RG, 27.03.1906 - III 578/05
Kann bei Festsetzung der Höhe des wegen einer Körperverletzung zu leistenden Schadensersatzes auch bei Umstand, daß der Ersatzpflichtige gegen derartige Schadensfälle versichert ist, berücksichtigt werden?
Tatbestand
Der Beklagte war wegen eines Versehens bei einer von ihm ausgeführten Operation des Klägers u. a. zur Bezahlung eines Kapitalbetrags von 12000 M. als Entschädigung für Schmerzen und Entstellung (§ 847 B. G. B.), verurteilt worden. Seine Revision wurde, nachdem sie im übrigen zurückgewiesen war, wenigstens insoweit sie sich gegen die Festsetzung dieses Kapitalbetrags richtete, vom Reichsgericht für gerechtfertigt erachtet, aus folgenden Gründen:
Gründe
... "Nicht bedenkenfrei ist dagegen die Begründung, welche für die Angemessenheit des zuerkannten Kapitalbetrags von 12000 M dargelegt worden ist. Das Berufungsgericht berücksichtigt hierbei einerseits die bedrängte Vermögenslage und die beklagenswerte körperliche und seelische Verfassung des Klägers, andererseits die Verhältnisse des Beklagten, welcher ein wohlhabender Mann und überdies bis zu 30000 M Kapital versichert sei. Die Revision macht geltend, daß diese, an sich nicht bestrittene, Tatsache der Versicherung nicht zugunsten des Klägers bei der Bemessung der Schadensersatzsumme in Betracht gezogen werden könne, vielmehr die letztere zunächst ohne Berücksichtigung der Versicherung, lediglich auf Grund der Gesetze und der sonstigen Sachlage festzustellen, und erst dann der in solcher Weise ermittelte Betrag dem Schadensersatzpflichtigen aus der Versicherungssumme zu ersetzen sei. Dieser Auffassung ist beizutreten. Mit Recht hat zwar das Berufungsgericht bei der Festsetzung der "billigen Entschädigung in Geld", welche nach § 847 B. G. B. dem Verletzten zukommt, die persönlichen und Vermögensverhältnisse beider Teile, insbesondere auch des Beklagten, in Betracht gezogen. Allein das genannte Gericht verkennt den Begriff des "Vermögens" sowie die rechtliche Natur der vorliegenden Versicherung, wenn es die Versicherungssumme von 30000 M schon jetzt als Bestandteil des Vermögens des Beklagten behandelt, während dieselbe doch lediglich den Zweck hat, demselben Schadloshaltung für die ihm auferlegte Entschädigungspflicht zu gewähren, nachdem deren Betrag unter Berücksichtigung der sonstigen Sachlage festgestellt ist. Die erwähnte Versicherung hat sonach außer Betracht zu bleiben." ...