RG, 09.12.1879 - II 29/79

Daten
Fall: 
Actio Pauliana
Fundstellen: 
RGZ 1, 200
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
09.12.1879
Aktenzeichen: 
II 29/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Elberfeld.
  • Appellationsgerichtshof Köln.
Stichwörter: 
  • Wirkung der Actio Pauliana gegenüber gutgläubigen dritten Erwerbern

Wirkung der actio Pauliana gutgläubigen dritten Erwerbern gegenüber nach französischem Rechte. Besondere Grundsätze, im Falle eines Falliments.

Tatbestand

Am 16. September 1874 verkaufte V. an seinen Sohn ein Wohnhaus zum Preise von 6450 Thaler. Letzterer nahm am 23. Oktober 1874 von Kl. ein Darlehen, für welches er Hypothek auf dem erkauften Hause bestellte. Am 4. Dezember 1874 wurde diese Hypothekarforderung cediert an die Rentnerin F. - Am 12. Dezember 1874 wurde V. fallit erklärt und der Ausbruch des Fallimentszustandes auf den 20. Juni 1874 festgesetzt. Auf Klage des Syndiks wurde durch Urteil vom 10. November 1877 der Kauf des V. Sohn als zum Betruge der Gläubiger geschlossen vernichtet. Die Frage, ob diese Vernichtung auch der Rentnerin F. gegenüber wirke, wurde in zwei Instanzen bejaht, vom Reichsgerichte aber verneint aus folgenden Gründen:

Gründe

"In Erwägung, was zunächst die allgemeinen Grundsätze über Anfechtung von Rechtshandlungen zum Betruge der Gläubiger betrifft:

  • daß das ältere französische Recht in Übereinstimmung mit den Principien des römischen Rechtes von dem Grundsatze ausging, die actio Pauliana richte sich, soweit es sich um Anfechtung oneroser Rechtsgeschäfte handle, nur gegen den Betrug, schade also nur demjenigen, der Betrug geübt, nicht aber demjenigen, der in gutem Glauben gehandelt habe (l. 9 Dig. quae in fraudem cred.), hieraus aber die Folgerung sich ergab, daß dieser Klage Wirkung gegen den gutgläubigen dritten Erwerber versagt war und es sich bei derselben nicht um eine unbedingt ex tune wirkende Rescission oder Resolution, vielmehr nur um eine persönliche, zum Vorteile des Gläubigers und zum Nachteile des bösgläubigen Kontrahenten wirkende Anfechtungsklage handelte;
  • daß durch die allgemeine Bestimmung des Art. 1167 ( Code civ. an diesen Principien nichts geändert werden sollte und ebenso wie unbestritten angenommen wird, bei onerosen Geschäften müsse auch jetzt noch der Gegenkontrahent von der betrügerischen Absicht des Schuldners Kenntnis gehabt haben, obgleich Art. 1167 dies nicht verlangt, auch die weitere Folgerung berechtigt erscheint, es sei überhaupt der Anfechtungsklage des Art. 1167 cit. Wirkung gegen gutgläubige Erwerber versagt;

In Erwägung, daß Art. 445 des preuß. Ges. vom 9. Mai 1859, ebenso wie der völlig gleichlautende Art. 447 des französ. Ges. vom 28. Mai 1838 auf dem allgemeinen Principe des Art. 1167 Code civ. beruht, welches nur mit Rücksicht auf die durch den Fallimentszustand geschaffene besondere Lage dahin modifiziert und verschärft wird, daß erstens schon die Kenntnis der Zahlungseinstellung d. h. des tatsächlichen Fallimentszustandes genügt, die betrügerische Absicht zu begründen und daß zweitens eine Gefährde schon in der Erlangung eines Vorzuges vor anderen Gläubigern zu finden ist;

  • daß diese Modifikationen das Wesen der paulianischen Klage nicht berühren, daher kein Grund vorliegt, anzunehmen, man habe die diese Klage beherrschenden allgemeinen Principien verlassen und eine absolute Nichtigkeit schaffen wollen, zufolge deren unter dem bösen Glauben des ersten Erwerbers alle späteren gutgläubigen Erwerber zu leiden hätten;
  • daß die Absicht einer solchen Neuerung nicht bloß daraus, daß der Ausdruck "nichtig erklären" gebraucht wurde, gefolgert werden kann, da dieser Ausdruck keineswegs notwendig eine absolute, nach allen Richtungen wirkende Nichtigkeit bezeichnet, vielmehr die Frage, welche Wirkung einer angedrohten Nichtigkeit zukomme, hauptsächlich nach Natur und Zweck der in Frage stehenden Bestimmung zu entscheiden ist;
  • daß übrigens die Theorie, nach welcher in Fällen, wo das Gesetz für die Anfechtung von Rechtsgeschäften auf den guten oder bösen Glauben des Erwerbers maßgebendes Gewicht legt, nicht bloß beim ersten, sondern auch bei allen folgenden Erwerbern der gute oder böse Glauben ausschlaggebend ist, insbesondere auch in der inneren Natur des betreffenden Klagerechtes seine Begründung findet, indem es höchst unbillig und inkonsequent wäre, den guten Glauben beim ersten Erwerber zu schützen, bei den späteren Erwerbern aber schutzlos zu lassen und das nämliche Rechtsgeschäft, welches, direkt mit dem Gemeinschuldner geschlossen, gültig wäre, zu vernichten, weil es sich bloß indirekt auf eine Rechtshandlung des Gemeinschuldners gründet, obgleich in letzterem Falle der Erwerber der Regel nach viel entschuldbarer ist, als in ersterem Falle;
  • daß daher alle neuen Konkursordnungen, insbesondere auch die deutsche (§ 33), den gutgläubigen späteren Erwerber in gleicher Weise wie den ersten Erwerber schützen und in der französischen Doktrin mit Recht anerkannt ist, Art. 447 des Ges. vom 28. Mai 1838 finde auf spätere Erwerber nur Anwendung, wenn auch bei ihnen der dolus, welchen Art. 447 verlangt, nämlich Kenntnis der Zahlungseinstellung zur Zeit ihres Erwerbes vorgelegen habe.

(Folgen weitere Erörterungen aus der Entstehungsgeschichte des Ges. von 1859.)"