EuGH, 22.03.2012 - C-190/10
Parteien
In der Rechtssache C‑190/10
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Spanien) mit Entscheidung vom 24. Februar 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 16. April 2010, in dem Verfahren
Génesis Seguros Generales Sociedad Anónima de Seguros y Reaseguros (Génesis)
gegen
Boys Toys SA,
Administración del Estado
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet, E. Levits (Berichterstatter) und J.‑J. Kasel sowie der Richterin M. Berger,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Génesis Seguros Generales Sociedad Anónima de Seguros y Reaseguros (Génesis), vertreten durch D. Garayalde Niño und A. I. Alpera Plazas, abogadas, sowie durch V. Venturini Medina, procurador,
– der spanischen Regierung, vertreten durch B. Plaza Cruz als Bevollmächtigte,
– der griechischen Regierung, vertreten durch K. Georgiadis, Z. Chatzipavlou und G. Alexaki als Bevollmächtigte,
– der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Gippini Fournier als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. März 2011
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1).
2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Génesis Seguros Generales Sociedad Anónima de Seguros y Reaseguros (im Folgenden: Génesis) gegen die Boys Toys SA, Rechtsnachfolgerin der Pool Angel Tomás SL, und die Administración del Estado wegen der Entscheidung des Oficina Española de Patentes y Marcas (Spanisches Patent- und Markenamt, im Folgenden: OEPM), den Widerspruch von Génesis gegen die Eintragung der nationalen spanischen Marke Rizo’s zurückzuweisen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3. Die Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) wurde durch die Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (kodifizierte Fassung) (ABl. L 299, S. 25) aufgehoben. Die Erste Richtlinie 89/104 ist jedoch aufgrund des Zeitpunkts des Sachverhalts für das Ausgangsverfahren weiterhin maßgeblich.
4. Art. 4 („Weitere Eintragungshindernisse oder Ungültigkeitsgründe bei Kollision mit älteren Rechten“) dieser Richtlinie bestimmte:
„(1) Eine Marke ist von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegt im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung,
a) wenn sie mit einer älteren Marke identisch ist und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet oder eingetragen worden ist, mit den Waren oder Dienstleistungen identisch sind, für die die ältere Marke Schutz genießt;
b) wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.
(2) ‚Ältere Marken‘ im Sinne von Absatz 1 sind
a) Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Marke, gegebenenfalls mit der für diese Marken in Anspruch genommenen Priorität, und die den nachstehenden Kategorien angehören:
i) Gemeinschaftsmarken;
…
c) Anmeldungen von Marken nach Buchstaben a) und b), vorbehaltlich ihrer Eintragung;
…“
5. Die Verordnung Nr. 40/94 wurde durch die am 13. April 2009 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (kodifizierte Fassung) (ABl. L 78, S. 1) aufgehoben. Aufgrund des Zeitpunkts des Sachverhalts fällt der vorliegende Rechtsstreit jedoch unter die erstgenannte Verordnung in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2003 des Rates vom 27. Oktober 2003 (ABl. L 296, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: geänderte Verordnung Nr. 40/94).
6. Art. 8 („Relative Eintragungshindernisse“) der geänderten Verordnung Nr. 40/94 bestimmte in seinen Abs. 1 und 2:
„(1) Auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke ist die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen,
a) wenn sie mit der älteren Marke identisch ist und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet worden ist, mit den Waren oder Dienstleistungen identisch sind, für die die ältere Marke Schutz genießt;
b) wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.(2) ‚Ältere Marken‘ im Sinne von Abs. 1 sind
a) Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke, gegebenenfalls mit der für diese Marken in Anspruch genommenen Priorität, die den nachstehenden Kategorien angehören:
i) Gemeinschaftsmarken;
…
b) Anmeldungen von Marken nach Buchstabe a), vorbehaltlich ihrer Eintragung;
…“
7. In Art. 14 („Ergänzende Anwendung des einzelstaatlichen Rechts bei Verletzung“) Abs. 1 der geänderten Verordnung Nr. 40/94 hieß es, dass sich die Wirkung der Gemeinschaftsmarke ausschließlich nach dieser Verordnung bestimmt und dass im Übrigen die Verletzung einer Gemeinschaftsmarke dem für die Verletzung nationaler Marken geltenden Recht gemäß den Bestimmungen des Titels X dieser Verordnung unterliegt.
