches Interesse des Staatsangehörigen daran, daß seine Kinder ebenfalls Bürger dieser staatlichen Gemeinschaft werden und deren Schutz genießen.
Zugleich wird die Stellung der Mutter in der Familie erheblich beeinträchtigt. Das Abstammungsprinzip als Grundlage des Staatsangehörigkeitserwerbs wirkt nach zwei Seiten: Einmal soll die Bindung an den Staat gerade über die Bindung an die eigenständige soziale Einheit der Familie vermittelt und gewährleistet werden, zum anderen macht die gemeinsame Bindung an eine bestimmte staatliche Gemeinschaft einen Teil der vielfältigen engen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern aus und trägt dazu bei, den Zusammenhang in der Familie zu dokumentieren und zu stärken. Wenn ein solcher Zusammenhang grundsätzlich nur im Verhältnis von Vater und Kind, nicht aber von Mutter und Kind anerkannt wird, so liegt hierin eine Minderbewertung der Stellung der Frau in der Familie, die unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 2 GG bereits relevant ist, soweit sie sich im immateriellen Bereich auswirkt (vgl. Samtleben, FamRZ 1973, S. 1; s.a. BVerfGE 19, 177 [182] betr. das ideelle Interesse der Adoptivmutter auf Übertragung ihres Namens auf das Adoptivkind).
b) Weiter ergibt sich aus den an die Staatsangehörigkeit auf den verschiedensten Rechtsgebieten angeknüpften einzelnen Rechtsfolgen, daß der Ausländerstatus des Kindes die Ausübung der Elternrechte durch die deutsche Mutter erheblich beeinträchtigen kann; dies gilt jedenfalls dann, wenn die Familie - oder wenigstens Mutter und Kind - in der Bundesrepublik leben. Einer Berücksichtigung dieser Rechtsfolgen kann nicht entgegengehalten werden, sie erwüchsen nicht unmittelbar aus der zu prüfenden Regelung der Staatsangehörigkeit und könnten darüber hinaus erst bei der Anwendung des betreffenden Gesetzes im Einzelfall selbst verfassungsrechtlich relevant werden. Der Gesetzgeber hat die Regelung über den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch die Geburt in Kenntnis der sich daraus nach innerstaatlichen Rechtsnormen ergebenden Folgerungen getroffen. Wie im Gutachten Mosler ausgeführt, müssen solche zwangsläufigen oder systembedingten Ausstrahlungswirkungen einer bestimmten gesetzlichen Regelung bei deren Prüfung einbezogen werden.
Am einschneidendsten ist die Unterwerfung des Kindes unter das Ausländergesetz mit den sich daraus ergebenden Beschränkungen des Aufenthaltsrechts, namentlich der Gefahr der Ausweisung. Freilich ist auch bei ausländischen Kindern das allgemein geltende Gebot des Schutzes der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG und der Rücksicht auf das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG zu beachten. Liegen jedoch in der Person des Kindes Gründe für die Ausweisung oder die Versagung der Aufenthaltserlaubnis vor, so hängt es von der Abwägung im Einzelfall ab, ob die Rücksicht auf die Familieneinheit und auf die Interessen der deutschen Mutter schwerer wiegt als das öffentliche Interesse an der Entfernung des Ausländers aus dem Bundesgebiet (vgl. BVerfGE 19, 394 [397 ff.]; 35, 382 [407 f.]; BVerwGE 42, 133 [134 ff.]). In jedem Falle müssen Mutter und Kind unter solchen Umständen zunächst den Rechtsweg beschreiten, um zusammen in der Bundesrepublik bleiben zu können - ein Recht, das dem deutschen Kinde einer deutschen Mutter oder dem Kinde eines deutschen Vaters ohne weiteres zusteht und nicht streitig gemacht werden kann.
Ferner ist die Befugnis der in der Bundesrepublik lebenden Mutter, die Pflege und Erziehung ihres Kindes nach ihren eigenen Vorstellungen frei zu gestalten, durch die Ausländereigenschaft des Kindes beeinträchtigt, weil nicht die gleichen staatlichen Hilfen zur Verfügung stehen wie bei einem deutschen Kind, und vor allem, weil die Arbeits- und Berufsbeschränkungen für Ausländer die Möglichkeiten für die berufliche Erziehung und Ausbildung des Kindes begrenzen.
Der Mangel der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes kann sich schließlich bei Streitigkeiten zwischen den Eltern über die Ausübung der Elternrechte zum Nachteil der Mutter auswirken, namentlich, wenn bei Getrenntleben oder Scheidung der Eltern der ausländische Vater die elterliche Gewalt oder das Sorgerecht in Anspruch nimmt, um das Kind ins Ausland mitzunehmen oder sonst von der Mutter zu trennen. In solchen Konfliktslagen kann eine am Wohl des Kindes ausgerichtete Übertragung der elterlichen Gewalt an die Mutter durch ein deutsches Gericht eingeschränkt sein, wenn nach Art. 3 des Haager Minderjährigenschutzabkommens wegen der fremden Staatsangehörigkeit des Kindes ausländisches Recht zur Anwendung kommt und nach diesem Recht die elterliche Gewalt ganz oder in bestimmtem Umfang kraft Gesetzes von vornherein dem Vater zusteht. Derartige Nachteile können sich besonders bei der Anwendung der islamischen oder anderer Rechte ergeben, die im Gegensatz zum deutschen Recht vom Vorrang des Vaters ausgehen (vgl. das Ausgangsverfahren in BGHZ 60, 68 [73 ff.]). Es bedarf hier nicht der Prüfung, ob und wieweit in solchen Fällen nach den Grundsätzen der Spanier-Entscheidung (BVerfGE 31, 58 [72 ff.]) wegen der mangelnden Gleichberechtigung von Vater und Mutter die Anwendung des ausländischen Rechts auszuschließen wäre (vgl. Sturm, StAZ 1973, S. 292 ff.). Auch soweit dies zu bejahen ist, bleibt die Rechtsposition der Mutter schlechter als diejenige eines deutschen Vaters unter vergleichbaren Umständen, weil sie nur im Wege eines Rechtsstreits und nur in beschränktem Maße die Ausschaltung des ungünstigeren ausländischen Rechts erreichen kann.
