Art. 14 GG

BVerfG, 08.06.1960 - 1 BvR 580/53

1. Die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes erstreckt sich gemäß Art. 74 Nr. 1 GG auch auf die Verfassung und das Verfahren von Behörden, die in der Form von Gerichten organisiert sind, dem Herkommen und der Übung nach als Gerichte angesehen und als solche bezeichnet werden.
2. Die Ermächtigungen für den Landesgesetzgeber in Art. 142 EG BGB und den §§ 191, 200 Abs. 1 FGG sind nicht durch § 77 Abs. 1 RNotO außer Kraft gesetzt worden.
3. Art. 14 GG gewährleistet nicht, daß dem Träger eines öffentlichen Amtes, auch wenn sich aus diesem privatrechtliche Ansprüche ergeben sollten, "Konkurrenten" ferngehalten werden müßten.
4. Für die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG ist kein Raum, wenn die Regelung sich darauf erstreckt, welche Organe zur Vornahme von Hoheitsakten zuständig sind und welche Gebühren sie zu erheben haben.

BVerfG, 21.03.1957 - 1 BvR 65/54

1. Auch Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen können mit der Verfassungsbeschwerde angefochten werden.
2. Durch das Gesetz über die drei Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz, über die Regelung der Forderungen der Schweizer Eidgenossenschaft gegen das ehemalige Deutsche Reich und zum deutschen Lastenausgleich vom 7. März 1953 (BGBl. II S. 15) und das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz vom 26. August 1952 (BGBl. 1953 Il S. 17) werden Art. 3 und 14 GG nicht verletzt.

BVerfG, 21.07.1955 - 1 BvL 33/51

1. Alle Enteignungsgesetze, die nach Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassen worden sind und die Entschädigung nicht in einer dem Art. 14 Abs. 3 Satz 2 und 3 GG entsprechenden Weise regeln, sind wegen Verstoßes gegen diese "Junktimklausel" verfassungswidrig.
2. Wenn ein Gericht den Enteignungscharakter eines Gesetzes bejaht, jedoch annimmt, daß die Entschädigungsregelung dem Art. 14 Abs. 3 Satz 2 und 3 GG nicht entspricht, so ist es nach Art. 100 Abs. 1 GG zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht verpflichtet; es ist nicht befugt, solche Gesetze als rechtswirksam zu behandeln und durch richterliche Festsetzung einer zureichenden Entschädigung zu ergänzen.
3. Nicht alle vermögenswerten subjektiven öffentlichen Rechte sind Eigentum im Sinne des Art. 14 GG. Maßgebend ist allein, ob im Einzelfalle ein subjektives öffentliches Recht dem Inhaber eine Rechtsposition verschafft, die derjenigen eines Eigentümers entspricht.
4. Wenn ein Gesetz eine Gruppe ganz gleichartiger, auch ihrer Zahl nach im wesentlichen bereits feststehender Tatbestände für einen relativ kurzen Zeitraum regelt, so ist der Gesetzgeber durch den Gleichheitssatz grundsätzlich daran gehindert, durch ein neues Gesetz für einen kleinen Rest der von dem bisherigen Gesetz erfaßten Tatbestände abweichende Bestimmungen zu treffen.

BVerfG, 20.07.1954 - 1 BvR 459, 484, 548, 555, 623, 651, 748, 783, 801/52, 5, 9/53, 96, 114/54

1. Art. 74 Nr. 11 GG begründet die Zuständigkeit des Bundes auch für Gesetze, die ordnend und lenkend in das Wirtschaftsleben eingreifen.
2. Wirtschaftslenkende Gesetze verstoßen nicht schon deshalb gegen den Gleichheitssatz, weil sie die Wettbewerbslage verändern. Sie können auch im Interesse einzelner Gruppen erlassen werden, jedoch nur, wenn dies durch das öffentliche Wohl geboten ist und schutzwürdige Interessen anderer nicht willkürlich vernachlässigt werden.
3. Ein gesetzlicher Eingriff in die Freiheit der Disposition über Betriebsmittel ist mit Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar, sofern ein angemessener Spielraum zur Entfaltung der Unternehmerinitiative verbleibt.
4. Art. 14 GG schützt nicht das Vermögen als solches.
5. Die Liquidität des Betriebes ist kein der Eigentumsgarantie unterliegendes Recht.
6. Ein bestimmtes Wirtschaftssystem ist durch das Grundgesetz nicht gewährleistet.
7. Offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften können unter ihrer Firma Verfassungsbeschwerde erheben.
8. Verfassungsbeschwerden können auch telegrafisch eingelegt werden.

