VGH, 23.06.1943 - 2 H 65/43
Im Namen des Deutschen Volkes
- den Kaplan der katholischen Herz-Jesu-Kirche in Lübeck Johannes Prassek aus Lübeck, geboren am 13. August 1911 in Hamburg,
- den Vikar beim katholischen Pfarramt in Lübeck Hermann Lange aus Lübeck, geboren am 16. April 1912 in Leer,
- den Adjunkten bei der katholischen Pfarrkirche in Lübeck Eduard Müller aus Lübeck, geboren am 20. August 1911 in Neumünster (Holstein),
- den Geschäftsführer bei der katholischen Gemeinde in Lübeck Adolf Jürgen Ehrtmann aus Lübeck, geboren am 15. März 1897 in Frankfurt a.M.,
- den Invalidenrentner und Angestellten beim katholischen Pfarramt in Lübeck Robert Wilhelm August Köster aus Lübeck, geboren am 7. Juni 1868 in Höxter,
die Angeklagten zu 1 - 4 zur Zeit in dieser Sache in gerichtlicher Untersuchungshaft,
wegen Vorbereitung zum Hochverrat u.a.
hat der Volksgerichtshof, 2. Senat, auf Grund der Hauptverhandlung vom 22. und 23. Juni 1943,
an welcher teilgenommen haben
als Richter:
Vizepräsident des Volksgerichtshofs Dr. Crohne, Vorsitzer,
Landgerichtsdirektor Preußner,
SA-Brigadeführer Hauer,
Gaugerichtsvorsitzender Kapeller,
Kreisamtsleiter Diestel,
als Vertreter des Oberreichsanwalts:
für Recht erkannt:
I.
Die Angeklagten Prassek, Lange und Müller werden wegen Zersetzung der Wehrkraft in Verbindung mit landesverräterischer Feindbegünstigung und Rundfunkverbrechens zum Tode verurteilt.
Die bürgerlichen Ehrenrechte werden ihnen auf Lebenszeit aberkannt.
Der Angeklagte Ehrtmann wird wegen Beihilfe zur landesverräterischen Feindbegünstigung und Rundfunkverbrechens zu fünf Jahren Zuchthaus
verurteilt.
Zehn Monate der Untersuchungshaft werden ihm auf die Strafe angerechnet.
Der Angeklagte Köster wird wegen Abhörens ausländischer Sender mit einem
Jahr Gefängnis bestraft.
II.
Die sichergestellten Rundfunkempfänger werden eingezogen.
Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Die Angeklagten Prassek, Lange und Müller, die jetzt im Alter von 31 Jahren stehen, haben bis zu ihrer Festnahme in der Mitte des Jahres 1942 als katholische Priester in Lübeck gewirkt.
Ihnen ist zur Last gelegt, seit 1940 oder Anfang 1941 ständig deutschsprachige Sendungen des feindlichen Rundfunks abgehört und verbreitet und dadurch die Feindpropaganda gefördert zu haben. Sie haben ferner seit Frühjahr oder Sommer 1941 auf Anordnung ihrer vorgesetzten Kirchenbehörde regelmäßig Gruppenabende veranstaltet, die der religiösen Vertiefung der Teilnehmer dienen sollten, und zu denen sich auf Einladung durch die Angeklagten überwiegend junge Männer einfanden, die zum Teil der Wehrmacht angehörten, und die weitere Gäste einführten; sie sind weiter beschuldigt, auf diesen Gruppenabenden durch Hetze gegen den nationalsozialistischen Staat, und zwar auch durch Verteilung von Schriften, dem Kriegsfeind Vorschub geleistet und Vorbereitung zum Hochverrat begangen zu haben. Dem Angeklagten Prassek wird darüber hinaus vorgeworfen, sich mit dem evangelischen Pfarrer Stellbrink in Lübeck, der vom Volksgerichtshof ebenfalls zum Tode verurteilt worden ist, zum Kampf gegen den nationalsozialistischen Staat zusammengetan zu haben.
Die Angeklagten Ehrtmann und Köster, die in der Verwaltung der katholischen Kirche in Lübeck tätig waren, werden beschuldigt, feindliche Rundfunksendungen abgehört und verbreitet zu haben. Dem Angeklagten Ehrtmann wird außerdem zur Last gelegt, dem staatsfeindlichen Treiben des Müller auf den Gruppenabenden seine Hilfe geliehen zu haben.
II.
1.) Der Angeklagte Prassek entstammt einem katholischen Elternhause in Hamburg, sein Vater war Maurer. Nach dem Besuch der Volks- und höheren Knabenschule und des Johanneums in Hamburg, auf dem er die Abiturientenprüfung ablegte, bereitete er sich im Bischöflichen Theologenkonvikt in Frankfurt am Main und auf der Universität in Münster auf den Beruf eines katholischen Priesters vor. Sein Studium wurde ihm durch Zuwendungen des Hamburgischen Staates und des Bischöflichen Stuhles in Osnabrück mit ermöglicht. Er trat dann in das Bischöfliche Priesterseminar in Osnabrück ein und wurde dort 1937 zum Priester geweiht. Anschließend war er zunächst in Wittenberg und seit 1939 in Lübeck an der katholischen Herz-Jesu-Kirche als Geistlicher, und zwar seit Ende 1939 als Kaplan, bis zu seiner Festnahme am 28. Mai 1942 tätig.
2.) Der Angeklagte Lange, dessen Vater Seefahrtoberlehrer ist, hat nach dem Besuch des Gymnasiums in seiner Heimatstadt Leer in Ostfriesland an der Universität in Münster das geistliche Studium betrieben, war dann auf dem Bischöflichen Priesterseminar in Osnabrück und wurde dort 1938 zum Priester geweiht. Nachdem er als solcher Vertretungen in verschiedenen Städten wahrgenommen hatte, war er seit Juni 1939 bis zu seiner Festnahme am 15. Juni 1942 beim katholischen Pfarramt in Lübeck als Vikar tätig.