c) Der Bundesminister des Innern meint, eine Verletzung des Art. 3 Abs. 2 GG scheide auch deswegen aus, weil es dem Gesetzgeber sicher freigestanden hätte, für den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch die Geburt das ius soli-Prinzip gelten zu lassen. Damit wäre offenbar, daß bei Inlandsgeburten eine rechtliche Beziehung zwischen der Staatsangehörigkeit des Kindes und der der Eltern oder eines Elternteils nicht gegeben sei, so daß eine Benachteiligung der Mutter nicht in Betracht kommen könne. Diese Auffassung trifft jedoch nicht zu. Gewiß liegt bei der Anknüpfung des Staatsangehörigkeitserwerbs allein an die Geburt im Inland ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG nicht vor; eine solche Regelung wäre im Hinblick auf das Geschlecht der Elternteile neutral. Es mag jedoch schon zweifelhaft sein, ob ein Übergang zum reinen ius soli ohne Sonderregelungen für Auslandsgeburten - das praktisch in keinem Staat existiert - im Hinblick auf das Wesen der Staatsangehörigkeit im demokratischen Staat und mit Rücksicht auf Art. 6 Abs. 1 und 2 GG verfassungsrechtlich zulässig wäre. Hierauf kommt es jedoch nicht an; denn der deutsche Gesetzgeber hat sich nun einmal für das ius sanguinis entschieden und damit ein Prinzip gewählt, "das mit seinem Bezug auf die Eltern der Frage nach der Gleichberechtigung der Geschlechter nicht ausweichen kann" (Gernhuber, a.a.O., S. 510; vgl. ebenso BVerwGE 15, 226 [229]). Wenn dergestalt die Staatsangehörigkeit des Kindes von der Staatsangehörigkeit der Eltern oder eines Elternteils abhängig gemacht wird, so verbietet Art. 3 Abs. 2 GG grundsätzlich, das Problem der Staatsangehörigkeit von Kindern aus gemischt-nationalen Ehen einseitig zu Lasten der Mutter zu lösen.
d) Insgesamt berührt also die zur Prüfung stehende Norm die Rechtsstellung der deutschen Mutter; diese wird namentlich in der Wahrnehmung der ihr verfassungsrechtlich garantierten Elternverantwortung (vgl. BVerfGE 24, 119 [143 f.]) betroffen (ebenso BVerwGE 15, 226 [228 f.]). Vom Standpunkt der Mutter greift die geltende Regelung damit nicht nur in den Schutzbereich des Art. 3 Abs. 2, sondern in Verbindung damit auch in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 GG ein.
3.
Nach der Rechtsprechung sind allerdings differenzierende Regelungen unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, nämlich wenn die sich aus dem Geschlecht ergebenden biologischen oder funktionalen (arbeitsteiligen) Unterschiede den zu ordnenden Lebenstatbestand so entscheidend prägen, daß gemeinsame Elemente überhaupt nicht zu erkennen sind oder zumindest vergleichbare Elemente vollkommen zurücktreten, so daß die verschiedene rechtliche Regelung mit den Begriffen "Benachteiligen" und "Bevorzugen" nicht mehr sinnvoll zu erfassen ist (vgl. u. a. BVerfGE 3, 225 [242]; 6, 389 [422 f.] - Homosexualität -; 17, 1 [17 ff.] - Witwer- und Waisenrente -).
Solche Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Nach § 4 Abs. 1 RuStAG beruht der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt der Geburt auf der Abstammung von einem deutschen Staatsangehörigen und der Familienbindung zu dieser Bezugsperson. Soweit es danach auf die Blutsverbindung (ius sanguinis) ankommt, sprechen biologische Gründe gerade gegen eine Differenzierung. Wenn der Gesetzgeber die Zurechnung eines neugeborenen Kindes zum deutschen Staatsvolk an seine Abstammung anknüpft, so muß er die Abstammung von der Mutter in gleicher Weise berücksichtigen wie die vom Vater.
Soweit zugleich mit der Blutsverbindung die Familienbeziehung des ehelichen Kindes maßgebend ist, läßt sich die Unterscheidung in der Anknüpfung der Staatsangehörigkeit ebensowenig halten. Der umfassend angelegte Gleichberechtigungsgrundsatz bezieht sich auch auf Ehe und Familie; auch in den Beziehungen der Eltern zu ihren Kindern sind Mann und Frau gleichberechtigt (BVerfGE 3, 225 [242]; 6, 55 [82]; 31, 194 [205, 208]). Dieser Lebenstatbestand mag zwar in der Person des Vaters und der Mutter - durch das Geschlecht bedingt - eine "verschiedene Färbung" haben. Gerade die Anknüpfung an derartige Unterschiede männlicher und weiblicher Art im außerrechtlichen sozialen Bereich ist jedoch durch Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG ausgeschlossen. Vielmehr folgt aus der zwischen den Eltern bestehenden engen Gemeinschaft und ihrer gemeinsamen Verantwortung gegenüber dem Kinde die Gleichstellung von Vater und Mutter auch im Verhältnis zu den Kindern (BVerfGE 10, 59 [67, 75] - Stichentscheid -).
