VGH, 23.06.1943 - 2 H 64/43
Im Namen des Deutschen Volkes
In der Strafsache gegen
den Pastor der evangelisch-lutherischen Kirche in Lübeck Karl Friedrich Stellbrink aus Lübeck, geboren am 28. Oktober 1894 in Münster, zur Zeit in dieser Sache in gerichtlicher Untersuchungshaft,
wegen Vorbereitung zum Hochverrat u.a.
hat der Volksgerichtshof, 2. Senat, auf Grund der Hauptverhandlung vom 23. Juni 1943,
an welcher teilgenommen haben
als Richter:
Vizepräsident des Volksgerichtshofs Dr. Crohne, Vorsitzender,
Landgerichtsdirektor Preußner,
SA-Brigadeführer Hauer,
Gaugerichtsvorsitzender Kapeller,
Kreisamtsleiter Diestel,
als Vertreter des Oberreichsanwalts:
für Recht erkannt:
I. Der Angeklagte wird wegen Zersetzung der Wehrkraft in Verbindung mit landesverräterischer Feindbegünstigung und Rundfunkverbrechen zum Tode verurteilt. Die bürgerlichen Ehrenrechte werden ihm auf Lebenszeit aberkannt.
II. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der sichergestellte Rundfunkempfänger wird eingezogen.
Gründe
Der jetzt 48jährige Angeklagte, der verheiratet ist und drei eigene und zwei Pflegekinder im Alter von 16 bis 21 Jahren hat – ein weiterer Pflegesohn ist im gegenwärtigen Kriege als Soldat gefallen – ist der Sohn eines Zollsekretärs und stammt aus Münster in Westfalen. Er hat seit 1915 am Weltkrieg teilgenommen und ist mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet worden. Nachdem er 1917 infolge schwerer Verwundung vom Militär entlassen worden war, hat er seine Schulbildung vervollständigt, die Abiturientenprüfung abgelegt und auf dem Predigerseminar in Soest das theologische Abschlußexamen als evangelischer Geistlicher gemacht. Von 1921 bis 1929 ist er in Südbrasilien als Auslandspfarrer tätig und nach seiner Rückkehr nach Deutschland Pfarrer in Steinsdorf in Thüringen und seit 1934 in Lübeck an der Luthergemeinde der Landeskirche Lübeck gewesen. Vor der nationalsozialistischen Machtergreifung hat er nacheinander dem Alldeutschenverband und in Brasilien dem Deutschbund angehört. In Steinsdorf sympathisierte er mit der NSDAP, war dem Stützpunktleiter in der politischen Arbeit behilflich und gab auch Geldspenden. Im Frühjahr 1933 trat er der Partei bei. – Seit 1921 gehörte er dem „Bund für deutsche Kirche“ an. – Nach der Übersiedlung nach Lübeck geriet er zur Hitlerjugend und zur NSDAP in Gegensatz, der sich immer mehr verstärkte, bis er – nachdem er aus dem „Bund für deutsche Kirche“ ausgetreten war – durch Urteil des Gaugerichts Schleswig-Holstein vom 20. Dezember 1937 aus der NSDAP entlassen wurde, weil er sich „in parteischädigender Weise über die NSDAP ausgelassen“ habe und einen wesentlichen Teil des Nationalsozialismus, nämlich die nationalsozialistische Jugendführung, ablehne und daher nicht mehr „in dem Umfange auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung stehe“, wie es von einem Parteigenossen gefordert werden müsse. Das Gaugericht hat dem Angeklagten jedoch Charakter und nationale Würde nicht abgesprochen und ihn daher im Gegensatz zum Urteil des Kreisgerichts nicht mit dem Ausschluß aus der Partei bestraft. Wie der Angeklagte vorbringt, erkennt er die Programmpunkte der NSDAP voll an und wünscht aufrichtig dem Führer persönlich die Vollendung seines Werkes; es gebe jedoch einige Vorkommnisse in der Politik, die ihn veranlaßten, dunkel in die Zukunft des deutschen Volkes zu schauen.