3.) Der Angeklagte Müller, dessen Vater Schuhmachermeister und später Rangierer auf einer Privatbahn war, wo er tödlich verunglückte, war ursprünglich Schreinergeselle. Mit 19 Jahren begann er mit dem Besuch der Aufbauschule, machte 4 Jahre später das Abiturientenexamen am Gymnasium in Münster, studierte auf der dortigen Universität und bezog das Bischöfliche Priesterseminar in Osnabrück. Nachdem er zum katholischen Priester geweiht und als solcher in verschiedenen Ortschaften gewirkt hatte, wurde er 1940 als Adjunkt bei der katholischen Pfarrkirche in Lübeck angestellt und war dort bis zu seiner Festnahme am 22. Juni 1942 tätig.
4.) Der jetzt 46 Jahre alte verheiratete Angeklagte Ehrtmann, der Vater von 8 Kindern im Alter von 5 bis 19 Jahren ist, war nach dem Besuch der Volks- und Mittelschule bei der Deutschen Lebensversicherungsgesellschaft in Lübeck angestellt. Nach dem Ersten Weltkrieg, an dem er von 1916 ab teilgenommen hat, und in dem er mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet worden ist, war er anfänglich wieder im Versicherungsfach tätig, arbeitete dann als Prokurist in einer Kohlenhandlang und später als Geschäftsführer in einer Grundstücksgesellschaft, bis er 1931 oder 1932 Geschäftsführer der katholischen Kirchengemeinde in Lübeck wurde. In dieser Stellung blieb er bis zu seiner Festnahme am 31. Juli 1942.
5.) Der heute 75 Jahre alte Angeklagte Köster, der in zweiter Ehe verheiratet ist, und aus dessen erster Ehe 2 heute erwachsene Kinder hervorgegangen sind, war nach dem Besuch der Volksschule lange Jahre Holzarbeiter, dann Lagermeister in einer Bäckerei und arbeitete später in der Brotfabrik seines Bruders. 1914 übernahm er das Delikateßwarengeschäft seiner jetzigen Ehefrau in Lübeck, das er in der Inflationszeit verkaufte. Von 1924 bis 1934 war er mit Unterbrechungen beim Finanzamt tätig. Er stellte damals mit Erreichung des 65. Lebensjahres seine Beschäftigung ein und lebte als Rentenempfänger. Seit Beginn des gegenwärtigen Krieges war er tageweise in der Registratur des katholischen Pfarramts in Lübeck tätig. Er wurde am 13. August 1942 festgenommen, aber am nächsten Tage mit Rücksicht auf sein vorgeschrittenes Alter und die Hilflosigkeit seiner 74jährigen Ehefrau aus der Haft entlassen.
III.
Die Hauptverhandlung hat auf Grund der Einlassung der Angeklagten, der Aussagen der Zeugen John, Düwel, Weber, Rohloff, Lüken, Heilmann, Grethe, Olbrich, Gerrit, Schmidt und Ehefrau Mühlhoff sowie auf Grund der zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Schriftstücke zu folgenden Feststellungen geführt:
1.
Der Angeklagte Prassek, der weder politisch tätig gewesen ist noch einer politischen Partei oder Organisation angehört hat, macht einen Unterschied zwischen Nationalsozialismus als Staatsform und Nationalsozialismus als Weltanschauung. Er ist nach seiner Behauptung nicht gegen den Nationalsozialismus als Staatsform eingestellt, steht allerdings auf dem Standpunkt, daß erst die Entwicklung zeigen müsse, ob der Nationalsozialismus für das deutsche Volk von Vorteil oder nachteilig sei. Er spricht sich gegen den Nationalsozialismus als Weltanschauung aus, soweit der Nationalsozialismus im Gegensatz zum Christentum stehe. Dies sei der Fall, insofern die nationalsozialistische Weltanschauung eine „Nur-Diesseitsanschauung“ sei, während die katholische Kirche eine ausgesprochene Jenseitsanschauung vertrete, dabei allerdings das Diesseits und das Jenseits miteinander verbinde. Er stehe z.B. auf Seiten der Kirche in der Ablehnung des Sterilisationsgesetzes.
Der Angeklagte hörte seit 1940 wiederholt Nachrichten des ausländischen Rundfunks ab, und zwar englischer Sender und eines Geheimsenders auf der Kurzwelle 31,6, der in der Nähe von London stationiert ist und sich mit der Melodie „Bis bis an Dein kühles Grab“ und mit den Worten „Achtung, hier spricht der Chef!“ meldet. Der Angeklagte benutzte das Rundfunkgerät im Zimmer seines Vorgesetzten, des Dechanten Bültel, mit dem er in demselben Gebäude wohnte, wenn dieser nicht zugegen war. Ferner traf er sich in der Zeit vom Sommer 1941 bis zum Winter 1941/1942 mehrmals mit Lange und Müller in dessen Zimmer und hörte gemeinschaftlich mit ihnen die genannten Feindsender ab. Der Angeklagte war es, der Lange zur Teilnahme hieran veranlaßt hatte.
Was der Angeklagte beim Abhören vernahm, erzählte er auf den genannten Gruppenabenden weiter und teilte seinen Zuhörern auch Wellenlänge, Pausenzeichen und Sendezeiten des Kurzwellensenders mit. Auch dem genannten evangelischen Pfarrer Stellbrink gab er von den gehörten Nachrichten Kenntnis, erzählte ihm demgemäß u.a. von der Auflösung von Klöstern und von angeblichen Sittlichkeitsverfehlungen im Zusammenhange mit der Kinderlandverschickung. Er empfahl ihm auch, den Kurzwellensender auf Welle 31,6 zu hören.
