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EuGH, 20.01.2005 - C-464/01

Daten
Fall: 
Gruber
Fundstellen: 
EuGH Slg. 2005, I-439; EuZW 2005, 241; IPRax 2005, 537; NJW 2005, 653
Gericht: 
Europäischer Gerichtshof
Datum: 
20.01.2005
Aktenzeichen: 
C-464/01
Entscheidungstyp: 
Urteil
Stichwörter: 
  • Brüsseler Übereinkommen - Artikel 13 Absatz 1 - Tatbestandsmerkmale - Begriff der Verbrauchersache - Kauf von Dachziegeln durch einen Landwirt zur Eindeckung eines sowohl beruflich als auch privat genutzten Bauernhofs.

Leitsätze

Die Zuständigkeitsvorschriften des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der durch das Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, das Übereinkommen vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland, das Übereinkommen vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und das Übereinkommen vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden geänderten Fassung sind wie folgt auszulegen:

– Eine Person, die einen Vertrag abgeschlossen hat, der sich auf einen Gegenstand bezieht, der für einen teils beruflich‑gewerblichen, teils nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzurechnenden Zweck bestimmt ist, kann sich nicht auf die speziellen Zuständigkeitsvorschriften der Artikel 13 bis 15 dieses Übereinkommens berufen, es sei denn, der beruflich-gewerbliche Zweck ist derart nebensächlich, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Geschäftes nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt, wobei die Tatsache, dass der nicht beruflich-gewerbliche Zweck überwiegt, ohne Bedeutung ist;

– es ist Sache des angerufenen Gerichts, zu entscheiden, ob der betreffende Vertrag abgeschlossen wurde, um in nicht ganz untergeordnetem Maße Bedürfnisse zu decken, die der beruflich‑gewerblichen Tätigkeit des Betroffenen zuzurechnen sind, oder ob im Gegenteil der beruflich-gewerbliche Zweck nur eine unbedeutende Rolle spielte;

– hierbei hat dieses Gericht sämtliche tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen, die sich objektiv aus den Akten ergeben; nicht zu berücksichtigen sind jedoch Umstände oder Merkmale, die für den Vertragspartner der Person, die sich auf die Verbrauchereigenschaft beruft, erkennbar waren, es sei denn, diese hat sich so verhalten, dass ihr Vertragspartner zu Recht den Eindruck gewinnen konnte, sie handele zu beruflich-gewerblichen Zwecken.
(vgl. Randnr. 54 und Tenor)

Parteien

In der Rechtssache C-464/01
wegen eines Vorabentscheidungsersuchens gemäß dem Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 8. November 2001,
beim Gerichtshof eingegangen am 4. Dezember 2001,
in dem Verfahren

Johann Gruber
gegen
Bay Wa AG

erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter C. Gulmann, R. Schintgen (Berichterstatter), G. Arestis und J. Klučka,
Generalanwalt: F. G. Jacobs,
Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen:
– von Herrn Gruber, vertreten durch Rechtsanwalt W. Graziani-Weiss,
– der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
– der deutschen Regierung, vertreten durch R. Wagner als Bevollmächtigten,
– der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Aiello und G. Albenzio, avvocati dello Stato,
– der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und M. Telles Romão als Bevollmächtigte,
– der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse als Bevollmächtigten,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A.‑M. Rouchaud und S. Grünheid als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. September 2004,
folgendes
Urteil

Entscheidungsgründe

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 13 Absatz 1 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch das Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1 und – geänderter Text – S. 77), das Übereinkommen vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland (ABl. L 388, S. 1), das Übereinkommen vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (ABl. L 285, S. 1) und das Übereinkommen vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden (ABl. 1997, C 15, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen oder EuGVÜ).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Gruber, wohnhaft in Österreich, und der Gesellschaft deutschen Rechts Bay Wa AG (im Folgenden: Bay Wa) mit Sitz in Deutschland wegen angeblicher Schlechterfüllung eines Vertrages, den Herr Gruber mit Bay Wa abgeschlossen hatte.

Rechtlicher Rahmen

3. Die Zuständigkeitsvorschriften des Brüsseler Übereinkommens sind in Titel II enthalten, der aus den Artikeln 2 bis 24 besteht.

4. Artikel 2 Absatz 1 EuGVÜ, der zum 1. Abschnitt – Allgemeine Vorschriften – des Titels II gehört, enthält folgenden Grundsatz:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieses Übereinkommens sind Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen.“

5. Im selben Abschnitt bestimmt Artikel 3 Absatz 1 EuGVÜ:

„Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, können vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats nur gemäß den Vorschriften des 2. bis 6. Abschnitts verklagt werden.“

6. Die Artikel 5 bis 18 EuGVÜ, die den 2. bis 6. Abschnitt des Titels II bilden, enthalten Vorschriften über besondere, zwingende und ausschließliche Zuständigkeiten.

7. Artikel 5 EuGVÜ, der zum 2. Abschnitt – Besondere Zuständigkeiten – des Titels II gehört, sieht vor:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, kann in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden:
1. wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;
...“

8. Der 4. Abschnitt – Zuständigkeit für Verbrauchersachen – des Titels II des Brüsseler Übereinkommens besteht aus den Artikeln 13 bis 15.