Die besonderen Aspekte des hier geregelten Sachverhalts lassen ebenfalls keine relevanten funktionalen Unterschiede zwischen deutschen Müttern und deutschen Vätern in Ehen mit ausländischen Partnern erkennen. Vielmehr ist § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG noch Ausdruck einer patriarchalischen Gesellschaftsordnung, die in sich konsequent die Staatsangehörigkeit der ganzen Familie am pater familias orientierte (vgl. Zitelmann, Verwaltungsarchiv, Bd. 20, 1912, S. 11; Endemann, JW 1914, S. 119). Die Vorstellung vom Vater als Haupt oder Mittelpunkt der Familie ist aber rechtlich durch die Partnerschaft zwischen Mann und Frau abgelöst; auch im Bereich der elterlichen Gewalt einschließlich der geistigen und kulturellen Erziehung stehen Vater und Mutter nach deutschem Recht völlig gleich (BVerfGE 10, 59 [66 ff.]). Abgesehen davon, daß viele Ehefrauen durch eigene Erwerbstätigkeit die Familie miternähren - dies wird gerade bei Ehen mit ausländischen Arbeitnehmern nicht selten der Fall sein -, sind im Lichte des Art. 3 Abs. 2 GG auch die unmittelbaren Leistungen der nichtberufstätigen Frau bei der Führung des Haushalts sowie der Pflege und Erziehung der Kinder als Unterhaltsleistungen zu werten, die gleichrangig neben der Bereitstellung der notwendigen Barmittel durch den Ehemann und Vater stehen (vgl. BVerfGE 21, 329 [341 mit weiteren Nachweisen]; 26, 265 [273]). Die möglicherweise bei Erlaß des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes, vielleicht auch noch geraume Zeit nachher geltende Regel, daß der Familienwohnsitz meist im Heimatstaat des Vaters liege, ist heute durch die Mobilität der Bevölkerung und aus anderen Gründen durchbrochen. Die durch Heirat deutscher Frauen mit Ausländern gegründeten Familien bleiben häufig aus wirtschaftlichen oder kulturellen Gründen in der Bundesrepublik, besonders wenn der Ehemann als Arbeitnehmer hierher gekommen ist oder aus einem Entwicklungsland stammt. Die soziale und geistige Entwicklung des Kindes wird heute vorwiegend durch die Verhältnisse des Landes bestimmt, in dem die Familie ihren ständigen Wohnsitz hat; bei Kindern aus gemischtnationalen Ehen, die in der Bundesrepublik aufwachsen, werden Schule und Umgebung maßgeblich auf ein Hineinwachsen in den deutschen Staat hinwirken. Freilich bleibt der Einfluß der Familie daneben von wesentlicher Bedeutung. Insoweit ist die deutsche Frau nach ihrer rechtlichen und tatsächlichen Stellung in Familie, Staat und Gesellschaft durchaus in der Lage, die Integration der Familie in den deutschen Staat zu vermitteln oder mitzubestimmen; sie kann also in gleicher Weise wie der deutsche Ehemann einer Ausländerin die Gewähr dafür bieten, daß das Kind eine echte Bindung zum deutschen Volk, seiner Rechtsordnung und Kultur erwirbt und in den deutschen Staatsverband hineinwächst (ebenso Schürmann, NJW 1971, S. 270).
4.
Daß die Verfassung keinen Vorrang des Vaters anerkennt, soweit es sich um die Anknüpfung der Beziehung des Kindes zum Staat handelt, ergibt sich auch aus Art. 116 Abs. 1 GG. Danach erwerben Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit den Status eines Deutschen im Sinne des Grundgesetzes, wenn sie "Abkömmlinge" eines Flüchtlings oder Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit sind und selbst im ehemaligen Reichsgebiet Aufnahme gefunden haben. Dieser Status, der die Begünstigten grundsätzlich den deutschen Staatsangehörigen gleichstellt, wird also ohne Differenzierung nach dem Geschlecht in gleicher Weise durch die Abstammung von einem Mann wie von einer Frau deutscher Volkszugehörigkeit vermittelt (vgl. BVerwGE 38, 224 [226, 230]).
IV.
Die verfassungsrechtliche Prüfung darf aber nicht allein auf die Wirkungen der Regelung auf die Rechte und Interessen der Mutter beschränkt werden. Da § 4 Abs. 1 RuStAg zunächst die Rechtsbeziehung des Kindes zum Gegenstand hat, kommt es mindestens in gleichem Maße auf ihre Auswirkungen auf das Kind selbst an. Da insbesondere die in Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternverantwortung auf das Wohl des Kindes ausgerichtet ist und das Kind in seiner Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen muß (vgl. BVerfGE 24, 119 [143 f.]), müßte bei einem etwaigen Interessenkonflikt zwischen Mutter und Kind dem Kinde der Vorrang zukommen (vgl. BGHZ 60, 68 [83]; Jayme, NJW 1971, S. 832; Makarov, JZ 1972, S. 160; Seifert, DÖV 1963, S. 473; Beitzke, DRZ, Beiheft 14, 1950, S. 41). Eine Betrachtung vom Standpunkt des Kindes aus läßt jedoch einen solchen Interessenkonflikt nicht erkennen.
1.
