danke-sagen-unterstützen

Unveröffentlichte Gerichtsentscheidung hinzufügen: Mehr erfahren...

RG, 26.05.1880 - I 808/80

Daten
Fall: 
Nichterscheinen des Beklagten zum mündlichen Verhandlungstermin
Fundstellen: 
RGZ 1, 438
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
26.05.1880
Aktenzeichen: 
I 808/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Greiz
  • OLG Jena

1. Muß das Gericht, wenn der Beklagte in der auf die Klage anberaumten mündlichen Verhandlung nicht erscheint, seine Zuständigkeit von Amts wegen prüfen oder ohne solche Prüfung das Versäumnisurteil erlassen?
2. Ist, wenn aus einem Handelsgeschäfte gegen den Käufer auf Zahlung des Kaufpreises geklagt wird, das Gericht am Wohnsitze resp. am Orte der Handelsniederlassung des Käufers oder des Verkäufers zuständig?

Tatbestand

Der in Greiz wohnende Kläger hat gegen den in Berlin domizilierten Beklagten eine Forderung für käuflich gelieferte Waren bei dem Fürstlichen Landgerichte Greiz eingeklagt. In der Klage ist behauptet, daß der Kaufvertrag in Greiz zwischen dem Kläger und dem damals dort anwesenden Beklagten abgeschlossen sei. Im Termine zur mündlichen Verhandlung erschien der vorschriftsmäßig geladene Beklagte nicht, worauf Kläger Erlassung des Versäumnisurteiles beantragte und die Zuständigkeit des Landgerichts zu Greiz damit begründete, daß der Vertrag in Greiz abgeschlossen, die verkaufte Ware auch getroffener Abrede gemäß zur Übersendung an Beklagten einem Spediteur in Greiz, ausgeantwortet, also die Übergabe in Greiz erfolgt und deshalb auch die Zahlung in Greiz zu leisten sei. Beide Vorinstanzen erkannten indes, daß die Klage "von hier" (wegen Unzuständigkeit) abzuweisen sei.

Sie führten aus, daß der Klageanspruch auf Grund der nach §. 296 Abs. 1 C.P.O. als zugestanden anzusehenden Klagebehauptungen begründet sei, daß jedoch eine klaggemäße Verurteilung nicht erfolgen könne, weil es an der, von Amts wegen zu prüfenden örtlichen Zuständigkeit des Prozeßgerichts fehle, namentlich der Gerichtsstand des Vertrages nicht begründet sei, da ein Handelsgeschäft vorliege und nach den deshalb maßgebenden Vorschriften des H.G.B.'s in Artt. 324. 325. 342 nicht Greiz, sondern Berlin der Ort sei, wo Beklagter die streitige Verpflichtung zu erfüllen habe, hieran auch nichts dadurch geändert werde, daß Beklagter den schuldigen Kaufpreis auf seine Gefahr und Kosten nach Greiz senden müsse, die angeführten materiellen Vorschriften auch durch §. 29 C.P.O. nicht geändert seien. Das Reichsgericht hat die Revision aus folgenden Gründen zurückgewiesen:

