RG, 22.05.1880 - V 105/80

Daten
Fall: 
Einwand des selbstschuldnerischen Bürgen gegenüber dem Gläubiger
Fundstellen: 
RGZ 2, 187
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
22.05.1880
Aktenzeichen: 
V 105/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisG Schweidnitz
  • Appellationsgericht Breslau

Kann der selbstschuldnerische Bürge, welchem die auf Kündigung stehende Schuld rechtzeitig gekündigt worden ist, der Klage des Gläubigers gegenüber den Einwand erheben, daß dem Hauptschuldner nicht gekündigt sei?

Gründe

Der Beklagte hat dem Kläger gegenüber eine Bürgschaft für eine, nach sechsmonatlichen Kündigung fällige Schuld eines Dritten übernommen. Dem Hauptschuldner ist die Forderung nicht gekündigt. Nachdem in den Entscheidungsgründen ausgeführt ist, daß auf diese Bürgschaft der Art. 281 H.G.B. Anwendung finde, und daß daher dem Beklagten die Einrede der Vorausklage nicht zustehe, heißt es:

"Nimmt man dieses an, so genügte der Kläger der Bestimmung, daß der Anspruch nur nach vorgängiger halbjähriger Kündigung geltend gemacht werden dürfe, wenn er den Beklagten zur Zahlung aufforderte. Kläger war berechtigt, sich unmittelbar und lediglich an den Beklagten zu halten. Wenn er also denselben zur Zahlung aufforderte, so gab er dadurch zu erkennen, daß er von diesem Rechte Gebrauch machen wolle. Wie der Beklagte zu einer Verweisung des Klägers an den Hauptschuldner nicht berechtigt war, so hatte er auch kein Interesse daran zu verlangen, daß der Kläger auch dem letzteren gegenüber durch Kündigung an diesen die Fälligkeit der Schuld herbeiführe; sein Interesse war vielmehr gewahrt, wenn ihm nach der ihm vom Gläubiger gemachten Mitteilung, daß er Zahlung verlange, die vertragsmäßige Frist bis zur Inanspruchnahme gelassen wurde. Glaubte der Beklagte, daß der Hauptschuldner bereit sein werde, Zahlung zu leisten, so war es ihm unbenommen, denselben seinerseits zu benachrichtigen und sich von ihm die Zahlungsmittel zur Verfügung stellen zu lassen. - Es läßt sich hiergegen auch nicht einwenden, daß die Bürgschaft auch dann accessorischer Natur sei, wenn dem Bürgen die Einrede der Vorausklage nicht Zusteht; denn die Abhängigkeit der Verpflichtung des Bürgen von der des Hauptschuldners wird dadurch nicht aufgehoben, daß der Gläubiger die Forderung durch Kündigung an den Bürgen diesem gegenüber zur Fälligkeit bringen kann."