Daß dem Kind der deutschen Mutter der Status der deutschen Staatsangehörigkeit vorenthalten wird, bedeutet schon für seine allgemeine Rechtsstellung im Verhältnis zum deutschen Staat eine Benachteiligung, weil es von der mitgliedschaftlichen Bindung an die staatliche Gemeinschaft der Bundesrepublik und den daraus unmittelbar erwachsenen Rechten ausgeschlossen ist. Dies wirkt sich in erster Linie aus, wenn das Kind im Bundesgebiet aufwächst und dort bleibt; aber auch, wenn das Kind zunächst im Ausland aufgewachsen ist, kann es nach den Umständen des Einzelfalls, etwa wegen einer durch die deutsche Mutter geprägten Erziehung oder aus anderen Gründen an einer solchen Bindung interessiert sein, besonders wenn es später in die Bundesrepublik übersiedeln will. Weiter steht das Kind, wie ausgeführt, als Heranwachsender oder Erwachsener in vielen Einzelbeziehungen schlechter als ein deutscher Staatsangehöriger.
2.
Die von der Staatsangehörigkeitsregelung ausgehenden Nachteile für das Kind lassen sich nicht mit dem Prinzip der Familieneinheit rechtfertigen. Zwar kann gerade die bereits gekennzeichnete Wechselbeziehung zwischen der nach dem Abstammungsprinzip weitergegebenen Staatsangehörigkeit und der Familienbindung eine einheitliche Staatsangehörigkeit aller Familienmitglieder als wünschenswert erscheinen lassen. Der Grundsatz der Familieneinheit hat aber sowohl im deutschen wie im ausländischen Staatsangehörigkeitsrecht weitgehend an Bedeutung verloren, seitdem die Eheschließung im allgemeinen nicht mehr zur Änderung der Staatsangehörigkeit der Frau führt (vgl. oben A II 2). In den hier in Betracht kommenden Ehen haben Vater und Mutter bereits verschiedene Staatsangehörigkeit. Es handelt sich nur noch darum, ob das Kind zusätzlich zu einer anderen Staatsangehörigkeit - in der Regel der des Vaters, unter Umständen der des Geburtsstaates - auch die deutsche Staatsangehörigkeit der Mutter erhalten soll. Wie die Entscheidung auch ausfällt, eine stärkere Einheitlichkeit in der Staatsangehörigkeit der Familie ist davon nicht zu erwarten. Auf der Grundlage der Eigenständigkeit der Frau im Staatsangehörigkeitsrecht spricht der Gesichtspunkt des Zusammenhalts in der Familie eher dafür, gerade der engen Beziehung zwischen Mutter und Kind durch das Band gemeinsamer Staatsangehörigkeit Rechnung zu tragen, anstatt das Kind allein auf die Bindung zum Vater zu verweisen und die Mutter staatsangehörigkeitsrechtlich innerhalb der Familie zu isolieren. Für die Vernachlässigung der Mutter-Kind-Beziehung als Anknüpfungspunkt gilt insoweit vom Standpunkt des Kindes das gleiche wie bei der Prüfung vom Standpunkt der Mutter.
V.
Die zu prüfende Regelung läßt sich auch nicht damit rechtfertigen, daß sie im Verhältnis Kind-Staat der Vermeidung doppelter Staatsangehörigkeit dient. Ob dieser Gesichtspunkt gegenüber Art. 3 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich überhaupt durchgreifen könnte, kann dahingestellt bleiben. Denn vom Standpunkt des Kindes wiegen die Nachteile einer doppelten Staatsangehörigkeit nicht schwerer als die Vorteile eines zusätzlichen Erwerbs der mütterlichen Staatsangehörigkeit; ebenso besteht kein überragendes öffentliches Interesse daran, Kindern mit fremder Staatsangehörigkeit die Aufnahme in den deutschen Staatsverband zu verwehren.
1.
Zwar ist nach den Ausführungen in den Gutachten und in der Stellungnahme der Bundesregierung davon auszugehen, daß die Fälle doppelter Staatsangehörigkeit sich wesentlich vermehren würden, wenn eheliche Kinder einer deutschen Mutter stets mit der Geburt deren Staatsangehörigkeit erhielten. Es trifft auch zu, daß innerstaatlich und international doppelte oder mehrfache Staatsangehörigkeit als ein Übel betrachtet wird, das sowohl im Interesse der Staaten wie im Interesse der betroffenen Bürger nach Möglichkeit vermieden oder beseitigt werden sollte: Die meisten internationalen Konventionen auf dem Gebiet der Staatsangehörigkeit betreffen diesen Gegenstand oder wollen wenigstens die aus dem Besitz mehrerer Staatsangehörigkeiten erwachsenden Schwierigkeiten mildern.
a) Von seiten der Staaten wird Ausschließlichkeit der jeweiligen Staatsangehörigkeit erstrebt, um ihre Personalhoheit klar abzugrenzen; sie wollen der - notfalls bis zum Einsatz des Lebens gehenden - Treuepflicht ihrer Bürger sicher sein und diese nicht durch mögliche Konflikte mit einer fremden Staaten geschuldeten Loyalität gefährdet sehen. Demgemäß bildet gerade die Wehrpflicht des Staatsangehörigen den Hauptgrund dafür, doppelte Staatsangehörigkeit zu vermeiden. Aus solchen Pflichtenkollisionen wie aus einer konkurrierenden Inanspruchnahme des diplomatischen Schutzes können sich ferner Konflikte zwischen den beiden Heimatstaaten ergeben; für Behörden und Gerichte eines Drittstaates entsteht das Problem, welcher von beiden Staatsangehörigkeiten sie den Vorzug geben sollen. Alle diese Schwierigkeiten verstärken sich bei Personen, die nicht nur zwei, sondern noch mehr Staaten angehören. Solche Fälle können nicht nur durch ein Zusammentreffen von ius soli und ius sanguinis entstehen, sondern auch dadurch, daß ein Elternteil mit doppelter Staatsangehörigkeit beide dem Kind vermittelt und dieses außerdem die Staatsangehörigkeit des anderen Elternteils oder des Geburtslandes erhält.
b) Auch die betroffenen Bürger haben ein erhebliches Interesse daran, nicht Treuekonflikten und Pflichtenkollisionen der aufgezeigten Art, besonders hinsichtlich der Wehrpflicht ausgesetzt zu sein. Die Belastung des einzelnen hängt aber wesentlich von dem jeweiligen innerstaatlichen Recht einschließlich etwaiger von den Heimatstaaten abgeschlossener zwischenstaatlicher Abkommen ab.