9. Artikel 13 EuGVÜ lautet:

„Für Klagen aus einem Vertrag, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person (Verbraucher) zugerechnet werden kann, bestimmt sich die Zuständigkeit … nach diesem Abschnitt,

1. wenn es sich um den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung handelt,
2. wenn es sich um ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen oder ein anderes Kreditgeschäft handelt, das zur Finanzierung eines Kaufs derartiger Sachen bestimmt ist, oder
3. für andere Verträge, wenn sie die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, sofern

a) dem Vertragsabschluss in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und
b) der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat.
…“

10. Artikel 14 Absatz 1 EuGVÜ bestimmt:

„Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann entweder vor den Gerichten des Vertragsstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor den Gerichten des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.“

11. Von dieser Zuständigkeitsregelung kann nur unter den Voraussetzungen des Artikels 15 des Brüsseler Übereinkommens abgewichen werden.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12. Den Akten des Ausgangsverfahrens ist zu entnehmen, dass Herr Gruber Landwirt und Eigentümer eines in Oberösterreich nahe der deutschen Grenze gelegenen Bauernhofs („Vierkanthof“) ist. Er bewohnt dort etwa 10 Räume mit seiner Familie. Im Hof sind auch 220 Schweine untergebracht, und es sind eine große Maschinenhalle und Futtersilos vorhanden. Im Hof werden 10 % bis 15 % der gesamten für den Betrieb benötigten Futtermenge gelagert. Der privat genutzte Teil des Hofes beträgt etwas über 60 % der Gesamtnutzfläche des Gebäudes.

13. Bay Wa führt in Deutschland mehrere organisatorisch voneinander getrennte Betriebe. In Pocking, nicht weit von der österreichischen Grenze, betreibt sie sowohl einen Baustoffhandel als auch einen Bau- und Gartenmarkt. Die Abteilung Bau- und Gartenmarkt legte Werbeprospekte auf, die auch in Österreich verteilt wurden.

14. Herr Gruber, der beabsichtigte, seinen Hof neu mit Dachziegeln einzudecken, wurde durch diese Werbeprospekte, die der „Braunauer Rundschau“, einer an die Haushalte verteilten Regionalzeitschrift, beigelegt waren, auf Bay Wa aufmerksam. Die von der Abteilung Baustoffhandel von Bay Wa in Pocking zum Verkauf angebotenen Ziegel wurden in diesen Prospekten nicht beworben.

15. Herr Gruber erkundigte sich mehrmals telefonisch bei einem Mitarbeiter von Bay Wa nach deren Sortiment an Dachziegeln und nach den Preisen, wobei er sich mit seinem Namen vorstellte und seinen Wohnort nannte, aber nicht erwähnte, dass er Landwirt war. Nachdem dieser Mitarbeiter ihm telefonisch ein Angebot unterbreitet hatte, wollte Herr Gruber die Dachziegel bei Bay Wa besichtigen. Bei seinem Besuch bei Bay Wa überreichte ihm der Mitarbeiter ein schriftliches Angebot, das auf den 23. Juli 1998 datiert war. Bei diesem Gespräch teilte Herr Gruber dem Mitarbeiter von Bay Wa mit, dass er einen landwirtschaftlichen Betrieb führe und mit den Dachziegeln seinen Hof eindecken wolle. Er erklärte, dass er noch Nebengebäude habe, die überwiegend dem landwirtschaftlichen Betrieb dienten, ging jedoch nicht ausdrücklich darauf ein, ob das einzudeckende Gebäude überwiegend betrieblich oder überwiegend privat genutzt wird. Am nächsten Tag teilte er dem betreffenden Mitarbeiter in einem von Österreich aus geführten Telefonat mit, dass er das Angebot von Bay Wa annehme. Dieser faxte daraufhin eine Auftragsbestätigung an die Bank von Herrn Gruber in Österreich.

16. Herr Gruber behauptet, dass die von Bay Wa gelieferten und von dieser zur Eindeckung seines Bauernhofs verwendeten Ziegel trotz Zusage einer einheitlichen Farbgebung erhebliche Farbabweichungen aufwiesen, so dass das Dach neu einzudecken sei. Er beschloss deshalb, aus dem Titel der Gewährleistung und des Schadensersatzes die Erstattung des Kaufpreises der Ziegel von 258 123 ATS und die Kosten für die Abdeckung und Neueindeckung des Daches von 141 877 ATS gerichtlich geltend zu machen sowie die Feststellung der Haftung für künftige weitere Aufwendungen und Kosten zu beantragen.

17. Zu diesem Zweck brachte Herr Gruber am 26. Mai 1999 eine Klage beim Landesgericht Steyr (Österreich) ein, das vom Obersten Gerichtshof gemäß § 28 des österreichischen Gesetzes vom 1. August 1895 über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (Jurisdiktionsnorm, RGBl. 111) als zuständiges Gericht in Österreich bestimmt worden war.

18. Mit Urteil vom 29. November 2000 verwarf das Landesgericht Steyr die von Bay Wa erhobene Unzuständigkeitseinrede und erklärte sich somit für zuständig.

