BGH, 21.05.1996 - 1 StR 154/96

Daten
Fall: 
Vernehmung eines nichtverteidigten Beschuldigten II
Fundstellen: 
BGHSt 42, 170; JZ 1997, 367; MDR 1996, 840; NJ 1996, 559; NJW 1996, 2242; StV 1996, 409; StV 1996, 524; wistra 1996, 350
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
21.05.1996
Aktenzeichen: 
1 StR 154/96
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Ulm

Ist der Beschuldigte bei der ersten polizeilichen Vernehmung über seine Aussagefreiheit und sein Recht auf Zuziehung eines Verteidigers belehrt worden, so dürfen Angaben, die er in freier Entscheidung ohne Beistand eines Verteidigers macht, auch dann entgegengenommen und verwertet werden, wenn er zunächst die Zuziehung eines Verteidigers gewünscht hat (Abgrenzung zu BGH, NJW 1996, 1547 [BGH 12.01.1996 - 5 StR 756/94]).

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten N. wegen Mordes, begangen an seinem Landsmann S., und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe sowie den Angeklagten M. wegen Beihilfe zu diesem Mord und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Daneben hat es die Funktelefone der Angeklagten eingezogen, sichergestelltes Bargeld des Angeklagten N. für verfallen erklärt, dem Angeklagten M. die Fahrerlaubnis mit fünfjähriger Sperrfrist entzogen und im Adhäsionsverfahren ausgesprochen, daß die Angeklagten als Gesamtschuldner dem Grunde nach zum Schadensersatz gegenüber den Nebenklägern (den Eltern des Tatopfers) verpflichtet seien. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts. Während das Rechtsmittel des Angeklagten N. keinen Erfolg hat, dringt das Rechtsmittel des Angeklagten M. mit der Sachrüge teilweise durch.

A. Die Revision des Angeklagten N.

I. Verfahrensrügen

1. Das Landgericht durfte die Angaben des Angeklagten aus seiner ersten polizeilichen Vernehmung vom 12./13. März 1995 verwerten.

a) Zwar hat er sich im Verlauf dieser Vernehmung nach ordnungsgemäßer Belehrung über seine Rechte als Beschuldigter (§ 163 a Abs. 4 Satz 2, § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO) insgesamt dreimal auf sein Recht berufen, Angaben ohne Hinzuziehung eines Verteidigers zu verweigern. Er hat sich aber - nach jeweils kurzer Unterbrechung der Vernehmung - doch bereitgefunden, zunächst Angaben zu seiner Person und schließlich auch zur Sache zu machen, nachdem er wegen der Vernehmung zur Nachtzeit keinen Verteidiger erreichen konnte. Anhaltspunkte dafür, daß die freie Willensentschließung des Angeklagten von seiten der Vernehmungsbeamten dabei durch Zwang oder Täuschung beeinflußt worden wäre, sind nicht ersichtlich. Insbesondere fehlt jeder Hinweis auf eine Übermüdung des seinerzeit Beschuldigten (zu den strengen Voraussetzungen dieser Alternative des § 136 a Abs. 1 Satz 1 StPO s. BGH NJW 1992, 2903, 2904) oder darauf, daß ihm die Beiziehung eines Rechtsanwalts verwehrt worden wäre (BGHSt 38, 372 [BGH 29.10.1992 - 4 StR 126/92]).

Das Vorgehen der Vernehmungsbeamten verstieß nicht gegen die §§ 163 a Abs. 4, 136, 136 a StPO. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmungen mußte der Beschuldigte über sein Schweigerecht und die Möglichkeit belehrt werden, einen Verteidiger zu befragen. Das ist geschehen. Der Gang der Vernehmung zeigt, daß er seine Rechte auch verstanden hat. Verbotene Vernehmungsmethoden haben die Polizeibeamten nicht angewendet. Jenseits der von § 136 a StPO gezogenen Grenzen geht die Strafprozeßordnung davon aus, daß ein im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte befindlicher Beschuldigter (für den Fall geistiger Beeinträchtigung s. BGHSt 39, 349, 351) selbst und frei entscheiden kann und muß, inwieweit er die in der Belehrung eröffneten Rechte für sich in Anspruch nehmen will.

