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Deutscher Anwaltverein: Aktuelle Pressemitteilungen
PM 29/25: Einschüchterung von Anwält:innen inakzeptabel!
Berlin (DAV/RAV). Nach der Eilentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts, dass Zurückweisungen von Asylsuchenden hinter der Grenze rechtswidrig sind, wurden bereits die beteiligten Richter:innen diffamiert und bedroht. Nun veröffentlichte ein rechtes Nachrichten-Portal auch den vollständigen Namen und das Foto einer Asylrechtsanwältin, die die Betroffenen vertreten haben soll. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) verurteilen dies in einem gemeinsamen Statement scharf.
Die Anwaltschaft ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Rechtsstaats: „Anwaltliche Vertretung verhilft Betroffenen zu rechtlichem Gehör, korrigiert falsche behördliche Entscheidungen, verhindert Fehlurteile und schützt vulnerable Gruppen im Rahmen des bestehenden Rechts“, betont Rechtsanwältin Dr. Sylvia Ruge, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Anwaltvereins.
Eine Anwältin bewusst zur Zielscheibe rassistisch motivierter Anfeindungen oder gar Übergriffe zu machen, ist unverantwortlich und abscheulich.
Das Vorgehen ist nicht neu. Bereits 2024 hatte dasselbe Portal den Klarnamen einer Asylrechtsanwältin veröffentlicht, die in der Folge heftigen Anfeindungen ausgesetzt war und unter Polizeischutz gestellt werden musste.
Die Strategie ist klar: die Skandalisierung gewöhnlicher rechtsstaatlicher Vorgänge und die Einschüchterung derer, die ihrer Aufgabe im Rechtsstaat nachkommen. Was uns hier als Investigativ-Journalismus verkauft wird, ist eine zielgerichtete und gefährliche Schmutzkampagne, die Zweifel an der Integrität des deutschen Rechtssystems schüren soll – und damit das Vertrauen in Justiz und Anwaltschaft aushöhlt.
„Die Vertretung unserer Mandantinnen und Mandanten ist unsere Aufgabe, und wir werden ihr weiter nachgehen. Gegen die Hetze werden wir uns gemeinsam zur Wehr setzen“, so Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Vorstandsvorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins.
PM DAT 08/25: DAV-Schulwettbewerb: Preisträger aus Cottbus, Brauweiler und Saarlouis
Berlin (DAV). Beim Deutschen Anwaltstag in Berlin prämiert der Deutsche Anwaltverein (DAV) heute die Preisträger des DAV-Schulwettbewerbes. Unter dem Motto „Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit“ hatten sich über 80 einzelne Schüler:innen und Gruppen mit Recht und Wahrheit auseinandergesetzt. Den drei Teams winkt nun ein Preisgeld.
„Uns ist wichtig, dass auch junge Menschen sich bereits mit dem Rechtsstaat und seiner Bedeutung für unsere Gesellschaft auseinandersetzen“, erklärt Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Präsident des Deutschen Anwaltvereins. Das sei mit dem diesjährigen DAV-Schulwettbewerb gelungen. „Die Vielzahl an Einsendungen aus dem ganzen Bundesgebiet hat gezeigt, wie engagiert und interessiert Schülerinnen und Schüler sind.“
Über die Sieger entschied eine fünfköpfige Fachjury. Neben Rechtsanwältin Chrysanthi Fouloglidou, Vorsitzende des FORUMs Junge Anwaltschaft im DAV, gehörten der Jury Fabian Schön, Bundesvorsitzender der Bundesschülerkonferenz, Anja Bensinger-Stolze aus dem Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie die Journalist:innen Uschi Jonas (ehem. Correctiv) und Robert Hecklau (offen un‘ ehrlich) an.
Erster Platz: Levin und Chris aus Cottbus
Den ersten Platz beim Schulwettbewerb belegten zwei Neuntklässler des Niedersorbischen Gymnasiums Cottbus. In einem Podcast mit Videountermalung widmeten sie sich einem konkreten Fall, in dem einem Influencer unseriöses Geschäftsgebaren vorgeworfen wird. Ihre Erläuterung der Situation und des juristischen Rahmens überzeugte die Jury, die das Projekt mit dem ersten Platz belohnte.
Weitere Preisträger aus Brauweiler und Saarlouis
Über den zweiten Platz freuen dürfen sich Maia und Vanessa vom Abtei-Gymnasium Brauweiler. Die beiden Siebtklässlerinnen hatten sich in einer selbst erarbeiteten Broschüre mit dem Phänomen der „Cancel Culture“ auseinandergesetzt, dazu eine Umfrage durchgeführt und mit Rechtsanwältinnen gesprochen.
Auch den dritten Platz belegt ein Duo: Noah und Felix aus der zehnten Klasse der Gemeinschaftsschule Saarlouis 1 haben mit einer interaktiven Präsentation den Prozess um ein Verbrechen für den Betrachter erlebbar gemacht.
Die Preisverleihung findet am heutigen Freitag um 16:15 Uhr auf dem Deutschen Anwaltstag statt. Moderiert wird die Veranstaltung im Estrel Congress Center vom Influencer und Moderator BenniBK.
Mehr zum DAV-Schulwettbewerb
PM 28/25: Rechtsbeistand bei Abschiebungshaft unverzichtbar
Berlin (DAV). Das Kabinett hat in seinem Beschluss zu den sicheren Herkunftsstaaten auch die Streichung des bislang verpflichtenden Rechtsbeistands bei Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam beschlossen. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisiert diesen Vorstoß scharf. Kritik übt der DAV auch an den Bedrohungen der Berliner Verwaltungsrichter:innen: Angriffe auf die unabhängige Justiz sind in einem Rechtsstaat inakzeptabel!
Erst Anfang 2024 wurde eine Regelung ins Aufenthaltsgesetz aufgenommen, nach der bei Abschiebehaft verpflichtend ein Anwalt oder eine Anwältin hinzugezogen werden muss – der DAV hatte diesen Vorstoß unterstützt. Dass dies nun rückgängig gemacht werden soll, ist bitter: „Solche Verfahren sind sehr komplex, gerade wenn Sprachbarrieren bestehen. Wenn Freiheit und Existenz durch staatliche Maßnahmen auf dem Spiel stehen, ist anwaltlicher Beistand als Bestandteil grundlegender Verfahrensgarantien ein Muss“, betont Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Präsident des DAV.
DAV verurteilt die Bedrohung der Berliner Verwaltungsrichter:innen
Nach der Eilentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts, dass Zurückweisungen von Asylsuchenden hinter der Grenze rechtswidrig sind, wurden die beteiligten Richter:innen persönlich diffamiert und bedroht – eine rote Linie für den DAV: „Sachliche Justizkritik ist selbstverständlich Ausdruck der Meinungsfreiheit und gehört in einer Demokratie dazu. Wenn jedoch die Grenze von persönlicher Beleidigung, Einschüchterung und Bedrohung überschritten wird, ist das ein Angriff auf den Rechtsstaat und die unabhängige Justiz – der im schlimmsten Fall dazu führt, dass künftige Entscheidungen davon beeinflusst werden“, kritisiert von Raumer.