19. Nach Auffassung des Landesgerichts Steyr ist der Tatbestand des Artikels 13 EuGVÜ erfüllt. Bei einem Vertrag, mit dem zwei verschiedene Zwecke verfolgt würden, sei nämlich zu prüfen, ob der private oder der beruflich‑gewerbliche Zweck überwiege. Die Abgrenzung zwischen privaten und betrieblichen Handlungen bei bäuerlichen Betrieben sei schwierig, und objektive Anhaltspunkte für das Überwiegen des einen oder anderen Zweckes beim Vertragsabschluss hätten sich für den Verkäufer nicht ergeben, so dass im Zweifel von einem Verbrauchergeschäft auszugehen sei. Nach Artikel 13 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a EuGVÜ komme es außerdem nicht darauf an, ob das letztlich vom Verbraucher konkret erworbene Produkt beworben worden sei. Es genüge, dass Werbemaßnahmen gesetzt worden seien, die auf ein bestimmtes Unternehmen aufmerksam machten. Bay Wa habe es der Werbung zu verdanken, dass Herr Gruber den Vertrag mit ihr abgeschlossen habe, auch wenn die Werbung von einer anderen Abteilung ausgegangen sei als der, die die Ware geliefert habe. Schließlich sei hier auch das Erfordernis eines „ausdrücklichen Angebots“ des Verkäufers erfüllt, weil Herrn Gruber ein telefonisches Angebot unterbreitet worden sei. Darauf, ob dieses Angebot angenommen worden sei, komme es nicht an.

20. Mit Urteil vom 1. Februar 2001 gab das Oberlandesgericht Linz (Österreich) dem Rekurs von Bay Wa Folge und wies die Klage mangels Zuständigkeit der österreichischen Gerichte zurück.

21. Voraussetzung für das Vorliegen einer Verbrauchersache im Sinne des Artikels 13 EuGVÜ sei, so das Oberlandesgericht Linz, dass der Vertrag zu anderen als beruflichen oder gewerblichen Zwecken abgeschlossen worden sei. Für die Bestimmung des Zweckes sei die Absicht des Leistungsempfängers ohne Bedeutung. Es komme vielmehr auf die für den Vertragspartner des Verbrauchers objektiv erkennbaren Umstände des Geschäftes an. Die Artikel 13 bis 15 EuGVÜ seien nur dann anwendbar, wenn der private Vertragszweck den beruflichen überwiege und der unternehmerische Vertragspartner bei Vertragsabschluss den privaten Verwendungszweck gekannt habe oder unter Berücksichtigung aller objektiven erkennbaren Umstände hätte kennen müssen.

22. Das hier zu beurteilende Geschäft habe nach den für Bay Wa objektiv erkennbaren Umständen zumindest überwiegend der beruflich‑gewerblichen Tätigkeit des Landwirts gedient. Der von einem Landwirt zum Zweck der Eindeckung seines Bauernhofs abgeschlossene Ziegelkauf sei dem ersten Anschein nach dessen landwirtschaftlicher Tätigkeit zuzurechnen. Bei einem landwirtschaftlichen Betrieb sei der Hof seinem Wesen nach ein Betriebsgebäude, das auch, aber nicht in erster Linie, der Wohnversorgung des Betriebsinhabers und seiner Angehörigen diene. Das Wohnen im Bauernhof folge regelmäßig aus der Ausübung der Landwirtschaft und stehe insofern in einem engen Zusammenhang mit ihr; der Bauernhof sei nach der Verkehrsauffassung im Wesentlichen der Arbeitsort des Landwirts. Die Aussage von Herrn Gruber, er habe einen landwirtschaftlichen Betrieb und wolle seinen Bauernhof neu mit Dachziegeln eindecken, habe daher den Verkäufer zur Annahme eines überwiegend betriebsbezogenen Geschäftes berechtigt. Die Feststellungen über das Ausmaß der privat genutzten Flächen einerseits und der betrieblich genutzten Flächen andererseits stünden dieser Auffassung schon deshalb nicht entgegen, weil diese Umstände Bay Wa nicht mitgeteilt worden seien. Der Verkäufer habe insgesamt keinen Grund zu der Annahme gehabt, dass Herr Gruber die Ziegel ausschließlich oder zumindest überwiegend für nichtberufliche Zwecke verwenden werde. Letztlich habe auch der große Umfang des Geschäftes, nämlich insgesamt 24 000 Stück Ziegel, für den Verkäufer zu Recht einen entscheidenden Anhaltspunkt für die Annahme darstellen können, dass das einzudeckende Gebäude überwiegend betrieblich genutzt werde.

23. Herr Gruber legte gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 1. Februar 2001 beim Obersten Gerichtshof Revisionsrekurs ein.