Von Mitte 1941 bis kurz vor seiner Festnahme am 8. April 1942 – nach seinem Vorbringen in der Hauptverhandlung, bis 1941 – hörte er, um, wie er erklärt, eine „Antwort auf die Frage nach dem Ende des Krieges zu finden“ und sich darüber zu „unterrichten, wie es möglich sei, daß die Feinde, trotz der ihnen versetzten gewaltigen Schläge, den Krieg fortsetzen könnten“, mit seinem, inzwischen sichergestellten Rundfunkempfänger wiederholt deutschsprachige Nachrichten englischer Sender. – Auf Veranlassung des katholischen Kaplans Prassek, der in einem anderen Verfahren vor dem Volksgerichtshof (2 H 65/43) wegen landesverräterischer Feindbegünstigung und Rundfunkverbrechens verfolgt wird, stellte er auch mehrmals den feindlichen Sender auf der Welle 31,6 ein, um Mitteilungen über das ,,Neuheidentum“ und Angelegenheiten der katholischen Kirche sowie, was Prassek ihm weiter angekündigt hatte, Bekanntmachungen über „Sittlichkeitsexzesse der SS in besetzten Klosterkirchen“ zu hören. Angeblich hat er diesen Sender nur undeutlich empfangen können. Die Nachrichten im englischen Rundfunk besprach er mit mehreren Personen, so mit dem ihm bekannten evangelischen Pfarrer Holze aus Güstrow, der sich damals bei der Wehrmacht befand. Diesem teilte er auch mit, daß der englische Rundfunk die deutschen Verluste an der Front viel höher als die amtliche deutsche Darstellung beziffere. Dem Pfarrer Holze gegenüber äußerte er auch, die Anstalten Bethel bei Bielefeld seien nicht von englischen, sondern von deutschen Fliegern bombardiert worden, und sprach auch davon, daß die Polen nach Deutschland verpflanzt, ihrer Existenzmöglichkeit beraubt würden und das polnische Volk vernichtet würde. Hiermit gab er Äußerungen des Prassek wieder, die er von diesem gehört hatte: Schließlich stellte er die Behauptung auf, daß nach den Mitteilungen eines Gemeindemitgliedes Unzufriedenheit an der Ostfront herrsche, und beurteilte überhaupt die Lage an der Ostfront „auffallend pessimistisch“.
Als ihn der Stanzer Johannes Rauch, der sich schon 1938 freiwillig zum Dienst in der Wehrmacht gemeldet hatte, im Februar 1942 aufsuchte und ihn bat, seinen Sohn alsbald zu taufen, da er selbst sich freiwillig zur Wehtmacht gemeldet habe, drückte er seine Verwunderung mit den Worten aus: „ie kann man sich nur freiwillig melden!“ In dem sich entwickelnden Gespräch führte er dann weiter aus, der Führer habe den Krieg auf dem Gewissen, jedermann in Deutschland müsse dazu beitragen, den heutigen Staat zu Fall zu bringen, daran könne jeder zu seinem kleinen Teile mitwirken, indem man z. B. Kupfermünzen nicht abliefere, Altpapier vernichte und Kuchenabfälle und Lebensmittelreste beseitige und dadurch kriegsnotwendiges Material der Verwendung entziehe. Wenn jeder so mitarbeite, würde die Regierung in 14 Tagen erledigt sein, sie müsse Frieden machen und würde dann gestürzt werden. Während der Unterhaltung holte der Angeklagte mehrere Zeitungen aus seinem Schreibtisch, die mit roten Anstreichungen versehen waren und betonte unter Verweisung auf die Zeitungen, die anscheinend Reden des Führers enthielten, der Führer sei ein Fantast, er habe den Krieg im Januar 1941 beenden wollen und doch hätten wir immer noch Krieg. „Diese“ Regierung müsse verschwinden, damit die Kirche zu ihrem Recht komme. Er selbst jedenfalls unterrichte seine Konfirmanden nicht im nationalsozialistischen, sondern im alten Sinne. Er behauptete dann auch, die Offiziere und Soldaten an der Ostfront hätten gemeutert und seien in ein Konzentrationslager gebracht worden. Schließlich forderte er den Rauch auf, den englischen Sender zu hören, er werde dann „allerlei“ hören. Rauch war durch alle diese Äußerungen „ganz benommen“, ließ zunächst einige Tage später sein Kind von dem Angeklagten taufen, erstattete dann aber, nachdem er sich einem Kameraden anvertraut hatte, Anzeige.