Für die Bundesrepublik ist insoweit das im Rahmen des Europarats ausgearbeitete Übereinkommen vom 6. Mai 1963 über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatern (BGBl. II 1969 S. 1953 und 2232) von Bedeutung, zu dessen Vertragsstaaten außerdem Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, die skandinavischen Staaten und Großbritannien gehören (vgl. dazu Makarov, ZaöRV Bd. 33, 1973, S. 110 ff.). Danach brauchen Bürger, die mehreren Vertragsstaaten angehören, die Wehrpflicht nur in einem Staat zu erfüllen, und zwar grundsätzlich nur in dem Staat, in dem sie sich gewöhnlich aufhalten. Außerdem haben sie grundsätzlich das Recht, sich durch entsprechenden Verzicht für eine der verschiedenen Staatsangehörigkeiten zu entscheiden.
Hinsichtlich der Wehrpflicht trägt weiter das Wehrpflichtgesetz (WPflG) der Situation von Personen, die außer der deutschen noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzen, in besonderem Maße Rechnung (vgl. BVerwG, NJW 1971, S. 2185 [2187]). Danach ruht die Wehrpflicht bei Deutschen, die ihren ständigen Aufenthalt und ihre Lebensgrundlage außerhalb Deutschlands haben und beabsichtigen, diesen ständigen Aufenthalt beizubehalten; das gilt besonders, wenn sie zugleich die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates besitzen (§ 1 Abs. 2 WPflG). Ein Wehrdienst in fremden Streitkräften soll, wenn er aufgrund gesetzlicher Vorschrift geleistet worden ist, auf den deutschen Wehrdienst angerechnet werden (§ 8 Abs. 2 WPflG).
Nicht zuletzt kann der Einzelne, sofern er nicht in der Bundesrepublik leben will, etwaige Konflikte aus doppelter Staatsangehörigkeit - auch soweit das erwähnte Europaratsübereinkommen nicht eingreift - vermeiden, indem er seine Entlassung aus der deutschen Staatsangehörigkeit beantragt; diese Entlassung darf nur unter besonderen Voraussetzungen versagt werden (vgl. § 17 Abs. 1 Nr. 1, §§ 22 ff. RuStAG).
Auf der anderen Seite kann doppelte Staatsangehörigkeit für den Bürger durchaus von Vorteil sein. Er besitzt in jedem der beiden Heimatstaaten die gleichen Rechte wie alle übrigen Staatsangehörigen einschließlich der sozialen Förderung und wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und hat die Möglichkeit, sich für das Land zu entscheiden, dem er sich stärker verbunden fühlt. Daß sogar für im Ausland aufwachsende Kinder einer deutschen Mutter der zusätzliche Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit als erstrebenswert angesehen wird, zeigen die beiden Ausgangsverfahren.
Freilich mag, wie im Gutachten Zweigert/Neuhaus ausgeführt, im Internationalen Privatrecht doppelte Staatsangehörigkeit die Gefahr widersprechender Entscheidungen im In- und Ausland vergrößern. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie noch überwiegend - bei eigenen Staatsangehörigen der Besitz einer weiteren Staatsangehörigkeit ignoriert wird, d. h. jeder der beiden Heimatstaaten die betreffenden Personen nur seinem eigenen Recht unterstellt. Entgegen dieser früher herrschenden Auffassung setzt sich im deutschen Internationalen Privatrecht zunehmend die Auffassung durch, in Fällen doppelter Staatsangehörigkeit müsse an die "effektive" Staatsangehörigkeit angeknüpft werden (vgl. oben D II 3 b). So betrachtet ist, wie in den Gutachten Zweigert/ Neuhaus und Kegel ausgeführt, eine doppelte Staatsangehörigkeit für Kinder aus gemischt-nationalen Ehen sogar günstiger, weil sie - im Gegensatz zur Anknüpfung an eine ausschließliche, möglicherweise bloß formelle Staatsangehörigkeit - zur Anwendung des den Beteiligten näherstehenden Rechts führt.
Insgesamt sind danach vom Standpunkt des Kindes die Nachteile der doppelten Staatsangehörigkeit nicht so erheblich, daß sie das Kindesinteresse am Erwerb der Staatsangehörigkeit der deutschen Mutter überwögen. Dies gilt namentlich, wenn das Kind in der Bundesrepublik lebt oder leben möchte.
2.
Das verbleibende, überwiegend auf Ordnungsgesichtspunkten beruhende Interesse des Staates an einer Einschränkung mehrfacher Staatsangehörigkeit ist zwar anzuerkennen; es reicht jedoch nicht aus, um ein Zurücktreten der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichstellung von Vater und Mutter im Staatsangehörigkeitsrecht zu rechtfertigen.