24. Zur Begründung seines Revisionsrekurses macht er geltend, für die Verbrauchereigenschaft im Sinne des Artikels 13 EuGVÜ komme es darauf an, dass der private Zweck des Geschäftes überwiege. Im vorliegenden Fall stehe die private Nutzung des Hofes gegenüber seiner beruflich‑gewerblichen Nutzung im Vordergrund. Außerdem treffe den Vertragspartner des Verbrauchers insoweit eine Nachforschungs- und Aufklärungspflicht, und er trage die Gefahr eines möglichen Irrtums. Bay Wa habe hier ausreichend Grund gehabt, von einer überwiegend privaten Nutzung des Hofes auszugehen, und hätte bei Vorliegen von Zweifeln beim Käufer nachfragen müssen. Ferner sei dem Ziegelverkauf Werbung von Bay Wa in Österreich vorausgegangen, durch die er zum Vertragsabschluss mit diesem Unternehmen, das er vorher nicht gekannt habe, veranlasst worden sei. Schließlich habe er in Österreich die dem Abschluss des Vertrages vorausgehenden Rechtshandlungen vorgenommen.

25. Bay Wa entgegnet, dass bei einem landwirtschaftlichen Betrieb der Bauernhof vor allem Betriebsstätte sei und Lieferungen im Zusammenhang mit diesem Betrieb regelmäßig nicht auf Verbrauchergeschäften beruhten. Im vorliegenden Fall trete die private Nutzung jedenfalls zurück, und ihr sei eine solche Nutzung nicht bekannt gewesen. Die Rechtsposition als Verbraucher müsse ausdrücklich geltend gemacht werden, wenn, wie hier, nach erstem Anschein ein beruflicher Zweck anzunehmen sei. Den Vertragspartner des Verbrauchers träfen insoweit keine Nachforschungspflichten. Zweifel an der Verbrauchereigenschaft führten dazu, dass die Vorschriften des Brüsseler Übereinkommens über die Zuständigkeit für Verbrauchersachen nicht anwendbar seien. Zudem habe ihre Baustoffabteilung, bei der die Ziegel bestellt worden seien, keine Prospektwerbung durchgeführt, und ihre Bau- und Gartenmärkte, zu deren Gunsten die Werbung erfolgt sei, führten keine Dachziegel. Jedenfalls seien die Dachziegel nicht beworben worden. Die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen seien nicht in Österreich, sondern in Deutschland vorgenommen worden, weil es sich bei der Annahmeerklärung des telefonischen Angebots nach deutschem Recht um eine empfangsbedürftige Willenserklärung gehandelt habe und die Auftragsbestätigung des Verkäufers von Deutschland aus gefaxt worden sei. Bei Auseinanderfallen von Angebot und Annahme, wie es bei telefonischer Bestellung aufgrund eines vorher erstellten Angebots der Fall sei, habe der Sitz des Beklagten als Ort des Vertragsabschlusses zu gelten.

26. Der Oberste Gerichtshof führt aus, zwar ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass die Vorschriften des Brüsseler Übereinkommens über die Zuständigkeit für Verbrauchersachen Ausnahmecharakter gegenüber der Grundregel hätten, wonach die Gerichte desjenigen Vertragsstaats zuständig seien, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz habe, so dass der Begriff des Verbrauchers eng auszulegen sei, jedoch habe der Gerichtshof zu einigen Tatbestandsvoraussetzungen des Artikels 13 EuGVÜ, die in dem bei ihm anhängigen Verfahren streitig seien, noch nicht Stellung bezogen.

27. Der Oberste Gerichtshof ist daher der Auffassung, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung des Brüsseler Übereinkommens abhängt, und hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist für die Verbrauchereigenschaft im Sinne des § 13 EuGVÜ bei teilweiser Privatbezogenheit der Leistung deren überwiegender privater oder beruflich‑gewerblicher Zweck entscheidend, und welche Kriterien sind für das Überwiegen des privaten oder beruflich‑gewerblichen Zweckes maßgebend?

2. Kommt es für die Bestimmung des Zweckes auf die Umstände an, die aus der Sicht des Vertragspartners des Verbrauchers objektiv erkennbar sind?

3. Ist ein Vertrag, der sowohl der privaten als auch der beruflich‑gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, im Zweifel als Verbrauchersache anzusehen?

4. Geht dem Vertragsabschluss eine Werbung im Sinne des Artikels 13 Absatz 3 Buchstabe a EuGVÜ auch dann voraus, wenn der spätere Vertragspartner des Verbrauchers zwar im Vertragsstaat des Verbrauchers eine Prospektwerbung für seine Produkte durchgeführt, aber das später vom Verbraucher gekaufte Produkt darin nicht beworben hat?

5. Liegt auch dann eine Verbrauchersache im Sinne des Artikels 13 EuGVÜ vor, wenn der Verkäufer von seinem Staat aus telefonisch an den im anderen Staat wohnenden Käufer ein Angebot gestellt hat, das nicht angenommen wurde, der Käufer aber später aufgrund eines schriftlichen Angebots das angebotene Produkt kaufte?

6. Hat der Verbraucher gemäß Artikel 13 Absatz 3 Buchstabe b EuGVÜ die zum Abschluss des Vertrages erforderliche Rechtshandlung auch dann im Staat des Verbrauchers vorgenommen, wenn er ein ihm im Staat seines Vertragspartners gestelltes Angebot in einem von seinem Staat aus geführten Telefonat annimmt?