Gründe

"Es ist zunächst zu entscheiden, ob die Vorinstanzen berechtigt waren, beim Nichterscheinen des Beklagten die Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen, oder ob sie, weil die Unzuständigkeit nicht excipiert ist, zur Erlassung des Versäumnisurteiles verpflichtet waren. Wach (im Archiv für civilistische Praxis Bd. 62 S. 391 ff.) und Fitting (daselbst Bd. 63 S. 229 ff.) nehmen an, daß der Richter der Regel nach (die Ausnahmen bedürfen hier keiner Erörterung) seine Zuständigkeit nicht von Amts wegen, sondern nur auf erhobene Einrede der Unzuständigkeit zu prüfen habe, und daß der in der mündlichen Verhandlung nicht erscheinende Beklagte durch diese Versäumnis die Einrede der Unzuständigkeit verwirke. Beide Annahmen können nicht als gesetzlich begründet angesehen werden. Da das Gesetz nirgends bestimmt, daß der Richter seine Zuständigkeit nicht von Amts wegen prüfen soll, und nur ein zuständiger Richter zu einer Entscheidung berufen ist, so muß der Richter, wie nach dem bisherigen gemeinen sowohl als preußischen Prozeßrecht, so auch nach der Reichscivilprozeßordnung seine Zuständigkeit jedesmal, und zwar wenn nicht die Einrede der Unzuständigkeit vom Beklagten erhoben ist, von Amts wegen prüfen. Abgeändert ist das bisherige Prozeßrecht insoweit, als der Richter nicht die Klage ohne Gehör des Beklagten ( a limine) wegen Unzuständigkeit abweisen darf, sondern ohne Prüfung den Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmen muß, und als ferner die Civilprozeßordnung der Vereinbarung der Parteien über den Gerichtsstand eine größere Bedeutung beilegt, indem der Richter, wenn die Parteien vereinbaren, vor einem nach Buch I Abschn. I Tit. 2 nicht zuständigen Gericht Recht nehmen zu wollen, dem der Regel nach nicht widersprechen darf. Der Richter muß aber in jedem Falle, mag der Kläger den Gerichtsstand auf Vereinbarung der Parteien oder auf das Gesetz gründen, seine Zuständigkeit prüfen. Falls die Zuständigkeit auf Vereinbarung gegründet wird, muß der Richter prüfen, ob die Vereinbarung zu stande gekommen, und ob sie namentlich mit Rücksicht auf die Vorschrift in §. 40 Abs. 2 C.P.O. rechtsbeständig ist. Wenn der Beklagte in dem Termine zur mündlichen Verhandlung erscheint und zur Hauptsache verhandelt, ohne vorher die Unzuständigkeit gerügt zu haben, so ist die richterliche Entscheidung über die Zuständigkeit nach §. 39 C.P.O. von selbst gegeben; das Gesetz schreibt vor, daß in diesem Falle stillschweigende Vereinbarung anzunehmen sei; durch diese stillschweigende Vereinbarung ist die Zuständigkeit begründet. Ob in anderen Fällen eine stillschweigende Vereinbarung anzunehmen ist, unterliegt der richterlichen Prüfung nach allgemeinen Grundsätzen. Nach diesen hat also der Richter auch zu prüfen, ob eine stillschweigende Vereinbarung anzunehmen ist, wenn der Beklagte in der mündlichen Verhandlung überhaupt nicht erscheint. Die Vorinstanzen haben sich hierüber nicht ausdrücklich ausgesprochen, aber ihr Stillschweigen kann nur dahin gedeutet werden, daß sie es als zweifellos angesehen haben, daß eine stillschweigende Zustimmung des nicht erschienenen Beklagten zu dem vom Kläger gewählten Gerichtsstande nicht anzunehmen sei, und daß ihnen deshalb die Prüfung obliege, ob der Gerichtsstand nach dem Gesetze (Buch l Abschn.1 Tit.2 namentlich §.29 C.P.O.) begründet sei. Hierin ist den Vorinstanzen beizustimmen. Sie mußten, als Beklagter in der mündlichen Verhandlung nicht erschien, an erster Stelle und vor der Prüfung, ob die Klage begründet sei, von Amts wegen prüfen, ob sie zur Erlassung des beantragten Versäumnisurteiles zuständig seien, sei es durch Vereinbarung (Tit. 3) oder durch das Gesetz (Tit. 2). Mit Recht haben sie nun angenommen, daß aus dem Nichterscheinen des Beklagten nicht zu schließen sei, daß er mit dem Gerichtsstände einverstanden sei. Viel näher liegt vielmehr die Annahme, daß der Beklagte durch sein Nichterscheinen habe zu erkennen geben wollen, daß er eine stillschweigende Vereinbarung über den Gerichtsstand nicht habe treffen, vielmehr dem Richter habe überlassen wollen, von Amts wegen die Zuständigkeit nach dem Gesetze zu prüfen. So ist die Sache überwiegend im bisherigen Rechte aufgefaßt (vgl. Entsch. des R,O.H.G.'s Bd. 23 S. 8. 9). In der Thai hätte auch der §. 39 C.P.O. kaum die vorliegende Fassung erhalten können, wenn der Gesetzgeber nicht dieselbe Auffassung gehabt hätte. Bei einer anderen Auffassung hätte es doch naher gelegen, dem §. 39 die Fassung zu geben, daß stillschweigende Vereinbarung sowohl dann, wenn Beklagter in der mündlichen Verhandlung nicht erscheine, als wenn er ohne Rüge der Unzuständigkeit zur Hauptsache mündlich verhandle, anzunehmen sei. Auch die Annahme, daß der nicht erscheinende Beklagte die Einrede der Unzuständigkeit verwirkt habe, damit präkludiert sei, ist nicht zu billigen. Dies würde nur dann angenommen werden können, wenn das Gesetz die Präklusion für diesen Fall statuierte. Eine solche Bestimmung enthält aber die Civilprozeßordnung, namentlich im §. 296, nicht, vielmehr schließt §. 247 die dort aufgeführten prozeßhindernden Einreden, unter welchen auch die der Unzuständigkeit des Gerichts aufgeführt ist, erst nach dem Beginne der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache, nicht also im Falle des Nichterscheinens des Beklagten, aus.

