EuGH, 20.01.2005 - C-27/02
Leitsätze
1. Soweit es um Artikel 13 Absatz 1 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geändert durch das Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, das Übereinkommen vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland, das Übereinkommen vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und das Übereinkommen vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden geht, der sich auf die Zuständigkeit in Verbrauchersachen bezieht, ist Nummer 3 dieser Bestimmung nur dann anzuwenden, wenn erstens der Kläger ein nicht berufs- oder gewerbebezogen handelnder privater Endverbraucher ist, zweitens die Klage an einen zwischen diesem Verbraucher und einem gewerbsmäßigen Verkäufer geschlossenen Vertrag anknüpft, der die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung einer Dienstleistung zum Gegenstand hat und der gegenseitige, voneinander abhängende Pflichten zwischen den beiden Parteien des Vertrages hat entstehen lassen, und drittens die beiden spezifischen Voraussetzungen des Artikels 13 Absatz 1 Nummer 3 Buchstaben a und b erfüllt sind.
Folglich ist in einer Situation, in der sich ein gewerbsmäßiger Verkäufer an einen Verbraucher gewandt hat, indem er ihm ein persönlich adressiertes Schreiben zusandte, das eine Gewinnzusage enthielt und dem ein Katalog mit einem Bestellschein beigefügt war, in dem die beweglichen Sachen des Verkäufers in dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des Verbrauchers zum Verkauf angeboten wurden, um den Verbraucher dazu zu bringen, der Aufforderung des Gewerbetreibenden nachzukommen, in der jedoch auf den Vorstoß des Gewerbetreibenden nicht der Abschluss eines Vertrages zwischen dem Verbraucher und dem gewerbsmäßigen Verkäufer folgte, der einen der in Artikel 13 Absatz 1 Nummer 3 des Übereinkommens spezifizierten Gegenstände betroffen hätte und in dessen Rahmen die Parteien synallagmatische Verpflichtungen eingegangen wären, eine Klage des Verbrauchers auf Auszahlung des Preises nicht als Klage aus einem Vertrag im Sinne dieser Bestimmung anzusehen.
(vgl. Randnrn. 34, 36, 38)
2. Die Zuständigkeitsvorschriften des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geändert durch das Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, das Übereinkommen vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland, das Übereinkommen vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und das Übereinkommen vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden, sind folgendermaßen auszulegen:
– Eine Klage, mit der ein Verbraucher nach dem Recht des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, von einem Versandhandelsunternehmen mit Sitz in einem anderen Vertragsstaat die Auszahlung eines scheinbar von ihm gewonnenen Preises verlangt, ist eine Klage aus Vertrag im Sinne des Artikels 5 Nummer 1 des Übereinkommens, wenn zum einen dieses Unternehmen an den Verbraucher, um ihn zum Vertragsschluss zu motivieren, eine ihn namentlich bezeichnende Sendung gerichtet hat, die den Eindruck erwecken konnte, er werde einen Preis erhalten, sofern der dieser Sendung beigefügte „Auszahlungs-Bescheid“ zurückgesandt wird, und wenn zum anderen der Verbraucher die vom Verkäufer festgelegten Bedingungen akzeptiert sowie die Auszahlung des versprochenen Gewinns tatsächlich verlangt;
– dagegen hat, auch wenn diese Zusendung darüber hinaus einen Werbekatalog über die Waren dieses Unternehmens mit einem Formular für eine „unverbindliche Test-Anforderung“ enthält, der zweifache Umstand, dass die Zuteilung des Preises nicht von einer Warenbestellung abhängig ist und der Verbraucher tatsächlich keine solche Bestellung aufgegeben hat, keine Auswirkung auf die vorstehende Auslegung.
(vgl. Randnr. 61 und Tenor)
Parteien
In der Rechtssache C-27/02
wegen eines Vorabentscheidungsersuchens gemäß dem Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof, eingereicht vom Oberlandesgericht Innsbruck (Österreich) mit Entscheidung vom 14. Januar 2002,
beim Gerichtshof eingegangen am 31. Januar 2002,
in dem Verfahren
Petra Engler
gegen
Janus Versand GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter C. Gulmann und R. Schintgen (Berichterstatter),
Generalanwalt: F. G. Jacobs,
Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 2004,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– von Frau Engler, vertreten durch die Rechtsanwälte K.-H. Plankel und S. Ganahl,
– der Janus Versand GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt A. Matt,
– der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Klauser,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A.‑M. Rouchaud und W. Bogensberger als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Juli 2004,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 5 Nummern 1 und 3 und 13 Absatz 1 Nummer 3 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32), geändert durch das Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1 und – geänderter Text – S. 77), das Übereinkommen vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland (ABl. L 388, S. 1), das Übereinkommen vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (ABl. L 285, S. 1) und das Übereinkommen vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden (ABl. 1997, C 15, S. 1) (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen).
