Art. 125 GG

BVerfG, 28.05.1957 - 2 BvO 5/56

1. Kann ein Gericht über die Fortgeltung einer Rechtsnorm als Bundesrecht nur entscheiden, indem es sich entweder zu einer beachtlichen in der Literatur vertretenen Auffassung oder zur Rechtsprechung des Verfassungsgerichts eines Landes in Gegensatz setzt, so ist die zu entscheidende Frage streitig im Sinne des § 86 Abs. 2 BVerfGG und muß, wenn sie für die Entscheidung erheblich ist, dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden.
2. Als Abänderung von Reichsrecht im Sinne des Art. 125 Nr. 2 GG ist jede Verfügung des Landesgesetzgebers über früheres Reichsrecht anzusehen, dessen Gegenstand zur konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes gehört. Auch die Ersetzung einer reichsrechtlichen Gesamtregelung durch eine landesrechtliche Gesamtregelung stellt sich demnach als "Abänderung" von Reichsrecht im Sinne des Art. 125 Nr. 2 GG dar.

BVerfG, 11.05.1955 - 1 BvO 1/54

1. Recht im Sinne des Art. 125 Nr. 1 GG ist die gesamte Regelung eines bestimmten Sachgebietes, einer begrifflich selbständigen, in sich abgeschlossenen Rechtsmaterie.
2. Für die einheitliche Geltung innerhalb einer Besatzungszone kommt es bei den nach 1945 erlassenen Rechtsvorschriften nicht auf die Identität der Rechtsquelle an, sondern auf die inhaltliche Übereinstimmung. Dabei können sachliche Abweichungen, die durch die von Land zu Land bestehenden Unterschiede in Behördenorganisation und -zuständigkeiten bedingt sind, im allgemeinen außer Betracht bleiben.
3. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG steht einer landesrechtlichen Regelung nicht entgegen, die das "negative Entscheidungsmonopol" des Landesverfassungsgerichts auf vorkonstitutionelles Landesrecht erstreckt.

BVerfG, 28.04.1954 - 1 BvL 85/53

1. Ein Gericht darf nur dann gemäß Art. 126 GG, § 86 Abs. 2 BVerfGG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen, wenn es für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits darauf ankommt, ob ein Gesetz auf Grund der Tatbestände der Art. 124, 125 GG als Bundesrecht fortgilt.
2. Im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG, §§ 80 ff. BVerfGG kann die Frage, ob ein vorkonstitutionelles Gesetz nach Art. 124, 125 GG zu einem Bundesgesetz geworden ist, als Vorfrage geprüft werden.
3. Recht, das die Besatzungsmächte vor dem Zusammentritt des Bundestags erlassen haben, ist nicht nach Art. 123 bis 125 GG Bundesrecht geworden.
4. Die ausschließliche Entscheidungsbefugnis des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG erstreckt sich nicht auf die Feststellung der Unvereinbarkeit deutschen Rechts mit Besatzungsrecht.

BVerfG, 06.03.1952 - 1 BvO 1/51

Besteht in einem gerichtlichen Verfahren Streit darüber, ob ein Reichsgesetz durch ein Kontrollratsgesetz vor Einwirkung des Grundgesetzes aufgehoben worden ist, so betrifft er nicht die Rechtsfrage, ob das Reichsgesetz im Sinne der Art. 125, 126 GG als Bundesrecht fortgilt.
Die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist insoweit unzulässig.