8. Art. 26 der geänderten Verordnung Nr. 40/94, der die Erfordernisse der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke betraf, lautete:
„(1) Die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke muss enthalten:
a) einen Antrag auf Eintragung einer Gemeinschaftsmarke;
b) Angaben, die es erlauben, die Identität des Anmelders festzustellen;
c) ein Verzeichnis der Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung begehrt wird;
d) eine Wiedergabe der Marke.
(2) Für die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke sind die Anmeldegebühr und gegebenenfalls eine oder mehrere Klassengebühren zu entrichten.
(3) Die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke muss den in der Durchführungsverordnung nach Artikel 140 vorgesehenen Erfordernissen entsprechen.“
9. Art. 27 („Anmeldetag“) der Verordnung Nr. 40/94 bestimmte:
„Der Anmeldetag einer Gemeinschaftsmarke ist der Tag, an dem die die Angaben nach Artikel 26 Absatz 1 enthaltenden Unterlagen vom Anmelder beim [Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)] oder, wenn die Anmeldung bei der Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz eines Mitgliedstaats oder beim BENELUX-Markenamt eingereicht worden ist, bei der Zentralbehörde beziehungsweise beim BENELUX-Markenamt eingereicht worden sind, sofern binnen eines Monats nach Einreichung der genannten Unterlagen die Anmeldegebühr gezahlt wird.“
10. Art. 32 („Wirkung einer nationalen Hinterlegung der Anmeldung“) der geänderten Verordnung Nr. 40/94 sah vor, dass „[d]ie Anmeldung der Gemeinschaftsmarke, deren Anmeldetag feststeht, in den Mitgliedstaaten die Wirkung einer vorschriftsmäßigen nationalen Hinterlegung hat, gegebenenfalls mit der für die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke in Anspruch genommenen Priorität“.
11. Art. 97 („Anwendbares Recht“) der Verordnung Nr. 40/94 lautete:
„(1) Die Gemeinschaftsmarkengerichte wenden die Vorschriften dieser Verordnung an.
(2) In allen Fragen, die nicht durch diese Verordnung erfasst werden, wenden die Gemeinschaftsmarkengerichte ihr nationales Recht einschließlich ihres internationalen Privatrechts an.
(3) Soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, wendet das Gemeinschaftsmarkengericht die Verfahrensvorschriften an, die in dem Mitgliedstaat, in dem es seinen Sitz hat, auf gleichartige Verfahren betreffend nationale Marken anwendbar sind.“
12. Regel 5 („Einreichung der Anmeldung“) der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1) lautet:
„(1) Das [HABM] vermerkt auf den Unterlagen der Anmeldung den Tag ihres Eingangs und das Aktenzeichen der Anmeldung. Es übermittelt dem Anmelder unverzüglich eine Empfangsbescheinigung, die mindestens das Aktenzeichen, eine Wiedergabe, eine Beschreibung oder sonstige Identifizierung der Marke, die Art und Zahl der Unterlagen und den Tag ihres Eingangs enthält.
(2) Wird die Anmeldung gemäß Artikel 25 der Verordnung bei einer Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz eines Mitgliedstaats oder beim Benelux-Markenamt eingereicht, so nummeriert diese Behörde alle Blätter der Anmeldung mit arabischen Zahlen. Sie vermerkt auf den Unterlagen, aus denen sich die Anmeldung zusammensetzt, vor ihrer Weiterleitung das Eingangsdatum und die Zahl der Blätter. Sie übermittelt dem Anmelder unverzüglich eine Empfangsbescheinigung, in der mindestens die Art und Zahl der Unterlagen und der Tag ihres Eingangs angegeben werden.