2. Dieses Ersuchen ist in einem Rechtsstreit zwischen der österreichischen Staatsangehörigen Petra Engler, wohnhaft in Lustenau (Österreich) (im Folgenden: Klägerin), und der Versandhandelsgesellschaft deutschen Rechts Janus Versand GmbH (im Folgenden: Beklagte) mit Sitz in Langenfeld (Deutschland) vorgelegt worden, in dem die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr einen Gewinn auszuzahlen, weil diese Gesellschaft in einem namentlich an sie adressierten Schreiben bei ihr den Eindruck erweckt habe, sie habe einen Preis gewonnen.
Rechtlicher Rahmen
Das Brüsseler Übereinkommen
3. Die im Brüsseler Übereinkommen festgelegten Zuständigkeitsregeln finden sich in dessen Titel II, der aus den Artikeln 2 bis 24 besteht.
4. Artikel 2 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens, der zum 1. Abschnitt – Allgemeine Vorschriften – von dessen Titel II gehört, lautet:
„Vorbehaltlich der Vorschriften dieses Übereinkommens sind Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen.“
5. Artikel 3 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens, der in demselben Abschnitt steht, bestimmt:
„Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, können vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats nur gemäß den Vorschriften des 2. bis 6. Abschnitts verklagt werden.“
6. Die Artikel 5 bis 18 des Brüsseler Übereinkommens, die den 2. bis 6. Abschnitt von dessen Titel II bilden, enthalten Vorschriften über besondere, zwingende oder ausschließliche Zuständigkeiten.
7. So lautet Artikel 5 des Brüsseler Übereinkommens im 2. Abschnitt – Besondere Zuständigkeiten – von dessen Titel II:
„Eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, kann in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden:
1. wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre; …
…
3. wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist;
…“
8. In Titel II des Brüsseler Übereinkommens bilden dessen Artikel 13 und 15 den 4. Abschnitt mit der Überschrift Zuständigkeit für Verbrauchersachen.
9. Artikel 13 des Brüsseler Übereinkommens lautet:
„Für Klagen aus einem Vertrag, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person (Verbraucher) zugerechnet werden kann, bestimmt sich die Zuständigkeit, unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt,
1. wenn es sich um den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung handelt;
2. wenn es sich um ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen oder ein anderes Kreditgeschäft handelt, das zur Finanzierung eines Kaufs derartiger Sachen bestimmt ist, oder
3. für andere Verträge, wenn sie die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, soferna) dem Vertragsabschluss in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und
b) der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat.Hat der Vertragspartner des Verbrauchers in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats keinen Wohnsitz, besitzt er aber in einem Vertragsstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung, so wird er für Streitigkeiten aus ihrem Betrieb so behandelt, wie wenn er seinen Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet dieses Staates hätte.
Dieser Abschnitt ist nicht auf Beförderungsverträge anzuwenden.“
10. Artikel 14 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens bestimmt:
„Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann entweder vor den Gerichten des Vertragsstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor den Gerichten des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.“
11. Von dieser Zuständigkeitsregelung kann nur unter der Voraussetzung des Artikels 15 des Brüsseler Übereinkommens abgewichen werden.
Die einschlägigen nationalen Bestimmungen
12. § 5j des österreichischen Konsumentenschutzgesetzes (BGBl. Nr. 140/1979) lautet:
„Unternehmer, die Gewinnzusagen oder andere vergleichbare Mitteilungen an bestimmte Verbraucher senden und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erwecken, dass der Verbraucher einen bestimmten Preis gewonnen habe, haben dem Verbraucher diesen Preis zu leisten; er kann auch gerichtlich eingefordert werden.“
13. Diese Bestimmung wurde anlässlich der Umsetzung der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. L 144, S. 19) durch Artikel 4 des österreichischen Fernabsatz-Gesetzes (BGBl. I Nr. 185/1999) in das Konsumentenschutzgesetz eingefügt.
14. Sie ist am 1. Oktober 1999 in Kraft getreten.
15. Das Oberlandesgericht Innsbruck führt in seinem Vorlagebeschluss aus, Zweck des § 5j des österreichischen Konsumentenschutzgesetzes sei es, dem Verbraucher ein Klagerecht einzuräumen, damit er die Durchführung einer „Gewinnzusage“ gerichtlich einklagen könne, wenn er dadurch irregeführt worden sei, dass ein Gewerbetreibender persönlich Kontakt mit ihm aufgenommen und bei ihm den Eindruck erweckt habe, dass er einen Preis gewonnen habe, während das eigentliche Ziel des Vorgangs, das darin bestehe, zu einer Warenbestellung zu motivieren, nur im Kleingedruckten oder an einer unauffälligen Stelle des Schreibens in schwer verständlicher Form ersichtlich werde.
Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefrage
16. Aus den Akten des Ausgangsverfahrens ergibt sich, dass die Klägerin Anfang 2001 von der Beklagten, die einen Warenversandhandel betreibt, ein Schreiben erhielt, das unter ihrer Wohnungsanschrift an sie persönlich adressiert war. Dieses Schreiben enthielt sowohl einen „Auszahlungs-Bescheid“, dessen Form und Inhalt bei der Empfängerin den Eindruck erweckten, sie habe bei einer von dieser Gesellschaft veranstalteten „Bargeldziehung“ ein Preisgeld in Höhe von 455 000 ATS gewonnen, als auch einen Warenkatalog der Gesellschaft – die in ihren Geschäftsbeziehungen zu ihren Kunden offenbar auch unter dem Namen „Handelskontor Janus GmbH“ auftrat – mit einem Formular für eine „unverbindliche Test-Anforderung“. In dem der Klägerin zugesandten Werbeprospekt gab die Beklagte an, sie könne auch über Internet unter der Adresse „www.janus-versand.com“ kontaktiert werden.
17. Auf dem „Auszahlungs-Bescheid“ stehen die Überschrift „Bestätigung“ und fett gedruckt die Gewinnnummer. Der Name und die Adresse des Empfängers und Auszahlungsberechtigten sind die der Klägerin, wobei dies alles mit der Angabe „persönlich – nicht übertragbar“ versehen ist. Der „Auszahlungs-Bescheid“ weist, ebenfalls fett gedruckt, den Gewinnbetrag in Ziffern (455 000 ATS) und darunter denselben Betrag in Worten sowie eine Bestätigung, unterzeichnet von einem gewissen Ulrich Mändercke, aus, mit der bescheinigt wird, „dass der hier aufgeführte Auszahlungs-Betrag korrekt wiedergegeben ist und mit unseren Unterlagen übereinstimmt“; neben der Unterschrift steht der Zusatz „vereidigte geprüfte Sozietät und Kanzlei“. Außerdem wurde die Klägerin aufgefordert, das dem Schreiben beigefügte „offizielle Kanzlei-Siegel“ auf dem „Auszahlungs-Bescheid“ auf die hierfür vorgesehene Stelle zu kleben und das Formular für eine „unverbindliche Test-Anforderung“ an die Beklagte zurückzusenden. Weiterhin befinden sich auf dem „Auszahlungs-Bescheid“ ein für Datum und Unterschrift vorbehaltenes Feld, die Angabe „Hier ausfüllen“ und ein klein gedruckter Verweis auf die Auszahlungs- und Teilnahmebedingungen. Die Klägerin musste auf diesem „Auszahlungs-Bescheid“ angeben, dass sie diese Bedingungen gelesen habe und anerkenne. Der „Auszahlungs-Bescheid“ fordert schließlich die Empfängerin auf, diesen „noch heute“ ordnungsgemäß ausgefüllt zur Bearbeitung zurückzusenden; hierfür liege ein Umschlag bei.
18. Unter diesen Umständen schickte die Klägerin entsprechend der Aufforderung der Beklagten den „Auszahlungs-Bescheid“ an diese Gesellschaft, da sie dachte, dies reiche aus, um den versprochenen Gewinn von 455 000 ATS zu erhalten.
19. Zunächst reagierte die Beklagte nicht, dann lehnte sie es ab, diesen Betrag an die Klägerin zu zahlen.
20. Diese erhob dann bei einem österreichischen Gericht Klage, gestützt in erster Linie auf § 5j des österreichischen Konsumentenschutzgesetzes, und beantragte die Verurteilung der Gesellschaft, den Betrag von 455 000 ATS zuzüglich Zinsen und Kosten an sie zu zahlen. Nach Auffassung der Klägerin handelt es sich um einen Anspruch vertraglicher Natur, da die Beklagte sie mit ihrer Gewinnzusage zum Abschluss eines Kaufvertrags über bewegliche Sachen mit ihr habe motivieren wollen. Diese Klage stützt sich aber auch auf weitere Klagegründe, insbesondere den Verstoß gegen vorvertragliche Pflichten. Hilfsweise vertritt die Klägerin des Ausgangsverfahrens die Auffassung, sie habe einen Anspruch aus unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt sei.
21. Die Beklagte wandte das Fehlen österreichischer Gerichtsbarkeit ein und führte zunächst aus, dass das Schreiben, auf das die Klage gegründet sei, nicht von ihr selbst stamme, sondern von der Handelskontor Janus GmbH, bei der es sich um eine andere juristische Person handele, ferner dass sie der Klägerin keinen Gewinn zugesagt habe und schließlich dass sie mit dieser nicht in vertraglicher Verbindung stehe.
22. Am 2. Oktober 2001 wies das Landesgericht Feldkirch (Österreich) die Klage von Frau Engler wegen mangelnder Gerichtsbarkeit ab, da ihr der Beweis eines Zusammenhangs zwischen der Beklagten und dem Absender der Gewinnzusage, der „Handelskontor Janus GmbH, Postfach 1670, Abt. 3 Z 4, D-88106 Lindau“, nicht gelungen sei.