FamR 8/25: Frischgebackener Vater: Kein Anspruch auf Vaterschaftsurlaub
Berlin (DAV). Ein junger Vater hat keinen Anspruch auf Vaterschaftsurlaub, berichtet die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Das entschied das Landgericht Berlin II am 1. April 2025 (AZ: 26 O 133/24). Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Der Mann hatte nach der Geburt seines Kinds Erholungsurlaub genommen. Er war allerdings der Meinung, dass ihm ein zweiwöchiger Vaterschaftsurlaub zugestanden hätte. Er klagte auf Schadenersatz und verwies zur Begründung auf die aus seiner Sicht fehlende Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie (EU 2019/1158). Die gesetzlich geregelte Elternzeit habe einen anderen Zweck und sei daher kein Ersatz für den Vaterschaftsurlaub.
Das sahen die Richter anders. Die bestehenden Regelungen zu Elternzeit und Elterngeld in Deutschland reichten aus, um die EU-Vorgaben zu erfüllen. Die Richtlinie erlaube es nämlich den EU-Mitgliedstaaten, bereits vorhandene nationale Regelungen zum Elternurlaub bei der Umsetzung zu berücksichtigen. Außerdem dürften EU-Staaten bestehende nationale Vorschriften beibehalten, sofern während eines mindestens sechsmonatigen Elternurlaubs für jeden Elternteil mindestens 65 % des Nettoeinkommens gezahlt werde. Diese Voraussetzungen seien nach deutschem Recht erfüllt. So könnten Väter aktuell bis zu sieben Monate Elterngeld erhalten und bereits für einen Zeitraum von zwei Wochen Elternzeit nehmen. Ein zusätzlicher, gesonderter zweiwöchiger bezahlter Vaterschaftsurlaub unmittelbar nach der Geburt sei daher nicht nötig.
Information: www.dav-familienrecht.de
PM DAT 07/25: „Freiheit bewahren“ – auch bei der Inneren Sicherheit
Berlin (DAV). Anlässlich des Deutschen Anwaltstags 2025 warnt der Deutsche Anwaltverein (DAV) davor, die Freiheit und Privatsphäre unbescholtener Bürgerinnen und Bürger durch flächendeckende Überwachungsinstrumente und Datensammlungen dauerhaft zu beschneiden. Ob Speicherung von IP-Adressen oder Chatkontrolle: „Mehr“ heißt nicht „sicherer“. Dafür sind die Grundrechtseingriffe durch solche Instrumente umso massiver. Der DAV lehnt erneute Vorstöße – im Koalitionsvertrag und in der EU – für die massenhafte Speicherung und Überwachung von Daten ab.
Der Deutsche Anwaltstag steht in diesem Jahr unter dem Motto „Rechtsstaatlichkeit stärken – Freiheit bewahren“. Vor allem der zweite Teil gerät bei Vorhaben der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung schnell aus dem Blick: „Bei allem Verständnis für den Schutz der Inneren Sicherheit und die Verfolgung schwerer Straftaten: Zwischen Sicherheit und Freiheit muss eine Balance bestehen. Insbesondere müssen die eingesetzten Mittel auch tatsächlich effektiv sein – und nicht zulasten der Freiheitsrechte aller einen Mehrwert nur symbolpolitisch suggerieren“, betont DAV‑Präsident Stefan von Raumer. Absolute Sicherheit könne es nie geben. Massenhafte, anlasslose Eingriffe in die Grundrechte der Gesamtbevölkerung müssen daher vermieden werden.
DAV lehnt IP-Adressenspeicherung ab
Der DAV hatte die Pläne der letzten Bundesregierung für eine anlassbezogene Quick-Freeze-Lösung als hinnehmbaren Kompromiss bewertet. Die im aktuellen Koalitionsvertrag geforderte 3-monatige IP-Adressdatenspeicherung samt Portnummer ist hingegen abzulehnen. „Eine anlasslose IP-Adressenspeicherung betrifft die Rechte aller Bürgerinnen und Bürger – während kriminelle Nutzer vielfältige Möglichkeiten haben, ihre Identität zu verschleiern“, warnt von Raumer.
Auch auf EU-Ebene ist ein neuer Anlauf für eine Vorratsdatenspeicherung geplant – ungeachtet zahlreicher Tadel des EuGH. Die EU-Kommission führt gerade aktuell eine Sondierung für mögliche neue Maßnahmen durch.
Wo bleibt die Überwachungsgesamtrechnung?
In den nächsten vier Jahren ist mit einer erheblichen Ausweitung an Überwachungs- und Ermittlungsbefugnissen zu rechnen. Neben der IP-Adressenspeicherung stehen Staatstrojaner und biometrischer Abgleich von Bildern auf der Agenda der Koalition. Umso besorgniserregender ist, dass die Überwachungsgesamtrechnung nicht mehr geplant ist. Angesichts der anstehenden Grundrechtseingriffe wäre deren Fortsetzung und Überführung in den Gesetzgebungsprozess als Korrektiv dringend erforderlich.
Bundesregierung muss bei Chatkontrolle hart bleiben
Seit drei Jahren existiert ein Entwurf der EU-Kommission für eine permanente Chatkontrolle-Verordnung. „Aktuell gibt es noch eine Sperrminorität im Rat, sodass das Projekt derzeit auf Eis liegt. Wir hoffen sehr, dass die neue Bundesregierung hier standhaft bleibt“, erläutert der DAV-Präsident.
Der DAV lehnt die Verordnung in weiten Teilen ab. Ob E-Mails, Messenger-Dienste oder Chats: Das verdachtsunabhängige, automatisierte Durchleuchten der gesamten Online-Kommunikation innerhalb der EU ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Freiheitsrechte von Millionen Bürgerinnen und Bürgern. „Es besteht nicht nur eine immense Fehlerquote. Verschlüsselungstechnologien sollen auch systematisch geschwächt oder umgangen werden, was erhebliche Sicherheits- und Missbrauchsrisiken mit sich bringt. Hinzu kommt die große Gefahr für das anwaltliche Berufsgeheimnis. Die Vertraulichkeit der Kommunikation und der Schutz des Mandatsgeheimnisses sind im Rechtsstaat unabdingbar“, betont der Rechtsanwalt.
Anwaltschaft als Garantin für Freiheitsrechte
Gerade in der zunehmend digitalen Welt sind Privatsphäre und Anonymität ein hohes Gut. Auch wenn Stichworte wie Terrorabwehr oder Kinderpornografie fallen, dürfen die Gefahren durch Ermittlungstechnologie für die große Mehrheit der Bevölkerung nicht verschleiert werden – sei es durch Falsch-Positiv-Treffer, sei es durch den Zugriff Krimineller auf Ermittlungszwecken dienende technische Lücken.
„Als Anwaltschaft verstehen wir uns als Garantin für die Verteidigung und Durchsetzung von Freiheitsrechten. Wir werden solche Vorhaben daher sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene weiterhin kritisch begleiten“, verspricht von Raumer. „Und mit Blick auf viele besorgniserregende politische Entwicklungen in der Welt muss man leider auch im Hinterkopf haben: Richte nur solche Instrumente ein, die du auch einer autoritären Regierung anvertrauen würdest.“
PM DAT 06/25: Modernisierung der Justiz: Ja – aber ohne Rechtsschutzeinbußen
Berlin (DAV). Digitalisierung, Personaldecke, Verfahrensordnungen: Die Justiz braucht eine Frischzellenkur. Anlässlich des Deutschen Anwaltstags befürwortet der Deutsche Anwaltverein (DAV) daher die geplante Fortsetzung des Pakts für den Rechtsstaat und das Vorhaben, Abläufe effizienter (und digitaler) zu gestalten. Gleichzeitig warnt der DAV vor einer Verkürzung des Rechtswegs: Effizienz dürfe nicht zulasten der Rechtsuchenden gehen.