In seiner Predigt in der Luther-Kirche anläßlich der Einsegnung am Palmsonntag 1942 berührte er auch den Terrorangriff englischer Flieger, der nachts zuvor Lübeck verheert hatte, äußerte aber hierüber weder Bedauern noch Empörung, sondern bezeichnete die Bombardierung unter Hinweis darauf, daß kurze Zeit zuvor das Christusbild in einer Lübecker Leichenhalle mit einem schwarzen Mantel verhängt worden sei, als „Stimme und Prüfung Gottes“. Im Sommer 1941 wurde der Angeklagte in seiner Wohnung von dem genannten katholischen Kaplan Prassek aufgesucht. Im Laufe der Unterhaltung brachten beide übereinstimmend ihre Überzeugung zum Ausdruck, daß Gegensätze zwischen beiden Konfessionen unbedingt zurückzustellen seien, und daß sie beide künftig ihre Informationen austauschen wollen.
Bei einem Gegenbesuch, den der Angeklagte dem Prassek machte, einigten sie sich, sie wollten sich gegenseitig aufklären, auch anderen, die danach verlangten, Aufklärung geben und Schriften, die ihnen zugegangen seien oder die ihnen zugehen würden, austauschen. Demgemäß übergab der Angeklagte in der Folgezeit dem Prassek eine Niederschrift der Rede des Landesbischofs Wurm über Euthanasie, die dem Angeklagten angeblich von der Landeskirche in Stuttgart übersandt worden war, und Abschriften aus den Akten des Disziplinarverfahrens gegen den Bischof Weidemann aus Bremen, die der Angeklagte auf einer Tagung von Geistlichen von einem der Teilnehmer erhalten haben will.
Prassek wiederum händigte ihm eine Zeitschrift mit dem Aufsatz unter der Überschrift „Scarabäus“ aus, in der der Reichsleiter Rosenberg wegen seiner Schrift „An die Dunkelmänner unserer Zeit“ angegriffen und mit einem Mistkäfer verglichen wird. Prassek gab ihm ferner je etwa 20 Abzüge einer Predigt des Erzbischofs von Freiburg und von der Schrift „Programmpunkte der Nationalen Reichskirche Deutschlands“. In der Schrift „Nationale Reichskirche“, die als Programmschrift einer angeblichen kirchlichen Neugründung nationalsozialistischer Prägung aufgezogen ist, werden die gänzliche Beseitigung der christlichen Glaubensbekenntnisse in Deutschland, die Entfernung ihrer Symbole und die Unterdrückung jeder religiösen Betätigung außerhalb der sogenannten „Nationalkirche“ gefordert. Da das Flugblatt so abgefaßt ist, daß es bei de unerfahrenen Leser den Eindruck einer von nationalsozialistischer Seite ausgehenden Kampfschrift erweckt, ist es geeignet, die von der staatlichen Kirchenpolitik erstrebte Befriedung des konfessionellen Lebens in Deutschland zu hintertreiben und den kirchlich gebundenen Teil des deutschen Volkes gegen die Führung der Partei und des Staates aufzuhetzen. In dem Flugblatt „Predigt des Erzbischofs von Freiburg“ wird die Behauptung aufgestellt, daß während einer Feier der katholischen Jugend im Freiburger Münster am Dreifaltigkeitssonntag 1941 vor dem Münstertor eine Bombe niedergegangen sei, die nicht von feindlichen Fliegern, sondern von deutscher Seite abgeworfen worden sei. Dieses Flugblatt enthält außerdem die Aufforderung, diese Bombenabwürfe nicht als einen „Schreckschuß“, sondern als einen „Weckschuß“ zu betrachten und gegen die Feinde der Kirche „bis zum letzten“ zu kämpfen.
