Art. 14 GG

BVerfG, 21.03.1957 - 1 BvR 65/54

1. Auch Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen können mit der Verfassungsbeschwerde angefochten werden.
2. Durch das Gesetz über die drei Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz, über die Regelung der Forderungen der Schweizer Eidgenossenschaft gegen das ehemalige Deutsche Reich und zum deutschen Lastenausgleich vom 7. März 1953 (BGBl. II S. 15) und das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz vom 26. August 1952 (BGBl. 1953 Il S. 17) werden Art. 3 und 14 GG nicht verletzt.

BVerfG, 21.07.1955 - 1 BvL 33/51

1. Alle Enteignungsgesetze, die nach Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassen worden sind und die Entschädigung nicht in einer dem Art. 14 Abs. 3 Satz 2 und 3 GG entsprechenden Weise regeln, sind wegen Verstoßes gegen diese "Junktimklausel" verfassungswidrig.
2. Wenn ein Gericht den Enteignungscharakter eines Gesetzes bejaht, jedoch annimmt, daß die Entschädigungsregelung dem Art. 14 Abs. 3 Satz 2 und 3 GG nicht entspricht, so ist es nach Art. 100 Abs. 1 GG zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht verpflichtet; es ist nicht befugt, solche Gesetze als rechtswirksam zu behandeln und durch richterliche Festsetzung einer zureichenden Entschädigung zu ergänzen.
3. Nicht alle vermögenswerten subjektiven öffentlichen Rechte sind Eigentum im Sinne des Art. 14 GG. Maßgebend ist allein, ob im Einzelfalle ein subjektives öffentliches Recht dem Inhaber eine Rechtsposition verschafft, die derjenigen eines Eigentümers entspricht.
4. Wenn ein Gesetz eine Gruppe ganz gleichartiger, auch ihrer Zahl nach im wesentlichen bereits feststehender Tatbestände für einen relativ kurzen Zeitraum regelt, so ist der Gesetzgeber durch den Gleichheitssatz grundsätzlich daran gehindert, durch ein neues Gesetz für einen kleinen Rest der von dem bisherigen Gesetz erfaßten Tatbestände abweichende Bestimmungen zu treffen.

BVerfG, 20.07.1954 - 1 BvR 459, 484, 548, 555, 623, 651, 748, 783, 801/52, 5, 9/53, 96, 114/54

1. Art. 74 Nr. 11 GG begründet die Zuständigkeit des Bundes auch für Gesetze, die ordnend und lenkend in das Wirtschaftsleben eingreifen.
2. Wirtschaftslenkende Gesetze verstoßen nicht schon deshalb gegen den Gleichheitssatz, weil sie die Wettbewerbslage verändern. Sie können auch im Interesse einzelner Gruppen erlassen werden, jedoch nur, wenn dies durch das öffentliche Wohl geboten ist und schutzwürdige Interessen anderer nicht willkürlich vernachlässigt werden.
3. Ein gesetzlicher Eingriff in die Freiheit der Disposition über Betriebsmittel ist mit Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar, sofern ein angemessener Spielraum zur Entfaltung der Unternehmerinitiative verbleibt.
4. Art. 14 GG schützt nicht das Vermögen als solches.
5. Die Liquidität des Betriebes ist kein der Eigentumsgarantie unterliegendes Recht.
6. Ein bestimmtes Wirtschaftssystem ist durch das Grundgesetz nicht gewährleistet.
7. Offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften können unter ihrer Firma Verfassungsbeschwerde erheben.
8. Verfassungsbeschwerden können auch telegrafisch eingelegt werden.