„Dass der Koalitionsvertrag eine Fortsetzung des Pakts für den Rechtsstaat vorsieht, ist ein wichtiger Schritt, unsere Justiz zukunftsfähig zu machen“, betont Rechtsanwältin Dr. Sylvia Ruge, Hauptgeschäftsführerin des DAV. Auch die aktuell tagende Justizministerkonferenz beschäftigt sich damit. Primär geht es um die personelle und sachliche Ausstattung der Justiz sowie um die digitale Transformation. „Stichworte wie die ‚Bundesjustizcloud‘ oder das ‚einheitliche digitale Ökosystem‘ stoßen bei uns auf offene Ohren – sie spiegeln das langjährige Plädoyer des DAV nach bundeseinheitlichen Systemen im Rahmen der dringend notwendigen Digitalisierung wider“, so Ruge.
Auch das Vorhaben der digitalen Rechtsantragstelle entspricht einer Forderung des DAV zur Erleichterung des Zugangs zum Recht.
Effizienz darf nicht zulasten des Rechtsschutzes gehen
Bei den Vorschlägen zur Effektivierung der Verfahren durch Änderungen der Prozessordnungen ist allerdings eine besorgniserregende Tendenz erkennbar: „Erhöhung der Rechtsmittelstreitwerte, Begrenzung des Zugangs zur zweiten Instanz, Ausweitung der Präklusionsfristen oder auch die Stärkung der Schätzungs- und Pauschalisierungsbefugnisse der Gerichte – all das bedeutet de facto eine Verkürzung des Rechtswegs und eine Schwächung des Rechtsschutzes“, mahnt die DAV-Hauptgeschäftsführerin.
Der DAV spricht sich klar gegen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung aus, die auf dem Rücken der Rechtsuchenden ausgetragen werden – und sieht bessere Stellschrauben: „Ein entscheidender Hebel für die Effektivierung der Verfahren ist aus unserer Sicht – neben einer angemessenen personellen und sachlichen Ausstattung der Gerichte – vor allem eine rechtzeitige Strukturierung des Verfahrens durch die Prozessleitungsbefugnis der Richter:innen. Ferner sollten entsprechende KI-Tools zur Unterstützung eingesetzt werden, etwa zur Textanalyse“, regt die Rechtsanwältin an. Eine konsequente digitale Transformation würde viele Einschnitte in das Verfahrensrecht entbehrlich machen.
PM DAT 05/25: Anwaltverein wirbt für wehrhaften Rechtsstaat
Berlin (DAV). Zentrales Thema des Deutschen Anwaltstags 2025 ist der wehrhafte Rechtsstaat. So lautet sein Motto: „Rechtsstaatlichkeit stärken – Freiheit bewahren!“ Zwar wurden Pläne für einen besseren Schutz des Bundesverfassungsgerichtes Anfang des Jahres umgesetzt, es bleibt aber laut dem Deutschen Anwaltverein (DAV) weiter viel zu tun: Nicht nur für Justiz in den Bundesländern müssten Vorkehrungen getroffen werden, auch Vereine und Verbände sollten sich wappnen.
Noch in der letzten Legislaturperiode wurde das Grundgesetz geändert, um die Resilienz des Bundesverfassungsgerichts gegen mögliche Eingriffe in dessen Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit zu stärken. „Diese Änderungen waren ein enorm wichtiger Schritt für den Rechtsstaat“, meint DAV-Präsident Stefan von Raumer beim Deutschen Anwaltstag 2025 in Berlin. Der Deutsche Anwaltverein habe dabei erfolgreich Impulse gesetzt.
Nach DAV-Vorstellungen fehlen bei der Absicherung des Bundesverfassungsgerichtes noch einzelne Puzzlestücke: „Wichtig wäre eine verfassungsrechtliche Absicherung des Prozessrechts und der Richterwahl sowie ein Zustimmungserfordernis des Bundesrats zu Änderungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes“, so von Raumer. Damit ließe sich eine zusätzliche Hürde gegen Änderungen schaffen.
Auch auf Länderebene muss nachgebessert werden
Auch die Länder sollten ihre Verfassungsgerichte absichern. Die Notwendigkeit dafür sehe man aktuell in Thüringen, wo die AfD mit ihrer Sperrminorität monatelang Richterwahlen blockiert und die Funktionsfähigkeit der Justiz aufs Spiel setzt. „Die Landesverfassungsgerichte können ein ‚Frühwarnsystem‘ für gesellschaftliche Entwicklungen sein“, erklärt der DAV-Präsident.
Resilienz auch in der Zivilgesellschaft stärken
Doch nicht nur der Staat hat Hausaufgaben: Auch die Zivilgesellschaft spielt eine Schlüsselrolle beim Schutz der Demokratie. Gewerkschaften, Verbände und Vereine tragen ebenso Verantwortung, sich nicht von demokratiefeindlichen Kräften instrumentalisieren zu lassen.
„Wir müssen selbstkritisch fragen: Sind die Anwaltschaft, ihre Organisationen und Selbstverwaltungsorgane eigentlich vor einer möglichen Unterwanderung und Einflussnahme durch extremistische Akteure gesichert?“, meint Rechtsanwältin Dr. Sylvia Ruge, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Anwaltvereins. Der DAV sei parteipolitisch neutral, aber nicht unpolitisch. So habe er sich in seiner Satzung und in seinem Leitbild klare Werte gegeben: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde, Vielfalt.
Doch klar sei für Ruge auch: „Eine gezielte Unterwanderung ließe sich nicht allein dadurch verhindern, dass wir auf unsere Werte pochen.“ Deshalb sei man im Austausch mit den Mitgliedsvereinen, wie eine Absicherung in Satzungen und Geschäftsordnungen gestaltet werden kann. Auf welchen Wegen dies möglich ist – zum Beispiel per Konkretisierung der Aufnahme- und Ausschlussregelungen und/oder einer Unvereinbarkeitsregelung –, wird auch in Veranstaltungen beim Anwaltstag diskutiert.
PM DAT 04/25: DAV verleiht Ehrenzeichen der Anwaltschaft
Berlin (DAV). Auch 2025 zeichnet der Deutsche Anwaltverein (DAV) zwei Personen, die sich um die Anwaltschaft verdient gemacht haben, mit dem Ehrenzeichen der Anwaltschaft aus. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Thomas Hannemann wurden heute beim Deutschen Anwaltstag in Berlin geehrt.
Rechtsanwältin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger – doppelte Bundesministerin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat sich weit über die Politik hinaus einen Namen gemacht – als Ministerin, Mahnerin, Aufklärerin und Rechtsstaatspädagogin. Als letzte Bundesministerin, die aus inhaltlichen Gründen ihr Amt niedergelegt hat, steht sie für aufrechte politische Integrität. 1996 trat Leutheusser-Schnarrenberger aus der Bundesregierung Kohl aus, weil sie den „Großen Lauschangriff“ nicht mittragen konnte. „Das war kein bloßer Reflex, sondern eine bewundernswerte Haltung, die von Ihrer rechtsstaatlichen Grundfestigkeit und Überzeugung zeugt“, erklärt Stefan von Raumer, Präsident des Deutschen Anwaltvereins.