Ein Verbot, die Vernehmung in Fällen wie dem vorliegenden fortzusetzen, kann der Strafprozeßordnung nicht entnommen werden (BGH NJW 1992, 2903, 2904 f.).

Ein solches Verbot ergibt sich auch nicht aus dem (verfassungsmäßig verankerten) Grundsatz des fairen Verfahrens. Allerdings hat der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 12. Januar 1996 (5 StR 756/94, zur Veröffentlichung in BGHSt 41 [BGH 23.12.1952 - 2 StR 612/52] Nr. 56 vorgesehen) ausgesprochen, das Gebot eines fairen Verfahrens zwinge nicht nur dazu, eine polizeiliche Vernehmung zu unterbrechen, wenn ein Beschuldigter zunächst nach einem Rechtsanwalt verlange, sondern die Vernehmung ohne Verteidiger dürfe nur dann fortgesetzt werden, wenn die Polizei sich zuvor ernsthaft bemüht habe, dem Beschuldigten bei der Herstellung des Kontaktes zu einem Verteidiger zu helfen, und ihn danach nochmals ausdrücklich auf sein Recht, einen Verteidiger hinzuzuziehen, hingewiesen habe. Bei einem Verstoß gegen diese Grundsätze hat der 5. Strafsenat ein Verwertungsverbot angenommen.

Dem vermag sich der erkennende Senat jedenfalls für den hier zu entscheidenden Fall, in dem es wegen der mitternächtlichen Stunde wenig Aussichten gab, am Vernehmungsort einen Rechtsanwalt zu erreichen, nicht anzuschließen. Es ist zunächst Aufgabe des Gesetzgebers, den Verfassungsgrundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenwürde, aus denen das Gebot eines fairen Strafverfahrens erwächst, durch die Ausgestaltung des Strafprozeßrechts Rechnung zu tragen. Erst wenn eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Wahrheitsfindung (vgl. dazu BGHSt 38, 214, 220 sowie BVerfG NStZ 1996, 45 [BVerfG 18.09.1995 - 2 BvR 103/92]) mit den verfassungsrechtlich geschützten Belangen des Beschuldigten ergibt, daß die Anwendung geltenden Strafprozeßrechts zu einem verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Eingriff in die Beschuldigtenrechte führt, ist Raum für eine Korrektur oder Ergänzung der Strafprozeßordnung. Dem 5. Strafsenat ist darin zuzustimmen, daß ein solcher Fall dann eintreten kann, wenn zwar die Belehrungspflichten vor einer Vernehmung beachtet werden, dem Beschuldigten sodann jedoch von seiten der Ermittlungsorgane bedeutet wird, er werde seine prozessualen Rechte nicht durchsetzen können. In der Entscheidung BGHSt 38, 372 [BGH 29.10.1992 - 4 StR 126/92], auf die der 5. Strafsenat sich stützt, hatte der vernehmende Polizeibeamte dem Beschuldigten nach Belehrung die Kontaktaufnahme zu einem Rechtsanwalt aktiv verweigert und zugleich erklärt, die Vernehmung werde (ohne Anwalt) solange fortgesetzt, "bis Klarheit herrsche". So liegen die Dinge hier aber nicht. Es kann nicht die Rede davon sein, daß der Angeklagte in irgendeiner Form genötigt worden wäre, seine Beschuldigtenrechte nicht geltend zu machen. Vielmehr ist seine Entscheidung, ohne Anwalt keine Angaben zur Sache zu machen, von den Polizeibeamten zunächst akzeptiert worden. Danach ist dem Beschuldigten - unter erneuter Belehrung über seine Rechte - die vorläufige Festnahme eröffnet worden. Er hat sodann in Kenntnis seiner Rechte versucht, ohne Hinzuziehung eines Verteidigers den gegen ihn bestehenden Tatverdacht durch - seiner Meinung nach - entlastende Angaben zur Sache zu entkräften. Diese Angaben mußten die vernehmenden Beamten entgegennehmen, wollten sie nicht sein Recht, sich zu verteidigen, verletzen.

