RG, 08.07.1920 - III 199/20

Daten
Fall: 
Einzahlung eines Mietzinsrückstandes auf das Postscheckkonto des Vermieters
Fundstellen: 
RGZ 99, 257
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
08.07.1920
Aktenzeichen: 
III 199/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Aachen
  • OLG Köln

Führt die Einzahlung des Mietzinsrückstands, welche der Mieter bei einem Postamte des Erfüllungsorts auf das Postscheckkonto des Vermieters in dessen Einverständnis vornimmt, im Sinne von § 554 Abs. 1 Satz 2 BGB. Befriedigung herbei?

Tatbestand

Der in K. wohnhafte Kläger F. hat am 29. September 1915 sein Grundstück zu A. an die Beklagten auf die Zeit vom 1. Januar 1916 bis dahin 1923 vermietet. Im Januar 1919 hat er das Grundstück an den Kläger P. verkauft, der am 18. März 1919 im Grundbuch als Eigentümer eingetragen worden ist. Die beiden Kläger haben Räumungsklage erhoben. Das Landgericht hat ihr stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Die Revision ist ohne Erfolg geblieben.

Gründe

"Den Beklagten lag es nach dem Mietvertrag ob, den Mietzins in Teilzahlungen, die jeweilig am Monatsersten fällig waren, vorauszuentrichten. Den auf den Februar und März 1919 entfallenden Mietzins haben sie unstreitig erst am 4. März 1919 bei einem Postamt in A. auf das Postscheckkonto des Klägers F. beim Scheckamt in K. eingezahlt. Sie sind der Ansicht, daß sie damit der erst am folgenden Tage durch die Zustellung der Klage bewirkten, sich auf § 554 Abs. 1 Satz 1 verb. mit § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB. stützenden Kündigung im Sinne von Satz 2 der ersten Vorschrift zuvorgekommen seien. Das Berufungsgericht hat sich dieser von den Klägern bekämpften Meinung mit Recht angeschlossen. Der Erfüllungsort für die von den Beklagten zu leistenden Zahlungen bestimmt sich, da aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, etwas Abweichendes nicht zu entnehmen ist, nach den gesetzlichen Regeln in § 269 Abs. 1 und 2 BGB., so daß als solcher A., der Wohnort der Beklagten unter 1 und 2 und der Niederlassungsort der Beklagten unter 3 zur Zeit des Vertragsschlusses, zu gelten hat. Hätten daher die Mieter den rückständigen Mietzins mittels Briefes am 4. März in A. zur Post gegeben, so unterläge es unter der Voraussetzung des Einganges des Geldes bei dem Vermieter keinem Zweifel, daß sie mit der Einlieferung der Sendung ihrer Zahlungspflicht bereits genügt hätten (§ 270 BGB., insbes. Abs. 4). Eine andere Beurteilung wird nicht dadurch bedingt, daß sie den Schuldbetrag nicht bar einsandten, sondern auf das Postscheckkonto des Vermieters einzahlten. Diese Tilgungsart entsprach der im Einverständnis mit dem Kläger F. beobachteten Übung der Beklagten. Ein Gläubiger aber, der seinem Schuldner kundgibt, daß er sich mit einer derartigen Erledigung der Zahlungspflicht begnügen werde, erklärt damit, daß er sie der Einsendung des Barbetrags für gleichwertig erachten und ihr dieselbe Rechtswirkung wie dieser beimessen wolle. Fällt daher, wie im vorliegenden Falle, der Erfüllungsort der Schuld mit dem Wohnsitz und, soweit § 269 Abs. 2 einschlägt, mit dem Orte der gewerblichen Niederlassung des Schuldners zusammen, so wird dieser durch die dort erfolgende Einzahlung des geschuldeten Betrags auf das Postscheckkonto des hiermit einverstandenen Gläubigers seiner Verpflichtung ebenso gerecht wie durch die Aufgabe einer den Betrag enthaltenden Sendung bei einem dortigen Postamte. Die Revision glaubt demgegenüber darauf hinweisen zu können, daß der in § 554 Abs. 1 Satz 2 BGB. vorgesehene Ausschluß der Kündigung nach dem klaren Wortlaute des Gesetzes nur eintrete, wenn der Mieter den Vermieter noch vor der Kündigung befriedige und daß diese Wirkung erst durch die Gutschrift des eingezahlten Betrags auf dem Scheckkonto des Gläubigers erzeugt werde. Der Einwand ist mit dem der Vorschrift zugrunde liegenden Rechtsgedanken unvereinbar. Sie will dem Mieter die Möglichkeit gewähren, die in der Auslösung des Kündigungsrechts bestehende Folge seines Leistungsverzugs dadurch zu beseitigen, daß er die ihm zur Herbeiführung der Befriedigung des Vermieters obliegende Leistung nachholt. Nicht die nach Befinden eine Mitwirkung des Gläubigers beim Zahlungsgeschäfte voraussehende Schuldtilgung, sondern lediglich die Vornahme der vom Mieter geschuldeten Erfüllungshandlung ist es demnach, an welche die Beseitigung der Kündigungsbefugnis geknüpft ist, und diese erschöpft sich im gegenwärtigen Falle in der Einlieferung des Mietzinsrückstands auf das Scheckkonto des Vermieters bei dem Postamt in A."