Auch in ihrer zweiten Amtszeit als Bundesjustizministerin von 2009 bis 2013 hat Sabine Leutheusser-Schnarrenberger diese Haltung eindrucksvoll bestätigt, das anwaltliche Berufsrecht modernisiert und entscheidend zur Stärkung der freien Advokatur beigetragen. „Nicht aus Standesdenken, sondern weil Sie erkannt haben, dass die freie Anwaltschaft ein Bollwerk für die Rechte der Bürgerinnen und Bürger ist“, so von Raumer.
Bereits 2019 hatte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Emil-von-Sauer-Preis des Hamburgischen Anwaltvereins erhalten. Heute wurde sie in Abwesenheit geehrt.
Rechtsanwalt Thomas Hannemann – Mietrechtsexperte aus Karlsruhe
Auch der zweite Geehrte hinterlässt stets einen bleibenden Eindruck, wie Stefan von Raumer berichtet: „Es soll Seminarteilnehmer geben, die sich noch nach Jahren an seine Witze und vielleicht gerade deswegen auch an die Themen seiner Vorträge erinnern können.“ Vor allem jedoch habe er eine Gabe, den Menschen stets wohlgesonnen und freundlich zu begegnen, verständlich zu erklären und zu regelnde Dinge unaufgeregt, aber konsequent anzugehen.
Der in Karlsruhe tätige Thomas Hannemann hat die DAV-Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien 1997 mitgegründet und später von 2006 bis 2021 15 Jahre lang geleitet, neue Fortbildungsformate wie den Immobilienrechtstag geschaffen und talentierte Kolleginnen und Kollegen geschickt gefördert. „Sie sind ein geborener Netzwerker und Botschafter der Anwaltschaft, ein Beispiel par excellence für unsere Solidargemeinschaft der Anwaltvereine und Arbeitsgemeinschaften“, lobt DAV-Präsident von Raumer.
Ob an Universitäten, in den Vereinen oder auch vor Richterinnen und Richtern bei der Karlsruher Mietrechtskonferenz: In 35 Jahren Dozententätigkeit profitierten Unzählige von der Erklärkunst Hannemanns. Bemerkenswert war sein Engagement vor Ort in verschiedensten örtlichen Anwaltvereinen.
Der DAV sei für Thomas Hannemann eine große Familie. „Wir freuen uns, ein solches Familienmitglied in unseren Reihen zu haben“, so Stefan von Raumer.
Das Ehrenzeichen der Deutschen Anwaltschaft wird seit 1980 durch den DAV an Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte verliehen, die sich in besonderem Maße um den Berufsstand verdient gemacht haben. Neben einer Urkunde erhalten die Preisträger:innen eine bronzene Kleinskulptur namens „Netsuke“ (japanisch für „Handschmeichler“) des 2008 verstorbenen Bildhauers Karl J. Dierkes.
Hier gelangen Sie zur Liste der bisher Ausgezeichneten.
Nachfolgend ein Eindruck von der Preisverleihung (Quelle: DAV/Andreas Burkhardt, Berlin):
DAV-Präsident Stefan von Raumer mit Thomas Hannemann
(Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wurde in Abwesenheit geehrt.)
PM DAT 03/25: JuMiKo: DAV lehnt biogeografische Herkunftsanalyse von DNA-Spuren ab
Berlin (DAV). Bei der ab Donnerstag stattfindenden Frühjahrskonferenz der Justizminister:innen und -senatorinnen (JuMiKo) sprechen sich Bayern und Baden-Württemberg für die Einführung einer biogeografischen Herkunftsanalyse bei der Auswertung von DNA-Spuren aus. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisiert diesen Vorstoß: Ein Erkenntnisgewinn sei dadurch nicht zu erwarten – eine steigende Diskriminierung von Menschengruppen und Ethnien dagegen umso mehr. Bei der StPO-Reform 2019 wurde dieses Instrument regierungsseitig bereits als untauglich und gefährlich bewertet.
Per biogeographischer Herkunftsanalyse aus DNA-Spuren einen Täter finden: Was nach aufregender Zukunftstechnologie klingt, ist in der Praxis kaum aussagekräftig, dafür umso mehr zum Schüren rassistischer Ressentiments geeignet. Der DAV lehnt die Verankerung der biogeographischen Herkunftsanalyse in der StPO daher ab. „Wir warnen eindringlich vor der Einrichtung ethnisierender Datenbanken ohne ermittlungstaktischen Gewinn, aber mit potenzieller Prangerwirkung“, betont DAV-Präsident Stefan von Raumer, anlässlich des Deutschen Anwaltstags 2025.
Heutzutage können bereits kleinste biologische Spuren sequenziert werden. „Der Beweiswert einer DNA-Spur ist daher – im Gegensatz zum popkulturellen Image aus Film und Fernsehen – in der Realität sehr vom Einzelfall abhängig und nur in einer Gesamtschau zu beurteilen“, erläutert der Rechtsanwalt.
Auch inhaltlich sei der Erkenntnisgewinn überschaubar: „Solche Analysen haben wenig gemein mit den Tests, die für Privatpersonen im Internet zur Ahnenforschung angeboten werden – und die dann für eine gute Probe unter Umständen sehr konkrete Ergebnisse wie ‚50 Prozent Polnisch, 34 Prozent Italienisch und 16 Prozent Schwedisch‘ produzieren. Wir reden hier von maximal sieben Kontinentalregionen, die bei Tatortspuren herauskommen können. Wir erfahren also allenfalls, dass die Vorfahren des Verdächtigen beispielsweise aus Europa stammen, aus Afrika, Amerika oder Ostasien“, so von Raumer.
Mit der StPO-Reform von 2019 wurden „erweiterte DNA-Analysen“ auf Augen-, Haar und Hautfarbe eingeführt – und damit erstmals eine Analyse der sogenannten codierenden Sequenzen der DNA. Der DAV hatte bereits diese Pläne kritisiert und von einem Paradigmenwechsel mit großer Diskriminierungsgefahr gesprochen (siehe DAV-Pressemitteilung Nr. 11/19). Die damalige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hatte sich damals gegen die Ausweitung auf die kontinentale Herkunft ausgesprochen – da dies ermittlungstaktisch nicht weiterhelfe, dafür aber die Gefahr bestehe, dass „größere Gruppen an den Pranger gestellt werden“.
Die Gefahr, dass derartige kontinentale Herkunftsanalysen zur Diskriminierung von Gruppen und Ethnien führen, ist im gegenwärtigen gesellschaftlichen Klima eher noch gestiegen. Die Einwände müssen daher umso dringlicher gelten.
PM DAT 02/25: JuMiKo: DAV begrüßt Pläne für mietrechtliche Erleichterungen bei häuslicher Gewalt
Berlin (DAV). Bei der ab Donnerstag stattfindenden Frühjahrskonferenz der Justizminister:innen und -senatorinnen (JuMiKo) plädiert Hamburg für eine erleichterte Beendigung gemeinsamer Mietverträge in Fällen häuslicher Gewalt. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt diesen Vorstoß aus Betroffenensicht. Eventuelle Härten für Vermieter:innen müssten jedoch berücksichtigt werden.
