RG, 09.06.1920 - V 7/20

Daten
Fall: 
Hypothekenklage im Falle der Zwangsverwaltung
Fundstellen: 
RGZ 99, 199
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
09.06.1920
Aktenzeichen: 
V 7/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Bochum
  • OLG Hamm

Ist für die dingliche Klage aus einer Hypothek, wenn das belastete Grundstück unter Zwangsverwaltung steht, der Zwangsverwalter oder der Grundstückseigentümer der echte Beklagte?

Tatbestand

Für den Kläger steht auf den im Grundbuch von R. Bl. 1811 verzeichneten Grundstücken eine Restkaufgeldhypothek von 30000 M und auf den im Grundbuch von R. Bl. 1810 verzeichneten Grundstücken eine solche von 35000 M eingetragen. Der Beklagte ist Eigentümer der zuerst genannten Grundstücke und Miteigentümer der zuletzt genannten Grundstücke zur Hälfte.

Der Kläger beantragte, den Beklagten zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung in den ihm zustehendem Anteil an den im Grundbuche von R. Bl. 1810 verzeichneten Grundstücken und in die im Grundbuche von R. Bl. 1811 verzeichneten Grundstücke wegen rückständiger Hypothekenzinsen zu dulden.

Der erste Richter wies die Klage ab, weil der Zwangsverwalter hätte verklagt werden müssen, der Beklagte als Grundstückseigentümer nicht der rechte Beklagte sei. Der Berufungsrichter verurteilte den Beklagten nach dem Klagantrage. Die Revision hatte keinen Erfolg.