(3) Hat das [HABM] eine Anmeldung durch Vermittlung einer Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz eines Mitgliedstaats oder des Benelux-Markenamtes erhalten, so vermerkt es auf der Anmeldung das Eingangsdatum und das Aktenzeichen und übermittelt dem Anmelder unverzüglich eine Empfangsbescheinigung gemäß Absatz 1 Satz 2 unter Angabe des Tages des Eingangs beim [HABM].“
Nationales Recht
13. Gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. a und c der Ley 17/2001 de Marcas (Gesetz 17/2001 über die Marken) vom 7. Dezember 2001 (BOE Nr. 294 vom 8. Dezember 2001, S. 45579) ist unter „älteren Marken“ zu verstehen:
„…
a) eine eingetragene Marke mit einem früheren Tag der Anmeldung oder einem früheren Tag der für die Anmeldung der Marke in Anspruch genommenen Priorität als dem Tag der zu prüfenden Anmeldung, die den nachstehenden Kategorien angehört:
i) spanische Marken;
ii) mit Wirkung für Spanien international registrierte Marken;
iii) Gemeinschaftsmarken;
…
c) die Anmeldung einer der unter Buchst. a und b genannten Marken, vorbehaltlich der Bestätigung ihrer Eintragung;
…“
14. Art. 11 („Anmeldung“) Abs. 6 dieses Gesetzes lautet:
„Die für die Entgegennahme der Anmeldung zuständige Stelle erfasst zum Zeitpunkt des Empfangs die Nummer der Anmeldung sowie den Tag, die Stunde und die Minute ihrer Übermittlung in einer durch Verordnung festzulegenden Form.“
15. Art. 13 des Gesetzes 17/2001 bestimmt:
„(1) Der Anmeldetag ist der Tag, an dem die gemäß Art. 11 zuständige Stelle die die Angaben nach Art. 12 Abs. 1 enthaltenden Unterlagen entgegennimmt.
(2) Der Anmeldetag einer bei einem Postamt eingereichten Anmeldung ist der Tag, an dem das Postamt die die Angaben nach Art. 12 Abs. 1 enthaltenden Unterlagen entgegennimmt, sofern sie in einem offenen Umschlag und als an die für die Entgegennahme der Anmeldung zuständige Stelle gerichtetes Einschreiben mit Rückschein eingereicht werden. Das Postamt vermerkt den Tag, die Stunde und die Minute der Einreichung.
(3) Hat eine Verwaltungsstelle oder ‑einheit im Sinne der vorstehenden Absätze bei der Entgegennahme der Anmeldung die Stunde ihrer Einreichung nicht vermerkt, gilt sie als in der letzten Stunde des jeweiligen Tages eingereicht. Wurde die Minute nicht vermerkt, gilt sie als in der letzten Minute der jeweiligen Stunde eingereicht. Wurde weder die Stunde noch die Minute vermerkt, gilt sie als in der letzten Stunde und der letzten Minute des jeweiligen Tages eingereicht.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
16. Gemäß der Vorlageentscheidung meldete Génesis am 12. Dezember 2003 um 11.52 Uhr bzw. um 12.13 Uhr beim HABM auf elektronischem Wege zwei Gemeinschaftsmarken an, und zwar die Wortmarke Rizo für Waren der Klassen 16, 28, 35 und 36 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung und die Wortmarke „Rizo, El Erizo“ für Waren der Klassen 16, 35 und 36 im Sinne dieses Abkommens.
17. Außerdem ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass die Pool Angel Tomás SL am selben Tag, jedoch um 17.45 Uhr, beim OEPM die Wortmarke „Rizo’s“ für Waren der Klasse 28 dieses Abkommens anmeldete.
18. Génesis erhob gegen die Anmeldung der nationalen Marke Widerspruch, weil sie der Ansicht war, dass die Gemeinschaftswortmarken „Rizo“ und „Rizo, El Rizo“ älter als die erstgenannte Marke seien.
19. Nachdem das OEPM den Widerspruch mit Entscheidung vom 9. Dezember 2004 zurückgewiesen hatte, legte Génesis Einspruch ein und beantragte, dass das OEPM die Priorität ihrer Gemeinschaftsmarken feststellen möge, da diese Gemeinschaftsmarken am 12. Dezember 2003 elektronisch angemeldet worden seien und dieses Datum maßgeblich sei.
20. Das OEPM wies den Einspruch mit Entscheidung vom 29. Juni 2005 zurück. Es stellte erneut fest, dass gemäß Art. 27 der geänderten Verordnung Nr. 40/94 davon auszugehen sei, dass die Anmeldung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gemeinschaftsmarken am 7. Januar 2004 – dem Zeitpunkt, zu dem die Unterlagen tatsächlich vorgelegt worden seien – erfolgt sei, und dass dieser Zeitpunkt nach dem der Anmeldung der spanischen Marke „Rizo’s“ liege.
21. Auf die von Génesis gegen die letztgenannte Entscheidung erhobene Klage stellte die Zweite Abteilung der Kammer für Verwaltungsstreitsachen des Tribunal Superior de Justicia de Madrid mit Urteil vom 7. Februar 2007 fest, dass die Eintragung der spanischen Marke Rizo’s rechtmäßig gewesen sei. Das Gericht war der Auffassung, dass Anmeldetag der entgegengehaltenen Gemeinschaftsmarken der Tag gewesen sei, an dem die Unterlagen tatsächlich vorgelegt worden seien, und nicht der 12. Dezember 2003, der Tag der Anmeldung auf elektronischem Weg.