Seit dem Frühsommer 1941 veranstaltete der Angeklagte wöchentlich die erwähnten Gruppenabende. Teilnehmer waren hauptsächlich Soldaten katholischen Bekenntnisses. Es waren jedesmal durchschnittlich 10 bis 12 Personen anwesend.
Bald nach Einrichtung der Gruppenabende stellte dann der Angeklagte im Rahmen von Aussprachen allgemeinen Inhalts, die anschließend an die Besprechung religiöser Fragen stattfanden, und in denen aktuelle Tagesereignisse und vor allem die Kriegsverhältnisse erörtert wurden, hetzerische Behauptungen auf und erzählte Greuellügen.
Im einzelnen sind folgende solcher Äußerungen zuverlässig festgestellt worden:
- Der Führer habe 1937 auf der Ordensburg Vogelsang eine Rede gehalten und Kardinalstaatssekretär Pacelli habe dem deutschen Gesandten am Vatikan später eine Schallplatte vorgehalten, auf der die Rede aufgenommen gewesen sei, und habe dazu erklärt, es sei „bei einem Verhandlungspartner, der hintenherum anders rede als ins Gesicht, Mißtrauen angebracht“.
- Reichsmarschall Göring habe, so sagte der Angeklagte bei einer Erörterung des Falles Rudolf Heß, Startverbot erhalten und werde streng bewacht, damit er sich nicht, wie Heß, in Sicherheit bringen könne.
- Reichsführer-SS Himmler habe an Massenerschießungen im Generalgouvernement teilgenommen, diese fänden dort laufend statt. Gegenüber dem Mitangeklagten Lange nannte er in diesem Zusammenhange den Reichsführer „Reichsheini, der Verbrecher“.
- Auf einem Gruppenabend Ende März 1942 behauptete der Angeklagte, Himmler sei erschossen und durch einen Doppelgänger ersetzt.
- Generaloberst Udet sei keinem wirklichen Unfall zum Opfer gefallen, sondern vorsätzlich beseitigt worden.
- Mit Bezug auf veröffentlichte Abbildungen der Pioniere der Arbeit Funk, Porsche und Heinkel äußerte der Angeklagte spöttisch, diese seien „nordische Auslese“ und Heinkel sehe „besonders jüdisch“ aus.
- Die zur Arbeit im Reich eingesetzten Polen würden ungerecht behandelt. Im Polenlager Stockelsdorf seien Polen, die sich geweigert hätten, an Orgien und Trinkgelagen teilzunehmen, eingesperrt und vergewaltigt worden.
- Er habe auch gehört, daß die Polen, die im ehemals polnischen Gebiet von Deutschen erschossen worden wären, wieder ausgegraben und als ermordete Volksdeutsche ausgegeben würden.
- Zwischen dem Reich und Italien sehe es so aus, daß im Brennergebiet eine Bunkerlinie gebaut würde und daß die deutschen Truppen auch noch mal Italien besetzen müßten.
- Wie ein Bahnbeamter ihm mitgeteilt habe, der die Strecke zwischen Warschau und Breslau befahre, seien wiederholt Züge mit deutschen Soldaten durchgekommen; diese hätten an der Front gemeutert und würden deshalb nach der Heimat zurückbefördert.
- Auch eine SS-Division habe gemeutert, und zwar weil ihr kein Pfarrer zugeteilt worden wäre. Dies habe ihm ein SS-Mann erzählt, der im Allgemeinen Krankenhaus in Lübeck gelegen habe.
- Ein Maat, der zum Gasschutzkursus nach Rostock kommandiert worden sei, habe ihm erzählt, man rechne mit Gasangriffen. Die Sowjets hätten bereits Gas verwendet, aber das sei verschwiegen, um die deutschen Soldaten nicht zu demoralisieren.
- Gelegentlich einer Erörterung über die Euthanasie äußerte er u.a., unsere Soldaten müßten es wissen, daß ihre schwerverwundeten Kameraden, die nicht mehr „produktiv“ seien, in den Lazaretten getötet würden.
Der Angeklagte verbreitete ferner u.a. folgende Schriften, nachdem er sie zum Teil vervielfältigt hatte:
a) „Programmpunkte der Nationalen Reichskirche Deutschlands“. Diese Schrift ist als von einer angeblichen kirchlichen Neugründung nationalsozialistischer Prägung stammend aufgemacht. Sie fordert die Beseitigung des christlichen Glaubensbekenntnisses in Deutschland und Unterdrückung jeder religiösen Betätigung außerhalb der sogenannten Nationalkirche. Bei einem politisch nicht geschulten Leser wird der Eindruck geweckt, daß die Schrift mit Billigung der NSDAP verfaßt ist. Sie ist daher geeignet, die vom Staate gewollte Befriedung des konfessionellen Lebens in Deutschland zu hintertreiben und den kirchlich eingestellten Teil der Bevölkerung gegen Regierung und Partei aufzuhetzen. Diese Schrift ist auch von feindlichen Fliegern über dem Reichsgebiet abgeworfen worden.
b) „Auszug aus der Rede des Erzbischofs von Freiburg am Dreifaltigkeitssonntag 1941“. Hierin wird behauptet, am Dreifaltigkeitssonntag 1941 sei bei einer Feier der katholischen Jugend im Freiburger Münster vor dem Chor des Münsters eine Bombe niedergegangen, die nicht von feindlichen Fliegern, sondern von deutscher Seite abgeworfen worden sei. Es wird dazu aufgefordert, den Bombenwurf nicht als einen „Schreckschuß“, sondern als einen „Weckschuß“ zu betrachten und für die Sache der Kirche bis zum letzten zu kämpfen.