23. Die Klägerin erhob gegen diese Entscheidung Rekurs beim Oberlandesgericht Innsbruck.
24. Dieses Gericht ist der Auffassung, dass für die Entscheidung über die Frage der internationalen Zuständigkeit das Brüsseler Übereinkommen zu berücksichtigen sei. Dabei sei zu prüfen, ob die von Frau Engler erhobene Klage als auf einen Anspruch aus Vertrag im Sinne des Artikels 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens oder auf einen Anspruch aus unerlaubter Handlung im Sinne des Artikels 5 Nummer 3 des Brüsseler Übereinkommens gestützt anzusehen sei oder ob sie unter Artikel 13 Absatz 1 Nummer 3 des Brüsseler Übereinkommens falle.
25. Das vorlegende Gericht führt aus, dass dem Gerichtshof vom öste rreichischen Obersten Gerichtshof bereits eine ähnliche Frage in der Rechtssache C-96/00 (Urteil vom 11. Juli 2002, Gabriel, Slg. 2002, I-6367, ergangen nach dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof) vorgelegt worden sei, dass sich jedoch der dieser Rechtssache zugrunde liegende Sachverhalt vom vorliegenden Fall unterscheide. In der Rechtssache Gabriel habe das in Rede stehende Unternehmen die Teilnahme am Gewinnspiel – und somit die Auszahlung des angeblichen Gewinns – nämlich davon abhängig gemacht, dass der Verbraucher zuvor eine Bestellung aufgebe, während die Auszahlung des Gewinns in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren weder von der Bestellung von Waren durch den Verbraucher abhänge noch von deren Lieferung durch die Beklagte. Die Einsendung des „Auszahlungs-Bescheides“ habe genügen sollen.
26. Allerdings sei der Verbraucherin gleichzeitig mit der Zuschrift über den angeblichen Gewinn ein Warenkatalog des Unternehmens und ein Formular für eine „unverbindliche Test-Anforderung“ übermittelt worden, der sie offensichtlich zum Abschluss eines Vertrages über die Lieferung von dem Unternehmen angebotener beweglicher Sachen habe motivieren sollen. Das vorlegende Gericht schließt daraus, dass in der Rechtssache Gabriel ein Kaufvertrag über bewegliche Sachen zustande gekommen sei, im vorliegenden Fall hingegen, abgesehen von der möglicherweise in getrennter Form zu beurteilenden Gewinnzusage, nur vorvertragliche Beziehungen zwischen den Parteien bestanden hätten.
27. Da das Oberlandesgericht Innsbruck annahm, dass der Ausgang des bei ihm anhängigen Rechtsstreits unter diesen Umständen von der Auslegung des Brüsseler Übereinkommens abhänge, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist der in § 5j des österreichischen Konsumentenschutzgesetzes in der Fassung des Artikels 1 Ziffer 2 des österreichischen Fernabsatz-Gesetzes den Verbrauchern eingeräumte Anspruch, von Unternehmern den scheinbar gewonnenen Preis gerichtlich einfordern zu können, wenn Letztere Gewinnzusagen oder andere vergleichbare Mitteilungen an bestimmte Verbraucher senden (gesendet haben) und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erwecken (erweckt haben), dass der Verbraucher einen bestimmten Preis gewonnen habe, im Sinne des Brüsseler Übereinkommens auch dann
1. ein vertraglicher Anspruch nach Artikel 13 Absatz 1 Nummer 3 oder
2. ein vertraglicher Anspruch nach Artikel 5 Nummer 1 oder
3. ein Anspruch aus unerlaubter Handlung nach Artikel 5 Nummer 3,wenn ein verständiger Verbraucher nach den ihm übermittelten Unterlagen davon ausgehen konnte, dass der für ihn bereit gehaltene Betrag nur noch durch Retournierung eines beiliegenden Auszahlungs-Bescheides angefordert werden müsse und sohin die Gewinnauszahlung nicht von der Bestellung und Lieferung von Waren bei dem den Gewinn zusagenden Unternehmen abhängig gemacht wird, gleichzeitig mit der so genannten Gewinnzusage dem Verbraucher aber ein Warenkatalog desselben mit einem unverbindlichen Test-Anforderungs-Schein übermittelt wurde?