Anläßlich der Festnahme des Angeklagten wurden u. a. folgende Schriften in seiner Wohnung sichergestellt:
- die „Weihnachtsansprache Papst Pius XII.“ (1941)
- „Erklärung“ und „Predigt des Bischofs von Trier“ vom 30. November 1941,
- „Priester der Erzdiözese Posen (Warthegau)“
- und „Erlaß des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 28. August 1941 über die Entfernung der Kruzifixe aus den Schulen“.
Wie der Angeklagte zugegeben hat, sind ihm nach seiner Annahme diese Schriften von Prassek oder dessen Mitarbeiter in seinen Hausbriefkasten geworfen worden. Entsprechend der Aufforderung durch Prassek übersandte der Angeklagte von den ihm überlassenen Vervielfältigungen der Predigt des Erzbischofs von Freiburg und des Nationalkirchen-Flugblattes je ein Stück an zwei andere evangelische Pfarrer, an deren Namen er sich nicht mehr will erinnern können, und verteilte einige weitere Abzüge dieser Schriften an Mitglieder seiner Gemeinde, die er angeblich ebenfalls nicht mehr nennen kann. Den Rest will er vernichtet haben.
Der Angeklagte setzte seine staatsfeindliche Betätigung sogar noch nach der Festnahme in der Haft fort, indem er unter Mitgefangenen Gerüchte über militärische und politische Ereignisse aussprengte. So äußerte er mit Bezug auf das englisch-amerikanische Landungsunternehmen in Nordafrika im Tone der Befriedigung, daß nunmehr ,,der Wendepunkt“ gekommen sei, da nach seiner Berechnung die Amerikaner 100 000 Mann in Afrika gelandet hätten. Er fügte hinzu, daß er seine Kenntnisse zwar nur aus der Zeitung schöpfe, daß man jedoch „da auch zwischen den Zeilen müsse lesen können“. Dieser Sachverhalt ist auf Grund der Einlassung des Angeklagten und der glaubwürdigen Zeugenaussagen des Kriminalrats John, der Pfarrer Holze und Beckemeier, des Stanzers Rauch, der Ehefrau Elsholz, des Buchhallers Leo Otto, des Eisenbahnobersekretärs Ohrt und des Franz Fender sowie auf Grund der zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Schriftstücke erwiesen.
Der Angeklagte hat den äußeren Sachverhalt in wesentlichen Punkten entsprechend seinem Eingeständnis in den in aller Ruhe durchgeführten polizeilichen Vernehmungen, deren Niederschriften er zum großen Teil selbst diktiert hat, zugegeben. Er hat dagegen seine Äußerungen gegenüber dem Zeugen Rauch bestritten und behauptet, er habe sich in keiner Weise staatsfeindlich geäußert, Rauch sei es vielmehr gewesen, der eine baldige Niederlage des Reichs und Revolution im Innern vorausgesagt und dabei über Sabotagefälle im Drägerwerk in Lübeck berichtet habe, wo er beschäftigt gewesen sei. Das Vorbringen des Angeklagten ist widerlegt. Der Senat hat insoweit die bedenkenfreie Aussage des Zeugen, der einen voll glaubwürdigen Eindruck gemacht hat, bei der Feststellung des Sachverhalts zugrunde gelegt. Die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen wird auch nicht dadurch erschüttert, daß er einmal wegen Vergehens gegen § 175 StGB angeklagt gewesen, dann aber wegen Volltrunkenheit freigesprochen worden ist. Gegen die Darstellung des Zeugen, die er von der fraglichen Unterredung mit dem Angeklagten gegeben hat, spricht auch nicht, daß er trotz dessen staatsfeindlichen Außerungen sein Kind bei ihm hat taufen lassen und erst später auf Anraten eines Kameraden den Angeklagten angezeigt hat, denn der Zeuge ist ein schlichter Mann mit einfacher Bildung und ist, wie er es plastisch ausgedrückt hat, von den ihm im Munde eines Geistlichen ungeheuerlich erscheinenden Äußerungen ganz „benommen“ gewesen.
