RG, 11.05.1880 - II 100/80

Daten
Fall: 
Offenheit einer Grunddienstbarkeit bezüglich eines Senklochs
Fundstellen: 
RGZ 2, 360
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
11.05.1880
Aktenzeichen: 
II 100/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Civilkammer des Kreis- und Hofgericht Mannheim.
  • OLG Karlsruhe

Ist eine Dienstbarkeit des Inhaltes, daß in einem Senkloche im Hofe des dienenden Grundstückes das Regenwasser aus dem Hofraume eines benachbarten Hauses nach Durchleitung desselben durch die Dunggruben aufgenommen werden müsse, um deswillen eine offene, die durch Destination (Widmung) erworben werden kann, weil in der Senkgrube im Hofe des dienenden Grundstückes die Ausmündungen der unterirdisch angelegten Röhren sichtbar sind?

Tatbestand

Kläger war Eigentümer von drei aneinander stoßenden Häusern, von welchen er das mittlere an den Beklagten verkaufte. Zur Zeit des Verkaufes bestand folgender Zustand: Jedes der drei Häuser hatte feinen besonderen Hofraum; das Dachtraufwasser floß von dem einen der beiden äußeren Häuser nach der in dessen Hofe befindlichen Dunggrube ab, aus dieser führte eine unterirdische Röhrenleitung durch eine die Höfe scheidende Mauer in eine im Hofe des mittleren Hauses befindliche Dunggrube, und aus dieser führte wieder eine gleiche Röhre zu einem in diesem mittleren Hause befindlichen Senkloche. Bei dem dritten Hause floß das Regenwasser in eine Röhre, welche durch eine Seitenröhre mit der Dunggrube dieses dritten Hauses in Verbindung steht, in gerader Richtung aber gleichfalls unterirdisch die zweite Hofmauer durchbrechend direkt in das bereits bezeichnete Senkloch des mittleren Hauses führt.

Beklagter ließ, weil durch diese Einrichtung übelriechende und gesundheitsgefährliche Jauche in sein Senkloch gebracht wurde, die von beiden Nachbarhäusern in sein Senkloch führenden Röhrenleitungen zumauern.

Kläger begehrte nun die Entfernung dieser Vermauerungen, da im Kaufverträge vereinbart worden sei, die Eigentümer der beiderseitigen Gebäude hätten das Recht, das Dachtraufwasser in das Senkloch des mittleren Gebäudes laufen zu lassen. - Beklagter weigerte sich nicht, das Regenwasser, wie es von den Dächern der beiden Häuser des Klägers fließt, aufzunehmen, begehrte aber widerklagend, daß Kläger solche Vorkehrungen treffe, daß das Dachtraufwasser unmittelbar, nicht aber nach Durchführung durch das Pfuhlloch, in seine Dunggrube abgeführt werde. Die Civilkammer hat die Vorklage abgewiesen und nach dem Begehren der Widerklage erkannt; das Oberlandesgericht hat abgeändert, die Widerklage abgewiesen und dem Antrage der Vorklage entsprochen, indem es davon ausging, es seien in der Anlage, wie sie zur Zeit des Kaufes war, alle Merkmale enthalten, welche nach Landrechtssatz 692 flg. als Voraussetzungen des Entstehens einer Dienstbarkeit durch Widmung des Eigentümers verlangt werden.

Dieses Urteil ist aufgehoben und in der Sache das erstinstanzliche bestätigt worden aus folgenden Gründen:

Gründe

"Das angefochtene Urteil beruht auf der Annahme, daß bei Abschluß des Kaufvertrags vom 15. April 1878 durch Widmung dem vom Beklagten erworbenen Grundstücke eine Dienstbarkeit des Inhalts auferlegt worden sei, daß in das in seinem Hofraume befindliche Senkloch das Regenwasser aus beiden Hofräumen der Häuser des Klägers nach Durchleitung desselben durch die Dunggruben aufgenommen werden müsse.

Durch diese Annahme sind aber die Landrechtsätze 689. 692-694 verletzt. Die erste Voraussetzung für Entstehung einer Dienstbarkeit durch Widmung, das Vorhandensein einer äußeren Anlage oder eines äußeren Merkmales, wird dahin festgestellt, daß zwar die Röhren unterirdisch angelegt seien, aber doch jedenfalls deren Ausmündungen in der Senkgrube im Hofe des Beklagten sichtbar waren und damit auch die Bestimmung dieser Röhrenleitung erkennbar gewesen sei.

Nach richtiger Auslegung des Landrechtsatzes 689 ist aber, damit die Anlage als eine offene, das Merkmal als ein äußeres gelten kann, erforderlich, daß jene deutlich den Zweck anzeige, daß dadurch eine bestimmte Grunddienstbarkeit ausgeübt, dem nachbarlichen Grundstücke also eine bestimmte Last zum Nutzen und Vorteil des anderen Grundstücks auferlegt werden soll - indem die Anlage ihrer ganzen Beschaffenheit nach unzweideutig zu diesem Zwecke besteht und nur dazu bestimmt sein kann. Nur unter diesen Voraussetzungen ist es möglich, zu sagen, daß sich eine Dienstbarkeit durch ein äußeres Merkmal ankündige. -

Es unterliegt nun keinem Zweifel, daß aus den Öffnungen in der Senkgrube im Hofe des Beklagten vielleicht darauf geschlossen werden könnte, daß irgend etwas, etwa auch Dachtraufwasser, in dieselbe hineingeleitet werde; keineswegs aber konnte oder mußte der Beklagte daraus auf die Überleitung von Jauche aus den benachbarten Dunggruben schließen; für eine Dienstbarkeit von solcher Belästigung des Eigentums waren diese Ausmündungen weder eine äußere Anlage noch ein äußeres Merkmal. Sofern das Oberlandesgericht ausspricht, daß diese Dienstbarkeit gemäß Landrechtssatz 694 auch nach dem Kaufe bestehen bliebe und im gleichen Urteile feststellt, daß hierwegen im Vertrage (§§. 4 und 8) Bestimmungen getroffen worden seien, ist die Entscheidung noch weiter deshalb rechtsirrtümlich, weil übersehen wird, daß Landrechtssatz 694 nur dann die Widmung als Entstehungsgrund einer Dienstbarkeit anerkennt, wenn der Vertrag keine Übereinkunft darüber enthält."