Zur Vorlagefrage
28. Im Hinblick auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens ist die vorgelegte Frage so zu verstehen, dass im Wesentlichen geklärt werden soll, ob nach den Zuständigkeitsvorschriften des Brüsseler Übereinkommens eine Klage, mit der ein Verbraucher nach dem Recht des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, von einem Versandhandelsunternehmen mit Sitz in einem anderen Vertragsstaat die Auszahlung eines scheinbar von ihm gewonnenen Preises verlangt, eine Klage aus Vertrag im Sinne der Artikel 5 Nummer 1 oder 13 Absatz 1 Nummer 3 des Übereinkommens oder aber eine Klage aus unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, im Sinne von Artikel 5 Nummer 3 des Übereinkommens ist, wenn dieses Unternehmen an den Verbraucher eine ihn namentlich bezeichnende Sendung gerichtet hat, die den Eindruck erwecken konnte, er werde einen Preis erhalten, sofern er dessen Auszahlung mit der Rücksendung des dieser Sendung beigefügten „Auszahlungs-Bescheids“ verlange, und wenn diese Sendung außerdem einen Werbekatalog über Waren dieser Gesellschaft und zugleich ein Formular für eine „unverbindliche Test-Anforderung“ enthielt, ohne dass jedoch der Erhalt des Preises von einer Warenbestellung abhängig gemacht worden wäre und auch wenn der Verbraucher tatsächlich keine solche Bestellung aufgegeben hat.
29. Zur Beantwortung der so umformulierten Frage ist vorab darauf hinzuweisen, dass sich der Begriff der unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, im Sinne von Artikel 5 Nummer 3 des Brüsseler Übereinkommens nach ständiger Rechtsprechung auf alle nicht an einen Vertrag im Sinne von Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens anknüpfenden Klagen bezieht, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird (vgl. u. a. Urteile vom 27. September 1988 in der Rechtssache 189/87, Kalfelis, Slg. 1988, 5565, Randnr. 17, vom 26. März 1992 in der Rechtssache C-261/90, Reichert und Kockler, Slg. 1992, I-2149, Randnr. 16, vom 27. Oktober 1998 in der Rechtssache C-51/97, Réunion européenne u. a., Slg. 1998, I-6511, Randnr. 22, Gabriel, Randnr. 33, und vom 1. Oktober 2002 in der Rechtssache C-167/00, Henkel, Slg. 2002, I-8111, Randnr. 36).
30. Daher ist zunächst zu prüfen, ob eine Klage wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Klage aus einem Vertrag zu qualifizieren ist.
31. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens allgemein auf Klagen aus Vertrag bezieht, während Artikel 13 des Übereinkommens bestimmte Arten von Verträgen erfasst, die ein Verbraucher abgeschlossen hat.
32. Da Artikel 13 des Brüsseler Übereinkommens somit lex specialis gegenüber Artikel 5 Nummer 1 des Übereinkommens ist, ist zunächst festzustellen, ob eine Klage mit den in der Vorlagefrage, wie sie in Randnummer 28 umformuliert worden ist, genannten Merkmalen unter Artikel 13 des Übereinkommens fällt.
33. Wie der Gerichtshof wiederholt festgestellt hat, sind die im Brüsseler Übereinkommen – und insbesondere die in Artikel 5 Nummern 1 und 3 und Artikel 13 des Übereinkommens – verwendeten Begriffe autonom auszulegen, wobei in erster Linie die Systematik und die Ziele des Übereinkommens zu berücksichtigen sind, um dessen einheitliche Anwendung in allen Vertragsstaaten sicherzustellen (vgl. u. a. Urteile vom 21. Juni 1978 in der Rechtssache 150/77, Bertrand, Slg. 1978, 1431, Randnrn. 14 bis 16, vom 19. Januar 1993 in der Rechtssache C‑89/91, Shearson Lehman Hutton, Slg. 1993, I-139, Randnr. 13, vom 3. Juli 1997 in der Rechtssache C-269/95, Benincasa, Slg. 1997, I-3767, Randnr. 12, vom 27. April 1999 in der Rechtssache C-99/96, Mietz, Slg. 1999, I-2277, Randnr. 26, und Gabriel, Randnr. 37).
34. Zu Artikel 13 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens hat der Gerichtshof, gestützt auf die in der vorstehenden Randnummer genannten Kriterien, bereits festgestellt, dass Nummer 3 dieser Bestimmung nur dann anzuwenden ist, wenn erstens der Kläger ein nicht berufs- oder gewerbebezogen handelnder privater Endverbraucher ist, zweitens die Klage an einen zwischen diesem Verbraucher und einem gewerbsmäßigen Verkäufer geschlossenen Vertrag anknüpft, der die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung einer Dienstleistung zum Gegenstand hat und der gegenseitige, voneinander abhängende Pflichten zwischen den beiden Parteien des Vertrages hat entstehen lassen, und drittens die beiden spezifischen Voraussetzungen des Artikels 13 Absatz 1 Nummer 3 Buchstaben a und b erfüllt sind (vgl. Urteil Gabriel, Randnrn. 38 bis 40 und 47 bis 51).