Man mag den der Emanation eines Gesetzes vorhergegangenen Vorarbeiten größeres oder geringeres Gewicht beilegen, im vorliegenden Falle wird sich eine Verwertung derselben für die Interpretation des Gesetzes nicht abweisen lassen. Frühere Entwürfe, namentlich der preußische Entwurf von 1864, enthielten die ausdrückliche Bestimmung, daß es als eine stillschweigende Vereinbarung über den Gerichtsstand nicht gelten solle, wenn der Beklagte der den Prozeß einleitenden Verfügung nicht Folge leiste. Daß eine solche Bestimmung in die späteren Entwürfe, namentlich in den dem Reichstage vorgelegten Entwurf einer Prozeß-Ordnung, nicht aufgenommen ist, kann nicht als eine Verwerfung jenes Satzes aufgefaßt werden, man hat vielmehr eine gleiche Bestimmung nur deshalb nicht aufgenommen, weil man dies für unnötig, die Bestimmung des preußischen Entwurfes für selbstverständlich ansah. Dies wird in den Motiven ausdrücklich ausgesprochen mit dem Bemerken, daß aus der Thatsache des Nichterscheinens des Beklagten eine Unterwerfung unter das an sich unzuständige Gericht nicht zu folgern sei, der nicht erschienene Beklagte vielmehr erwarten dürfe, daß das unzuständige Gericht von Amts wegen seine Unzuständigkeit aussprechen werde. Diese Auffassung ist auch in den Verhandlungen der Reichstagskommission namentlich bei den Verhandlungen über die Anträge Bähr-Wolffson, indem den unzutreffenden Äußerungen des einen oder anderen Redners entscheidende Bedeutung nicht beigelegt werden darf, nicht verleugnet worden, und es darf daher angenommen werden, daß der Ausspruch in den Motiven die Billigung des Gesetzgebers gefunden habe. In diesem Sinne haben sich denn auch die Kommentatoren der Prozeßordnung ausgesprochen (vgl. außerdem Busch, Zeitschrift für Civilprozeß Bd. 1 S. 29 ff., Bd. 2 S. 190 ff.). Leonhardt bemerkt in Anmerkung 1 zu §. 19 der hannoverschen Prozeßordnung von 1850 unter Allegierung einer kurzen Erörterung im Magazin für, hannoversches Recht Vd. 3 S. 79. 80: "als eine stillschweigende Vereinbarung sei es auch anzunehmen, wenn der Beklagte ungehorsam ausbleibe", billigt also die Ansicht des Verfassers der allegierten Erörterung im Magazin a. a. O. als nach der Fassung des §. 19 der hannöverschen Prozeßordnung gerechtfertigt. Allein bei den unter hervorragender Beteiligung von Leonhardt gepflogenen Verhandlungen der hannöverschen Prozeßordnungskommission hat allseitiges Einverständnis, auch Leonhardt's, darüber geherrscht, daß im Falle des Nichterscheinens des Beklagten eine stillschweigende Vereinbarung über die Zuständigkeit nicht anzunehmen sei. Der §. 32 des ersten Entwurfes, dessen erster Absatz das im §. 38 C.P.O. enthaltene Prorogationsprinzip ausspricht, besagt im Absatz 2. 3:

Abs. 2. Stillschweigende Vereinbarung wird angenommen, wenn die Unzuständigkeit nicht sofort geltend gemacht wird.
Abs. 3. Eine stillschweigende Vereinbarung kann aus dem Ausbleiben einer Partei nicht gefolgert werden.