Zu den ersten drei Fragen

28. Mit den ersten drei Fragen, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Zuständigkeitsvorschriften des Brüsseler Übereinkommens dahin auszulegen sind, dass ein Vertrag der im Ausgangsverfahren streitigen Art, der sich auf teils beruflich‑gewerbliche, teils private Tätigkeiten bezieht, als ein Vertrag anzusehen ist, der von einem Verbraucher im Sinne des Artikels 13 Absatz 1 EuGVÜ abgeschlossen worden ist.

29. Wie aus seinem Vorlagebeschluss hervorgeht, stellt sich der Oberste Gerichtshof vor allem die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Vertrag, mit dem ein doppelter Zweck verfolgt wird, wie es bei dem von Herrn Gruber mit Bay Wa abgeschlossenen Vertrag der Fall ist, unter die besonderen Zuständigkeitsvorschriften der Artikel 13 bis 15 EuGVÜ fällt. Insbesondere möchte das vorlegende Gericht erfahren, welche Umstände es bei der Einstufung eines solchen Vertrages zu berücksichtigen hat, welche Bedeutung insoweit der Frage zukommt, ob das Geschäft, auf das sich der Vertrag bezieht, für den einen Vertragspartner überwiegend privaten oder beruflich‑gewerblichen Zwecken dient, und welche Rolle es spielt, ob der andere Vertragspartner vom Zweck dieses Vertrages wie auch von den Umständen, unter denen der betreffende Vertragsabschluss erfolgt ist, Kenntnis hat.

30. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Brüsseler Übereinkommen im 4. Abschnitt seines Titels II die gerichtliche Zuständigkeit in Verbrauchersachen festlegt. Eine Verbrauchersache wird in Artikel 13 Absatz 1 EuGVÜ definiert als Klage aus einem „Vertrag, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person … zugerechnet werden kann“.

31. Nach ständiger Rechtsprechung sind die im Brüsseler Übereinkommen verwendeten Begriffe – darunter der des Verbrauchers im Sinne der Artikel 13 bis 15 EuGVÜ – autonom auszulegen, wobei in erster Linie die Systematik und die Zielsetzung des Übereinkommens zu berücksichtigen sind, um dessen einheitliche Anwendung in allen Vertragsstaaten zu sichern (vgl. u. a. Urteile vom 21. Juni 1978 in der Rechtssache 150/77, Bertrand, Slg. 1978, 1431, Randnrn. 14 bis 16, vom 19. Januar 1993 in der Rechtssache C‑89/91, Shearson Lehman Hutton, Slg. 1993, I‑139, Randnr. 13, vom 3. Juli 1997 in der Rechtssache C‑269/95, Benincasa, Slg. 1997, I‑3767, Randnr. 12, vom 27. April 1999 in der Rechtssache C‑99/96, Mietz, Slg. 1999, I‑2277, Randnr. 26, und vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C‑96/00, Gabriel, Slg. 2002, I‑6367, Randnr. 37).

32. Erstens gilt im System des Brüsseler Übereinkommens der in Artikel 2 Absatz 1 EuGVÜ aufgestellte allgemeine Grundsatz, dass die Gerichte des Vertragsstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat; nur als Ausnahme von diesem Grundsatz führt das Übereinkommen abschließend die Fälle auf, in denen eine Person vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats verklagt werden kann oder muss. Infolgedessen sind die von diesem allgemeinen Grundsatz abweichenden Zuständigkeitsregeln in dem Sinne eng auszulegen, dass sie einer Auslegung, die über die in dem Übereinkommen vorgesehenen Fälle hinausgeht, nicht zugänglich sind (vgl. u. a. Urteile Bertrand, Randnr. 17, Shearson Lehmann Hutton, Randnrn. 14 bis 16, Benincasa, Randnr. 13, und Mietz, Randnr. 27).

33. Eine solche Auslegung ist umso mehr geboten bei einer Zuständigkeitsvorschrift wie der des Artikels 14 EuGVÜ, die es einem Verbraucher im Sinne des Artikels 13 Absatz 1 EuGVÜ ermöglicht, eine Person vor den Gerichten des Vertragsstaats zu verklagen, in dessen Hoheitsgebiet der Kläger seinen Wohnsitz hat. Mit Ausnahme der ausdrücklich vorgesehenen Fälle befürwortet das Brüsseler Übereinkommen eine Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Klägers nämlich nicht (vgl. Urteile vom 11. Januar 1990 in der Rechtssache C‑220/88, Dumez France und Tracoba, Slg. 1990, I‑49, Randnrn. 16 und 19, Shearson Lehmann Hutton, Randnr. 17, Benincasa, Randnr. 14, und vom 10. Juni 2004 in der Rechtssache C‑168/02, Kronhofer, Slg. 2004, I‑0000, Randnr. 20).

34. Zweitens hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die durch den 4. Abschnitt des Titels II des Brüsseler Übereinkommens geschaffene Sonderregelung, die sowohl von dem in Artikel 2 Absatz 1 EuGVÜ vorgesehenen Grundsatz als auch von der Regelung über besondere Zuständigkeiten für Verträge im Allgemeinen, die in Artikel 5 Absatz 1 EuGVÜ aufgestellt wird, abweicht, die Funktion hat, für einen angemessenen Schutz des Verbrauchers als dem gegenüber seinem beruflich oder gewerblich handelnden Kontrahenten wirtschaftlich schwächeren und rechtlich weniger erfahrenen Vertragspartner zu sorgen, dem der Entschluss zur gerichtlichen Wahrnehmung seiner Rechte nicht dadurch erschwert werden darf, dass er vor den Gerichten des Staates klagen muss, in dessen Hoheitsgebiet sein Vertragspartner seine Niederlassung hat (vgl. u. a. Urteile Shearson Lehmann Hutton, Randnr. 18, und Gabriel, Randnr. 39).