Zunächst hat der deutsche Gesetzgeber selbst diesem Interesse bisher keinen Vorrang vor dem Postulat der Gleichberechtigung zuerkannt, wie sich aus der oben (A II 2 b) geschilderten Entwicklung der Regelungen der Staatsangehörigkeit der Ehefrau in gemischt-nationalen Ehen ergibt. Ebenso ist in den zahlreichen Ländern, die eine Ableitung der Staatsangehörigkeit auch von der Mutter vorsehen, das an sich erstrebte Ziel, doppelte Staatsangehörigkeit zu vermeiden, hinter anderen Gesichtspunkten zurückgetreten. Danach läßt sich auch aus dem Gebot der Rücksicht auf andere Staaten als gleichberechtigte Glieder der Völkerrechtsgemeinschaft und auf internationale Ordnungsprinzipien kein Argument zugunsten des Ausschlusses des Erwerbes der mütterlichen Staatsangehörigkeit herleiten. Im übrigen würde ein Vorrang des Grundsatzes der Vermeidung doppelter Staatsangehörigkeit eine konsequente Durchführung auch gegenüber dem Vater erfordern.
Es erscheint zudem generell als bedenklich, die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit an ein Kind mit einem deutschen Elternteil davon abhängig zu machen, daß das Recht eines ausländischen Staates ihm nicht dessen Staatsangehörigkeit zuerkennt. Entscheidend ist nicht, daß das Kind irgendeine und nur eine Staatsangehörigkeit erhält; der deutsche Gesetzgeber muß vielmehr eine sachgerechte, der Funktion der Staatsangehörigkeit entsprechende und die Interessen der Beteiligten berücksichtigende Regelung treffen. Für die Verfassungsmäßigkeit der deutschen Regelung kann es nicht auf den - möglicherweise wechselnden - Inhalt ausländischen Rechts ankommen, auf den der deutsche Gesetzgeber keinen Einfluß hat; sie ist allein aus der Beziehung des deutschen Staates zu den betroffenen Kindern und Eltern zu beurteilen.
Vor allem lassen sich hierfür Lösungen finden, welche die Beachtung der Gleichstellung von Vater und Mutter mit dem Grundsatz der Vermeidung doppelter Staatsangehörigkeit vereinen. Der uneingeschränkte Erwerb der Staatsangehörigkeit mit der Geburt sowohl durch Ableitung von der Mutter wie vom Vater ist keineswegs der einzige Weg zur Verwirklichung der Gleichberechtigung. Wie die rechtsvergleichende Übersicht zeigt, gibt es eine Fülle von Regelungen, die einerseits nicht in unzulässiger Weise zwischen den Eltern differenzieren, andererseits die Entstehung doppelter Staatsangehörigkeit vermeiden oder jedenfalls beschränken (vgl. auch die Vorschläge von E. Scheffler, DÖV 1950, S. 544 und FamRZ 1965, S. 473; Samtleben, FamRZ 1973, S. 3 f.; Schickedanz, StAZ 1972, S. 174 f.). So kann etwa der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vom Willen der Eltern oder des Kindes selbst abhängig gemacht werden - sei es, daß sie durch Option oder Wohnsitznahme im Inland erworben wird, sei es, daß eine mit der Geburt ex lege erworbene Staatsangehörigkeit später ausgeschlagen werden kann. Möglich ist auch eine Regelung, die bei Inlandsgeburten die Ableitung von jedem deutschen Elternteil kraft Gesetzes vorsieht - eventuell verbunden mit einem Ausschlagungsrecht -, bei Auslandsgeburten die Option oder einen vergleichbaren Erwerb durch entsprechenden Willensakt zuläßt.
VI.
Danach besteht weder ein vorrangiges Interesse des Kindes noch ein anzuerkennendes Interesse des Staates, das die Differenzierung in der Anknüpfung an die elterliche Staatsangehörigkeit zu rechtfertigen vermöchte. § 4 Abs. 1 RuStAG verstößt daher, soweit er in gemischt-nationalen Ehen eine deutsche Mutter schlechterstellt als einen deutschen Vater, gegen Art. 3 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 GG.
Zugleich liegt auch eine Verletzung des Art. 3 GG im Hinblick auf das Kind vor: Innerhalb der Gesamtgruppe der Kinder mit nur einem deutschen Elternteil werden Kinder mit einer deutschen Mutter gegenüber Kindern mit einem deutschen Vater benachteiligt. Prüfungsmaßstab ist zwar insoweit primär der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, der nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit läßt (vgl. BVerfGE 17, 319 [330]; 32, 157 [167 f.], jeweils mit weiteren Nachweisen). Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, innerhalb gewisser äußerster Grenzen die Vergleichspaare zu bestimmen, an denen er die Lösung seiner gesetzgeberischen Aufgabe orientiert, findet jedoch eine feste Schranke an der Norm des Art. 3 Abs. 2 GG, die als Konkretisierung des Gleichheitssatzes durch die Verfassung selbst zu verstehen ist. Der Grundsatz der Gleichberechtigung verlangt als objektive Wertentscheidung auch dort Beachtung, wo es sich zunächst nicht um das Verhältnis der Rechtsstellung von Männern und Frauen handelt; sie untersagt grundsätzlich auch, die Rechtsstellung irgendwelcher betroffener Personen, hier der ehelichen Kinder aus gemischt-nationalen Ehen, nach der Geschlechtszugehörigkeit eines Dritten, hier des deutschen Elternteils, zu differenzieren (vgl. BVerfGE 17, 1 [27]; 17, 99 [105]). § 4 Abs. 1 RuStAG verletzt daher vom Standpunkt der betroffenen Kinder Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG.
VII.
1.