Auf der Seite des Angeklagten sind dessen Hetzreden, mag es auf den ersten Blick auch unverständlich erscheinen, daß er sich in der festgestellten Weise gegenüber dem Zeugen, der ihm unbekannt war, ausgelassen hat, durchaus möglich, wenn man in Betracht zieht, daß es nicht die einzigen Äußerungen aus seiner staatsfeindlichen Einstellung heraus sind, und daß er noch in der Haft, wie der Zeuge Bender glaubhaft bekundet hat, seine Hetzreden fortgesetzt hat, obwohl er wußte, wie schwer die Beschuldigungen waren, die zu seiner Festnahme geführt hatten.
Der Angeklagte ist von seiner ursprünglichen den Nationalsozialisrnus und den nationalsozialistischen Staat bejahenden Einstellung nach und nach zum Gegner dieses Staates geworden und zu einem völlig abseitigen Standpunkt abgeglitten. Ihm kann es daher auch nicht geglaubt werden, daß er die Meldungen der feindlichen Rundfunksender für unwahr gehalten hat. Der Senat ist vielmehr überzeugt, daß der Angeklagte den deutschen Verlautbarungen keinen Glauben geschenkt und sich daher an die Feindnachrichten gehalten und diesen vertraut hat. Aus dieser seiner Einstellung hat er die Nachrichten und andere ungeheuerliche Behauptungen, wie z. B. über die Bombardierung der Bethelschen Anstalten durch deutsche Flieger, auch an andere, wie den Zeugen Pfarrer Holze, verbreitet.
Der Senat ist auch überzeugt, daß der Angeklagte an eine Niederlage an der Ostfront geglaubt und die Revolution um der Stellung der Kirche willen gewünscht hat. Um diese allein, losgelöst von der Gemeinschaft der deutschen Menschen, ging es ihm in seiner absoluten Verblendung. Dies zeigt allein schon die Tatsache, daß er in der Palmsonntagspredigt kein Wort der Empörung gegen den englischen Terrorangriff auf Lübeck von der Nacht zuvor gefunden, sondern im Gegenteil die Bombardierung der alten Hansestadt und die Vernichtung alter deutscher Kulturwerte und die Tötung der Einwohner als Prüfung Gottes im Zusammenhang mit der Verhüllung eines Christusbildes bezeichnet hat. Daß der Angeklagte so gepredigt hat, ist durch das glaubwürdige Zeugnis der Ehefrau Elsholz, die ihre polizeiliche Aussage bestätigt hat, bewiesen. Die Aussage der vom Angeklagten zu diesem Punkt benannten Entlastungszeugen Leo Otto und Ohrt haben zur Aufklärung nicht beitragen können, da Otto schwerhörig ist, und Ohrt der Predigt nicht zugehört hat, weil er noch von der Bombennacht erschüttert war.
Der Angeklagte ist der Zersetzung der Wehrkraft § 5 Abs. 1 Nr. 2 KSStVO. schuldig, denn durch die dargelegten Außerungen hat er sowohl gegenüber dem zur Wehrmacht eingerückten Pfarrer Holze wie gegenüber dem Freiwilligen Rauch es unternommen, die Manneszucht in der deutschen Wehrmacht zu untergraben. Damit zugleich und durch die Verbreitung der geschilderten Nachrichten und Behauptungen bei anderen Personen ist der Angeklagte ferner der landesverräterischen Feindbegünstigung (§ 91 b StGB.) schuldig, denn er hat auch die innere Geschlossenheit der Heimat, die im totalen Krieg mit der kämpfenden Front eins ist, zu erschüttern und zu lähmen gesucht, mithin es unternommen, der feindlichen Macht Vorschub zu leisten und folgeweise der Kriegsmacht des Reiches zu schaden.
In tateinheitlichem Zusammenhang mit diesem reichsschädigenden Verhalten hat er verbotswidrig absichtlich ausländische Sender abgehört und deren Nachrichten, die die Widerstandskraft des deutschen Volkes zu gefährden geeignet waren, vorsätzlich verbreitet. (§§ 1,2 der VO über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen vom 1. September 1939). Der erforderliche Strafverfolgungsantrag der Staatspolizeistelle liegt vor.