c) Ein Flugblatt mit der Überschrift „I. Priester der Erzdiözese Posen“ enthält Mitteilungen über die Zahl und den angeblichen Verbleib der katholischen Geistlichen des Warthegaues, die seit der Wiedervereinigung dieses Gebiete mit dem Reich aus ihrer seelsorgerischen Tätigkeit ausgeschieden sein sollen, sowie eine Aufstellung der Kirchen und Kapellen der Stadt Posen, die seit dem 1. September 1939 angeblich einem anderen Verwendungszweck zugeführt oder geschlossen worden sind. Nach dem Bericht der Geheimen Staatspolizei sind die in dem Flugblatt berichteten Maßnahmen gegen Kirche und Geistliche im ehemaligen Polen ausschließlich im deutschfeindlichen Verhalten der Geistlichen begründet. Der nicht unterrichtete Leser muß aus jenem Flugblatt den Eindruck gewinnen, daß die deutsche Regierung grundlos gegen die Kirchen und Geistlichen vorgegangen ist.
d) Abdruck eines Erlasses des Bayrischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 28. August 1941 über die Entfernung der Kruzifixe aus den Schulen. Es stellt eine im wesentlichen wortgetreue Wiedergabe eines an die Gauleiter der NSDAP in Bayern gerichteten vertraulichen Rundschreibens jenes bayrischen Ministeriums dar.
Der Angeklagte hatte sämtliche Flugschriften vom Mitangeklagten Lange erhalten, und zwar von den ersten beiden Schriften je ein Exemplar und von den anderen Flugblättern je mehrere Stücke. Er stellte mit Hilfe seiner Schreibmaschine und eines geliehenen Vervielfältigungsapparates von den ersten beiden Schriften je 200 Abzüge her und verteilte sie und die Exemplare der übrigen Flugblätter zum Lesen und zur Weiterverbreitung an die Teilnehmer der Gruppenabende und an andere Personen sowie an die Mitangeklagten Lange und Müller und den evangelischen Pfarrer Stellbrink und las den Inhalt auch auf den Gruppenabenden vor.
Ferner verlas er auf den Gruppenabenden auch einen Aufsatz des Pastors Moschner mit dem Titel „Scarabäus“, der sich gegen die vom Reichsleiter Rosenberg herausgegebene Schrift „An die Dunkelmänner unserer Zeit“ richtete, und in dem der Reichsleiter mit dem Scarabäus, dem Mistkäfer, verglichen wird.
Im Sommer 1941 trat der Angeklagte mit dem genannten evangelischen Pastor Stellbrink in Verbindung und kam mit ihm überein, bei der Vertretung ihrer beiderseitigen kirchlichen Belange in Zukunft alle zwischen ihnen bestehenden konfessionellen Gegensätze zurückzustellen und gegenseitig Informationen auszutauschen. Im einzelnen beschlossen sie, sich gegenseitig aufzuklären, anderen, die danach verlangten, Aufklärung zu geben und ihnen zugegangene Schriften gegenseitig auszuwechseln. In der Folgezeit teilte der Angeklagte dann dem Stellbrink den Inhalt von Meldungen mit, die der illegale Sender auf der Kurzwelle 31,6 gebracht hatte, und veranlaßte Stellbrink, ebenfalls diesen Sender abzuhören. Auch erzählte er ihm u.a. von dem Vorgehen der deutschen Staatsführung gegen die polnische Bevölkerung und betonte dabei, daß das polnische Volk vernichtet und seiner Existenzmöglichkeiten beraubt werde. Er äußerte auch, daß die Anstalten in Bethel bei Bielefeld nicht von englischen, sondern von deutschen Fliegern bombardiert worden seien.
Dem Stellbrink händigte der Angeklagte auch eine Anzahl der von ihm vervielfältigten Schriften aus, und zwar u.a. je 20 Abzüge des Nationalkirchenflugblatts sowie der Schrift „Auszug aus der Rede des Erzbischofs von Freiburg am Dreifaltigkeitssonntag 1941“, und forderte ihn auf, die Flugblätter weiterzuverbreiten. Er überließ ihm auch vorübergehend den „Scarabäus“-Aufsatz. Er seinerseits erhielt von Stellbrink mindestens den Abzug einer Rede des Landesbischofs Wurm über Euthanasie.
2.
Der Angeklagte Lange hat über seine politische Einstellung angegeben, daß er während seines Studiums in Münster in den Jahren 1933 bis 1937 durch die Spannung, die seiner Auffassung nach damals zwischen Staat und Kirche bestanden habe, zu einer „ablehnenden Haltung“ gegen den Staat veranlaßt worden sei. Als er später während seiner Tätigkeit als Geistlicher von der Aufhebung katholischer Klöster hörte, will er in diesen Maßnahmen einen „Angriff des Staates gegen die Kirche“ erblickt und sich von da ab „feindlich“ gegen den nationalsozialistischen Staat eingestellt haben.
Der Angeklagte hörte, wie geschildert, gemeinschaftlich mit Prassek und Müller auf dessen Zimmer seit dem Sommer 1941 wiederholt englischen Rundfunk und den genannten Sender auf Welle 31,6 ab. Die von ihm dabei aufgenommenen Nachrichten erzählte er in Unterhaltungen mit den Mitangeklagten Ehrtmann und Köster und auch auf den von ihm veranstalteten Gruppenabenden weiter. So berichtete er, daß bei einer Klosterauflösung in Bayern ein SS-Führer den Abt und die Gläubigen, die sich zum Abschied noch einmal in der Klosterkirche versammelt hätten, aus der Kirche gewiesen habe, und daß dabei ein verwundeter Unteroffizier, der sich dem SS-Führer widersetzt habe, abgeführt worden sei. Ferner äußerte er, daß ein SA-Führer in Berlin gehamstert habe. Der Angeklagte wies die Besucher seiner Gruppenabende auch auf den Sender der Kurzwelle 31,6 hin und gab ihnen die Sendezeiten bekannt.