Hinter dem Vorstoß aus Hamburg steckt die Erfahrung, dass Opfer häuslicher Gewalt Schwierigkeiten haben können, sich aus einem gemeinsamen Mietvertrag zu lösen. So gebe es zwar regelmäßig einen Anspruch gegen den Mitmieter auf Zustimmung. Durchsetzbar sei dieser jedoch nur in einem Zivilprozess bzw. bei Eheleuten vor dem Familiengericht. Bis dahin haften Betroffene gesamtschuldnerisch weiter mit. Dadurch könne weiter Kontrolle ausgeübt und ein Neuanfang erschwert werden.
„Betroffene häuslicher Gewalt müssen sich möglichst ohne langwierigen Rechtsstreit und Kostenlast aus dem gemeinsamen Wohnmietverhältnis mit dem Schädiger lösen können“, betont Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Präsident des DAV, anlässlich des Deutschen Anwaltstags 2025. Konflikte über die Wohnsituation lägen in der Natur gewaltvoller Beziehungen und seien in der Praxis oft anzutreffen. „Wenn sich Opfer aus der Gewaltsituation lösen, die gemeinsame Wohnung verlassen und Ersatzwohnraum anmieten müssen, ist die finanzielle Doppelbelastung mitunter immens – und das in einer ohnehin extremen Ausnahmesituation. Eine unkomplizierte Regelung ist aus dieser Perspektive wünschenswert und könnte vielen Betroffenen einen Neuanfang erleichtern“, so von Raumer.
Eine niederschwellige Regelung zugunsten Betroffener häuslicher Gewalt wirkt sich allerdings auch auf die unbeteiligten Vermieter:innen aus: „Wurde der Mietvertrag gerade mit Blick auf die Einkommenssituation beider Mieter geschlossen, lässt man den Vermieter mit einem Zahlungsrisiko zurück. Man greift damit in Verträge zu Lasten unbeteiligter Personen ein. Hier müsste der Gesetzgeber eine interessensgerechte Lösung finden“, mahnt der Rechtsanwalt.
PM DAT 01/25: „Rechtsstaatlichkeit stärken – Freiheit bewahren“: Start des Deutschen Anwaltstags 2025
Berlin (DAV). Heute startet das Online-Programm des Deutschen Anwaltstags 2025. Ab Mittwoch geht es dann vor Ort in Berlin los. Unter dem Motto „Rechtsstaatlichkeit stärken – Freiheit bewahren“ präsentiert der Deutsche Anwaltverein (DAV) vom 2. bis 6. Juni ein abwechslungsreiches Programm aus Fachvorträgen, politischen Diskussionen, Nützlichem für die Anwaltspraxis und umfangreichem Networking. Die App zum Anwaltstag steht bereits zum Download bereit. Erwartet werden bis zu 2.000 Teilnehmende.
Der Deutsche Anwaltstag 2025 findet vom 2. bis 6. Juni statt – mit einem virtuellen Auftakt ab dem heutigen Montag und einem Präsenzteil im Estrel Congress Center Berlin ab Mittwoch. Unter dem Motto „Rechtsstaatlichkeit stärken – Freiheit bewahren“ widmet sich der Anwaltstag in diesem Jahr den großen demokratischen Werten. „Weltweit beobachten wir, wie Demokratien durch autokratische Regierungen und extremistische Kräfte unter Druck geraten. Auch hierzulande sind wir dagegen nicht immun. Wir richten daher den Blick darauf, wie wir rechtsstaatliche Werte in allen Bereichen der Gesellschaft nachhaltig verteidigen und damit unsere Freiheit sichern können“, erläutert Rechtsanwältin Dr. Sylvia Ruge, Hauptgeschäftsführerin des DAV.
Zahlreiche Veranstaltungen drehen sich um das Thema Resilienz – ob in der Justiz, in der Verwaltung, in der Wirtschaft oder in der Zivilgesellschaft. Auch die virtuelle Welt wird beleuchtet, sei es in Sachen Meinungsfreiheit in Sozialen Medien oder zum Thema Künstliche Intelligenz. Gerade in diesem Jahr kommt man um einen Blick über den nationalen Tellerrand nicht herum: Mehrere (teils englischsprachige) Veranstaltungen widmen sich dem Thema Rechtsstaatlichkeit aus internationalen Perspektiven.
Neben den Fortbildungs- und Diskussionsveranstaltungen gibt es beim Anwaltstag wieder mehrere parteipolitische Empfänge und ein buntes Abendprogramm zu besuchen.
Fachmesse AdvoTec am 5. und 6. Juni
Auch die AdvoTec, die große Fachmesse rund um die Anwaltschaft, wird am Donnerstag und Freitag wieder zentraler Bestandteil des Anwaltstags sein. Software-Anbieter, Fachverlage, Beratungsunternehmen, Banken, Bildungsanbieter, Legal-Tech-Unternehmen, Versicherungen und Verbände: Über 60 Aussteller informieren über Produkte und Dienstleistungen und laden zum Austausch ein – und im Rahmen vieler Aussteller-Seminare und Talks auch zum Weiterbilden!
Gut informiert mit der Anwaltstag-App
Die App zum Deutscher Anwaltstag 2025 steht ab sofort im App Store und bei Google Play zum Download bereit: Ob individuelles Programm, Infos zu den Veranstaltungsorten oder Chats mit Kolleginnen und Kollegen: Mit der App wird das Anwaltstag-Erlebnis komplett. Die Login-Daten werden den Teilnehmenden des Anwaltstags automatisch per Mail zugeschickt.
PM 27/25: Staatsangehörigkeitsrecht: Keine Benachteiligung von Schülern und Alleinerziehenden!
Berlin (DAV). Die Einbürgerungspraxis in den Bundesländern unterscheidet sich deutlich. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) bemängelt große Unsicherheit und eine Benachteiligung von ohnehin bereits schlechter gestellten Personengruppen wie Alleinerziehenden, Menschen mit Behinderung und Schüler:innen. In einer Stellungnahme schlägt der DAV-Ausschuss Migrationsrecht dafür eine Lösung vor.
Staatsangehöriger werden kann in der Regel nur, wer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienmitglieder selbst bestreiten kann. Zwar gibt es Ausnahmen – doch die werden deutschlandweit unterschiedlich ausgelegt.
„In einigen Bundesländern wird die Einbürgerung vieler Menschen, die Sozialleistungen beziehen, kategorisch ausgeschlossen“, erklärt Rechtsanwalt Thomas Oberhäuser, Mitglied im DAV-Ausschuss Migrationsrecht. Betroffen seien davon zum Beispiel ältere Personen, die Grundsicherung beziehen, Schüler:innen und Auszubildende, Pflegende, Alleinerziehende und behinderte oder dauerhaft kranke Menschen.