35. Es ist aber festzustellen, dass diese Voraussetzungen im Ausgangsverfahren nicht alle erfüllt sind.
36. Zwar ist nicht zu bestreiten, dass in einer Situation dieser Art die Klägerin des Ausgangsverfahrens die Eigenschaft einer von Artikel 13 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens erfassten Verbraucherin hat und dass sich der Verkäufer in den in Nummer 3 Buchstabe a dieser Bestimmung vorgesehenen Formen an die Verbraucherin gewandt hat, indem er ihr ein persönlich adressiertes Schreiben zusandte, das eine Gewinnzusage enthielt und dem ein Katalog mit einem Bestellschein beigefügt war, in dem seine beweglichen Sachen in dem Vertragsstaat des Wohnsitzes der Verbraucherin zum Verkauf angeboten wurden, um die Verbraucherin dazu zu bringen, der Aufforderung des Gewerbetreibenden nachzukommen; doch folgte im vorliegenden Fall auf den Vorstoß des Gewerbetreibenden nicht der Abschluss eines Vertrages zwischen der Verbraucherin und dem gewerbsmäßigen Verkäufer, der einen der in dieser Bestimmung spezifizierten Gegenstände betroffen hätte und in dessen Rahmen die Parteien synallagmatische Verpflichtungen eingegangen wären.
37. Somit steht fest, dass der Erhalt des von der Verbraucherin angeblich gewonnenen Preises im Ausgangsverfahren nicht von der Voraussetzung abhing, dass sie von der Beklagten angebotene Waren bestellt, und tatsächlich gab die Klägerin auch keine Bestellung auf. Außerdem ergibt sich aus den Akten nicht, dass die Klägerin mit der Forderung der Auszahlung des versprochenen „Gewinns“ irgendeine Verpflichtung gegenüber dieser Gesellschaft eingegangen wäre, und sei es auch nur durch die Auslagen, um den Preis zu erhalten.
38. Daher ist eine Klage wie die von Frau Engler im Ausgangsverfahren erhobene nicht als Klage aus einem Vertrag im Sinne von Artikel 13 Absatz 1 Nummer 3 des Brüsseler Übereinkommens anzusehen.
39. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin und der österreichischen Regierung wird diese Feststellung weder durch das dieser Bestimmung zugrunde liegende Ziel, dem Verbraucher als der schwächeren Partei einen angemessenen Schutz zu gewährleisten, noch durch den Umstand entkräftet, dass im vorliegenden Fall der von der Beklagten namentlich an die Verbraucherin adressierten Zuschrift ein Formular mit der Bezeichnung „unverbindliche Test-Anforderung“ beigefügt war, das offensichtlich dazu bestimmt war, die Verbraucherin zu einer Bestellung von Waren, die diese Gesellschaft verkauft, zu motivieren.
40. Wie sich aus seinem Wortlaut ergibt, betrifft Artikel 13 eindeutig von einem Verbraucher abgeschlossene Verträge, „wenn sie die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben“.
41. Die Auslegung, die den Randnummern 36 bis 38 des vorliegenden Urteils zu entnehmen ist, wird durch die Position der in Titel II 4. Abschnitt des Brüsseler Übereinkommens genannten Zuständigkeitsvorschriften für Verbraucherverträge innerhalb der Systematik des Übereinkommens bestätigt.
42. Die Artikel 13 bis 15 des Übereinkommens stellen nämlich eine Abweichung vom allgemeinen Grundsatz des Artikels 2 Absatz 1 des Übereinkommens dar, der die Zuständigkeit den Gerichten des Vertragsstaats zuweist, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat.
43. Folglich müssen die besonderen Zuständigkeitsvorschriften in den Artikeln 13 bis 15 des Brüsseler Übereinkommens nach ständiger Rechtsprechung eine enge Auslegung erfahren, die nicht über die vom Übereinkommen ausdrücklich in Betracht gezogenen Fälle hinausgehen darf (vgl. u. a. Urteile Bertrand, Randnr. 17, Shearson Lehman Hutton, Randnrn. 14 bis 16, Benincasa, Randnr. 13, und Mietz, Randnr. 27).
44. Da die Anwendung des Artikels 13 Absatz 1 Nummer 3 des Brüsseler Übereinkommens somit in einem Fall ausgeschlossen ist, der die in der in Randnummer 28 des vorliegenden Urteils umformulierten Frage genannten Merkmale aufweist, ist folglich zu prüfen, ob eine Klage wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Klage aus einem Vertrag im Sinne des Artikels 5 Nummer 1 des Übereinkommens angesehen werden kann.
45. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens, wie seinem Wortlaut zu entnehmen ist, nicht den Abschluss einen Vertrages verlangt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2002 in der Rechtssache C-334/00, Tacconi, Slg. 2002, I-7357, Randnr. 22).
46. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits festgestellt hat, dass sich die Zuständigkeit zur Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten, die das Bestehen einer vertraglichen Verpflichtung betreffen, nach Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens bestimmt und dass diese Vorschrift somit dann anwendbar ist, wenn das Zustandekommen des Vertrages, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, zwischen den Parteien streitig ist (vgl. Urteil vom 4. März 1982 in der Rechtssache 38/81, Effer, Slg. 1982, 825, Randnrn. 7 und 8).
