RG, 16.01.1900 - III 278/99
Finden die Grundsätze über die exheredatio bona mente auch dann Anwendung, wenn der Noterbe zwar auf den Pflichtteil eingesetzt, aber in seinem wahren Interesse für seine Lebenszeit durch Anordnung einer Verwaltung auf die Einkünfte aus dem Pflichtteile beschränkt worden ist?
Gründe
... "Wenn auch, wie der Revisionsbeklagte auszuführen sucht, die positiven Vorschriften des römischen Noterbenrechtes wegen ihrer formalen Natur regelmäßig nicht analog auszudehnen sein mögen, so hat doch schon das römische Recht selbst in der späteren Zeit nicht streng an dieser Auffassung festgehalten und gerade in der Zulassung der exheredatio bona mente damit gebrochen, indem es hier das sachliche Interesse des Noterben selbst in den Vordergrund stellte. Dementsprechend kann nicht angenommen werden, daß es zwar die völlige Enterbung hat zulassen, dagegen das Mindere, eine in seinem wahren Interesse der Einsetzung des Noterben hinzugefügte Beschränkung habe für unzulässig erklären wollen. Diese, von dem erkennenden Senate schon in seinem Urteile vom 3. Februar 1888,1 ausgesprochene Ansicht muß auch jetzt festgehalten werden, und danach kann die Gültigkeit der streitigen Verfügung nicht zweifelhaft sein. Denn die Einsetzung auf den Pflichtteil ist unstreitig in einem Testamente erfolgt, und in dem Nachtrage, der zwar nur als Kodizill anzusehen sein wird, konnte wie ein Vermächtnis so auch eine Dispositionsbeschränkung an sich rechtsgültig angeordnet werden, wonach dieser Pflichtteil des Klägers der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterstellt wurde, und dem Kläger selbst nur die Erträgnisse ausgezahlt werden sollten. Daß aber in dieser Nachtragsverfügung nicht, wie das Landgericht angenommen hatte, ein Widerruf der früheren Erbeinsetzung liegt, ist zutreffend vom Berufungsgerichte ausgeführt worden. Ausreichende, dem wahren Interesse des Noterben entnommene, Gründe sind in dem Nachtrage ausdrücklich angegeben; da sie bestritten und vom Berufungsgerichte noch nicht geprüft sind, mußte daher unter Aufhebung des Urteiles die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden."
- 1. Amtl. Anm.: Vgl. Jurist. Wochenschrift für 1888 S. 188 Nr. 34.