Diese beiden Absätze wurden auf einstimmigen Beschluß der Kommission, also auch mit Leonhardt's Zustimmung, aus redactionellen Gründen in einen Absatz zusammengezogen, welcher in dem zweiten Entwurf lautet:

§. 27 Abs. 2. Stillschweigende Vereinbarung ist anzunehmen, wenn die Unzuständigkeit nicht von dem erschienenen Beklagten vor der Verhandlung zur Hauptsache geltend gemacht wird.

Der dritte Absatz des zuerst gedachten Entwurfes ist also durch Einschaltung des Wortes " erschienenen" (Beklagten) in dem zweiten EntWurfe ersetzt und dadurch ausgedrückt, daß der nicht erschienene Beklagte nicht als stillschweigend einwilligend zu behandeln sei. Dieser Satz ist auch in den späteren Entwürfen durch ausdrückliche Anerkennung in den Motiven gewahrt. Mag man nun auch verschiedener Meinung darüber sein können, ob es nicht de lege ferenda richtiger und praktisch zweckmäßiger gewesen wäre, den entgegengesetzten Grundsatz zu statuieren, und ob sich nicht vom theoretischen Standpunkte aus Ausstellungen gegen die Art der Begründung der Entwürfe erheben lassen, so ist doch dasjenige, was der Gesetzgeber bewußt statuiert hat, als maßgebende Norm aufrecht zu erhalten. Bei den Verhandlungen der Reichsjustizkommission wurde die Frage diskutiert, ob, nach §. 296 C.P.O. auch die zur Begründung der Zuständigkeit aufgestellten Klagebehauptungen als von dem nicht erscheinenden Beklagten zugestanden anzusehen seien, oder ob die Richtigkeit dieser Kompetenzthatsachen im Falle des Nichterscheinens des Beklagten vom Kläger zu beweisen oder vom Richter von Amts wegen zu untersuchen sei (Anträge Bähr-Wolffson). Die Kommission verwarft die Anträge und motivierte die Anwendbarkeit des §. 296 auf die Kompetenzthatsachen noch besonders in dem am 19. Oktober 1876 an den Reichstag erstatteten Berichte (S. 12). Ob diese Annahme nun als gesetzlich sanktioniert anzuerkennen ist, bedarf für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung; aus der Bejahung folgt noch nicht, daß die amtliche Prüfung der Zuständigkeit im Falle des Nichterscheinens des Beklagten ausgeschlossen sei. Zu dem thatsächlichen Vorbringen des Klägers, welches nach §. 296 als zugestanden angenommen werden soll, ist nämlich nicht die "stillschweigende Behauptung der richterlichen Zuständigkeit, welche im Erheben der Klage im Gerichte zu finden" (Archiv Bd. 62 S. 394, Bd. 63 S. 236. 237), zu rechnen; diese "stillschweigende Behauptung" ist kein thatsächliches Vorbringen im Sinne des §. 296. Der Richter hat vielmehr von Amts wegen zu prüfen, ob die in der Klage behaupteten, nach §. 296 als zugestanden anzunehmenden Kompetenzthatsachen die Zuständigkeit nach dem Gesetze begründen, und wenn er zur Verneinung dieser Frage gelangt, die Klage trotz des Nichterscheinens des Beklagten von Amts wegen "hier" abzuweisen. Aber auch dann, wenn auf die Kompetenzthatsachen der §. 296 nicht für anwendbar erachtet wird, hat der Kläger jedenfalls keinen Grund zur Beschwerde, wenn der Richter seine Behauptungen zunächst als wahr annimmt, da er doch seine eigenen Behauptungen gegen sich gelten lassen muß. Das haben hier die Vorinstanzen gethan. Sie haben, indem sie die Behauptungen des Klägers zu Grunde legten, die Zuständigkeit für nicht gesetzlich begründet erachtet.