Gründe

"Die Klage auf Grund der beiden, auf den fraglichen Grundstücken eingetragenen Restlaufgeldhypotheken ist die dingliche Klage aus den Hypotheken für rückständige Zinsen. Zutreffend führt der Berufungsrichter aus, daß, wiewohl die Grundstücke unter Zwangsverwaltung stehen, der Beklagte als Eigentümer der einen und als Miteigentümer der andern Grundstücke für die Klage der rechte Beklagte ist. Allerdings hat nach §§ 146 Abs. 1, 148 Abs. 1, 23, 20 ZVG. die Beschlagnahme durch Einleitung der Zwangsverwaltung die Wirkungen eines Veräußerungsverbots (§ 135 BGB.) zugunsten des betreibenden Gläubigers und findet auch die für das Zwangsversteigerungsverfahren geltende Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 2 ZVG., wonach der Vollstreckungsschuldner, wenn sich die Beschlagnahme auf bewegliche Sachen erstreckt, über einzelne Stücke innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft auch dem betreibenden Gläubiger gegenüber wirksam verfügen kann, im Zwangsverwaltungsverfahren keine Anwendung. Daraus folgt aber nicht, daß dem bestellten Zwangsverwalter die Verfügung über das Grundstück selbst, abgesehen von den sonstigen zur Zwangsverwaltungsmasse gehörigen Gegenständen, zustünde. Nach § 148 Abs. 2 ZVG. wird dem Vollstreckungsschuldner durch die Beschlagnahme nur die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen. Zu Verfügungen über das Grundstück, dieses für sich allein betrachtet, ist an sich der Vollstreckungsschuldner allein berechtigt, nur sind solche Verfügungen dem betreibenden Gläubiger gegenüber unwirksam. Der Zwangsverwalter hat zwar Besitz an dem Grundstück sowie an den sonstigen zur Zwangsverwaltungsmasse gehörigen Gegenständen (§ 150 Abs. 2 ZVG.; RGZ. Bd. 24 S. 305, Bd. 92 S. 20; JW. 1902 S. 318 Nr. 35), und nach § 152 Abs. 1 ZVG. hat er das Recht und die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestande zu erhalten und ordnungsmäßig zu benutzen, auch die Ansprüche, auf welche sich die Beschlagnahme erstreckt, geltend zu machen und die für die Verwaltung entbehrlichen Nutzungen in Geld umzusetzen. Daraus mag zu entnehmen sein, daß, wenn Ansprüche an die von der Beschlagnahme umfaßten Gegenstände, welche das Recht des Zwangsverwalters zum Besitz, zur wirtschaftlichen Erhaltung oder zur ordnungsmäßigen Benutzung des Grundstücks einschließlich der sonstigen zur Zwangsverwaltungsmasse gehörigen Gegenstände betreffen, im Prozeßwege geltend gemacht werden, der Zwangsverwalter der rechte Beklagte ist, wie auch in der Rechtsprechung des Reichsgerichts anerkannt ist, daß für eine Klage auf Herausgabe von Gegenständen, die nicht zur Zwangsverwaltungsmasse gehören sollen, der Zwangsverwalter der rechte Beklagte sei (JW. 1902 S. 318 Nr. 35, 1915 S. 1033 Nr. 34; Gruchot Bd. 55 S.682; RGZ. Bd. 80 S. 315, Bd. 92 S. 20); und es mag auch weiter anzunehmen sein, daß der Zwangsverwalter zu Verfügungen über die zur Zwangsverwaltungsmasse gehörigen beweglichen Gegenstände berechtigt ist, soweit sich solche Verfügungen in den Grenzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung halten, die darauf gerichtet ist, die Zwangsverwaltungsmasse in wirtschaftlichem Bestande zu erhalten und ordnungsmäßig zu benutzen sowie den Realgläubigern nach Maßgabe des § 155 ZVG. aus den Nutzungen Befriedigung zu verschaffen. Aber zur Veräußerung oder zur Belastung des Grundstücks selbst ist der Zwangsverwalter nicht befugt. Die Kehrseite davon ist, daß, wenn ein dingliches Recht an dem Grundstück selbst geltend gemacht wird, der Zwangsverwalter, sofern nicht der Anspruch aus dem Rechte sich gegen sein Recht zum Besitze, zur Erhaltung im wirtschaftlichen Bestande und zur ordnungsmäßigen Benutzung des Grundstücks richtet, nicht Gegner des das Recht Verfolgenden ist. Daher ist der Zwangsverwalter für die einen solchen Anspruch geltend machende Klage des angeblich Berechtigten nicht der rechte Beklagte. Vielmehr ist eine solche Klage gegen den Vollstreckungsschuldner zu richten, da er der Eigentümer des Grundstücks und als solcher, soweit nicht das Veräußerungsverbot zugunsten des betreibenden Gläubigers entgegensteht, zur Verfügung über das Grundstück berechtigt ist. Hier wird nun durch den mit der dinglichen Klage geltend gemachten Anspruch das Recht des Zwangsverwalters auf Besitz, auf Erhaltung im wirtschaftlichen Bestand und auf ordnungsmäßige Benutzung des Grundstücks nicht berührt. Zwar ist der Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück gerichtet. Aber es soll dadurch in das genannte Recht des Zwangsverwalters, solange die Zwangsverwaltung überhaupt dauert, nicht eingegriffen, das Recht ihm weder entzogen noch geschmälert werden. Nur wenn vom Kläger nach Erstreitung eines vollstreckbaren antragsgemäßen Urteils die Zwangsversteigerung des Grundstücks betrieben und diese durchgeführt werden würde, würde ein Einfluß auf das Recht des Zwangsverwalters eintreten, und zwar würde dieses Recht nunmehr sein Ende erreichen. Dies würde aber nur eine Folge davon sein, daß durch den Zuschlag des Grundstücks die Zwangsverwaltung überhaupt aufhören würde, da dem Ersteher die Nutzungen von dem Zuschlag an zustehen würden und er Anspruch auf sofortige Besitzeinräumung hätte (vgl. § 58 Satz 2, § 93 ZVG.). Daraus ergibt sich, daß für die dingliche Klage aus den beiden in Rede stehenden Hypotheken für Zinsrückstände der Beklagte als Eigentümer oder Miteigentümer der mit den Hypotheken belasteten Grundstücke der rechte Beklagte ist. Somit ist der Angriff der Revision, der unter Rüge der Verletzung der §§ 146 flg., 152 ZVG. die Ansicht des Berufungsrichters, es sei nicht der Zwangsverwalter, sondern der Beklagte zur Klage passiv legitimiert, als rechtsirrig beanstandet, nicht begründet." ...