Auf den Gruppenabenden, die der Angeklagte in gleicher Weise wie Prassek veranstaltete, und die ebenfalls religiöser Vertiefung der Teilnehmer dienen sollten, die zum Teil der Wehrmacht bereits angehörten und die sich ferner überwiegend aus solchen Besuchern zusammensetzten, die ihre Einberufung zum Wehrmachtsdienst erwarteten, erzählte auch dieser Angeklagte im Anschluß an den religiösen Teil solcher Abende Hetznachrichten und Greuellügen des geschilderten Inhalts, nämlich insbesondere über die Stellungnahme des Kardinalstaatssekretärs Pacelli zu einer Führerrede auf der Ordensburg Vogelsang, über das Startverbot für Reichsmarschall Göring, über die Teilnahme des Reichsführers-SS Himmler an Massenerschießungen in Polen, über die Tötung unproduktiv gewordener verwundeter Soldaten und über die schlechte Behandlung der polnischen Arbeiter sowie über die Bombardierung der Anstalten von Bethel durch deutsche Flieger. Ferner äußerte er, die tödlichen Unfälle des Generalobersten Udet und des Obersten Mölders seien absichtlich herbeigeführt; es seien Sittlichkeitsexzesse seitens SS-Angehöriger bei der Einquartierung in Nonnenklöstern vorgekommen. Dagegen bezweifelte er die von der deutschen Presse berichteten Greueltaten in Polen an Volksdeutschen und behauptete, daß von den Deutschen erschossene Polen ausgegraben und als ermordete Volksdeutsche bezeichnet worden seien, und erzählte eine ähnliche Greuelnachricht von einer angeblich durch deutsche Soldaten erschossenen russischen Familie, deren Lichtbilder die deutsche Presse mit der Erklärung veröffentlicht haben sollte, daß es sich um Opfer des Bolschewismus handele.
Auch dieser Angeklagte verteilte die ihrem Inhalt nach wiedergegebenen Flugschriften und veranlaßte zum Teil deren Vervielfältigung. Dem Prassek stellte er zum Zweck der Vervielfältigung je ein Exemplar der Schriften „Programmpunkte der nationalen Reichskirche Deutschlands“ und „Auszug aus der Rede des Erzbischofs von Freiburg am Dreifaltigkeitssonntag 1941“ zur Verfügung, nahm von ihm eine nicht näher festgestellte Anzahl angefertigter Exemplare entgegen und verteilte sie an die Besucher seiner Gruppenabende und an Bekannte. Von dem Flugblatt „I. Priester der Erzdiözese Posen“ und dem Kruzifixerlaß des Bayerischen Staatsministeriums vom 28. August 1941 ließ der Angeklagte durch den Stabsfeldwebel Matthias Köhler beim Wehrbezirkskommando in Lübeck je 100 oder 200 Vervielfältigungen herstellen. Einen Teil dieser Schriften verteilte Lange an die Mitglieder seiner Gruppe oder sonstige Besucher. Außerdem erhielten Prassek und Müller eine Anzahl Abzüge. Den Rest dieser Flugblätter ließ Lange durch Prassek fortschaffen, nachdem die Geheime Staatspolizei bei ihm nach der Herkunft eines bei einem Gruppenzugehörigen vorgefundenen Nationalkirchenflugblattes nachgefragt hatte. Die Besucher der Gruppenabende forderte er wiederholt auf, die Schriften an „gute Katholiken“ weiterzugeben und auch für Verbreitung bei Soldaten an der Front zu sorgen.
3.
In der Zeit vom Sommer 1941 bis zum Winter 1942 hörte der Angeklagte Müller, der angegeben hatte, unpolitisch eingestellt zu sein, auf seinem Zimmer durch seinen Rundfunkempfänger gemeinschaftlich mit Prassek und Lange wiederholt die Nachrichten des englischen Rundfunks und des Kurzwellensenders auf Welle 31,6 ab.
Auch dieser Angeklagte veranstaltete ebenso wie Prassek und Lange Gruppenabende, die einmal wöchentlich im katholischen Gesellenhaus in Lübeck stattfanden und zur Erörterung religiöser Fragen bestimmt waren. Die Teilnehmer waren außer einigen Soldaten meist Zivilisten, doch erwarteten auch diese zum Teil ihre Einberufung zum Dienst in der Wehrmacht. Zu ihnen äußerte sich der Angeklagte in abfälliger Weise über den nationalsozialistischen Staat, sprach insbesondere in gleicher Art wie Prassek von der schlechten Behandlung der Polen im Reichsgebiet, machte zweifelnde Andeutungen im Zusammenhange mit dem Tode des Obersten Mölders und tat weiter in abfälliger Weise Äußerungen über eine Klosterauflösung in Bayern.
Von Prassek oder Lange erhielt er im Laufe des Sommers und Herbstes 1941 u.a. je 20 Stücke des Nationalkirchenprogramms, des Flugblattes, das die Rede des Erzbischofs von Freiburg am Dreifaltigkeitssonntag 1941 enthielt, sowie mehrere Abzüge der Flugschrift „I. Priester der Erzdiözese Posen“ und des Kruzifixerlasses vom 28. August 1941. Der Inhalt dieser Schriften ist oben geschildert. Alle diese Schriften verlas er auf den Gruppenabenden und besprach im Anschluß daran ihren Inhalt mit den Gruppenmitgliedern. Ferner verteilte er die Flugblätter, von denen er mehrere Stücke erhalten hatte, an die Besucher seiner Gruppenabende und forderte sie auf, die Schriften an „gute Katholiken“ oder „gute Bekannte“ weiterzugeben.