Fitting stellt (Archiv f. civilist. Praxis Bd. 63 S. 245 ff.) als Regel des Reichscivilprozesses den Satz auf: daß jedes ordentliche Gericht erster Instanz für jede Klage zuständig, das heißt zu ihrer Verhandlung und Entscheidung fähig und befugt sei, und er legt den gesetzlichen Regeln über die ordentliche und sachliche Zuständigkeit nur die Bedeutung bei, dem Beklagten zu sagen, in welchen Fällen er ein Ablehnungsrecht habe, in welchen nicht. Er selbst bezeichnet jedoch diese Grundanschauung als eine von allen bisherigen Ansichten sehr abweichende, und er giebt zu, daß sein Standpunkt mit der Ausdrucksweise der Civilprozeßordnung und mit den Äußerungen der Motive im Widerstreit stehe. Er behauptet, daß die Verfasser der Civilprozeßordnung sich von den überlieferten Vorstellungen nicht genugsam loszureißen vermocht und von dem neuen Grundprincip, welches sie, durch ein richtiges praktisches Gefühl geleitet, in den Bestimmungen des Gesetzbuches zu folgerechter Durchführung gebracht, noch kein klares Bewußtsein gehabt, und daß die ungenaue und wissenschaftlich unhaltbare Ausdrucksweise der Civilprozeßordnung dem Inhalte des Gesetzbuches, welchem der Ausdruck in unvereinbarer Weise widerstreite, weichen müsse. Allein der Nachweis, daß das Gesetzbuch den behaupteten Inhalt habe, ist eben nicht als geführt anzuerkennen. So lange dies aber nicht der Fall ist, können die erhobenen Ausstellungen bei der Erlassung richterlicher Entscheidungen keine Beachtung finden.