BVerfG, 17.12.1953 - 1 BvR 147/52

1. Wer an einem gerichtlichen Verfahren beteiligt ist, für dessen Entscheidung es auf die Verfassungsmäßigkeit einer Norm ankommt, hat grundsätzlich kein Rechtsschutzinteresse, gegen die Norm selbst Verfassungsbeschwerde einzulegen. Ist jedoch die Norm bereits Gegenstand einer anhängigen Verfassungsbeschwerde, so ist es nicht zu beanstanden, wenn das Gericht das Verfahren aussetzt, um dem Beteiligten Gelegenheit zu geben, auch seinerseits Verfassungsbeschwerde einzulegen.
2. Alle Beamtenverhältnisse sind am 8. Mai 1945 erloschen.
3. Art. 129 WRV hat im nationalsozialistischen Staat seine Verfassungskraft verloren und sie auch später nicht wiedererlangt.
4. Die Geltung des Satzes, daß der Wechsel der Staatsform die Beamtenverhältnisse unberührt lasse, setzt voraus, daß es sich um echte Beamtenverhältnisse in traditionell-rechtsstaatlichem Sinne handelt, wie sie sich im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts in Deutschland entwickelt haben.
5. Die durch das nationalsozialistische Beamtenrecht geschaffenen rechtserheblichen Tatsachen und Rechtszerstörungen lassen sich nicht als nur tatsächliche Behinderungen der Geltung des "wirklichen Rechts" beiseite schieben und nachträglich ungeschehen machen. Aus Gründen der Rechtssicherheit können sie nur durch neue gesetzgeberische Maßnahmen beseitigt werden.
6. Die nach dem 8. Mai 1945 neu begründeten Dienstverhältnisse standen unter dem besonderen Vorbehalt des Eingriffes der Militärregierung zum Zwecke der politischen Überprüfung. Amtsentfernungen zu diesem Zwecke hatten in der amerikanischen Besatzungszone nicht eine Suspension, sondern eine endgültige Entlassung zur Folge.
7. Art. 33 Abs. 5 GG stellt nicht - wie Art. 129 WRV - wohlerworbene Rechte der Beamten unter Verfassungsschutz; er gewährleistet das Berufsbeamtentum als Einrichtung insoweit, als es sich in seiner hergebrachten Gestalt in den Rahmen unseres heutigen Staatslebens einfügen läßt.
8. Art. 131 GG ist nicht lediglich eine Zuständigkeitsnorm; er bezweckt auch inhaltlich eine besondere rechtliche Gestaltung bei der Regelung jenes Komplexes beamtenrechtlicher Verhältnisse, auf die wegen ihrer Eigenart die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) nicht im gleichen Maße angewandt werden können wie beim aktiven Dienst.
9. Die Einführung der zehnjährigen Wartefrist und des Rechtsstandes des Beamten zur Wiederverwendung, die Nichterneuerung der erloschenen Beamtenverhältnisse auf Widerruf und die Nichtberücksichtigung von Ernennungen und Beförderungen im Rahmen des § 7 G 131 verstoßen nicht gegen Art. 33 Abs. 5 GG.
10. Das G 131 verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, soweit es
a) die Rechtsverhältnisse der betroffenen Beamten abweichend vom allgemeinen Beamtenrecht regelt;
b) die Rechtsstellung und Tätigkeit der früheren Beamten nicht bis ins einzelne berücksichtigt;
c) günstigere Landesregelungen zuläßt;
d) gewisse Ernennungen und Beförderungen nicht berücksichtigt;
e) die "Nichtbetroffenen" günstiger behandelt;
f) in § 4 alter und neuer Fassung Stichtage festsetzt.
11. Die Einbeziehung der Hochschullehrer in das G 131 verstößt nicht gegen Art. 33 Abs. 5 GG.
12. Die die Beamten betreffenden Regelungen des G 131 verletzen nicht die Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 103 Abs. 2 und 3 und Art. 139 GG.
13. Die vermögensrechtlichen Ansprüche der Versorgungsempfänger haben ihre Grundlage in einem öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis, das in Art. 33 Abs. 5 GG eine verfassungsmäßige Sonderregelung gefunden hat; eine Kürzung ihrer öffentlich-rechtlichen Ansprüche für die Zukunft kann daher nicht gegen Art. 14 GG verstoßen.
14. Versorgungsempfänger, die ihre Bezüge aus Kassen außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes erhalten hatten, können ihre Ansprüche für die Übergangszeit, in der der Gesamtstaat handlungsunfähig war, nach den Grundsätzen über die Tragung des Betriebsrisikos nicht geltend machen; wenn das G 131 sie allein auf die von den Ländern in der Übergangszeit gewährten Zahlungen verweist, verstößt es nicht gegen Art. 14 GG.
15. Wenn das G 131 die verdrängten Versorgungsempfänger abweichend von den einheimischen behandelt, so berücksichtigt diese Unterscheidung den föderalistischen Aufbau der Bundesrepublik; sie ist daher legitim, wenn sie nicht so dauerhaft und schwerwiegend ist, daß sie zu einer endgültigen Diskriminierung der verdrängten Versorgungsempfänger führt.
16. Die Kürzung des Witwengeldes bei besonders großem Altersunterschied verstößt nicht gegen Art. 3 und Art. 33 Abs. 5 GG.
17. Art. 33 Abs. 5 GG garantiert nicht den einmal erworbenen öffentlich-rechtlichen Versorgungsanspruch in seiner vollen Höhe als wohlerworbenes Recht; er läßt Kürzungen zu, sofern der standesgemäße Unterhalt nicht beeinträchtigt wird, wie er für die einzelnen Beamtengruppen - unter Berücksichtigung des allgemeinen Lebensstandards - jeweils besonders zu bemessen ist.