Unter den vom Angeklagten auf den Gruppenabenden verlesenen und an die Teilnehmer zur eigenen Lektüre und zur Verbreitung weitergegebenen Schriften befand sich auch ein Flugblatt mit der Wiedergabe einer Predigt des Bischofs von Münster. An deren Schluß hatte Prassek selbst einen Zusatz des Inhalts hinzugefügt, es habe sich herausgestellt, daß Soldaten, die an der Front zu Krüppeln geworden und nicht mehr produktiv seien, in den Lazaretten getötet würden. Der Angeklagte nahm an, wie er bekundet hat, daß dieser Zusatz von
Prassek stammte, weil dieser ihm von der behaupteten Tötung schwerverwundeter Soldaten erzählt hatte.
4.
Der Angeklagte Ehrtmann, der von 1920 bis 1933 der Zentrumspartei in Lübeck als Vorstandsmitglied angehört hat und seit 1926 als Abgeordneter der Zentrumspartei Mitglied der Lübecker Bürgerschaft gewesen ist, hörte mit seinem Rundfunkempfänger seit 1940 öfter deutschsprachige Nachrichten des englischen Rundfunks ab und besprach diese mit Lange und Köster.
Der Angeklagte nahm auch an den geschilderten, von Müller geleiteten Gruppenabenden seit Anfang 1941 bis zur Festnahme des Müller regelmäßig teil. Er erhielt von Müller einige der genannten Flugblätter zur Verbreitung und verteilte sie an Bekannte.
5.
Der Angeklagte Köster ist von 1921 bis 1923 Mitglied der Zentrumspartei gewesen. Von 1940 bis Anfang 1942 hörte er mit seinem Rundfunkempfänger bisweilen die Nachrichten des Londoner Senders in deutscher Sprache ab und unterhielt sich über das Gehörte manchmal mit Ehrtmann, der, wie er wußte, gleichfalls englische Rundfunksendungen hörte. Bisweilen war bei solchen Gesprächen auch Lange zugegen. Obgleich der Angeklagte wußte, daß die feindlichen Rundfunksendungen der „Vergiftung des deutschen Volkes“ dienten, setzte er das Abhören gelegentlich fort. Er will hierzu von Lange und Ehrtmann, die ihn staatsfeindlich beeinflußt hätten, verführt worden sein.
IV.
Die Angeklagten haben mit Ausnahme des Müller den geschilderten äußeren Sachverhalt im wesentlichen zugegeben, haben ihn allerdings in Einzelheiten einzuschränken versucht, und behauptet, sie hätten manches nicht oder manches nicht in der Form gesagt, wie es in den polizeilichen Vernehmungsniederschriften niedergelegt worden sei. Diese Einwendungen sind durch die glaubwürdigen Zeugenaussagen des Kriminalrats John und des Kriminalsekretärs Düwel widerlegt, denn die Zeugen haben bedenkenfrei bekundet, daß die Angeklagten in den wiederholten Vernehmungen, die in ruhiger Art und ohne Druck auf die Angeklagten durchgeführt worden seien, Gelegenheit zu ausführlicher Verteidigung gehabt und ihre Angaben in der Weise gemacht haben, wie sie niedergeschrieben worden sind. Durch die Aussage der beiden Zeugen sind ferner die den Müller belastenden Angaben der Mitangeklagten im Vorverfahren bestätigt worden, die diese dem Sinne nach auch in der Hauptverhandlung teilweise aufrechterhalten haben. Damit ist auch das Vorbringen des Müller widerlegt, der seine Tat in ihrem äußeren Ablauf in wesentlichen Punkten bestritten hat.
Die Angeklagten Prassek, Lange und Müller haben jeder Rundfunkverbrechen, landesverräterische Feindbegünstigung und Zersetzung der Wehrkraft begangen.
Sie haben, wie geschildert, absichtlich Nachrichten ausländischer Sender abgehört und Nachrichten ausländischer Sender, die geeignet sind, die Widerstandskraft des deutschen Volkes zu gefährden, vorsätzlich, nämlich insbesondere auf den Gruppenabenden, verbreitet. Selbst wenn die Angeklagten den Sender auf Kurzwelle 31,6 für einen deutschen Schwarzsender gehalten haben, wie Prassek behauptet, schließt das die Strafbarkeit nicht aus; denn der Senat hält, da die Rundfunk-VO. die Lähmung des deutschen Wehrwillens durch feindliche Sender zu hindern sucht, auf solche Schwarzsender die Rundfunk-VO für entsprechend (§ 2 StGB.) anwendbar. Sie haben mithin ein Verbrechen gegen §§ 1, 2 der VO. über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen vom 1. September 1939 begangen. Der erforderliche Strafverfolgungsantrag der Staatspolizeistelle liegt vor.