Was sodann die Frage der Zuständigkeit nach dem Gesetze (Buch I Abschn. 2 Titel 2 C.P.O.) betrifft, so wird im Klagerubrum Berlin als der Wohnort des Beklagten angegeben. Beklagter hat also seinen allgemeinen Gerichtsstand (C.P.O. §§. 12.13) bei dem Landgerichte in Berlin, nicht in Greiz. Im Kontext der Klageschrift hat Kläger zur Begründung der Zuständigkeit des Landgerichts zu Greiz nichts anderes angeführt, als daß der den Klagegrund bildende Warenkaufvertrag bei Anwesenheit des Beklagten in Greiz abgeschlossen sei. Allein nach §. 29 C.P.O. ist für den Gerichtsstand des Vertrages nicht der Ort des Abschlusses des Vertrages, sondern der Erfüllung der streitigen Verpflichtung maßgebend. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgerichte hat Kläger zur Begründung der Zuständigkeit noch angeführt, daß er die verkauften Waren der getroffenen Abrede gemäß einem Spediteur in Greiz zur Versendung an den Beklagten übergeben habe, daß also in Greiz die Übergabe erfolgt sei, und daß deshalb Beklagter auch in Greiz den Kaufpreis zahlen müsse. Abgesehen davon, ob diese Behauptungen, da sie nicht in der dem Beklagten zugestellten Klageschrift enthalten sind, überhaupt berücksichtigt werden dürften, sind dieselben von den Instanzrichtern mit Recht für unerheblich erachtet worden, da nach der eigenen Behauptung des Klägers die Zahlung nicht Zug um Zug bei der Übergabe zu leisten, vielmehr vertragsmäßig für die Zahlung eine Frist von drei Monaten stipuliert war. Die Instanzrichter haben mit Recht ihrer Entscheidung über den Ort, wo die streitige Zahlung zu leisten war, da unzweifelhaft ein Handelsgeschäft vorlag, die Bestimmungen in Artt. 324. 325. 342 H.G.B. zum Grunde gelegt. Darnach hatte Beklagter die Zahlung in Berlin, seinem Wohnorte und dem Orte seiner Handelsniederlassung, zu leisten, und dort war also auch nach §. 29 C.P.O. die Klage auf Zahlung des Kaufgeldes zu erheben, da ein anderer Zahlungsort weder im Vertrage bestimmt war, noch sich aus der Natur des Geschäftes oder der Absicht der Kontrahenten ergab (Artt. 324. 342 H.G.B.). Bedenken hiergegen könnten sich nur aus Art. 325 Abs. 1 ergeben, nach welchem der Käufer die Zahlung des Kaufpreises, wenn nicht (was hier nicht der Fall) ein anderes aus dein Vertrage oder aus der Natur des Geschäftes oder aus der Absicht der Kontrahenten hervorgeht, auf seine Gefahr und Kosten dem Verkäufer an den Ort, an welchem der letztere zur Zeit der Entstehung der Forderung seine Handelsniederlassung oder in deren Ermangelung seinen Wohnort hatte, übermachen soll. Dieser Bestimmung allein sind auch die Angriffe des Revisionsklägers entnommen. Nun möchte sich allerdings, wenn nicht dem Abs. 1 des Art. 325 der Abs. 2 folgte, aus der Bestimmung im Abs. 1 folgern lassen, daß der Ort der Handelsniederlassung, eventuell der Wohnort des Verkäufers der Ort sei, in welchem die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises zu erfüllen sei. Zwar würde dies daraus, daß die Übermachung des Kaufgeldes auf Kosten des Käufers erfolgen soll, in analoger Anwendung des Art. 325 Abs. 2 H.G.B. nicht zu folgern sein. Aber erheblicher ist die Bestimmung, daß die Übermachung auf Gefahr des Käufers erfolgen solle; daraus könnte gefolgert werden, daß nach dem Willen des Gesetzgebers durch Art. 325 Abs. 1 eine Abweichung von Art. 324 des Inhaltes habe statuiert werden sollen, daß für Geldzahlungen, wenn nicht Vertrag, Natur des Geschäftes, Absicht der Kontrahenten zu einem anderen Ergebnisse führen, nicht der Absendungsort, sondern der Bestimmungsort der Geldsendung, hier also der Ort der Handelsniederlassung eventuell der Wohnort des Verkäufers der Ort der Erfüllung der Pflicht des Geldschuldners sein solle. Diese mögliche Folgerung aus dem Abs. 1 des Art. 325 wird aber sofort durch die Bestimmung im Abs. 2 reprobiert, daß durch die Bestimmung im Abs. 1 der gesetzliche Erfüllungsort (Art. 324) in betreff des Gerichtsstandes oder in sonstiger Beziehung nicht geändert werde. Diese Bestimmung kann zunächst nicht als eine prozeßrechtliche Bestimmung aufgefaßt werden, welche durch §. 29 C.P.O. aufgehoben wäre. Der §. 29 bestimmt nichts darüber, welcher Ort als der Erfüllungsort anzusehen ist; er ändert in dieser Beziehung nichts an dem bestehenden materiellen Rechte und bestimmt nur, daß da, wo nach materiellem Rechte die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist, die Vertragsklage erhoben werden kann. Der Abs. 2 des Art. 325 H.G.B. enthält auch nicht bloß eine besondere Bestimmung über den Gerichtsstand, sondern eine materielle Bestimmung über den Erfüllungsort bezüglich der Verpflichtungen des Geldschuldners, deren Bedeutung auch nicht auf den Gerichtsstand beschränkt, sondern ausdrücklich auch auf sonstige Beziehungen, unter welchen namentlich das örtliche Recht begriffen ist, ausgedehnt wird. Es soll also, trotz der Übermachungspflicht des Schuldners, der Ortder Handelsniederlassung eventuell der Wohnort des Schuldners (hierdes Käufers) nach Maßgabe des Art. 324 als der Ort derErfüllung der Pflichten des Käufers angesehen werden, sodaß die Aufgabe der Geldsendung zur Post am Orte derHandelsniederlassung des Käufers als der Akt derErfüllung seiner Verpflichtung, mit der für denErfüllungsort nicht maßgebenden Nebenbestimmung jedoch,daß der Käufer die Gefahr des Transportes derGeldsendung zu tragen hat, aufzufassen ist. Da der Abs. 2 des Art.325 keine prozeßrechtliche Bestimmung enthält, so kannauch die Anwendbarkeit des §. 13 des Gesetzes über dieEinführung der Civilprozeßordnung nicht in Fragekommen."