35. Aus dem mit dem Brüsseler Übereinkommen errichteten System von Zuständigkeitsvorschriften und dem Grund für die durch den 4. Abschnitt seines Titels II geschaffenen Sonderregelung hat der Gerichtshof gefolgert, dass sich diese Vorschriften nur auf den nicht berufs- oder gewerbebezogen handelnden privaten Endverbraucher beziehen und ihre Anwendung nicht auf Personen erstreckt werden darf, die dieses Schutzes nicht bedürfen (in diesem Sinne u. a. Urteile Bertrand, Randnr. 21, Shearson Lehmann Hutton, Randnrn. 19 und 22, Benincasa, Randnr. 15, und Gabriel, Randnr. 39).

36. In den Randnummern 16 bis 18 des Urteils Benincasa hat der Gerichtshof hierzu ausgeführt, dass der Begriff des Verbrauchers im Sinne der Artikel 13 Absatz 1 und 14 Absatz 1 EuGVÜ eng auszulegen und nach der Stellung dieser Person innerhalb des konkreten Vertrages in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung und nicht nach der subjektiven Stellung dieser Person zu bestimmen ist, so dass ein und dieselbe Person im Rahmen bestimmter Geschäfte als Verbraucher und im Rahmen anderer als Unternehmer angesehen werden kann. Der Gerichtshof hat daraus abgeleitet, dass nur Verträge, die eine Einzelperson ohne Bezug zu einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit oder Zielsetzung und unabhängig von einer solchen allein zu dem Zweck schließt, ihren Eigenbedarf beim privaten Verbrauch zu decken, unter die Sonderregelung fallen, die das Brüsseler Übereinkommen zum Schutz des Verbrauchers als des als schwächer angesehenen Vertragspartners vorsieht, wohingegen dieser Schutz nicht gerechtfertigt ist bei Verträgen, deren Zweck in einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit besteht.

37. Folglich sind die speziellen Zuständigkeitsvorschriften der Artikel 13 bis 15 EuGVÜ grundsätzlich nur dann anwendbar, wenn der Zweck des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages nicht in der beruflichen oder gewerblichen Verwendung des Gegenstands oder der Dienstleistung besteht, auf die sich der Vertrag bezieht.

38. Anhand dieser Grundsätze ist die Frage zu untersuchen, ob und inwieweit ein Vertrag wie der im Ausgangsverfahren streitige, der sich auf teils beruflich‑gewerbliche, teils private Tätigkeiten bezieht, unter die abweichenden Zuständigkeitsvorschriften der Artikel 13 bis 15 EuGVÜ fallen kann.

39. Schon aus dem Zweck der Artikel 13 bis 15 EuGVÜ, die Person zu schützen, von der vermutet wird, dass sie sich gegenüber ihrem Vertragspartner in einer schwächeren Position befindet, folgt insoweit, dass sich eine Person, die einen Vertrag zu einem Zweck abschließt, der sich teilweise auf ihre beruflich‑gewerbliche Tätigkeit bezieht und der somit nur zu einem Teil nicht dieser Tätigkeit zugerechnet werden kann, grundsätzlich nicht auf diese Vorschriften berufen kann. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Verbindung zwischen diesem Vertrag und der beruflich‑gewerblichen Tätigkeit des Betroffenen so schwach wäre, dass sie nebensächlich würde und folglich im Zusammenhang des Geschäftes, über das der Vertrag abgeschlossen wurde, insgesamt betrachtet nur eine ganz untergeordnete Rolle spielte.

40. Wie nämlich der Generalanwalt in den Nummern 40 und 41 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hat eine Person, die einen Vertrag zu einem Zweck schließt, der mit ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zusammenhängt, als auf gleicher Stufe wie ihr Vertragspartner stehend zu gelten, so dass der besondere Schutz, den das Brüsseler Übereinkommen für Verbraucher vorsieht, in diesem Fall nicht gerechtfertigt ist.

41. Dass der streitige Vertrag auch privaten Zwecken dient, ändert an dieser Feststellung nichts. Sie gilt unabhängig von dem Verhältnis zwischen dem privaten und dem beruflich‑gewerblichen Zweck, zu dem der betreffende Gegenstand oder die betreffende Dienstleistung verwendet werden kann, und zwar sogar dann, wenn der private Zweck überwiegen sollte, solange der beruflich‑gewerbliche Zweck nicht ganz untergeordnet ist.

42. Im Falle eines Vertrages, mit dem ein doppelter Zweck verfolgt wird, ist es daher nicht erforderlich, dass der betreffende Gegenstand oder die betreffende Dienstleistung überwiegend zu beruflich‑gewerblichen Zwecken verwendet wird, damit die Anwendung der Artikel 13 bis 15 EuGVÜ ausgeschlossen ist.