„Diese Benachteiligung war nicht gewollt, darf auch gar nicht gewollt sein“, so der Anwalt, denn: „Verfassungsrechtlich ist so eine Konstruktion hochproblematisch.“ Der Deutsche Anwaltverein dringe deshalb darauf, das Problem mit der anstehenden Sechsten Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes zu beheben. Das sei mit wenig Aufwand möglich: „Schon jetzt gibt es Ausnahmen, zum Beispiel zur Vermeidung einer besonderen Härte“, erklärt Oberhäuser. Würde man das Wort „besondere“ aus dem Gesetz streichen, würde dies bereits genügen. Alternativ könne auch an anderer Stelle ein Verweis auf die Ausnahmeregelung eingefügt werden. „Das würde eine weniger restriktive Auslegung der Vorschrift nicht nur ermöglichen, sondern auch deutlich als gewollt erkennbar machen.“
Weitere Einzelheiten können Sie der DAV-Stellungnahme Nr. 15/2025 entnehmen.
ErbR 6/25: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses
Saarbrücken/Berlin (DAV) Ein Europäisches Nachlasszeugnis dient anstelle eines Erbscheins als Erbnachweis in anderen EU-Mitgliedstaaten, sodass Erben sich auch dort auf ihre Rechtposition berufen können. Zuständig für die Ausstellung sind die Gerichte des Landes, in dem der Erblasser zum Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dabei ist auf den tatsächlichen Lebensmittelpunkt des Erblassers abzustellen. Doch wie bestimmt sich dieser? Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet über einen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Saarbrücken, Beschl. v. 29. Januar 2025 (5 W 50/24).
Die Erben eines in Frankreich verstorbenen Mannes mit deutscher Staatsangehörigkeit beantragen die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses. Zum Nachlass gehört unter anderem auch Grundbesitz in Frankreich. Das Amtsgericht in Deutschland bejaht die eigene internationale Zuständigkeit für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses.
Zu Recht. Das OLG hat in seiner Entscheidung die Zuständigkeit der deutschen Gerichte bestätigt. Zuständig sind nach Art. 4 EuErbVO die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dabei sei mittels einer Gesamtbeurteilung der Lebensumstände auf den tatsächlichen Lebensmittelpunkt des Erblassers abzustellen. Wesentliche Faktoren seien Dauer, Regelmäßigkeit und Umstände des Aufenthalts, sowie Staatsangehörigkeit, Sprachkenntnisse, familiäre und soziale Bindungen. Nach Anwendung dieser Grundsätze sei der letzte gewöhnliche Lebensmittelpunkt des Erblassers in Deutschland gewesen. Obwohl dieser in Frankreich wohnhaft war, habe er berufliche, soziale und familiäre Bindungen allein in Deutschland gehabt. Er war in Deutschland auch steuerlich veranlagt und beherrschte ausschließlich die deutsche Sprache. Nach Auffassung des Gerichts befand sich der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers daher trotz des Wohnhauses in Frankreich weiterhin im Inland, weil es an engeren beruflichen, familiären oder sozialen Beziehungen in Frankreich fehlte.
Informationen: www.dav-erbrecht.de
VerkR 20/25: Bußgeldbescheid: Schriftform durch Ausdruck gewahrt - Einspruch per E-Mail wirksam
Büdingen/Berlin (DAV). Ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid per Mail kann wirksam kann. Voraussetzung ist, dass eine unterschriebene PDF-Datei per E-Mail eingereicht und innerhalb der Frist von der Behörde ausgedruckt und zu den Akten genommen wird. In einem solchen Fall sei das Schriftformerfordernis gewahrt. Dies entschied das Amtsgericht (AG) Büdingen am 30. September 2024 (AZ: 60 OWi 86/24), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.
Dem Betroffenen war am 29. Juni 2024 ein Bußgeldbescheid wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit zugestellt worden. Innerhalb der zweiwöchigen Frist legte er am 12. Juli 2024 per einfacher E-Mail Einspruch ein. Dieser E-Mail war ein PDF-Dokument angehängt, das den Einspruch mit Begründung und Unterschrift des Betroffenen enthielt. Das Regierungspräsidium druckte die E-Mail und das PDF-Dokument am 15. Juli 2024 aus und nahm es zur Akte. Dennoch verwarf die Behörde den Einspruch mit Bescheid vom 01. August 2024 als unzulässig, da er nicht den Formerfordernissen entspreche, wonach ein schriftliches Dokument entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen oder signiert auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden müsse. Der Betroffene übersandte daraufhin sein Einspruchsschreiben erneut per Post und beantragte gegen den erneuten Verwerfungsbescheid gerichtliche Entscheidung.
Das Amtsgericht Büdingen hob die Bescheide auf und gab der Beschwerde des Betroffenen statt.
Das Gericht stellte klar: Zwar sei ein Einspruch per einfacher E-Mail formunwirksam. Doch wenn das beigefügte, unterschriebene PDF-Dokument ausgedruckt und zur Akte genommen wird, wird das Schriftformerfordernis dennoch erfüllt. Der Ausdruck verwandle das elektronische Dokument in ein Schriftstück. Da der Ausdruck innerhalb der Zweiwochenfrist erfolgte, sei der Einspruch auch fristgerecht eingegangen.
Zudem sei der zweite, per Post übersandte Einspruch inhaltlich so zu werten, dass der Betroffene gegen den ersten Verwerfungsbescheid Rechtsmittel eingelegt habe. Spätestens durch die Begründung seines gerichtlichen Antrags sei seine Absicht eindeutig geworden.
Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV betont die Bedeutung dieser Entscheidung für die Rechtspraxis. Sie stellt klar, dass auch bei der Übermittlung per einfacher E-Mail das Schriftformerfordernis gewahrt sein kann, wenn ein unterschriebenes Dokument eingescannt und als Anhang beigefügt wird und dieser Anhang fristgerecht ausgedruckt und zur Akte genommen wird. Dies stärkt die Rechte der Bürger im Bußgeldverfahren und vermeidet unnötige formelle Hürden.
Informationen: www.verkehrsanwaelte.de
VerkR 19/25: Gericht vergisst Verjährung: Verfahren gegen Verkehrssünder endet ohne Urteil
Naumburg/Berlin (DAV). Wird eine bereits anberaumte Hauptverhandlung aufgehoben und auf schriftlichem Wege entschieden, unterbricht dies die Verfolgungsverjährung nicht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg am 11. November 2024 (AZ: 1 ORbs 230/24) entschieden, wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.
Dem Beschluss lag ein Ordnungswidrigkeitenverfahren zugrunde. Der Betroffene war am 14. März 2023 wegen eines Verkehrsverstoßes zur Verantwortung gezogen worden. Die Verjährung (in der Regel sechs Monate) wurde zunächst mehrfach unterbrochen, zuletzt durch die Verlegung eines Hauptverhandlungstermins auf den 11. März 2024. Kurz vor diesem Termin – am 7. März 2024 – beantragte der Verteidiger des Betroffenen eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren. Die zuständige Richterin hob daraufhin den Termin am 8. März 2024 auf und entschied am 4. September 2024 durch Beschluss.
Das OLG Naumburg stellte nun fest, dass durch die bloße Aufhebung des Gerichtstermins keine erneute Unterbrechung der Verjährung eingetreten sei. Die letzte wirksame Unterbrechung datiere auf den 19. Dezember 2023. Damit sei am 19. Juni 2024 Verjährung eingetreten – noch bevor das Amtsgericht seine Entscheidung gefällt hatte.