Es hat sich indessen nicht feststellen lassen, daß der Angeklagte dem Sturz der nationalsozialistischen Regierung und zwar durch gewaltsame Mittel oder durch Drohung mit solchen, angestrebt hat oder sich bewußt gewesen ist, daß sein Tun im gegebenen Falle Gewaltsamkeiten auslösen könnte oder er für eine vom Kriegsfeind erstrebte gewaltsame Beseitigung der deutschen Regierung tätig gewesen ist. Demnach hat der Senat ein Verbrechen der Vorbereitung zum Hochverrat nicht als verwirklicht angesehen.
Der Angeklagte ist sich der Bedeutung und Tragweite seines Tuns bewußt gewesen. Nach dem Eindruck, den er durch sein Auftreten in der Hauptverhandlung gemacht hat, ist er augenscheinlich zwar ein recht nervöser Mensch, er ist unruhig, seine Gesichtsmuskeln zucken häufig und er ist anscheinend auch abgemagert. Der Verhandlung ist er jedoch stets aufmerksam gefolgt und hat klare Antworten gegeben und sich überlegt verteidigt. Der Senat ist davon überzeugt, daß der Angeklagte fähig war, das Unerlaubte seiner Tat einzusehen und auch nach dieser Einsicht zu handeln (§§ 51 Abs. 1 StGB.). Darüber hinaus hat der Senat keinen Zweifel an der vollen Verantwortlichkeit des Angeklagten für sein Tun (§§ 51 Abs. 2 StGB). Der Angeklagte ist daher zu bestrafen.
Als Strafe kam allein die Todesstrafe in Frage. Wer als Angehöriger des deutschen Volkes in diesem schwersten Kampf, den es bisher in seiner Geschichte durchzustehen hatte, mit gehässigen Angriffen auf den Führer, durch Einwirkung auf andere Volksgenossen, mit der Absicht, diesen durch unwahre Behauptungen über die Lage im Innern und an der Front die Überzeugung des Sieges zu rauben; und dadurch sogar bei Wehrmachtsangehörigen die Manneszucht zu untergraben sucht, wer dieses Ziel unablässig, verbissen und fanatisch wie der Angeklagte verfolgt, und sich nicht scheut, für seine Agitation aus der Quelle der Feindpropaganda zu schöpfen, also selbst Feindpropaganda betreibt, ist des Todes.
Für den Angeklagten, der sich im übrigen als evangelischer Geistlicher nicht gescheut hat, sich mit einem Vertreter der den Protestantismus bekämpfenden katholischen Kirche im Kampf gegen den Staat zusammenzutun, gilt dies umso mehr, als er nicht bloß als verstandesreifer und gebildeter Mann, sondern darüberhinaus als Geistlicher ein Vorbild an volkstreuer Haltung hätte abgeben müssen. Gegenüber dem Bedürfnis des deutschen Volkes nach absoluter Sicherheit und zureichendem Schutz in seinem Schicksalskampf müssen persönliche Gründe, die, wie die frühere deutschbewußte Haltung des Angeklagten und sein Bekenntnis und sein Eintreten für den Nationalsozialismus, die er in der Vergangenheit an den Tag gelegt hat, zurücktreten.
Auch seine Nervosität und eine gewisse offensichtliche Zerfahrenheit können ihn, selbst wenn diese sich bis zum Grade einer unverminderten strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit gesteigert hätten, nicht von der härtesten Strafe; die allein am Platze ist, und die aus § 5 Abs. 1 KSStVO entsprechend gesetzlicher Bestimmung entnommen worden ist (§ 73 StGB.), schützen. Es ist daher, zumal ein minder schwerer Fall nicht vorliegt (§ Abs. 2 KSStVO), auf die Todesstrafe erkannt worden. Da der Angeklagte ehrlos gehandelt hat, sind ihm die bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit abgesprochen worden (§ 32 StGB.).
In den Nebenpunkten beruht die Entscheidung auf §§ 93 a StGB., 465 StpO.