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RG, 02.10.1917 - III 50/17

Daten
Fall: 
Konkurrenzverbot im Mietvertrag
Fundstellen: 
RGZ 90, 436
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
02.10.1917
Aktenzeichen: 
III 50/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Zweibrücken
  • OLG Zweibrücken

Nichtigkeit des ganzen Mietvertrags wegen des darin enthaltenen Konkurrenzverbots zwischen Ärzten?

Tatbestand

Die Parteien hatten am 4. Juli 1910 vor einem Notar einen Mietvertrag abgeschlossen, kraft dessen der Beklagte das im Dorfe H. gelegene Haus des Klägers für einen jährlichen Mietzins von 1800 M ab 1. Oktober 1910 auf fünfjährige Mietperioden mietete, derart, daß jeder Teil ein Jahr vor Ablauf der einzelnen fünfjährigen Mietperiode sollte kündigen dürfen. Der Beklagte, dem ein Vorkaufsrecht eingeräumt wurde, sollte, falls er kündigte, verpflichtet sein, nach besten Kräften für die Gewinnung eines Rechtsnachfolgers oder eines Käufers mitzuwirken, und wenn dies der Kläger verlange, einen in alle Rechte und Pflichten einzutreten geeigneten Arzt als Rechtsnachfolger zu präsentieren, mit der Maßgabe, daß im Falle des Nichteintreffens des bestellten Rechtsnachfolgers die Kündigung des Beklagten unwirksam sei; sei der Käufer ein Arzt, so verpflichte sich der Mieter ehrenwörtlich, falls dies der Käufer verlange, sich im Bereiche der H.'r Praxis zu einer neuen Praxis nicht niederzulassen. Der Beklagte - der schon am 1. Oktober 1912 nach dem 15 km entfernten Dorfe E. übergesiedelt war und von dort aus, unter Weiterbenutzung des gemieteten Hauses, die H.'r Praxis versehen hatte - kündigte das Mietverhältnis durch Brief vom 22. September 1914.

Die Klage fordert Feststellung, daß der Mietvertrag in vollem Umfange fortbestehe. Das Landgericht wies die Klage ab. Der strittige Vertrag stelle zugleich eine entgeltliche Übertragung der ärztlichen Praxis dar und ein beträchtlicher Teil der Einkünfte aus dieser Praxis sei weggefallen, die Verpflichtung zur Präsentierung eines Arztes als geeigneten Rechtsnachfolgers sei durch die nunmehrigen Bestimmungen des Leipziger Ärzteverbandes (Berliner Abkommen vom 23. Dezember 1913) erheblich erschwert; diese zwiefache Veränderung. der Umstände entbinde den Beklagten nach Treu und Glauben von der Einhaltung des Vertrags. Unter Mißbilligung dieser Gründe entsprach der Berufungsrichter dem Klagantrage. Der Revision des Beklagten wurde stattgegeben und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Gründe

"Der Beklagte hat in beiden Instanzen geltend gemacht, daß der strittige Vertrag gegen die guten Sitten verstoße, § 138 BGB. Dieser Einwand greift durch; den diesen Einwand zurückweisenden Erwägungen des Berufungsrichters kann nicht beigepflichtet werden.

Der Vertrag - der übrigens, falls kein wirklich "eintreffender" Mietnachfolger und kein Käufer gefunden wurde, den Beklagten auf unbegrenzte Zeitdauer binden sollte - traf weitgehende Vorsorge zur Gewinnung wie eines geeigneten und wirklichen Mietnachfolgers so eines Käufers. Dem Käufer - für dessen Gewinnung der kündigende Beklagte mitzuwirken hatte - sollte auf sein Verlangen wie vom Beklagten selbst so von dessen Arzt-Mietnachfolger ehrenwörtlich versprochen werden, im Bereiche der H.'r Praxis zu einer neuen Praxis sich nicht niederzulassen, und es sollte der wirklich "eintreffende" Arzt-Mietnachfolger des Beklagten wieder seinerseits einen zu diesem Versprechen bereiten Arzt-Mietnachfolger präsentieren. Eine Konkurrenzklausel zwischen Ärzten verstößt gegen die guten Sitten (RGZ. Bd. 66 S. 143 flg. insbesondere S. 150/152. Bd. 68 S. 188/192). (1)

und hier um so mehr, als eine unabsehbare Verlängerung eines solchen Konkurrenzversprechens ausbedungen war. Der Beklagte sollte selbst dieses Versprechen geben und sollte einen zu solchem Versprechen und zu seiner Weiterauflage an zukünftige Nachfolger bereiten Arzt-Mietnachfolger präsentieren. Er sollte also diese die sittliche Würde des Ärztestandes und das öffentliche Interesse verletzende Abrede von Person zu Person durch eine Reihe von Nachfolgern des Beklagten hierdurch fortgeleitet werden. Zwar sollte diese Abrede nur in Kraft treten, falls sich ein Käufer fand und dieser es verlangte. Das Suchen nach einem Käufer ist jedoch ein wesentlicher und unausscheidbarer Teil des Vertrags, insofern der Mieter einem vom Vermieter ermächtigten Käufer Einsicht in seine Bücher gewähren und im Falle seiner Kündigung für Gewinnung auch eines Käufers mitwirken mußte und insofern der bei Kündigung des Mieters von diesem zu präsentierende geeignete Arzt-Mietnachfolger in alle Rechte und Pflichten des Mieters, also auch in diese Konkurrenzverpflichtung einem Käufer gegenüber eintreten sollte. Die Bestimmung "falls dies der Käufer verlangt" kann ein Gegengrund nicht sein; denn es war selbstverständlich, daß einem Kaufliebhaber von dem bisherigen Mietvertrag, also auch von der vertragsmäßigen Bereitschaft des abtretenden Mieters zu einem solchen Konkurrenzversprechen, Mitteilung gemacht werden mußte. Die Möglichkeit, daß der Käufer trotzdem von einem solchen ihm zu gebenden Versprechen absieht, ist ohne Belang; auch eine derart bedingte Konkurrenzklausel bleibt anstößig.

Daraus ergibt sich, daß nicht etwa nur ein Teil des Vertrags nichtig ist (§ 139 BGB). Die Beendigung der Mietabschnitte durch Kündigung und die Voraussetzungen und Verschränkungen der Wirksamkeit einer Kündigung durch den Mieter sind die eigentliche Grundlage, auf der nach dem Willen der Parteien, insbesondere des Klägers, der ganze Vertrag aufgebaut ist. Nach dem klaren Wortlaut und nach dem offensichtlichen inneren Zusammenhange der Vertragsbestimmungen wäre es rechtsirrig, den Vertrag unter Streichung der auf den Käufer bezüglichen Abreden im übrigen aufrecht zu erhalten; es stellt sich vielmehr bei richtiger rechtlicher Würdigung als unzweifelhaft heraus, daß die Parteien, insbesondere der Kläger, diesen Vertrag ohne die Abreden hinsichtlich eines Käufers nicht getroffen haben würden. Der ganze Vertrag ist demnach nichtig."