Das Gericht begründete seine Entscheidung mit der klaren Gesetzeslage: Zwar könne die Anberaumung oder Verlegung eines Hauptverhandlungstermins die Verjährung unterbrechen, nicht aber dessen Aufhebung. Auch eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren könne nur dann eine Verjährungsunterbrechung begründen, wenn zuvor ein förmlicher Hinweis erteilt wurde. Ein solcher Hinweis war im vorliegenden Fall nicht erfolgt.
Die Unterrichtung des Verteidigers über die Entscheidung im Beschlussverfahren sei lediglich eine Mitteilung des weiteren Vorgehens und entfaltet keine unterbrechende Wirkung. Damit habe das Amtsgericht zu spät entschieden – das Verfahren wurde wegen eingetretener Verfolgungsverjährung eingestellt.
Informationen: www.verkehrsanwaelte.de
FamR 7/25: Witwe kann Herausgabe von eingefrorenem Sperma ihres Manns verlangen
Frankfurt a.M./Berlin (DAV). Eine Frau kann verlangen, dass die Klinik ihr das kryokonservierte Keimmaterial ihres verstorbenen Manns zur Verfügung stellt. Über eine entsprechende Entscheidung des Landgerichts Frankfurt/Main vom 04. Februar 2025 (AZ: 2-04 O 29/25) informiert die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Der Mann hatte im Angesicht einer lebensbedrohlichen Krebserkrankung sein Sperma in Stickstoff einfrieren lassen. Nach seinem Tod wollte seine Frau sich mit diesem Sperma künstlich befruchten lassen. Die Klinik lehnte das ab und verwies auf den Vertrag, den sie mit dem Mann abgeschlossen hatte. Laut diesem musste das Sperma nach dem Tod des Mannes vernichtet werden. Außerdem verbiete das Embryonenschutzgesetz grundsätzlich die Befruchtung mit dem Samen eines Verstorbenen.
Trotzdem bekam die Frau vor Gericht Recht. Die Richter meinten, der Vertrag zwinge die Klinik nicht zur Vernichtung des Spermas. Zwar schütze das Embryonenschutzgesetz das Recht beider Partner, über eine Elternschaft selbst zu entscheiden. Dieser Schutz sei aber nicht verletzt, da der Mann vor seinem Tod eingewilligt habe, dass seine Frau das Sperma verwenden darf. Es sei klar, dass beide ein gemeinsames Kind wollten – auch nach seinem Tod. Dies habe die Frau schlüssig nachgewiesen.
Das Gericht sah auch keine Gefahr für das Kind oder eine Straftat durch die Klinikmitarbeiter. Da der Wille des Mannes vorlag, sei die künstliche Befruchtung erlaubt.
Information: www.dav-familienrecht.de
PM 26/25: Fachanwaltschaften überarbeitungsbedürftig
Berlin (DAV). Anlässlich der anstehenden Satzungsversammlung plädiert der Deutsche Anwaltverein (DAV) für eine Reform im Rahmen der Fachanwaltschaft: Konkret geht es um die Verlängerung des Nachweiszeitraums für die praktische Fallbearbeitung von drei auf fünf Jahre. Dies sei nicht nur aufgrund generell veränderter Lebens- und Berufsrealitäten geboten. Auch die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern sei ein bedeutsamer Faktor des Phänomens, dass Rechtsanwältinnen seltener Fachanwaltstitel erwerben. Durch eine Verlängerung könne man hier positiv gegensteuern.
Ein Fachanwaltstitel erfordert nach der Fachanwaltsordnung (FAO) neben theoretischen Kenntnissen und entsprechenden Prüfungsleistungen auch eine Bearbeitung einer bestimmten Anzahl von Fällen innerhalb eines Regelzeitraumes von drei Jahren. Mit Blick auf die moderne, flexiblere Ausgestaltung der anwaltlichen Berufsausübung – Teilzeitmodelle, familiär bedingte Auszeiten – und allgemein gesunkene Fallzahlen ist die aktuelle Frist nach Auffassung des DAV nicht mehr zeitgemäß.
„Wir haben zum einen gesellschaftlich akzeptierte Unterbrechungen – mittlerweile für alle Geschlechter – wenn Nachwuchs oder Pflege ansteht. Zugleich beobachten wir aber auch einen generellen Rückgang der Fälle bei zugleich steigendem Aufwand pro Mandat“, erläutert Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Gasteyer, Vorsitzender des DAV-Ausschusses Berufsrecht die veränderten Verhältnisse.
Es betrifft alle – aber nicht alle gleich
Sorgearbeit, Mental-Load: In der Lebenswirklichkeit bleibt der deutlich überwiegende Teil der unsichtbaren und unbezahlten Arbeit an Frauen hängen. Erwerbstätigkeit findet folglich häufiger in Teilzeit statt. Und selbst bei Vollzeittätigkeit bleibt durch die Mehrfachbelastung bei den weiblichen Berufsträgerinnen deutlich weniger Luft für berufliche Extras.
Denn obwohl Rechtsanwältinnen weitaus häufiger als ihre männlichen Kollegen in kleinen und mittleren Kanzleien tätig sind, in denen Fachanwaltstitel besonders oft vorkommen, sind sie bei den Fachanwaltschaften weiterhin unterrepräsentiert. Die bestehenden Härtefallregelungen reichen offenbar nicht aus, um dies auszugleichen.
Aus 3 mach 5
Der DAV hält eine Verlängerung von drei auf fünf Jahre für sinnvoll und sachgerecht. „Das verschafft den Betroffenen mehr Luft und senkt die Zugangshindernisse. Wir gehen auch nicht davon aus, dass der Maximalzeitraum von allen ausgenutzt wird, denn am Ende haben die Kolleginnen und Kollegen ja ein wirtschaftliches Interesse daran, schnellstmöglich die Fachanwaltschaft zu erwerben“, so Gasteyer.
Ein Qualitätsverlust ist nach Überzeugung des DAV durch die Verlängerung des Nachweiszeitraumes nicht zu befürchten: Die Gesamtzahl der nachzuweisenden Fälle bleibe gleich; und die Erinnerungen und Erfahrungen seien auch nach fünf Jahren noch hinreichend präsent.
Die Verlängerung in besonderen Fällen (§ 5 Abs. 3 FAO) soll als Härtefallklausel daneben bestehen bleiben. Die grundsätzliche Verlängerung des Nachweiszeitraums hätte aber für die Kammern den Vorteil, dass sich die besondere Prüfung von Härtefällen in vielen Fällen erübrigte.
Die Satzungsversammlung ist Satzungsgeber für die FAO, § 59a Abs. 2 Nr. 2 BRAO. Die Sitzung findet am 26. Mai 2025 in Berlin statt.
PM 25/25: US law firms in Germany and the independence of lawyers
Berlin (German Bar Association). How should the deals made between the Trump administration and some US law firms that have a presence in Germany be assessed under the German rules governing the legal profession? The independence of lawyers is one of the core professional obligations in Germany. With this in mind, the German Bar Association (DAV) has drawn up a position paper.
Revocation of security clearances, exclusion from government contracts: Those who have made themselves unpopular with the new US government – for example through representing political opponents – were recently faced with possible sanctions through executive orders. To avoid these, some US law firms struck deals with the US government, in which they agreed to provide pro bono legal advice, among other things. The total volume of legal services promised is said to amount to almost one billion US dollars. Whether these (undisclosed) agreements also contain the condition that the law firms concerned do not act against the Trump administration can only be assumed. It seems most likely.