Dem Urteil des 5. Strafsenats vom 12. Januar 1996 lag ein Fall zugrunde, in dem die Polizei den Beschuldigten durch Vorlage des besonders umfangreichen - und damit unüberschaubaren - Branchenverzeichnisses Hamburger Rechtsanwälte von der Aussichtslosigkeit überzeugt hatte, einen geeigneten Verteidiger zu seiner nächtlichen Vernehmung hinzuzuziehen, anstatt ihn auf den für die Stadt Hamburg eingerichteten anwaltlichen Notdienst hinzuweisen. Sollte dieses Urteil dahin zu verstehen sein, daß der 5. Strafsenat die in der Entscheidung BGHSt 38, 372 [BGH 29.10.1992 - 4 StR 126/92] entwickelten Grundsätze ausnahmslos auch auf alle Fälle übertragen will, in denen - wie hier - einem Beschuldigten die volle Entscheidungsfreiheit darüber belassen wird, ob und wann er Angaben zur Sache machen will, so könnte dem nicht gefolgt werden.

Auch § 137 Abs. 1 Satz 1 StPO ist nicht verletzt worden. Aus dem Recht des Beschuldigten, in jeder Lage des Verfahrens einen Verteidiger hinzuzuziehen, folgt nicht das Verbot, einen aussagebereiten Beschuldigten ohne Verteidiger zu vernehmen, nur weil er zu einem früheren Zeitpunkt nach einem solchen verlangt hatte. Zwar wird in der Literatur allgemein gefordert, eine Vernehmung sei zu unterbrechen, wenn der Beschuldigte den Wunsch äußere, zunächst einen Anwalt zu sprechen (Strate/Ventzke StV 1986, 30, 31 Fußn. 16), doch darf die Vernehmung nach einer gewissen Bedenkzeit fortgesetzt werden. Die gegenteilige Auffassung, die sich auf den Zusammenhang der Vorschriften über die Beschuldigtenvernehmung stützt (Strate/Ventzke aaO.), überzeugt nicht. Der ordnungsgemäß belehrte Beschuldigte hätte seine Rechte aus § 137 Abs. 1 Satz 1 StPO hier unschwer durchsetzen können, wenn er bei seiner Vernehmung weitere Angaben verweigert hätte.

b) Im übrigen weist der Senat darauf hin, daß selbst dann, wenn man die Vorgehensweise der Vernehmungsbeamten als verfahrensfehlerhaft ansehen wollte, dies kein Verwertungsverbot für die polizeilichen Vernehmungsergebnisse zur Folge hätte.

Die Entscheidung für oder gegen ein solches Verbot ist aufgrund einer allgemeinen Abwägung der im Rechtsstaatsprinzip angelegten gegenläufigen Gebote und Ziele zu treffen (BGHSt 38, 214, 219 ff.; BGH NJW 1992, 2903, 2905; vgl. auch BVerfG aaO.). Bei dieser Abwägung ist mitentscheidend, ob ein schwerwiegender Rechtsverstoß vorliegt und ein Beschuldigter in besonderem Maße des Schutzes bedarf. Letzteres hat der 5. Strafsenat für den Fall einer unterbliebenen Belehrung nach den §§ 163 a Abs. 4, 136 StPO zutreffend verneint, weil der Beschuldigte dort anderweitig über seine Rechte informiert war (BGHSt 38, 214, 224).