22. Génesis legte daraufhin gegen dieses Urteil beim vorlegenden Gericht Rechtsmittel ein, mit dem sie zum einen der Auffassung des Tribunal Superior de Justicia de Madrid betreffend den Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarken entgegentrat und geltend machte, dass bei korrekter Auslegung der Art. 26 und 27 der geänderten Verordnung Nr. 40/94 der Tag als Anmeldetag gelten müsse, an dem die Anmeldungen beim HABM eingegangen und dort entgegengenommen worden seien. Deshalb sei im Ausgangsverfahren davon auszugehen, dass der 12. Dezember 2003 der Anmeldetag sei. Zum anderen habe das Tribunal Superior de Justicia de Madrid dadurch, dass es die Seniorität der Gemeinschaftsmarken „Rizo“ und „Rizo, El Erizo“ nicht anerkannt habe, gegen Art. 6 Abs. 2 Buchst. a und c des Gesetzes 17/2001 verstoßen.
23. Unter diesen Umständen hat das Tribunal Supremo beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Kann Art. 27 der geänderten Verordnung Nr. 40/94 dahin ausgelegt werden, dass nicht nur der Tag, sondern auch die Stunde und die Minute der Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke beim HABM berücksichtigt werden können (sofern diese Angabe feststeht), um über den zeitlichen Vorrang gegenüber einer an demselben Tag angemeldeten nationalen Marke zu entscheiden, wenn nach den die Eintragung Letzterer regelnden innerstaatlichen Bestimmungen die Uhrzeit der Einreichung der Anmeldung zu berücksichtigen ist?
Zur Vorlagefrage
Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens
24. Die vom vorlegenden Gericht aufgeworfene Frage geht von der Prämisse aus, dass die Gemeinschaftsmarken und die nationale Marke am selben Tag angemeldet wurden.
25. Dem Vorabentscheidungsersuchen ist zwar zu entnehmen, dass sowohl das OEPM als auch das erstinstanzliche Gericht die Auffassung vertraten, dass die Gemeinschaftsmarken an einem späteren Tag als die nationale Marke angemeldet worden seien, doch berührt dieser Umstand nicht die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens.
26. Nach ständiger Rechtsprechung spricht nämlich eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts, die es zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat (Urteile vom 15. Mai 2003, Salzmann, C‑300/01, Slg. 2003, I‑4899, Randnrn. 29 und 31, vom 7. Juni 2007, van der Weerd u. a., C‑222/05 bis C‑225/05, Slg. 2007, I‑4233, Randnr. 22, und vom 16. Dezember 2008, Cartesio, C‑210/06, Slg. 2008, I‑9641, Randnr. 67). Die Zurückweisung des Ersuchens eines nationalen Gerichts ist dem Gerichtshof nur möglich, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil Cartesio, Randnr. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).
27. Da Génesis sowohl im ersten Rechtszug als auch vor dem vorlegenden Gericht der Auffassung entgegengetreten ist, dass die Gemeinschaftsmarken an einem späteren Tag als die nationale Marke angemeldet worden seien, gehört diese Frage zu dem vom vorlegenden Gericht zu entscheidenden Streitgegenstand. Deshalb ergibt sich zumindest nicht offensichtlich, dass die erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder sich auf ein Problem offensichtlich hypothetischer Natur bezieht.
28. Somit ist auf die Vorlagefrage zu antworten.
Zur Begründetheit
29. Das vorlegende Gericht möchte mit seiner Frage wissen, ob Art. 27 der geänderten Verordnung Nr. 40/94 dahin auszulegen ist, dass nicht nur der Tag, sondern auch die Stunde und die Minute der Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke beim HABM berücksichtigt werden können, um über den zeitlichen Vorrang einer solchen Marke gegenüber einer am selben Tag angemeldeten nationalen Marke zu entscheiden, wenn nach der nationalen Regelung für die Anmeldung der nationalen Marke dabei die Stunde und die Minute der Einreichung der Anmeldung zu berücksichtigen sind.
30. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Markenschutz innerhalb der Europäischen Union durch die Koexistenz mehrerer Schutzsysteme gekennzeichnet ist.