47. Des Weiteren ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass Ansprüche, die ihre Grundlage in dem zwischen einem Verein und seinen Mitgliedern bestehenden Mitgliedschaftsverhältnis haben, als Ansprüche aus einem Vertrag im Sinne des Artikels 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens anzusehen sind, weil der Beitritt zu einem privatrechtlichen Verein zwischen den Mitgliedern enge Bindungen gleicher Art schafft, wie sie zwischen den Parteien eines Vertrages bestehen (vgl. Urteil vom 22. März 1983 in der Rechtssache 34/82, Peters, Slg. 1983, 987, Randnrn. 13 und 15).
48. Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ gemäß Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens, wie der Generalanwalt in Nummer 38 seiner Schlussanträge festgestellt hat, vom Gerichtshof nicht eng ausgelegt wird.
49. Daher steht die in den Randnummern 38 und 44 des vorliegenden Urteils getroffene Feststellung, dass die im Ausgangsverfahren erhobene Klage keine Klage aus einem Vertrag im Sinne des Artikels 13 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens ist, als solche nicht dem entgegen, dass es sich bei dieser Klage doch um eine Klage aus Vertrag im Sinne des Artikels 5 Nummer 1 des Übereinkommens handeln kann.
50. Im Hinblick auf die Frage, ob es sich im Ausgangsverfahren so verhält, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens zwar nicht den Abschluss eines Vertrages verlangt, für die Anwendung dieser Bestimmung gleichwohl aber die Feststellung einer Verpflichtung unerlässlich ist, da sich die Zuständigkeit des nationalen Gerichts dann, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, nach dem Ort bestimmt, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre (vgl. Urteil Tacconi, Randnr. 22). Zum anderen hat der Gerichtshof mehrfach entschieden, dass der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ in dieser Bestimmung nicht so verstanden werden kann, dass er eine Situation erfasst, in der es an einer von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangenen Verpflichtung fehlt (Urteile vom 17. Juni 1992 in der Rechtssache C-26/91, Handte, Slg. 1992, I-3967, Randnr. 15, Réunion européenne u. a., Randnr. 17, Tacconi, Randnr. 23, und vom 5. Februar 2004 in der Rechtssache C-265/02, Frahuil, Slg. 2004, I‑0000, Randnr. 24).
51. Demzufolge setzt die Anwendung der besonderen Zuständigkeitsregel, die für einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag in Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens vorgesehen ist, voraus, dass eine von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene Verpflichtung bestimmt werden kann, auf die sich die betreffende Klage stützt.
52. Insoweit hat das vorlegende Gericht festgestellt, dass im vorliegenden Fall zum einen ein gewerbsmäßiger Verkäufer auf seine eigene Initiative hin einem Verbraucher, ohne dass dieser darum in irgendeiner Weise gebeten hätte, ein Schreiben an dessen Wohnungsanschrift gesandt hat, in dem der Verbraucher namentlich als Gewinner eines Preises bezeichnet wurde.
53. Eine solche Sendung an vom Absender ausgewählte Empfänger und mit von ihm gewählten Mitteln, die allein dem Willen ihres Urhebers entspringt, kann daher eine „freiwillig eingegangene“ Verpflichtung im Sinne der in Randnummer 50 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufenen Rechtsprechung darstellen.
54. Außerdem konnte nach Auffassung des vorlegenden Gerichts eine unter solchen Umständen von einem Gewerbetreibenden gemachte Gewinnzusage, bei der dieser nicht deutlich auf das Bestehen einer Unsicherheit aufmerksam gemacht oder sogar Formulierungen verwendet hat, die geeignet waren, den Verbraucher irrezuführen, um ihn zu einem Vertragsschluss anzureizen, indem er von diesem Gewerbetreibenden angebotene Waren erwirbt, bei der Empfängerin der Sendung vernünftigerweise den Eindruck erwecken, dass sie einen Preis erhalten werde, wenn sie den beigefügten „Auszahlungs-Bescheid“ zurücksende.
55. Zum anderen ist den vom vorlegenden Gericht übersandten Akten zu entnehmen, dass die Empfängerin der streitigen Sendung ausdrücklich die zu ihren Gunsten gemachte Gewinnzusage angenommen hat, indem sie die Auszahlung des scheinbar von ihr gewonnenen Preises verlangte.
56. Zumindest ab diesem Zeitpunkt ist die freiwillig von einem Gewerbetreibenden unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens vorgenommene Handlung als Handlung anzusehen, die eine Verpflichtung darstellen kann, die ihren Urheber wie ein Vertrag bindet. Daher kann, vorbehaltlich der endgültigen Qualifizierung dieser Verpflichtung, die Sache des vorlegenden Gerichts ist, die Voraussetzung des Bestehens einer bindenden Verpflichtung einer Partei gegenüber einer anderen entsprechend der in Randnummer 50 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsprechung ebenfalls als erfüllt angesehen werden.