BVerfG, 01.07.1953 - 1 BvL 23/51

1. Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG ist unabhängig davon, ob auch das Verfassungsgericht eines Landes die Vereinbarkeit von Landesrecht mit Normen der Landesverfassung zu prüfen hat, die mit Normen des Grundgesetzes inhaltsgleich sind.
2. Für die Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses genügt es, daß nach Ansicht des vorlegenden Gerichts der beschrittene Rechtsweg zulässig und daß diese Ansicht des Gerichts nicht offensichtlich unhaltbar ist.
3. "Eigentum" im Sinne des Art. 14 GG umfaßt grundsätzlich nicht vermögenswerte Rechte des öffentlichen Rechts, jedenfalls nicht Ansprüche, die der Staat in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht den Bürgern durch Gesetz einräumt.
4. Das Verfassungsrecht besteht nicht nur aus den einzelnen Sätzen der geschriebenen Verfassung, sondern auch aus gewissen sie verbindenden, innerlich zusammenhaltenden allgemeinen Grundsätzen und Leitideen, die der Verfassungsgesetzgeber, weil sie das vorverfassungsmäßige Gesamtbild geprägt haben, von dem er ausgegangen ist, nicht in einem besonderen Rechtssatz konkretisiert hat.
5. Zu den Leitideen des Grundgesetzes, die auch den Landesgesetzgeber unmittelbar binden, gehört das Rechtsstaatsprinzip.
6. Das Rechtsstaatsprinzip enthält als wesentlichen Bestandteil die Gewährleistung der Rechtssicherheit; diese verlangt nicht nur einen geregelten Verlauf des Rechtsfindungsverfahrens, sondern auch einen Abschluß, dessen Rechtsbeständigkeit gesichert ist.
7. Mit der Gewährleistung der Rechtssicherheit ist es unverträglich, daß Akte der Staatsgewalt, die wie die Haftentschädigungsbeschlüsse in Nordrhein-Westfalen auf Grund eines gültigen Gesetzes in einem gerichtsähnlichen Verfahren zustandegekommen sind, an dem der Staat und der Einzelne als Parteien beteiligt waren, und die dem Einzelnen auf Grund eines abgeschlossenen Tatbestandes vorbehaltlos eine bestimmte Rechtsposition verliehen haben, nur wegen eines Wandels der Rechtsauffassung wieder beseitigt werden.

BVerfG, 30.04.1952 - 1 BvR 14/52; 1 BvR 25/52; 1 BvR 167/52

1. Im Verfahren über die Verfassungsbeschwerde gegen ein Bundesgesetz kann das Bundesverfassungsgericht von Amts wegen prüfen, ob eine Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung bestanden hat.
2. Die Zuständigkeit des Bundes zur gesetzlichen Regelung des Handwerksrechts nach Art. 74 Ziff. 11 GG ergreift jeden einzelnen Zweig des Handwerks entsprechend seiner Eigenart in vollem Umfang.
3. Der Gleichheitssatz verpflichtet den Gesetzgeber nicht, unter allen Umständen Ungleiches ungleich zu behandeln. Entscheidend ist vielmehr, ob für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die tatsächlichen Ungleichheiten in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sind, daß der Gesetzgeber sie bei seiner Regelung beachten muß.
4. Art. 14 GG schützt das Rechtsinstitut des Eigentums, so wie es das bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen geformt haben. "Eigentum" im Sinne dieser Bestimmung ist nicht eine vorwiegend durch das öffentliche Recht gewährte und bestimmte Rechtsposition wie der Gewerbebetrieb des Bezirksschornsteinfegermeisters.
5. Es verstößt nicht schlechthin gegen rechtsstaatliche Grundsätze, wenn ein Gesetz anordnet, daß die in ihm bestimmten Rechtswirkungen mit Wirkung von einem vor der Verkündung liegenden Zeitpunkt an eintreten.
6. Grundrechte der Länderverfassungen sind durch Art. 142 GG nur insoweit aufrechterhalten, als sie mit Grundrechten des Grundgesetzes übereinstimmen. Die Feststellung, daß kein Verstoß gegen die entsprechenden Bundesgrundrechte vorliegt, gilt also auch für sie. Gehen sie über die Bundesgrundrechte hinaus, so können sie einer sonst zulässigen bundesrechtlichen Regelung nicht entgegenstehen (Art. 31 GG).