31. Zum einen hat die Richtlinie 89/104 gemäß ihrem ersten Erwägungsgrund zum Ziel, das Markenrecht der Mitgliedstaaten anzugleichen, um die Unterschiede zu beseitigen, durch die der freie Warenverkehr und der freie Dienstleistungsverkehr behindert und die Wettbewerbsbedingungen im Gemeinsamen Markt verfälscht werden können.
32. Zwar erscheint es nach dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 89/104 „gegenwärtig nicht notwendig, die Markenrechte der Mitgliedstaaten vollständig anzugleichen“, doch enthält diese Richtlinie eine Harmonisierung der zentralen Sachvorschriften auf diesem Gebiet, nämlich, wie es in diesem Erwägungsgrund heißt, derjenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die sich am unmittelbarsten auf das Funktionieren des Binnenmarkts auswirken; eine umfassende Harmonisierung dieser Rechtsvorschriften schließt dieser Erwägungsgrund nicht aus (Urteile vom 16. Juli 1998, Silhouette International Schmied, C‑355/96, Slg. 1998, I‑4799, Randnr. 23, vom 11. März 2003, Ansul, C‑40/01, Slg. 2003, I‑2439, Randnr. 27, und vom 22. September 2011, Budějovický Budvar, C‑482/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 30).
33. Im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 89/104 wird jedoch insbesondere hervorgehoben, dass es „[d]en Mitgliedstaaten … weiterhin [freisteht], Verfahrensbestimmungen für die Eintragung, den Verfall oder die Ungültigkeit der durch Eintragung erworbenen Marken zu erlassen. Es steht ihnen beispielsweise zu, die Form der Verfahren für die Eintragung und die Ungültigerklärung festzulegen, zu bestimmen, ob ältere Rechte im Eintragungsverfahren oder im Verfahren zur Ungültigerklärung oder in beiden Verfahren geltend gemacht werden müssen, und – wenn ältere Rechte im Eintragungsverfahren geltend gemacht werden dürfen – ein Widerspruchsverfahren oder eine Prüfung von Amts wegen oder beides vorzusehen.“
34. Die Richtlinie 89/104 enthält also keine Vorschriften für die Modalitäten der Einreichung oder zur Bestimmung des Tages der Anmeldung nationaler Marken. Da es den Mitgliedstaaten weiterhin freisteht, in diesem Bereich ihre eigenen Vorschriften zu erlassen, können die Vorschriften sich folglich von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden.
35. Zum anderen ergibt sich aus dem zweiten Erwägungsgrund der geänderten Verordnung Nr. 40/94, dass das mit ihr verfolgte Ziel in der Schaffung eines Gemeinschaftssystems für Marken besteht, die einen einheitlichen Schutz genießen und im gesamten Gebiet der Union wirksam sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. April 2011, DHL Express France, C‑235/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 41).
36. Diese Gemeinschaftsregelung für Marken ist ein autonomes System, das aus einer Gesamtheit von Vorschriften besteht und Zielsetzungen verfolgt, die ihm eigen sind, und dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist (vgl. u. a. Urteile vom 25. Oktober 2007, Develey/HABM, C‑238/06 P, Slg. 2007, I‑9375, Randnr. 65, vom 16. Juli 2009, American Clothing Associates/HABM und HABM/American Clothing Associates, C‑202/08 P und C‑208/08 P, Slg. 2009, I‑6933, Randnr. 58, und vom 30. September 2010, Evets/HABM, C‑479/09 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 49).
37. Die Gemeinschaftsregelung für Marken hat als autonomes und von den nationalen Systemen unabhängiges System für die Modalitäten der Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke eigene Regeln, die in der geänderten Verordnung Nr. 40/94 und der Verordnung Nr. 2868/95 festgelegt sind. Insbesondere enthält Art. 27 der geänderten Verordnung Nr. 40/94 eine spezifische Regelung für den Anmeldetag einer Gemeinschaftsmarke, ohne dabei auf einzelstaatliche Rechtsvorschriften zu verweisen.
38. Unter diesen Umständen ist für die Beantwortung der Vorlagefrage als Erstes zu prüfen, ob der in Art. 27 der geänderten Verordnung Nr. 40/94 verwendete Begriff „Anmeldetag einer Gemeinschaftsmarke“ dahin auszulegen ist, dass er nicht nur die Berücksichtigung des Tages, sondern auch der Stunde und der Minute der Einreichung der Anmeldung beinhaltet.