57. Ferner bezweckt eine Klage wie die im Ausgangsverfahren von der Verbraucherin erhobene, von dem gewerbsmäßigen Verkäufer den scheinbar gewonnenen Preis, dessen Auszahlung von diesem verweigert wird, gerichtlich einzufordern. Sie hat daher ihre Grundlage gerade in der streitigen Gewinnzusage, da die vermeintlich Begünstigte deren Nichterfüllung geltend macht, um ihre Klage zu begründen.
58. Folglich sind alle Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens im Ausgangsverfahren erfüllt.
59. Aus den Gründen, die der Generalanwalt in Nummer 48 seiner Schlussanträge dargelegt hat, ist der Umstand allein, dass der gewerbsmäßige Verkäufer in Wahrheit nicht die Absicht hatte, den versprochenen Gewinn an den Empfänger seiner Sendung auszuzahlen, insoweit unerheblich. Angesichts des in Randnummer 45 des vorliegenden Urteils Gesagten gilt dies auch für den Umstand, dass die Zuteilung des Preises nicht von einer Warenbestellung abhängig war und die Verbraucherin tatsächlich keine solche Bestellung aufgab.
60. Daher fällt eine Klage wie die von Frau Engler vor dem vorlegenden Gericht erhobene unter Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens, so dass es, wie sich aus Randnummer 29 des vorliegenden Urteils ergibt, nicht mehr notwendig ist, nach der Anwendbarkeit des Artikels 5 Nummer 3 des Übereinkommens zu fragen.
61. Angesichts alles Vorstehenden ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die im Brüsseler Übereinkommen aufgestellten Zuständigkeitsvorschriften folgendermaßen auszulegen sind:
– Eine Klage, mit der ein Verbraucher nach dem Recht des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, von einem Versandhandelsunternehmen mit Sitz in einem anderen Vertragsstaat die Auszahlung eines scheinbar von ihm gewonnenen Preises verlangt, ist eine Klage aus Vertrag im Sinne des Artikels 5 Nummer 1 des Übereinkommens, wenn zum einen dieses Unternehmen an den Verbraucher, um ihn zum Vertragsschluss zu motivieren, eine ihn namentlich bezeichnende Sendung gerichtet hat, die den Eindruck erwecken konnte, er werde einen Preis erhalten, sofern der dieser Sendung beigefügte „Auszahlungs-Bescheid“ zurückgesandt wird, und wenn zum anderen der Verbraucher die vom Verkäufer festgelegten Bedingungen akzeptiert sowie die Auszahlung des versprochenen Gewinns tatsächlich verlangt;
– dagegen hat, auch wenn diese Zusendung darüber hinaus einen Werbekatalog über die Waren dieses Unternehmens mit einem Formular für eine „unverbindliche Test-Anforderung“ enthält, der zweifache Umstand, dass die Zuteilung des Preises nicht von einer Warenbestellung abhängig ist und der Verbraucher tatsächlich keine solche Bestellung aufgegeben hat, keine Auswirkung auf die vorstehende Auslegung.
Kostenentscheidung
Kosten
62. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Tenor
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
Die Zuständigkeitsvorschriften des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geändert durch das Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, das Übereinkommen vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland, das Übereinkommen vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und das Übereinkommen vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden, sind folgendermaßen auszulegen:
– Eine Klage, mit der ein Verbraucher nach dem Recht des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, von einem Versandhandelsunternehmen mit Sitz in einem anderen Vertragsstaat die Auszahlung eines scheinbar von ihm gewonnenen Preises verlangt, ist eine Klage aus Vertrag im Sinne des Artikels 5 Nummer 1 des Übereinkommens, wenn zum einen dieses Unternehmen an den Verbraucher, um ihn zum Vertragsschluss zu motivieren, eine ihn namentlich bezeichnende Sendung gerichtet hat, die den Eindruck erwecken konnte, er werde einen Preis erhalten, sofern der dieser Sendung beigefügte „Auszahlungs-Bescheid“ zurückgesandt wird, und wenn zum anderen der Verbraucher die vom Verkäufer festgelegten Bedingungen akzeptiert sowie die Auszahlung des versprochenen Gewinns tatsächlich verlangt;
– dagegen hat, auch wenn diese Zusendung darüber hinaus einen Werbekatalog über die Waren dieses Unternehmens mit einem Formular für eine „unverbindliche Test-Anforderung“ enthält, der zweifache Umstand, dass die Zuteilung des Preises nicht von einer Warenbestellung abhängig ist und der Verbraucher tatsächlich keine solche Bestellung aufgegeben hat, keine Auswirkung auf die vorstehende Auslegung.