Auch im vorliegenden Fall, in dem der Beschuldigte ordnungsgemäß über seine Rechte aufgeklärt, die Vernehmung mehrmals unterbrochen worden war und er lediglich aus seiner Sicht entlastende Angaben gemacht hatte, wöge eine Verletzung der Beschuldigtenrechte nicht so schwer, daß daraus ein Verwertungsverbot folgen müßte. Zwar hat der 5. Strafsenat im Urteil vom 12. Januar 1996 ausgesprochen, die Rechtssicherheit verbiete es, bei der Frage nach einem Verwertungsverbot zwischen Rechtsverstößen unterschiedlicher Schwere zu differenzieren, wenn - wie auch immer - der Wunsch eines Beschuldigten nach einem Verteidiger "unterlaufen" werde. Bei dieser Auffassung unterbleibt im Ergebnis die gebotene Abwägung. Der erkennende Senat hält demgegenüber an dem Abwägungserfordernis ohne Einschränkung fest.

c) Die angeführte Entscheidung des 5. Strafsenats steht der vorliegenden Entscheidung schon deshalb nicht entgegen, weil die Ausführungen des 5. Strafsenats zum Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren und zu dem daraus abgeleiteten Verwertungsverbot das Urteil vom 12. Januar 1996 nicht tragen. In jenem Verfahren wurde die Revision des Angeklagten deshalb verworfen, weil die Verteidigung in der Hauptverhandlung erster Instanz der Verwertung der beanstandeten Vernehmungsergebnisse nicht in der nach Auffassung des 5. Strafsenats gebotenen Weise widersprochen hatte.

2. Die Rüge, das Landgericht habe zu Unrecht die gesamte Aussage des Zeugen D. nach § 60 Nr. 2 StPO unbeeidet gelassen, dringt nicht durch.

a) Sie scheitert schon daran, daß die Verteidigung keinen Gerichtsbeschluß nach § 238 Abs. 2 StPO gegen die beanstandete Verfügung des Vorsitzenden erwirkt hat (BGHR StPO § 60 Nr. 2 Rügevoraussetzungen 1). Diese Rügevoraussetzung entfällt nur dann, wenn ein Vorsitzender - obwohl gesetzlich dazu verpflichtet - überhaupt keine Entscheidung über die Vereidigung eines Zeugen getroffen hat (Pelchen in KK 3. Aufl. § 60 Rdn. 37). So liegen die Dinge hier nicht. Von der Entscheidung, den Zeugen D. nicht zu vereidigen, war ersichtlich dessen gesamte Zeugenaussage erfaßt.

b) Die Rüge wäre im übrigen auch unbegründet. Denn eine Teilvereidigung ist bereits dann unzulässig, wenn ein nicht oder nur schwer trennbares Gesamtgeschehen den Gegenstand einer Zeugenaussage bildet (BGH StV 1983, 401; NStZ 1987, 516). So verhielt es sich hier.

3. Die Rüge, die Berufsrichter der erkennenden Strafkammer hätten die Besorgnis der Befangenheit erweckt, geht fehl.

Die Verteidigung hatte ihnen in Befangenheitsanträgen zur Last gelegt, sie hätten im Zwischenverfahren die Einlassungsfrist des § 201 StPO zu kurz bemessen, dabei das Akteneinsichtsrecht der Verteidigung, ferner das Recht des Angeklagten auf rechtliches Gehör verkürzt und zu schnell über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden. Das Landgericht hat diese Anträge zu Recht zurückgewiesen. Denn für eine bewußte Mißachtung der Verteidigungsrechte durch die abgelehnten Richter liegen nach Auffassung des Senats keine Anhaltspunkte vor.

II. Die Sachrüge

1. Die Beweiswürdigung, die das Landgericht zur Überzeugung geführt hat, der Angeklagte N. habe das Tatopfer erschossen, hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Zu Unrecht beanstandet die Revision, diese Feststellung stütze sich ausschließlich auf Äußerungen des Mitangeklagten M., die nicht kritisch hinterfragt worden seien. Tatsächlich ist der Angeklagte N. auch dadurch belastet worden, daß er selbst vor der Tat gegenüber Dritten Wut gegen das Tatopfer bekundet und angekündigt hat, er werde S. "auffressen"; weiter wurde bei ihm ein Beleg über den Ankauf eines Schulterholsters gefunden, das geeignet war, eine Schußwaffe des bei der Tat verwendeten Kalibers aufzunehmen. Den Angeklagten hat schließlich belastet, daß er sich bei der Polizei zu Fragen nach diesem Schulterholster nicht äußern wollte und im übrigen falsche Angaben zu seinem Verhalten am Tattag gemacht hat.