Die vorlegenden Gerichte meinen, die Feststellung des Verfassungsverstoßes müsse zwangsläufig eine Ergänzung des § 4 Abs. 1 RuStAG dahin nach sich ziehen, daß die ehelichen Kinder einer Deutschen die deutsche Staatsangehörigkeit ebenso mit der Geburt erwerben wie die ehelichen Kinder eines Deutschen. Ein solches Ergebnis ließe sich gesetzestechnisch durch eine Nichtigerklärung des einschränkenden zweiten Halbsatzes des § 4 Abs. 1 Satz 2 RuStAG ("wenn es sonst staatenlos sein würde") herbeiführen. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch eine solche Entscheidung nicht treffen, weil es damit in die dem Gesetzgeber vorbehaltene Gestaltungsfreiheit eingreifen würde. Wenn eine gesetzliche Regelung, wie hier, unter Verstoß gegen Art. 3 GG eine Personengruppe benachteiligt, so kann das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich die Gleichheit nicht dadurch herstellen, daß es selbst diese Gruppe in die begünstigende Regelung einbezieht. Dies ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn mit Sicherheit angenommen werden kann, der Gesetzgeber würde - hätte er den Verfassungsverstoß erkannt - die Regelung auf alle zu berücksichtigenden Gruppen erstreckt haben, oder wenn es verfassungsrechtlich geboten ist, den Verstoß gerade auf diese Weise zu beseitigen (vgl. BVerfGE 18, 288 [301 f.]; 22, 349 [360 ff.]; 23, 1 [10] jeweils mit weiteren Nachweisen). Hier ist aber, wie dargelegt, der uneingeschränkte Erwerb der mütterlichen Staatsangehörigkeit mit der Geburt durchaus nicht der einzige Weg, um die gebotene Gleichstellung von Mann und Frau zu verwirklichen. Der Gesetzgeber kann jedenfalls für die Zukunft zwischen mehreren denkbaren und verfassungsrechtlich zulässigen Lösungen wählen. Er kann dabei insbesondere den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt von weiteren Tatbestandsmerkmalen abhängig machen, um den jeweiligen Lebensverhältnissen der Beteiligten und dem Interesse, die Fälle doppelter Staatsangehörigkeit nicht zu vermehren, besser Rechnung zu tragen.
Das Bundesverfassungsgericht kann demgemäß nur feststellen, daß die zu prüfende Norm mit der Verfassung unvereinbar ist, soweit eheliche Kinder einer deutschen Mutter und eines ausländischen Vaters die deutsche Staatsangehörigkeit nicht unter den gleichen Voraussetzungen erwerben wie eheliche Kinder eines deutschen Vaters und einer ausländischen Mutter. Die vorlegenden Gerichte müssen die Ausgangsverfahren aussetzen, bis der Gesetzgeber die verfassungswidrige Vorschrift durch eine mit der Verfassung in Einklang stehende Regelung ersetzt hat.
2.
Die Besonderheit der zur Prüfung stehenden Norm verlangt weiter einen Ausspruch darüber, was hinsichtlich des Erwerbs der Staatsangehörigkeit durch Geburt in der Zwischenzeit bis zu der gesetzlichen Neuregelung zu gelten hat. Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm lediglich festgestellt, so hat dies verfassungsrechtlich die gleiche Wirkung wie die Nichtigerklärung: die Norm darf ab sofort, d. h. vom Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an, in dem sich aus dem Tenor ergebenden Ausmaß nicht mehr angewandt werden.
Die entscheidende Bedeutung der Staatsangehörigkeit für den gesamten Status der betroffenen Kinder läßt es jedoch nicht zu, daß auch nur für kurze Zeit ein rechtliches Vakuum entsteht und sowohl bei den betroffenen Familien wie bei den Behörden Unsicherheit über die Rechtslage herrscht. Die bisherige Regelung gilt daher zunächst in ihrem positiven Gehalt weiter, d. h. soweit sie ehelichen Kindern mit nur einem deutschen Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit gewährt: Nach Satz 1 des § 4 Abs. 1 RuStAG werden also eheliche Kinder eines deutschen Vaters und einer nichtdeutschen Mutter, nach Satz 2 der Vorschrift eheliche Kinder einer deutschen Mutter, die sonst staatenlos sein würden, wie bisher mit der Geburt deutsche Staatsangehörige. Soweit die Gesamtregelung des § 4 Abs. 1 RuStAG darüber hinaus die Staatsangehörigkeit von ehelichen Kindern mit zwei deutschen Elternteilen und von nichtehelichen Kindern betrifft, versteht sich ihre Weitergeltung von selbst, weil dieser Teil der Regelung nicht Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung war.
Demgegenüber erhalten die nach dieser Entscheidung in dem Zeitraum bis zur gesetzlichen Neuregelung geborenen ehelichen Kinder deutscher Mütter und ausländischer Väter, soweit nicht die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 RuStAG vorliegen, nicht schon durch die Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Gesetzgeber muß diese Kinder jedoch in die ohnehin gebotene Übergangsregelung einbeziehen (vgl. 3).
3.
a) Die verfassungswidrige Regelung war, da es sich um einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG handelt, seit dem 1. April 1953 ungültig (Art. 117 Abs. 1 GG). Ob das Gericht eine Norm für nichtig erklärt oder nur ihre Unvereinbarkeit mit der Verfassung feststellt, hat ebenso wie für die Zukunft auch für die Vergangenheit die gleiche Wirkung (vgl. dazu BVerfGE 1, 14 [37]; 8, 51 [71]).
