RG, 03.01.1919 - III 271/18

Daten
Fall: 
Mietzinsanspruch nach Wegfall der Geschäftsgrundlage
Fundstellen: 
RGZ 94, 267
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
03.01.1919
Aktenzeichen: 
III 271/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht II Berlin
  • Kammergericht Berlin

Kann der Mieter einer Benzintankanlage den Erlaß des Mietzinses fordern, wenn er durch Kriegsereignisse und dadurch veranlaßte behördliche Maßnahmen behindert war, Benzin zu beschaffen und die Tankanlage zu benutzen?

Tatbestand

Der Kläger, der vom Beklagten eine Benzintankanlage nebst Kellerräumen gemietet hatte, behauptete, daß er während des Krieges von dem Benzintank infolge der behördlichen Beschlagnahme und der Veräußerungsverbote sowie infolge des Verschwindens des Benzins aus dem Handel keinen Gebrauch machen könne; er verlangte deshalb den Erlaß des auf den Benzintank entfallenden Teiles des Mietzinses. Seinem dahin gehenden Festellungsantrag entsprach das Berufungsgericht, während das Landgericht die Klage abgewiesen hatte.

Die Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen.

Gründe

"Es kann dahingestellt bleiben, ob das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien hinsichtlich der Benzintankanlage mit dem Berufungsgericht als Pacht oder, wie die Revision ausführt, als Miete aufzufassen ist, weil die Tankanlage nicht in gleicher Weise wie z. B. die dem Betrieb einer Gastwirtschaft dienenden Räume als Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit des Geschäftsinhabers anzusehen sei. Auch wenn man ein Mietverhältnis für vorliegend ansieht, ist es gerechtfertigt, den Anspruch auf den Zins für diese Anlage fortfallen zu lassen, solange der Kläger durch die Kriegsereignisse und die dadurch veranlaßten behördlichen Maßnahmen behindert war, von der Anlage den bestimmungsgemäßen Gebrauch zu machen.

Die den Gegenstand des Vertragsverhältnisses bildende Tankanlage war so beschaffen und so besonders eingerichtet, daß sie nur zu einer ganz bestimmten Art der Verwendung, der Aufnahme von Benzin und vielleicht von ähnlichen Stoffen, geeignet war. Daraus erhellt ohne weiteres, daß auch nur diese Art der Verwendung als die nach dem Inhalte des Vertrags vorausgesetzte und gewollte angesehen werden kann. Wird diese Art der Verwendung durch außerordentliche Ereignisse, welche in keiner Weise mit der Person des Mieters zusammen hängen, wie durch behördliche Maßnahmen infolge des Krieges oder auch durch sonstige durch den Krieg herbeigeführte Verhältnisse, unmöglich, so geht die dadurch verursachte Einbuße zu Lasten des Vermieters. Die besondere Einrichtung des Vertragsgegenstandes hat hier die gleiche Bedeutung, wie die örtliche Lage der Mietsache in dem Falle, den das Urteil des erkennenden Senats RGZ. Bd. 91 S. 54 betrifft. Der Vermieter, der die Anlage mit ihrer besonderen Einrichtung geschaffen hat und der in dem mit Rücksicht auf diese besondere Einrichtung bemessenen Mietpreise auch die Vergütung gerade für die Überlassung der Sache zu dem bestimmten Gebrauch erhält, verliert den Anspruch auf diese Vergütung, wenn der bestimmungsmäßige Gebrauch überhaupt, nicht nur gerade für die Person des Mieters unmöglich wird. Es folgt dies aus dem Wesen des gegenseitigen Vertrags, auf dem sowohl § 323 wie § 537 BGB. beruhen, deren sinngemäße Anwendung hier gerechtfertigt ist. Nach der besonderen Art des Vertragsverhältnisses gestaltet sich die Möglichkeit der Verwendung der Sache zu dem bestimmten Gebrauche zu einem Teile der dem Vermieter obliegenden Leistung im Sinne des § 323; der Wegfall dieser Möglichkeit behaftet die Sache zwar nicht unmittelbar mit einem Fehler im Sinne des § 537, erzeugt aber eine diesem gleiche Wirkung, daß die Sache zu dem vertragsmäßigen Gebrauche nicht mehr tauglich erscheint." ...