2. Innerhalb des dem Tatrichter zukommenden Beurteilungsspielraums liegt auch die wahlweise Annahme des Landgerichts, S. sei aus niedrigen Beweggründen getötet worden, weil er entweder als lästiger Konkurrent auf dem Betäubungsmittelmarkt habe ausgeschaltet werden sollen oder weil Täter und Opfer derselben Rauschmittelabsatzorganisation angehört hätten und die Tat sich als Strafe für den Bruch von "Spielregeln" dieser Organisation darstelle. Beide möglichen Motive hat der Tatrichter nach einer Gesamtschau zahlreicher - nur bei isolierter Betrachtung wenig aussagekräftiger - Indizien ermittelt und dabei ohne Rechtsfehler ausgeschlossen, daß andere Motive für die Tat bestimmend gewesen sein können.

3. Rechtlich zu beanstanden sind demgegenüber die Feststellungen, aufgrund derer das Landgericht angenommen hat, S. sei heimtückisch getötet worden. Das Landgericht hat erkannt, daß jener mit einer erheblichen und möglicherweise auch körperlichen Auseinandersetzung rechnete, als er sich am Abend des Tattages im Gefolge des Angeklagten M. (der mit seinem Pkw vorausfuhr) auf den Weg machte, um sich mit beiden Angeklagten zu treffen. Nachdem der Angeklagte N. zuvor vor Zeugen gewisse Drohungen gegen ihn ausgestoßen hatte, hatte S. aus Angst vor der Begegnung mit N. zunächst einen Freund um Begleitschutz gebeten und - nachdem diese Bitte abgeschlagen worden war - mit ihm ausgiebig erörtert, ob er sich dem nächtlichen Treffen überhaupt stellen solle. Auf dem Weg zum späteren Tatort, einem Waldstück, hatte S. sich auf dem Beifahrersitz einen Gummischlagstock als Verteidigungswaffe zurechtgelegt.

Dennoch meint das Landgericht, es sei mittels einer List gelungen, den zunächst bestehenden Argwohn des Tatopfers auszuräumen. Obwohl die nächtliche Fahrt nach den gesamten Umständen das Zusammentreffen mit dem Angeklagten N. bezweckte, habe der Angeklagte M. auf nicht näher klärbare Weise vorgespiegelt, man halte zunächst aus irgendwelchen sonstigen Gründen im Wald an, etwa um verstecktes Rauschgift aufzunehmen. So sei S. in eine Falle gelockt worden und habe am Tatort noch nicht damit gerechnet, dem Angeklagten N., der ihm versteckt aufgelauert habe, zu begegnen. Das stützt sich auf drei Überlegungen: Einmal zeigten die Schußverletzungen S.'s, daß der Schütze N. ganz nahe an ihn herangekommen sei; angesichts der Vorgeschichte sei es in hohem Maße unwahrscheinlich, daß S. dies zugelassen hätte, wäre er nicht überrascht worden. Weiter habe S. seinen Gummiknüppel im Fahrzeug liegenlassen, es sei naheliegend, daß er diese Waffe mitgenommen hätte, wenn er am Tatort mit der Anwesenheit N.'s gerechnet hätte. Schließlich habe S. trotz einer Außentemperatur von nur 4 Grad C beim Verlassen seines Fahrzeugs seine Lederjacke nicht angezogen, das zeige, daß er nur mit einer kurzen Fahrtunterbrechung, nicht aber mit einer längeren Aussprache gerechnet habe.