Um zu verhindern, daß diese Wirkung ex tunc zu Rechtsunsicherheit und zu schwer erträglichen Folgen für die Betroffenen führt, hat § 79 BVerfGG für den Regelfall die Konsequenzen solcher verfassungsgerichtlichen Entscheidungen für die in der Vergangenheit entstandenen Rechtsverhältnisse wesentlich eingeschränkt: Abgesehen von dem Sonderfall der Strafurteile bleiben nach Abs. 2 der Vorschrift vorbehaltlich einer speziellen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen (Verwaltungsakte und Gerichtsentscheidungen), die auf einer für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt; jedoch darf daraus nicht mehr vollstreckt werden (vgl. dazu BVerfGE 20, 230 [235] mit weiteren Nachweisen). Diese Vorschrift ist zwar analog anzuwenden, wenn sich das Bundesverfassungsgericht aus den dargelegten Gründen darauf beschränkt, die Unvereinbarkeit einer Norm mit der Verfassung festzustellen. Dennoch greift die Vorschrift hier nicht ein, weil die Rechtswirkungen der verfassungswidrigen Norm ohne Zwischenschaltung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts, d. h. ohne eine rechtskräftige oder unanfechtbare Entscheidung im Sinne des § 79 Abs. 2 BVerfGG eingetreten sind. Der Gesetzgeber wird daher eine besondere Regelung treffen müssen. Soweit er darin im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens die Auswirkungen der nunmehr festgestellten Verfassungswidrigkeit einschränkt, wird er jedenfalls den allgemeinen Rechtsgedanken des § 79 Abs. 2 BVerfGG zu beachten haben. Dieser geht dahin, daß die nachteiligen Wirkungen, die von fehlerhaften Akten der öffentlichen Gewalt in der Vergangenheit ausgegangen sind, nicht beseitigt werden, daß aber für die Zukunft die sich aus der Durchsetzung solcher Akte ergebenden Folgen abgewendet werden sollen (vgl. BVerfGE 20, 230 [236]).
Der Gesetzgeber ist daher nicht verpflichtet, die gebotene Gleichstellung von ehelichen Kindern aus gemischt-nationalen Ehen rückwirkend auf den 1. April 1953 herzustellen; er kann es für den Zeitraum vom 1. April 1953 bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bei den eingetretenen Rechtswirkungen des § 4 Abs. 1 RuStAG bewenden lassen, muß aber für die Zukunft die fortwirkenden Folgen für den Status der Betroffenen beseitigen. Insoweit steht ihm nur ein Weg zur Gleichstellung der in dem genannten Zeitraum geborenen Kinder offen. Da den Kindern eines deutschen Elternteils, die in dieser Zeit mit der Geburt nach § 4 Abs. 1 RuStAG Deutsche geworden sind, die deutsche Staatsangehörigkeit nicht wieder entzogen werden darf, müssen auch die bisher ausgeschlossenen Kinder deutscher Mütter die deutsche Staatsangehörigkeit uneingeschränkt erhalten können (vgl. Sturm, StAZ 1973, S. 292). Dabei dürfen die Interessen der betroffenen Familien, besonders das Vertrauen der Beteiligten und Dritter auf die bisherige Rechtslage, sowie das Bestreben, Schwierigkeiten mit den ausländischen Heimatstaaten zu vermeiden, angemessen berücksichtigt werden. Demgemäß genügt grundsätzlich eine Überleitungsregelung, welche die bisher ausgeschlossenen Kinder deutscher Mütter nicht automatisch, kraft Gesetzes, zu deutschen Staatsangehörigen macht, sondern ihnen das Recht einräumt, durch Erklärung (Option) die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben.
b) Die nach den vorstehenden Ausführungen gebotene Überleitungsregelung muß sich auf alle in dem fraglichen Zeitraum geborenen, vom Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Geburt ausgeschlossenen Kinder deutscher Mütter erstrecken und - wie oben (unter 1.) ausgeführt - weiter die danach bis zum Inkrafttreten der Neuregelung geborenen Kinder in gleicher Lage einbeziehen. Eine Einschränkung etwa auf Kinder, die bei Inkrafttreten der Neuregelung noch minderjährig sind oder eine bestimmte Altersgrenze noch nicht erreicht haben, würde eine neue, verfassungsrechtlich unzulässige Ungleichheit schaffen. Die Annahme, alle volljährigen Kinder deutscher Mütter, die ein Interesse am Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit gezeigt hätten, seien bereits eingebürgert worden (vgl. Begründung zum Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes, BTDrucks. 7/2175, zu Art. 3 Nr. 2 Abs 1 a), vermag eine solche Begrenzung nicht zu stützen. Abgesehen davon, daß die Ablehnung von Einbürgerungsanträgen statistisch nicht erfaßt ist (vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP in BTDrucks. 7/1267 S. 3 f.), kann nicht entscheidend sein, ob die betroffenen Personen sich aus Rechtsunkenntnis oder aus welchen Gründen auch immer mit dem Nichterwerb der deutschen Staatsangehörigkeit abgefunden hatten. Dabei ist auch von Bedeutung, daß nach den Einbürgerungsrichtlinien bei ständigem Aufenthalt des Kindes im Ausland nicht mit einer Einbürgerung zu rechnen war. Schließlich darf die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises nicht maßgebend von der Dauer des Gesetzgebungsverfahrens abhängig gemacht werden.
c) Soweit es in gerichtlichen Verfahren auf die Staatsangehörigkeit eines ehelichen Kindes einer deutschen Mutter und eines ausländischen Vaters ankommt, wird zu prüfen sein, ob im Hinblick auf die notwendige Übergangsregelung eine Aussetzung geboten ist.
Benda, Ritterspach, Dr. Haager, Rupp-v. Brünneck, Dr. Faller, Dr. Brox, Dr. Simon