43. Diese Auslegung wird dadurch bestätigt, dass der Begriff des Verbrauchers in Artikel 13 Absatz 1 EuGVÜ eindeutig eng definiert wird, indem eine negative Wendung benutzt wird („Vertrag, … zu einem Zweck, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit … zugerechnet werden kann“). Darüber hinaus ist der Begriff der Verbrauchersache insofern eng auszulegen, als die daran anknüpfende Zuständigkeitsregel eine Ausnahme von dem in Artikel 2 Absatz 1 EuGVÜ vorgesehenen Grundsatz in Bezug auf die Zuständigkeit darstellt und mit ihr ausnahmsweise die Gerichte am Wohnsitz des Klägers für zuständig erklärt werden (vgl. Randnrn. 32 und 33 dieses Urteils).

44. Diese Auslegung ist auch deswegen geboten, weil die Einstufung des Vertrages nur aufgrund einer Gesamtbewertung erfolgen kann. Denn der Gerichtshof hat mehrfach entschieden, dass die Vermeidung der Häufung von Gerichtsständen in Bezug auf ein und dasselbe Rechtsverhältnis eines der wesentlichen Ziele des Brüsseler Übereinkommens darstellt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 19. Februar 2002 in der Rechtssache C‑256/00, Besix, Slg. 2002, I‑1699, Randnr. 27, Gabriel, Randnr. 57, und vom 5. Februar 2004 in der Rechtssache C‑18/02, DFDS Torline, Slg. 2004, I‑0000, Randnr. 26).

45. Die Auslegung, nach der die Verbrauchereigenschaft im Sinne des Artikels 13 Absatz 1 EuGVÜ verneint wird, wenn der Gegenstand oder die Dienstleistung einem Zweck dient, der einen nicht ganz untergeordneten Zusammenhang mit der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Betroffenen aufweist, entspricht auch am ehesten den Erfordernissen der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit des zuständigen Gerichts durch einen zukünftigen Beklagten, die die Grundlage des Brüsseler Übereinkommens bilden (vgl. u. a. Urteil Besix, Randnrn. 24 bis 26).

46. Nach den üblichen Regeln zur Beweislast obliegt es der Person, die sich auf die Artikel 13 bis 15 EuGVÜ berufen will, zu beweisen, dass in dem streitigen, einem doppelten Zweck dienenden Vertrag der beruflich‑gewerbliche Zweck nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt, wobei die gegnerische Partei berechtigt ist, den Gegenbeweis zu erbringen.

47. Es ist Sache des angerufenen Gerichts, anhand der ihm hierzu vorgelegten Beweismittel zu entscheiden, ob mit dem betreffenden Vertrag in nicht ganz untergeordnetem Maße Bedürfnisse gedeckt werden sollten, die der beruflich‑gewerblichen Tätigkeit des Betroffenen zuzurechnen sind, oder ob im Gegenteil der beruflich‑gewerbliche Zweck nur ganz untergeordnete Bedeutung hatte. Dabei wird das nationale Gericht nicht nur Inhalt, Art und Zweck des Vertrages zu berücksichtigen haben, sondern auch die objektiven Umstände bei Vertragsabschluss.

48. Was schließlich die Frage des vorlegenden Gerichts betrifft, ob es erforderlich ist, dass der Vertragspartner des vermeintlichen Verbrauchers Kenntnis hatte vom Zweck des Geschäftes, über das der Vertrag abgeschlossen wurde, sowie von den Umständen des Vertragsabschlusses, so hat sich das angerufene Gericht, um sowohl die Beweisaufnahme als auch die Beweiswürdigung so weit wie möglich zu erleichtern, vorrangig auf die Beweismittel zu stützen, die sich objektiv aus den Akten ergeben.

49. Reichen diese Beweismittel aus, um dem Gericht den Schluss zu erlauben, dass der Vertrag in nicht ganz untergeordnetem Maße zur Deckung von Bedürfnissen diente, die der beruflich‑gewerblichen Tätigkeit des Betroffenen zuzurechnen sind, können die Artikel 13 bis 15 EuGVÜ aufgrund ihrer Ausnahmestellung, die sie in dem durch das Brüsseler Übereinkommen geschaffenen System einnehmen, keinesfalls Anwendung finden. In diesem Fall braucht daher nicht geprüft zu werden, ob der beruflich‑gewerbliche Zweck für den Vertragspartner erkennbar war.

50. Ergibt sich dagegen aus den den Akten zu entnehmenden objektiven Umständen nicht rechtlich hinreichend der Beweis, dass mit dem Geschäft, über das ein Vertrag abgeschlossen wurde, der einem doppelten Zweck dient, ein nicht ganz untergeordneter beruflich‑gewerblicher Zweck verfolgt wurde, so ist dieser Vertrag grundsätzlich als Verbrauchervertrag im Sinne der Artikel 13 bis 15 EuGVÜ anzusehen, da diesen Vorschriften andernfalls ihre praktische Wirksamkeit genommen würde.

51. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der durch die Artikel 13 bis 15 EuGVÜ geschaffenen Schutzregelung wird das angerufene Gericht in diesem zuletzt genannten Fall jedoch ferner zu prüfen haben, ob die andere Vertragspartei den nicht beruflich-gewerblichen Zweck des Geschäftes zu Recht deswegen nicht zu kennen brauchte, weil der vermeintliche Verbraucher in Wirklichkeit durch sein eigenes Verhalten gegenüber seinem zukünftigen Vertragspartner bei diesem den Eindruck erweckt hat, dass er zu beruflich‑gewerblichen Zwecken handelte.

52. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn eine Privatperson ohne weitere Angaben Gegenstände bestellt, die tatsächlich der Ausübung ihres Berufes dienen können, zu diesem Zweck Briefpapier mit Geschäftsbriefkopf verwendet, sich Waren an seine Geschäftsadresse liefern lässt oder die Möglichkeit der Mehrwertsteuererstattung erwähnt.

53. In einem solchen Fall wären die speziellen Zuständigkeitsvorschriften der Artikel 13 bis 15 EuGVÜ für Verbrauchersachen selbst dann nicht anwendbar, wenn mit dem Vertrag als solchem ein ganz untergeordneter beruflich‑gewerblicher Zweck verfolgt wird, da angesichts des Eindrucks, den die Privatperson bei ihrem gutgläubigen Vertragspartner erweckt hat, anzunehmen ist, dass sie auf den in diesen Artikeln vorgesehenen Schutz verzichtet hat.

54. Nach alledem ist auf die ersten drei Vorlagefragen zu antworten, dass die Zuständigkeitsvorschriften des Brüsseler Übereinkommens wie folgt auszulegen sind:

– Eine Person, die einen Vertrag abgeschlossen hat, der sich auf einen Gegenstand bezieht, der für einen teils beruflich‑gewerblichen, teils nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzurechnenden Zweck bestimmt ist, kann sich nicht auf die speziellen Zuständigkeitsvorschriften der Artikel 13 bis 15 EuGVÜ berufen, es sei denn, der beruflich‑gewerbliche Zweck ist derart nebensächlich, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Geschäftes nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt, wobei die Tatsache, dass der nicht beruflich-gewerbliche Zweck überwiegt, ohne Bedeutung ist;

– es ist Sache des angerufenen Gerichts, zu entscheiden, ob der betreffende Vertrag abgeschlossen wurde, um in nicht ganz untergeordnetem Maße Bedürfnisse zu decken, die der beruflich‑gewerblichen Tätigkeit des Betroffenen zuzurechnen sind, oder ob im Gegenteil der beruflich‑gewerbliche Zweck nur eine unbedeutende Rolle spielte;

– hierbei hat dieses Gericht sämtliche tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen, die sich objektiv aus den Akten ergeben; nicht zu berücksichtigen sind jedoch Umstände oder Merkmale, die für den Vertragspartner der Person, die sich auf die Verbrauchereigenschaft beruft, erkennbar waren, es sei denn, diese hat sich so verhalten, dass ihr Vertragspartner zu Recht den Eindruck gewinnen konnte, sie handele zu beruflich‑gewerblichen Zwecken.

Zu den letzten drei Fragen

55. Da die letzten drei Fragen nur für den Fall gestellt werden, dass die Verbrauchereigenschaft im Sinne des Artikels 13 Absatz 1 EuGVÜ festgestellt wird, und angesichts der dazu gegebenen Antwort auf die ersten drei Fragen erübrigt sich die Beantwortung der letzten drei Fragen, die sich auf andere Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift beziehen.

Kostenentscheidung

Kosten
56. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
Die Zuständigkeitsvorschriften des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der durch das Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, das Übereinkommen vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland, das Übereinkommen vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und das Übereinkommen vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden geänderten Fassung sind wie folgt auszulegen:

– Eine Person, die einen Vertrag abgeschlossen hat, der sich auf einen Gegenstand bezieht, der für einen teils beruflich‑gewerblichen, teils nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzurechnenden Zweck bestimmt ist, kann sich nicht auf die speziellen Zuständigkeitsvorschriften der Artikel 13 bis 15 EuGVÜ berufen, es sei denn, der beruflich‑gewerbliche Zweck ist derart nebensächlich, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Geschäftes nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt, wobei die Tatsache, dass der nicht beruflich-gewerbliche Zweck überwiegt, ohne Bedeutung ist;

– es ist Sache des angerufenen Gerichts, zu entscheiden, ob der betreffende Vertrag abgeschlossen wurde, um in nicht ganz untergeordnetem Maße Bedürfnisse zu decken, die der beruflich‑gewerblichen Tätigkeit des Betroffenen zuzurechnen sind, oder ob im Gegenteil der beruflich‑gewerbliche Zweck nur eine unbedeutende Rolle spielte;

– hierbei hat dieses Gericht sämtliche tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen, die sich objektiv aus den Akten ergeben; nicht zu berücksichtigen sind jedoch Umstände oder Merkmale, die für den Vertragspartner der Person, die sich auf die Verbrauchereigenschaft beruft, erkennbar waren, es sei denn, diese hat sich so verhalten, dass ihr Vertragspartner zu Recht den Eindruck gewinnen konnte, sie handele zu beruflich‑gewerblichen Zwecken.