RG, 23.11.1920 - III 239/20

Daten
Fall: 
Versteigerung beanstandeter Ware
Fundstellen: 
RGZ 101, 18
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
23.11.1920
Aktenzeichen: 
III 239/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Dresden
  • OLG Dresden

Muß der Verkäufer die trotz seines Widerspruchs vom Käufer veranlaßte Versteigerung beanstandeter Ware gegen sich gelten lassen, wenn diese zu verderben drohte ?

Tatbestand

Der Kläger ließ der Beklagten auf deren Bestellung einen Waggon Sellerie zugehen. Die Beklagte ließ die Ware trotz des vom Kläger erhobenen Widerspruchs öffentlich versteigern. Der Kläger, der dieses Vorgehen als unrechtmäßig bezeichnet, hat mit der Klage Bezahlung des Kaufpreises gefordert. Das Landgericht hat die Beklagte zur Herauszahlung des Versteigerungserlöses abzüglich der ihr erwachsenen Unkosten verurteilt, aber die Klage im übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte auch zur Zahlung des nach Abzug des gekürzten Versteigerungserlöses verbleibenden Kaufpreisrestes verurteilt. Die Revision der Beklagten ist zurückgewiesen worden.

Gründe

Die Beklagte hat die Versteigerung der von ihr beanstandeten Ware trotz des vom Kläger hiergegen erhobenen Widerspruchs vornehmen lassen. Hieraus zieht das Berufungsurteil die zutreffende Folgerung, daß die Beklagte in unzulässiger Weise über die Ware verfügt habe und deshalb des Rechts auf Wandlung, wenn es ihr zugestanden haben sollte, verlustig gegangen ist (§§ 467, 353 BGB.). Es handelt sich bei der Versteigerung um einen Notverkauf im Sinne von § 379 Abs. 2 HGB. Aus der Zweckbestimmung dieser Vorschrift, welche den Interessen des Verkäufers dienen will, ergibt sich, daß der Käufer von der ihm dort eingeräumten Befugnis nicht gegen den Willen des Verkäufers Gebrauch machen darf (RGZ. Bd. 96 S. 72). Die Sachlage kann allerdings so geartet sein, daß der Verkäufer einen aus § 379 nicht zu rechtfertigenden Verkauf der bemängelten Ware gemäß den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 flg. BGB.) gegen sich gelten lassen muß (RGZ. Bd. 66 S. 197). Hat er jedoch der ihm vom Käufer angedrohten Versteigerung widersprochen, so stellt sich diese als eine unstatthafte Einmischung in seine Angelegenheiten dar und bleibt daher ihm gegenüber ohne Rechtswirkung (vgl. § 678 BGB.). Die Revision verweist auf die unter Beweis gestellte Behauptung der Beklagten, daß die Versteigerung der dem Verderben ausgesetzten Ware zur Vermeidung größeren Schadens erforderlich gewesen sei. Sie meint, daß im Falle der Bewahrheitung dieses Vorbringens die Wirksamkeit der Versteigerung dem Kläger gegenüber nicht mehr zu bezweifeln sei. Es stehe alsdann fest, daß der Notverkauf dem in § 680 BGB. bezeichneten Zwecke gedient habe; der entgegenstehende Wille des Verkäufers sei in einem solchen Falle, wie die entsprechende Anwendung des § 679 ergebe, ohne Bedeutung. Diese Auffassung ist mit dem aus § 678 zu entnehmenden Rechtsgrundsatz unvereinbar, daß der Geschäftsherr die verbotswidrige Übernahme der Führung seiner Geschäfte durch einen Anderen nicht als für ihn verbindlich anzuerkennen braucht. Es besteht aber auch keine Rechtsähnlichkeit des in § 660 geregelten Sachverhalts mit den Tatbeständen des § 679. Zu der in dieser Vorschrift enthaltenen Ausnahme hat sich der Gesetzgeber im Interesse des allgemeinen Wohls und aus Humanitätsrücksichten verstanden (Mot. Bd. 2 S. 864), Dagegen hat der § 680 lediglich den Schutz von Privatinteressen im Auge. Es erscheint daher unzulässig, die in § 679 angeordnete Bedeutungslosigkeit verbotswidrigen Handelns des Geschäftsführers über den Rahmen der dort gekennzeichneten Fälle hinaus auszudehnen und auf den Fall des § 680 zu übertragen.