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RG, 11.05.1880 - II 91/80

Daten
Fall: 
Zulässigkeit der Revision gegen einen Beweisbeschluss
Fundstellen: 
RGZ 1, 427
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
11.05.1880
Aktenzeichen: 
II 91/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Bezirksgericht Mainz
  • Oberlandesgericht Darmstadt

Ist die Revision zulässig, wenn die Entscheidung des Oberlandesgerichtes sich nur der Form nach als Endurteil darstellt?

Tatbestand

L. erhob Klage gegen die Hessische Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft auf deren Verurteilung zur Zahlung einer Entschädigung, indem er sich zu erweisen erbot:

  1. "Daß er als Hilfskondukteur im Dienste der Main-Neckar-Bahn am 30. Juni 1877 mit dem von Frankfurt a. M. nach Heidelberg fahrenden Schnellzuge gefahren; daß in diesem Zuge in Darmstadt ein Packwagen der Hessischen Ludwigsbahn, welcher mit dem Zuge von Mainz nach Darmstadt als durchgehender Gepäckwagen für den Schnellzug Mainz-Basel angekommen war, eingestellt worden sei; daß, nachdem der Zug die Station Weinheim verlassen hatte, er auf den Trittbrettern der Wagen zurück nach demjenigen Wagen gegangen sei, in welchem er eine Bremse zu bedienen hatte, wobei er auch den erwähnten Wagen der Hessischen Ludwigsbahn habe passieren müssen; daß, als er den Handgriff dieses Wagens ergriffen, derselbe aus dem Wagen herausgegangen und er (Kläger) in Folge dessen während der Fahrt rücklings vom Trittbrette gestürzt, bewußtlos liegen geblieben und erheblich, besonders am Kopfe, verletzt worden sei;
  2. daß der Unfall lediglich durch ungenügende Konstruktion, mangelhafte unsolide Befestigung des Handgriffes, schlechte Arbeit, zu große Bohrlöcher und Verkeilen derselben mit Holz, und ungenügende Kontrolle der Haftbarkeit des Handgriffes verschuldet sei."

Das Bezirksgericht in Mainz wies die Klage als unzulässig ab, weil die Beklagte, welche aus Art. 1382 bis 1384 Code civ. belangt werde, dem Kläger mit Recht entgegenhalte, daß dieser in der Lage gewesen sei, aus §. 1 des Haftpflichtgesetzes gegen die Main-Neckar-Bahn zu klagen.

Die eingelegte Berufung wurde vom Oberlandesgerichte zu Darmstadt für begründet erklärt, das Urteil des Bezirksgerichtes aufgehoben und ein Beweisbeschluß erlassen, wodurch dem Kläger der Hauptbeweis über die obigen Thatsachen, sowie über die Folgen der Verletzung und die Höhe des Schadens, der Beklagten aber der Gegenbeweis auferlegt wurde.

Die von der Hessischen Ludwigsbahn gegen diese Entscheidung eingelegte Revision wurde als unzulässig verworfen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Die Entscheidung des Großh. Oberlandesgerichtes zerfällt in zwei Teile; im ersten Teil wird für Recht erkannt, daß die Berufung für begründet zu erklären und das Urteil des Bezirksgerichtes Mainz aufzuheben sei; der zweite Teil enthält einen Beweisbeschluß (C.P.O. §. 323).

Nach §. 507 der Civil-Prozeßordnung findet die Revision gegen die in der Berufungsinstanz von den Oberlandesgerichten erlassenen Endurteile statt, und es ist mithin die Zulässigkeit der Revision davon 155. Benutzung des Briefkastens.

abhängig, ob jener erste Teil der Entscheidung als Endurteil zu betrachten ist.

Dies ist nicht der Fall, es liegt weder ein Endurteil im eigentlichen Sinne (§§ 272 bis 274 C.P.O.), noch ein Urteil vor, welches über den Grund der Klage vorab entschieden hat und in betreff der Rechtsmittel dem Endurteil gleichsteht (§. 276 C.P.O.); denn die Verpflichtung der Revisionsklägerin zum Schadensersatz ist noch keineswegs anerkannt, und nicht nur über den Betrag des Schadens, sondern vor allem über das Verschulden der Revisionsklägerin ist noch eine Beweisaufnahme angeordnet. Nur soviel ist entschieden, daß im Falle der Richtigkeit der zum Beweise gestellten Thatsachen eine Verantwortlichkeit der Revisionsklägerin aus Art. 1383 Code civ. herzuleiten sei, und daß deshalb das Bezirksgericht die Klage nicht hätte als unzulässig abweisen dürfen. Allerdings hat das Oberlandesgericht mit Unrecht die Berufung schon jetzt für begründet erklärt und das Urteil des Bezirksgerichtes aufgehoben, anstatt die Entscheidung darüber, ob die Berufung begründet oder zurückzuweisen sei, bis zum Schlusse des Verfahrens vorzubehalten, und, wenn es über die vom Bezirksgerichte angenommene Unzulässigkeitseinrede als über ein selbständiges Verteidigungsmittel durch Zwischenurteil (C.P.O. §. 275) erkennen wollte, sich auf die Verwerfung dieser Unzulässigkeitseinrede zu beschränken; allein dieser Formfehler kann nicht dazu führen, daß die Entscheidung auch materiell als Endurteil anzusehen ist; vielmehr gehört dieselbe zu denjenigen Entscheidungen, welche, wenn nötig, nach §. 510 C.P.O. erst mit dem Endurteil durch Revision angefochten werden können.

Hiernach war die Revision als unzulässig zu verwerfen."