Darin liegt ein Erörterungsmangel. Bei Würdigung der wenigen Indizien zum Tathergang hat das Landgericht sich nicht mit der naheliegenden - und mit diesen Indizien ebensogut vereinbaren - Möglichkeit auseinandersetzt, daß S.'s ursprüngliche Verteidigungsbereitschaft durch Zwang, d.h. Gewalt oder Drohung, gebrochen worden sein kann. Denkbar erscheint beispielsweise, daß er, nachdem man im Wald angehalten hatte, in Sorge um seine Sicherheit sein Fahrzeug zunächst nicht verließ, der Angeklagte N. sodann an das Fahrzeug herantrat und ihn mit vorgehaltener Waffe zwang, das Fahrzeug (ohne Gummiknüppel und Lederjacke) zu verlassen. In diesem Fall wäre S.'s ursprünglicher Argwohn erhalten geblieben. Es wäre nicht erforderlich, daß er mit einem Anschlag auf sein Leben rechnete; Arglosigkeit des Tatopfers ist vielmehr schon dann ausgeschlossen, wenn es sich eines erheblichen Angriffes auf seine körperliche Unversehrtheit versieht (BGHSt 20, 301, 302; 27, 322, 324 [BGH 21.12.1977 - 2 StR 452/77]; 33, 363, 366) [BGH 13.11.1985 - 3 StR 273/85]. Daß S. erst ca. 25 Meter von seinem Fahrzeug entfernt auf dem an der gegenüberliegenden Straßenseite gelegenen Waldparkplatz erschossen wurde, ist kein ausreichendes Indiz dafür, daß er allein mittels einer List von seinem Fahrzeug weggelockt worden sein muß. Auch dieser Umstand konnte das Landgericht deshalb nicht davon entbinden, die vorgenannten Umstände näher zu erörtern.

Der aufgezeigte Rechtsfehler hat sich allerdings auf die Verurteilung des Angeklagten im Ergebnis nicht ausgewirkt. Die für die Mordtat erkannte lebenslange Strafe ist nach der absoluten Strafdrohung des § 211 StGB verhängt worden. Sie bleibt vom Wegfall eines von zwei angenommenen Mordmerkmalen unberührt (vgl. BGHSt 41, 222). Besondere Schwere der Schuld im Sinne von § 57 a StGB hat das Landgericht verneint. Auch die erkannten Nebenfolgen sind von der Annahme zweier Mordmerkmale nicht beeinflußt.

4. Die weitere Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

B. Die Revision des Angeklagten M.

I. Verfahrensrüge

Die Nichtvereidigung des Zeugen D. ist - wie oben dargelegt - nicht zu beanstanden.

II. Sachrüge

1. Zum Schuldspruch hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Soweit die Revision die Feststellung beanstandet, M. habe in der Tatnacht von vornherein gewußt, daß S. getötet werden sollte, erschöpft sich ihr Vorbringen in unzulässigen Angriffen gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung. Die Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord kann auch im übrigen bestehen bleiben. Sie wird nicht davon berührt, daß dem Landgericht bei der Begründung des Mordmerkmals der Heimtücke Rechtsfehler unterlaufen sind.

2. Allerdings kann der Ausspruch über die für die Beihilfe zum Mord erkannte Einzelfreiheitsstrafe von acht Jahren und die Gesamtfreiheitsstrafe nicht bestehen bleiben; denn das Landgericht hat ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt, daß zwei Mordmerkmale verwirklicht worden seien. Über die Frage, ob das Tatopfer heimtückisch getötet wurde, muß insoweit neu verhandelt werden. Der Senat hat deshalb auch die Feststellungen aufgehoben, die das Landgericht dazu getroffen hat (vgl. BGHSt 41, 222, 224).

Von der Aufhebung unberührt bleiben die für den Betäubungsmittelhandel erkannte Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie die Nebenentscheidungen über die Einziehung, Entziehung der Fahrerlaubnis, Verhängung einer Sperrfrist und die Schadensersatzpflicht des Angeklagten. Auf diese Rechtsfolgen hat sich der aufgezeigte Rechtsfehler nicht ausgewirkt.