39. Falls der Begriff „Anmeldetag einer Gemeinschaftsmarke“ im Sinne von Art. 27 der geänderten Verordnung Nr. 40/94 dahin auszulegen ist, dass er nicht die Berücksichtigung der Stunde und der Minute der Einreichung der Anmeldung beinhaltet, ist als Zweites zu prüfen, ob es das Unionsrecht untersagt, dass diese Angaben gleichwohl aufgrund des nationalen Rechts berücksichtigt werden, um über den zeitlichen Vorrang einer Gemeinschaftsmarke gegenüber einer am selben Tag angemeldeten nationalen Marke zu entscheiden, wenn nach der nationalen Regelung für die Anmeldung der nationalen Marke die Stunde und die Minute der Einreichung der Anmeldung zu berücksichtigen sind.
Zum Sinn und zur Tragweite des Begriffs „Anmeldetag“ in Art. 27 der geänderten Verordnung Nr. 40/94
40. Zunächst ist festzustellen, dass aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes folgt, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die unter Berücksichtigung des Kontexts der Vorschrift und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss (vgl. u. a. Urteile vom 18. Januar 1984, Ekro, 327/82, Slg. 1984, 107, Randnr. 11, vom 19. September 2000, Linster, C‑287/98, Slg. 2000, I‑6917, Randnr. 43, vom 21. Oktober 2010, Padawan, C‑467/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32, und Budějovický Budvar, Randnr. 29).
41. Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass Sinn und Tragweite von Begriffen, die das Recht der Union nicht definiert, entsprechend ihrem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, und der mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgten Ziele zu bestimmen sind (vgl. u. a. Urteile vom 10. März 2005, easyCar, C‑336/03, Slg. 2005, I‑1947, Randnr. 21, vom 22. Dezember 2008, Wallentin-Hermann, C‑549/07, Slg. 2008, I‑11061, Randnr. 17, vom 29. Juli 2010, UGT‑FSP, C‑151/09, Slg. 2010, I‑7587, Randnr. 39, und Budějovický Budvar, Randnr. 39).
42. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung der verschiedenen Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts gebietet schließlich auch, dass die fragliche Vorschrift, wenn die Fassungen voneinander abweichen, nach dem Zusammenhang und dem Zweck der Regelung ausgelegt wird, zu der sie gehört (Urteile vom 24. Oktober 1996, Kraaijeveld u. a., C‑72/95, Slg. 1996, I‑5403, Randnr. 28, vom 19. April 2007, Profisa, C‑63/06, Slg. 2007, I‑3239, Randnr. 14, und vom 15. Dezember 2011, Møller, C‑585/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 26).
43. Eine vergleichende Untersuchung der verschiedenen Sprachfassungen von Art. 27 der geänderten Verordnung Nr. 40/94 ergibt jedoch, dass sie einige Abweichungen aufweisen.
44. Die tschechische, die deutsche, die ungarische, die slowakische, die finnische und die schwedische Fassung dieses Artikels beziehen sich sowohl in der Überschrift dieses Artikels als auch im Artikel selbst auf den Anmeldetag („Den podání“, „Anmeldetag“, „A bejelentés napja“, „Deň podania“, „Hakemispäivä“, „Ansökningsdag“), während in der litauischen und in der polnischen Fassung dieses Artikels klargestellt wird, dass das Datum der Anmeldung („Padavimo data“, „Data zgłoszenia“) dem Tag entspricht, an dem der Antrag eingegangen ist.
45. In den übrigen Sprachfassungen wird demgegenüber lediglich der Begriff „Datum der Anmeldung“ der Gemeinschaftsmarke verwendet.
46. Allerdings sind die zwischen diesen Sprachfassungen bestehenden Unterschiede zu relativieren, da der Begriff „Tag“ in seiner gewöhnlichen Bedeutung im Allgemeinen den Tag eines Monats, den Monat und das Jahr bezeichnet, an bzw. in dem eine Maßnahme erlassen wurde oder ein Ereignis eingetreten ist. Ebenso verlangt die Angabe des Tages, an dem eine Maßnahme erlassen wurde oder ein Ereignis eingetreten ist, gewöhnlich auch die Angabe des Monats und des Jahres.