BVerfG, 01.07.1953 - 1 BvL 23/51

1. Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG ist unabhängig davon, ob auch das Verfassungsgericht eines Landes die Vereinbarkeit von Landesrecht mit Normen der Landesverfassung zu prüfen hat, die mit Normen des Grundgesetzes inhaltsgleich sind.
2. Für die Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses genügt es, daß nach Ansicht des vorlegenden Gerichts der beschrittene Rechtsweg zulässig und daß diese Ansicht des Gerichts nicht offensichtlich unhaltbar ist.
3. "Eigentum" im Sinne des Art. 14 GG umfaßt grundsätzlich nicht vermögenswerte Rechte des öffentlichen Rechts, jedenfalls nicht Ansprüche, die der Staat in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht den Bürgern durch Gesetz einräumt.
4. Das Verfassungsrecht besteht nicht nur aus den einzelnen Sätzen der geschriebenen Verfassung, sondern auch aus gewissen sie verbindenden, innerlich zusammenhaltenden allgemeinen Grundsätzen und Leitideen, die der Verfassungsgesetzgeber, weil sie das vorverfassungsmäßige Gesamtbild geprägt haben, von dem er ausgegangen ist, nicht in einem besonderen Rechtssatz konkretisiert hat.
5. Zu den Leitideen des Grundgesetzes, die auch den Landesgesetzgeber unmittelbar binden, gehört das Rechtsstaatsprinzip.
6. Das Rechtsstaatsprinzip enthält als wesentlichen Bestandteil die Gewährleistung der Rechtssicherheit; diese verlangt nicht nur einen geregelten Verlauf des Rechtsfindungsverfahrens, sondern auch einen Abschluß, dessen Rechtsbeständigkeit gesichert ist.
7. Mit der Gewährleistung der Rechtssicherheit ist es unverträglich, daß Akte der Staatsgewalt, die wie die Haftentschädigungsbeschlüsse in Nordrhein-Westfalen auf Grund eines gültigen Gesetzes in einem gerichtsähnlichen Verfahren zustandegekommen sind, an dem der Staat und der Einzelne als Parteien beteiligt waren, und die dem Einzelnen auf Grund eines abgeschlossenen Tatbestandes vorbehaltlos eine bestimmte Rechtsposition verliehen haben, nur wegen eines Wandels der Rechtsauffassung wieder beseitigt werden.

BVerfG, 30.04.1952 - 1 BvR 14/52; 1 BvR 25/52; 1 BvR 167/52

1. Im Verfahren über die Verfassungsbeschwerde gegen ein Bundesgesetz kann das Bundesverfassungsgericht von Amts wegen prüfen, ob eine Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung bestanden hat.
2. Die Zuständigkeit des Bundes zur gesetzlichen Regelung des Handwerksrechts nach Art. 74 Ziff. 11 GG ergreift jeden einzelnen Zweig des Handwerks entsprechend seiner Eigenart in vollem Umfang.
3. Der Gleichheitssatz verpflichtet den Gesetzgeber nicht, unter allen Umständen Ungleiches ungleich zu behandeln. Entscheidend ist vielmehr, ob für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die tatsächlichen Ungleichheiten in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sind, daß der Gesetzgeber sie bei seiner Regelung beachten muß.
4. Art. 14 GG schützt das Rechtsinstitut des Eigentums, so wie es das bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen geformt haben. "Eigentum" im Sinne dieser Bestimmung ist nicht eine vorwiegend durch das öffentliche Recht gewährte und bestimmte Rechtsposition wie der Gewerbebetrieb des Bezirksschornsteinfegermeisters.
5. Es verstößt nicht schlechthin gegen rechtsstaatliche Grundsätze, wenn ein Gesetz anordnet, daß die in ihm bestimmten Rechtswirkungen mit Wirkung von einem vor der Verkündung liegenden Zeitpunkt an eintreten.
6. Grundrechte der Länderverfassungen sind durch Art. 142 GG nur insoweit aufrechterhalten, als sie mit Grundrechten des Grundgesetzes übereinstimmen. Die Feststellung, daß kein Verstoß gegen die entsprechenden Bundesgrundrechte vorliegt, gilt also auch für sie. Gehen sie über die Bundesgrundrechte hinaus, so können sie einer sonst zulässigen bundesrechtlichen Regelung nicht entgegenstehen (Art. 31 GG).