Ferner haben sie durch die mündliche Hetzpropaganda auf den Gruppenabenden, die sie durch die Verteilung der genannten Schriften zum Zwecke der Verbreitung bei außerhalb des Besucherkreises stehenden Personen unterstützt haben, die Geschlossenheit der Heimatfront angegriffen und damit im totalen Krieg es unternommen, dem Feinde Vorschub zu leisten. Sie haben mithin ein Verbrechen der landesverräterischen Feindbegünstigung nach § 91 b StGB. verübt. Es mag zwar sein, daß einzelne der Äußerungen, die diese Angeklagten getan haben, wenn sie jede für sich gewürdigt werden, noch nicht den Tatbestand der landesverräterischen Feindbegünstigung erfüllen, doch ist das Tun dieser Angeklagten in dem natürlichen Zusammenhange zu betrachten, in dem es verwirklicht worden ist. Dann aber ergibt sich, daß diese Angeklagten in systematischer Hetze die Einheit des deutschen Volkes gefährdet haben und dadurch, was keiner weiteren Ausführung bedarf, auch den Feind des Reichs begünstigt haben.
Die genannten drei Angeklagten haben ferner es unternommen, die Manneszucht in der deutschen Wehrmacht zu untergraben, indem sie den Soldaten und denjenigen Besuchern ihrer Gruppenabende, die mit der Einberufung zur Wehrmacht zu rechnen haben, die genannten hetzerischen Äußerungen, und zwar vor allem die Behauptung von der Tötung der schwerverwundeten und „unproduktiven“ Frontkämpfer vortrugen, und zwar letztere Äußerung als eine angebliche Predigtstelle des Bischofs Graf Galen, obwohl sie wußten, daß es sich um einen fälschenden Zusatz des Prassek handelte. Denn es kann keinem Zweifel unterliegen daß derartige Äußerungen geeignet sind, die Kampfmoral von vornherein zu zerstören oder zu beeinträchtigen und damit die Manneszucht zu untergraben. Die Angeklagten haben also auch Wehrkraftzersetzung nach § 5 Abs.1 Nr.2 KSStV0. begangen.
Daß diese Angeklagten auch darauf ausgegangen sind, mit ihrer Hetze auf die gewaltsame Beseitigung der Regierung oder den gewaltsamen Umsturz im Innern hinzuarbeiten, oder daß sie im Auge hatten, durch ihre staatsfeindliche Tätigkeit die auf den gewaltsamen Sturz der Regierung gerichteten Absichten der Feindmächte zu fördern, hat sich, mindestens zur inneren Tatseite, nicht feststellen lassen. Ein Verbrechen der Vorbereitung zum Hochverrat hat diesen Angeklagten mithin nicht nachgewiesen werden können.
Die Angeklagten Prassek, Lange und Müller haben bestritten, sich schuldig gemacht zu haben, und machen geltend, sie hätten sich, ohne den nationalsozialistischen Staat anzugreifen, auf rein weltanschaulichem Boden bewegt und als katholische Priester nur die Angriffe auf ihre religiöse Überzeugung und auf die Rechte ihrer Kirche und deren Einrichtungen abgewehrt. Diese Verteidigung haben sie trotz ständiger Vorhaltungen aufrechterhalten und haben dabei auf die wiederholten Fragen, die der Aufklärung der inneren Tatseite gedient haben, nur ausweichende Antworten gegeben. Prassek und Lange haben andererseits unter Beweisantritt behauptet, sie hätten sich über das erforderliche Maß hinaus bei der Rettung von Menschen und bei der Bergung von Hab und Gut bei dem Terrorangriff der englischen Luftwaffe auf Lübeck hervorgetan. Der Senat hat das als wahr unterstellt. Diese beiden Angeklagten machen weiterhin geltend, dieser ihr Einsatz beweise, daß sie nicht staatsfeindlich eingestellt seien.
Die Einlassung der Angeklagten Prassek, Lange und Müller ist widerlegt.
Der Senat hat zwar berücksichtigt, daß diese Angeklagten, wie sie geltend gemacht haben, sich als kirchentreue Katholiken und Geistliche durch die von staatlichen Stellen angeordnete und durchgeführte Auflösung von Klöstern und durch die Beseitigung kirchlicher oder Glaubenssymbole, z.B. in den Schulen, getroffen gefühlt, dadurch die Ausübung ihrer konfessionellen Rechte bedroht und die Befriedigung ihrer religiösen Bedürfnisse als gefährdet angesehen haben, und daß sie sich darüber hinaus auch – ob mit Recht sei dahingestellt – nach dem Beispiel kirchlicher Oberer für befugt und verpflichtet gehalten haben, solche von ihnen als unberechtigte Eingriffe empfundenen Maßnahmen abzuwehren. Was die Angeklagten getan haben, war aber gar keine Abwehr und auch kein Kampf gegen die ihnen fremd und abwegig erscheinende nationalsozialistische Weltanschauung, sondern beabsichtigte gehässige Hetze aus fanatischem Haß gegen den nationalsozialistischen Staat. Das zeigt allein schon der Inhalt der Äußerungen, die sie auf den Gruppenabenden getan haben, und auf die hiermit verwiesen wird. Die Angeklagten können sich also in Wirklichkeit nicht auf irgendwelche Beweggründe berufen, durch die ihre Tat menschlich und moralisch verständlich gemacht oder gar gerechtfertigt werden könnte. Die Angeklagten sind hartnäckige, fanatisierte und auch gänzlich unbelehrbare Hasser des nationalsozialistischen Staates. In ihrer Verblendung haben sie geglaubt, eine Kluft zwischen Staat und Volksgemeinschaft, zwischen Führung und Volk aufreißen zu können, um das Volk für ihren Kampf gegen die nationalsozialistische Führung und Regierung zu gewinnen. Der Staat ist aber heute im nationalsozialistischen Volksreich nichts mehr vom Volke Verschiedenes und wird auch vom Volke selbst als kein