47. Allerdings umfasst die Pflicht zur Angabe des Datums oder des Tages gewöhnlich nicht die Pflicht zur Angabe der Stunde oder gar der Minute. Da Art. 27 der geänderten Verordnung Nr. 40/94 die Stunde und die Minute der Einreichung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung nicht ausdrücklich erwähnt, sind diese Angaben vom Gemeinschaftsgesetzgeber offensichtlich nicht als notwendig angesehen worden, um den Zeitpunkt der Gemeinschaftsmarkenanmeldung und damit ihren Zeitrang gegenüber einer anderen Marke zu bestimmen.
48. Eine solche Auslegung ergibt sich auch aus dem Kontext von Art. 27 der geänderten Verordnung Nr. 40/94. Insbesondere führt Regel 5 der Verordnung Nr. 2868/95, die die vom HABM, der Zentrale für den gewerblichen Rechtsschutz eines Mitgliedstaats oder dem Benelux-Markenamt bei der Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke zu erfüllenden Förmlichkeiten präzisiert, nur die Pflicht ein, in der Anmeldung den Tag des Eingangs der Anmeldung und nicht Stunde und Minute dieses Tages anzugeben.
49. Wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber der Ansicht gewesen wäre, dass Stunde und Minute der Einreichung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung als Bestandteile des Anmeldetags im Sinne von Art. 27 der geänderten Verordnung Nr. 40/94 zu berücksichtigen seien, hätte er dies in der Verordnung Nr. 2868/95 klarstellen müssen.
50. Der Umstand, dass nach den Hinweisen des HABM auf seiner Website der Anmeldetag einer Gemeinschaftsmarke der Tag ist, an dem die Unterlagen nach Art. 26 der geänderten Verordnung Nr. 40/94 beim HABM eingereicht worden sind, wobei die mitteleuropäische Zeit (GMT + 1) gilt, lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass Stunde und Minute der Einreichung einer solchen Anmeldung für die Entscheidung über den zeitlichen Vorrang zu berücksichtigen sind. Wie der Generalanwalt in Nr. 61 seiner Schlussanträge ausführt, dient die Angabe der Stunde nur der Bestimmung des Tages der Anmeldung beim HABM.
51. Der von Génesis angeführte Umstand, dass das HABM bei der elektronischen Einreichung von Gemeinschaftsmarkenanmeldungen faktisch Datum und Uhrzeit der Einreichung dieser Anmeldungen bescheinigt, ist ebenfalls unerheblich.
52. Zwar wird gemäß Art. 10 Abs. 2 des Beschlusses Nr. EX-11-03 des Präsidenten des Amtes vom 18. April 2011 betreffend die elektronische Übermittlung an und durch das Amt („Grundsatzbeschluss zur elektronischen Übermittlung“) dem Absender eine elektronische Empfangsbescheinigung zugeschickt, in welcher Datum und Uhrzeit des ebenfalls elektronischen Empfangs angegeben sind, doch geht aus Art. 10 Abs. 2 ebenfalls hervor, dass die Empfangsbescheinigung den Hinweis enthält, dass das Eingangsdatum bei pünktlicher Zahlung einer Gebühr auch den Anmeldetag darstellt, ohne dass dabei die Uhrzeit des Eingangs der Anmeldung erwähnt wird.
53. Jedenfalls müsste, da die Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke gemäß Art. 25 Abs. 1 der geänderten Verordnung Nr. 40/94 wahlweise beim HABM, der Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz eines Mitgliedstaats oder dem Benelux-Markenamt eingereicht werden kann, wenn Stunde und Minute der Einreichung einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung zu berücksichtigen wären, eine entsprechende Verpflichtung ausdrücklich aus den allgemeinen Durchführungsbestimmungen und nicht aus dem Beschluss des Präsidenten des HABM über die elektronische Übermittlung von Gemeinschaftsmarkenanmeldungen hervorgehen.
54. Nach alledem beinhaltet der Begriff „Anmeldetag einer Gemeinschaftsmarke“ in Art. 27 der geänderten Verordnung Nr. 40/94 die Berücksichtigung des Kalendertags, nicht aber der Stunde und der Minute der Einreichung der Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke.
Zur Berücksichtigung der Stunde und der Minute der Einreichung nach nationalem Recht
55. Nach diesen Klarstellungen ist noch zu prüfen, ob es das Unionsrecht untersagt, Stunde und Minute der Einreichung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung dennoch nach nationalem Recht zu berücksichtigen, um über den zeitlichen Vorrang einer Gemeinschaftsmarke gegenüber einer am selben Tag angemeldeten nationalen Marke zu entscheiden, wenn nach der nationalen Regelung für die Anmeldung der nationalen Marke Stunde und Minute der Einreichung der Anmeldung zu berücksichtigen sind.
