RG, 04.12.1917 - III 251/17

Daten
Fall: 
Kündigungsgrund
Fundstellen: 
RGZ 91, 307
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
04.12.1917
Aktenzeichen: 
III 251/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Frankfurt am Main
  • OLG Frankfurt am Main

Kann im Mietvertrag ein Kündigungsgrund vereinbart werden, dessen Tatbestand bei Erklärung der Kündigung noch nicht vorzuliegen braucht?

Tatbestand

Der Kläger hatte von den Beklagten für die Zeit vom 1. Januar 1914 bis 31. März 1919 zwei Geschäftszimmer, einen Lagerraum und eine Kellerabteilung gemietet. In dem Vertrage war bestimmt, daß die Lösung des Mietverhältnisses "bei dem Tode des Mieters und auch zum 1. Juli 1916 bei Geschäftsaufgabe nach vorausgegangener je auf einen Quartalsersten erfolgender vierteljährlicher Kündigung" zulässig sein sollte. Am 23. März 1916 erklärte der Kläger unter Bezugnahme auf diese Bestimmung, er kündige den Vertrag zum 1. Juli 1916. Da die Beklagten widersprachen, erhob er mit der Behauptung, daß er sein Geschäft am 1. Juli 1916 aufgegeben habe, Klage auf Feststellung der Beendigung des Mietvertrags. Die Beklagten vertraten den Standpunkt, daß das Geschäft, um die Kündigung zu rechtfertigen, spätestens am letzten zulässigen Kündigungstage habe aufgegeben werden müssen.

Das Landgericht und das Oberlandesgericht gaben dem Klagantrage statt. Die Revision wurde zurückgewiesen.

Aus den Gründen

... "Das Oberlandesgericht meint, daß die Kündigungsabrede ihrem Wortlaut und Sinne nach nur zugunsten des Klägers getroffen sei und ihn von der Verpflichtung zu weiteren Mietzahlungen befreien sollte, wenn er infolge der Aufgabe seines Geschäfts an der Ausnutzung der Mieträume über den 1. Juli 1916 hinaus gehindert wäre. Der darin zum Ausdruck gelangte Wille beider Parteien sei dahin gegangen, der Kläger dürfe unter der Voraussetzung, daß er sein Geschäft bis zu dem genannten Tage tatsächlich auflöse, schon am vorhergehenden 31. März ohne Rücksicht darauf kündigen, ob er den Geschäftsbetrieb das folgende Vierteljahr hindurch noch fortsetze oder nicht.

Die Revision wendet hiergegen ein, wie die Kündigungserklärung so könne auch die Kündigungszulässigkeit nicht an eine aufschiebende Bedingung geknüpft werden. Dem ist indessen nicht beizutreten. Der Erklärung der Kündigung darf es freilich an der ihrem Zweck entsprechenden Klarheit und Bestimmtheit nicht fehlen; sie darf keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, ob und zu welchem Zeitpunkte der Kündigende das Vertragsverhältnis aufheben wolle. Deshalb wird ihr die Zufügung einer Bedingung die rechtliche Wirksamkeit nehmen. Nach dem das Gebiet der Schuldverhältnisse beherrschenden Grundsätze der Vertragsfreiheit muß es aber den Vertragsteilen erlaubt sein, sich im voraus einer Bestimmung zu unterwerfen, durch welche das Recht zur Kündigung und damit ihre Rechtmäßigkeit von dem Eintritt oder Nichteintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängig gemacht wird. Allerdings läßt sich nicht verkennen, daß dadurch eine gewisse Unsicherheit in ihre Rechtsbeziehungen gebracht wird. Haben sie sie aber gewollt, so zieht ihnen das Gesetz nach dieser Richtung hin keine Schranke. Das Gesetz läßt vielmehr fast überall da, wo es eine außerordentliche Kündigung gestattet - vgl. z. B. die §§ 542, 544, § 549 Abs. 1 Satz 2 und alle Fälle der Kündigung aus einem wichtigen Grunde -, beim Bestreiten ihrer Rechtmäßigkeit durch den anderen Vertragsteil gleiche oder ähnliche Verhältnisse entstehen, wie sie hier durch die streitige Parteivereinbarung in der Auslegung, die das Oberlandesgericht vertritt, geschaffen worden sind. Dort bringt erst die richterliche Feststellung oder Verneinung der Rechtsgültigkeit der Kündigung die Klärung der Rechtslage, die hier nach dem übereinstimmenden Willen beider Parteien durch die lediglich von dem Kündigenden selbst abhängige Verwirklichung oder Nichtverwirklichung eines bestimmten Tatbestandes innerhalb einer bestimmten Frist herbeigeführt werden sollte.

Die Kündigungserklärung vom 23. März 1916 entbehrte nicht der erforderlichen Bestimmtheit. Sie ließ keinen Zweifel darüber, daß und weshalb der Kläger am 1. Juli das Vertragsverhältnis als beendet ansehe. Die Gefahr der rechtlichen Unwirksamkeit seiner Erklärung trug er indessen allein. Daher kann nicht anerkannt werden, daß die Auffassung des Berufungsgerichts von der Tragweite der Vertragsklausel, wie die Revision darzulegen versucht, geeignet sei, die Beklagten wirtschaftlich zu schädigen. Denn stellte sich am 1. Juli 1910 heraus, daß die Auflösung des Geschäfts noch nicht durchgeführt und die Kündigung daher zu Unrecht erfolgt war, so blieb der Kläger dem Beklagten aus dem Vertrage verhaftet. Er mußte entweder den vereinbarten Mietzins fortzahlen oder den Beklagten, falls sie im Vertrauen auf die Kündigung und deren Rechtmäßigkeit für die Zeit nach dem 1. Juli über die Räume in einer für sie unvorteilhafteren Weise bereits anderweitig verfügt hatten, Schadensersatz leisten, d. h. sie wirtschaftlich so stellen, wie sie ohne die Kündigung gestanden hätten." ...