besonderes Wesen, sondern als eine Form der Zusammenfassung aller Deutschen und als sichtbarer und repräsentativer Ausdruck der Gemeinschaft aller Volksgenossen empfunden. Wer den Staat angreift, kämpft damit also unmittelbar gegen die geschlossene und einige Gemeinschaft der Deutschen. Die Angeklagten haben dies nach ihrem Bildungsgrad auch erkannt und gewußt und sind nicht blind gegen die Gefahr gewesen, die ihre hetzerische Tätigkeit für die geschlossene Einheit des Volkes herbeiführen mußte. In immer wiederkehrenden Hetzereien, wobei sie sogar so weit gingen, zu behaupten, daß die deutschen Soldaten, die das Höchste, ihr Leben, für die Verteidigung der Heimat eingesetzt haben und dabei schwerverwundet worden sind, getötet werden, wenn sie nicht mehr „produktiv“ erscheinen, haben sie trotzdem unablässig und systematisch ihr volksverräterisches Wesen getrieben. Sie haben sich auch nicht etwa durch den Gedanken daran zurückhalten lassen, daß gerade sie als Priester, in denen die Gläubigen nicht nur in jenseitigen Dingen, sondern auch in irdischen Angelegenheiten Persönlichkeiten überlegenen und größeren Wissens und besserer Erfahrung und beispielgebende Vorbilder sehen, absolute Zurückhaltung hätten üben und alles ihnen Mögliche zur Aufrechterhaltung der inneren Haltung der Heimatfront hätten beitragen müssen. Sie haben sich nicht daran gekehrt, daß das böse Beispiel, das sie gaben, verderbliche Früchte zum Schaden der Fortführung des Schicksalskampfes des deutschen Volkes tragen mußte, und daß die Saat, die sie hier ausstreuten, in schweren Stunden, die dem deutschen Volke unter Umständen in dem größten Kampf seiner Geschichte noch bevorstehen können, vernichtend aufgehen und die Widerstands- und Kampfmoral an der Front und in der Heimat zerstören muß. Sie waren sich nicht nur hierüber klar, sondern beabsichtigten auch, wie der Senat überzeugt ist, daß ihr verderblicher Einfluß, den sie auf die Teilnehmer an den Gruppenabenden bewußt ständig ausübten, auch auf die Bevölkerung übergreifen sollte. Sie haben auch in bewußter Gemeinschaftlichkeit miteinander gehandelt, denn es ist trotz ihres Bestreitens klar, daß sie sich über ihre Hetztätigkeit miteinander verständigt haben, was schon allein aus dem Austausch der genannten Hetzschriften hervorgeht.
Für solche Verbrecher am Volksganzen wie die Angeklagten Prassek, Lange und Müller es sind, kann es, zumal es sich um keinen minder schweren Fall handelt (§ 5 Abs.2 KSStVO.), nur die härteste Strafe geben, die das Gesetz zum Schutze des Volkes zuläßt, die Todesstrafe. Persönliche Gründe, die eine mildere Bestrafung rechtfertigen sollen, wie z.B. mannhaftes Auftreten bei dem Bombenabwurf in Lübeck, müssen da, wo es, wie hier, um den Schutz der Volksgesamtheit geht, zurücktreten.
Es ist daher gegen die genannten drei Angeklagten auf die Todesstrafe erkannt worden (§ 5 Abs.1 KSStVO., § 73 StGB.).
Diesen Angeklagten sind ferner wegen der Ehrlosigkeit, die sie bewiesen haben, die bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit abgesprochen worden (§ 32 StGB.).
Das Verhalten des Angeklagten Ehrtmann hat der Senat, da dieser Angeklagte nur in untergeordneter Rolle an der Tat des Müller beteiligt gewesen ist, als Beihilfe zum Verbrechen der landesverräterischen Feindbegünstigung des Müller gewertet (§§ 49, 91 b StGB.). Über Bedeutung und Tragweite seiner eigenen Tat und des Tuns des Müller war sich dieser Angeklagte, wie er nicht ernstlich bestritten hat, und wovon der Senat überzeugt ist, klar. Dieser Angeklagte ist ferner, was keiner Begründung bedarf, des absichtlichen Abhörens ausländischer Sender und der vorsätzlichen Verbreitung von Nachrichten ausländischer Sender, die geeignet sind, die Widerstandskraft des deutschen Volkes zu lähmen, schuldig (§§ 1, 2 der VO. über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen vom 1. September 1939). Wegen der Beihilfe zur landesverräterischen Feindbegünstigung hat der Senat eine Zuchthausstrafe von zwei Jahren und wegen des Rundfunkverbrechens eine solche von vier Jahren als angemessen angesehen und auf eine Gesamtstrafe von fünf Jahren Zuchthaus als erforderlich erkannt. Da der Angeklagte die Dauer der Untersuchungshaft nicht verschuldet hat, ist diese ihm im erkannten Umfang auf die Strafe angerechnet worden (§ 60 StGB.)
Noch milder konnte die Tat des Angeklagten Köster beurteilt werden. Dieser Angeklagte ist des absichtlichen Abhörens ausländischer Sender schuldig (§ 1 der VO. über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen vom 1. September 1939). Er hat zwar dem Ehrtmann auch mitgeteilt, welche Nachrichten des englischen Rundfunks er abgehört hat, doch hat sich nicht feststellen lassen, daß dieser jetzt 75 Jahre alte Angeklagte auch der vorsätzlichen Verbreitung ausländischer Sendernachrichten schuldig ist; zumal er sie nur dem gleichgesinnten Ehrtmann anvertraut hat. Als schuldangemessene Strafe ist gegen diesen Angeklagten, der nach der Überzeugung des Senats im wesentlichen aus Neugier den feindlichen Rundfunk abgehört hat, auf eine Gefängnisstrafe von einem Jahr erkannt worden.
In den Nebenpunkten beruht die Entscheidung auf § 93 a StGB., § 465 StPO.
gez. Dr. Crohne gez. Preußner