56. Hierzu genügt es, daran zu erinnern, dass die Gemeinschaftsregelung für Marken, wie in Randnr. 37 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, als autonomes System eigene Regeln für den Anmeldetag einer Gemeinschaftsmarke hat, ohne auf einzelstaatliche Rechtsvorschriften zu verweisen.
57. Infolgedessen kann der Anmeldetag einer Gemeinschaftsmarke nur nach den Bestimmungen des Unionsrechts ermittelt werden, ohne dass die im Recht der Mitgliedstaaten gewählten Lösungen hierauf einen Einfluss haben können.
58. Zum einen ergibt sich nämlich, wie der Generalanwalt in Nr. 63 seiner Schlussanträge ausführt, aus Art. 14 in Verbindung mit Art. 97 der geänderten Verordnung Nr. 40/94, dass die Anwendbarkeit des einzelstaatlichen Rechts auf die Fragen beschränkt ist, die nicht in den Anwendungsbereich der geänderten Verordnung Nr. 40/94 fallen.
59. Zum anderen würde letztlich die Einheitlichkeit des Schutzes einer Gemeinschaftsmarke in Frage gestellt, wenn in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren, in der eine Gemeinschaftsmarke der Eintragung einer nationalen Marke entgegengehalten wird, der Anmeldetag dieser Gemeinschaftsmarke unter Berücksichtigung des nationalen Rechts ermittelt würde. Da es nämlich, wie in Randnr. 34 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, den Mitgliedstaaten weiterhin freisteht, die Einzelheiten der Anmeldung der nationalen Marken festzulegen, bestünde die Gefahr, dass sich der Umfang des Schutzes, den die Gemeinschaftsmarke genießt, von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheidet.
60. Das Ergebnis, wonach der Anmeldetag einer Gemeinschaftsmarke nur nach den Bestimmungen des Unionsrechts ermittelt werden kann, wird nicht durch Art. 32 der geänderten Verordnung Nr. 40/94 in Frage gestellt, wonach die Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke, deren Anmeldetag feststeht, in den Mitgliedstaaten die Wirkung einer vorschriftsmäßigen nationalen Hinterlegung, gegebenenfalls mit der für die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke in Anspruch genommenen Priorität, hat.
61. Wie nämlich der Generalanwalt in Nr. 65 seiner Schlussanträge ausführt, bewirkt diese Bestimmung weder eine Änderung des gemeinschaftsrechtlichen Begriffs des Anmeldetags noch setzt sie die subsidiäre Anwendung des nationalen Rechts voraus, sondern beschränkt sich darauf, den Anmeldungen von Gemeinschaftsmarken beim HABM die gleiche Rechtswirkung zu verleihen wie den Anmeldungen bei den nationalen Ämtern.
62. Somit untersagt es das Unionsrecht, Stunde und Minute der Einreichung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung nach nationalem Recht zu berücksichtigen, um über den zeitlichen Vorrang einer Gemeinschaftsmarke gegenüber einer am selben Tag angemeldeten nationalen Marke zu entscheiden, wenn nach der nationalen Regelung für die Anmeldung der nationalen Marke Stunde und Minute der Einreichung der Anmeldung zu berücksichtigen sind.
63. Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Art. 27 der geänderten Verordnung Nr. 40/94 dahin auszulegen ist, dass er es nicht erlaubt, nicht nur den Tag, sondern auch die Stunde und die Minute der Einreichung einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung beim HABM zu berücksichtigen, um über den zeitlichen Vorrang einer solchen Marke gegenüber einer am selben Tag angemeldeten nationalen Marke zu entscheiden, wenn nach der nationalen Regelung für die Anmeldung der nationalen Marke dabei die Stunde und die Minute der Einreichung der Anmeldung zu berücksichtigen sind.
Kosten
64. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Tenor
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2003 vom 27. Oktober 2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er es nicht erlaubt, nicht nur den Tag, sondern auch die Stunde und die Minute der Einreichung einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) zu berücksichtigen, um über den zeitlichen Vorrang einer solchen Marke gegenüber einer am selben Tag angemeldeten nationalen Marke zu entscheiden, wenn nach der nationalen Regelung für die Anmeldung der nationalen Marke dabei die Stunde und die Minute der Anmeldung zu berücksichtigen sind.