“We have observed this very rapid development with great concern and asked ourselves what kind of impact such agreements have on US law firms operating in Germany, who are subject to German professional law, as well as on our colleagues working for them,” explains Dr. Ulrich Karpenstein, lawyer and Vice President of the German Bar Association. One of the core values of the legal profession in Germany is the independence of lawyers, laid down in the German Federal Code for Lawyers (BRAO). “The 'freedom of the legal profession', which was achieved in the 19th century with painstaking effort, primarily means freedom from dependence on the government,” emphasizes Karpenstein.
For Professor Dr. Thomas Gasteyer, Chairman of the German Bar Association’s Committee on Professional Practice, this entails consequences for US law firms active in Germany: “Agreements by which lawyers dispense of their independence from the state are likely to prove illegal under the German law on the legal profession.”
If there are indications that a lawyer’s obligation of independence has been violated, the competent bar association can initiate disciplinary proceedings, which can have serious consequences. However, even in the event of the most severe sanction against a US law firm – the withdrawal of the authorization to provide legal services in Germany by the Lawyers’ Courts – the impact on its lawyers working in Germany and their economic and social freedom of association would be serious but limited: “The individual admission and the possibility of working together in other professional partnerships would remain unaffected for our colleagues,” explains Gasteyer.
For detailed explanations please read the German Bar Association’s position paper “US law firms in Germany and the independence of lawyers”.
PM 25/25: US-Kanzleien und die anwaltliche Unabhängigkeit
Berlin (DAV). Wie sind die Deals einiger auch in Deutschland tätiger US-Kanzleien mit der Trump-Administration berufsrechtlich zu bewerten? Die Unabhängigkeit der anwaltlichen Berufsausübung gehört in Deutschland zu den beruflichen Kernpflichten. Mit Blick darauf hat der Deutsche Anwaltverein (DAV) ein Positionspapier verfasst.
Entzug von Sicherheitsfreigaben, Ausschluss von Regierungsaufträgen: Wer sich bei der neuen US-Regierung unbeliebt gemacht hat – etwa durch anwaltliche Vertretung politischer Gegner – sah sich jüngst möglichen Sanktionen durch Executive Orders ausgesetzt. Um diese abzuwenden, gingen einige US-Kanzleien Deals mit der Regierung ein, in denen sie unter anderem kostenlose Rechtsberatung zusagten. Das Gesamtvolumen der zugesagten Rechtsdienstleistungen soll sich auf fast eine Milliarde US-Dollar belaufen. Dass diese (nicht veröffentlichten) Vereinbarungen auch die Auflage enthalten, nicht gegen die Trump-Administration zu agieren, lässt sich nur mutmaßen, ist aber naheliegend.
„Wir haben diese sehr rasche Entwicklung mit großer Sorge beobachtet und uns gefragt, welche Auswirkungen solche Vereinbarungen eigentlich auf Niederlassungen oder Kolleginnen und Kollegen haben, die dem deutschen Berufsrecht unterworfen sind“, erläutert Rechtsanwalt Dr. Ulrich Karpenstein, Vizepräsident des DAV. Einer der anwaltlichen Core Values in Deutschland ist die Unabhängigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, normiert in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). „Die im 19. Jahrhundert mühevoll errungene ‚Freiheit der Advokatur‘ meint vor allem die Freiheit von staatlichen Bindungen“, betont Karpenstein.
Für Prof. Dr. Thomas Gasteyer, Vorsitzender des DAV-Ausschusses Berufsrecht, bedeutet das mit Blick auf die hier aktiven US-Kanzleien: „Vereinbarungen, durch die sich Rechtsanwälte ihrer Unabhängigkeit vom Staat entledigen, dürften nach deutschem Berufsrecht rechtswidrig sein.“
Gibt es Anhaltspunkte für Verstöße gegen die Unabhängigkeitsverpflichtung, kann die zuständige Rechtsanwaltskammer ein berufsaufsichtsrechtliches Verfahren einleiten. Doch selbst im Falle der schärfsten Sanktion gegen eine US-Kanzlei – der Entzug der Rechtsdienstleistungsbefugnis nach der BRAO durch die Anwaltsgerichtsbarkeit – wären die Auswirkungen auf die in Deutschland tätigen Anwält:innen und ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenschlussfreiheit zwar schwerwiegend, aber begrenzt: „Die individuelle Zulassung und die Möglichkeit, in anderen Berufsausübungsgesellschaften zusammenzuarbeiten, blieben für die Kolleginnen und Kollegen unberührt“, erläutert Gasteyer.
Vertiefte Ausführungen können Sie dem vollständigen DAV-Positionspapier „US-Kanzleien in Deutschland und die anwaltliche Unabhängigkeit“ entnehmen.
PM 24/25: Open for Signature: Zeremonie zur Konvention zum Schutz des Anwaltsberufs
Berlin/Luxemburg (DAV). Seit Dienstag liegt die Konvention des Europarates zum Schutz des Anwaltsberufs zur Zeichnung durch die Vertragsstaaten aus. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt die rasche Unterzeichnung durch die ersten 17 Staaten. Der DAV appelliert nun an die neue Bundesregierung, durch eine zeitnahe Unterzeichnung und Ratifikation ebenfalls ein wichtiges Zeichen für die unabhängige Anwaltschaft und rechtsstaatliche Grundwerte zu setzen.
Es ist ein historischer Moment: Seit dem 13. Mai 2025 liegt die Konvention des Europarates zum Schutz des Anwaltsberufs zur Zeichnung durch die Vertragsstaaten aus. Anlässlich der feierlichen Zeremonie in Luxemburg haben bereits 13 Staaten, darunter Frankreich, Polen und Italien, die Konvention unterzeichnet; vier weitere Staaten folgten gestern (siehe hierzu die Pressemitteilung des Europarates).
„Wir freuen uns, dass dieses wichtige Projekt, das der DAV lange gefordert hatte und in der Redaktionsphase aktiv begleitet hat, nun Realität geworden ist. Wir hoffen nun auf eine rasche Unterzeichnung und anschließende Ratifikation durch Deutschland und möglichst zahlreiche weitere Staaten weltweit“, betont Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Präsident des DAV. Mit einer raschen Unterzeichnung und anschließenden Ratifikation könne Deutschland gerade in der aktuellen Zeit ein wichtiges Signal zur Stärkung rechtsstaatlicher Grundwerte senden sowie ein Zeichen der Solidarität mit der Anwaltschaft als zentralem Teil des Rechtsstaats setzen.
Die Angriffe auf die Unabhängigkeit der Anwaltschaft, wie sie derzeit etwa in den USA und der Türkei zu beobachten sind, aber auch die Angriffe auf einzelne Anwältinnen und Anwälte in Ländern der EU zeigen, wie wichtig klare und verbindliche Regelungen zum Schutz der anwaltlichen Berufsausübung und Selbstverwaltung sowie zur Sicherung der Unabhängigkeit der Anwaltschaft sind.
Mehr zur Konvention des Europarates zum Schutz des Anwaltsberufs lesen Sie im Statement vom 12. März 2025 sowie in der Mai-Ausgabe des Anwaltsblatts.