RG, 08.10.1917 - IV 124/17

Daten
Fall: 
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts
Fundstellen: 
RGZ 91, 69
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
08.10.1917
Aktenzeichen: 
IV 124/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

Unter welchen Voraussetzungen ist die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zum Erwerb eines Grundstücks für den Mündel erforderlich, wenn die Mittel dazu aus einem dem Mündel angefallenen Nachlasse, dessen Verwaltung einem Testamentsvollstrecker zusteht, entnommen werden?

Tatbestand

Der Beklagte war vom 15. November 1910 bis zum 11. Dezember 1913 Vormund des Klägers. Als solcher wurde er durch Beschluß des Landgerichts vom 17. August 1912 ermächtigt, ein bestimmtes Grundstück für seinen Mündel in der Zwangsversteigerung zu erstehen, sofern dies für einen Preis von nicht mehr als 22.764 M möglich sein würde. Im Versteigerungstermin am 22. August 1912 blieb er mit Bargeboten von 10.000 M für sich und ebenfalls 10.000 M für den Kläger Meistbietender. Nach den Versteigerungsbedingungen hatte der Ersteher an eingetragenen Lasten 5.600 M und an Hypotheken 9.000 M zu übernehmen. Der Versteigerungsrichter wies das vom Beklagten namens seines Mündels abgegebene Gebot als unwirksam zurück, da der Beschluß vom 17. August nicht ergebe, daß zu dem zugelassenen Erwerbspreise von 22.764 M die zu übernehmenden Rechte oder auch nur die Rechte, die nicht Hypotheken seien, noch hinzuträten. Wegen des anderen Gebotes beantragte der Beklagte, den Zuschlagstermin auf eine Woche auszusetzen, weil er unter Umständen die Erklärung abgeben wolle, auch insoweit für sein Mündel geboten zu haben, und innerhalb dieser Zeit die vormundschaftliche Genehmigung beibringen werde. Dem Antrage wurde entsprochen. Am selben Tage beantragte der Beklagte bei dem Landgerichte, den Beschluß vom 17. August dahin zu ergänzen, daß nur zu übernehmende Hypotheken, nicht aber Lasten auf den zugelassenen Erwerbspreis anzurechnen seien. Der Antrag wurde am 27. September zurückgewiesen. Inzwischen, nämlich am 29. August 1912, war das Grundstück dem Beklagten persönlich zugeschlagen worden. Er hat dann dem durch einen neuen Vormund vertretenen Kläger die Auflassung des Grundstücks angeboten, aber ohne Erfolg.

Der Kläger fordert Ersatz der aus seinem Vermögen herrührenden Gelder, die zur Zahlung des Angebots und der Kosten verbraucht worden sind. Der Beklagte will nur zur Auflassung verpflichtet sein. Dabei stützt er sich darauf, daß der vom Vater des Klägers berufene Testamentsvollstrecker den Anlauf des Grundstücks für den Kläger in der Zwangsversteigerung genehmigt und dem Beklagten die Mittel dazu aus dem Stamme des väterlichen Nachlasses zur Verfügung gestellt habe. Außer dem ihm vor Jahren zugefallenen Muttererbe hatte nämlich der Kläger von seinem Vater ein Vermögen mit der Beschränkung ererbt, daß er bis zum 30. Lebensjahre nur die Einkünfte von jährlich etwa 20.000 M erhalten, das Kapital aber von einem Testamentsvollstrecker verwaltet werden sollte.

Während der erste Richter der Klage stattgab, erkannte das Kammergericht aus Abweisung. Auf die Revision wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache in die Berufungsinstanz zurückverwiesen.

Aus den Gründen

"Der Testamentsvollstrecker war, wenn es zu der ihm nach § 2216 BGB. obliegenden ordnungsmäßigen Verwaltung gehörte, befugt, das Grundstück aus Mitteln des Nachlasses für den Kläger dergestalt zu erwerben, daß dieses an Stelle des dafür aufgewendeten Geldes seiner Verwaltung unterfiel (RGZ. Bd. 56 S. 366, Bd. 63 S. 259). Er konnte auch den Beklagten mit der Erwerbung beauftragen. In diesem Falle bedurfte es der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (vgl. § 1897, § 182 Nr. 4 BGB.) nicht, da das zum Ankaufe verwendete Geld nicht der Verwaltung des Vormunds unterstand (vgl. Urteil des RG. vom 14. Juni 1913 Rep. IV. 97/13; Jur. Wochenschr. 1913 S. 1000). War der Vormund vom Testamentsvollstrecker mit dem Erwerbe des Grundstücks in diesem Sinne beauftragt und erlangte der Vormund in Ausführung des Auftrags das Eigentum des Grundstücks, so war er nach § 667 BGB. verpflichtet, es dem Testamentsvollstrecker für den Erben aufzulassen. Der Formvorschrift des § 313 BGB. unterlag der Auftrag, wie in dem Urteile RGZ. Bd. 54 S. 75 dargelegt ist, in solchem Falle nicht. Der Anspruch auf Auflassung würde dem Testamentsvollstrecker auch zugestanden haben, wenn der Vormund das Grundstück etwa im Wege der Geschäftsführung ohne Auftrag für den Testamentsvollstrecker erlangt und dieser die Geschäftsführung genehmigt hätte (§ 681 Satz 2, vgl. § 684 Satz 2). Denn auch in diesem Falle würde nach § 681 Satz 2, § 667 ein Anspruch des Testamentsvollstreckers und nach Erledigung seines Amtes ein solcher des Erben selbst auf Auflassung begründet sein.

Die Hingabe von Geld durch den Testamentsvollstrecker an den Vormund kann aber auch eine andere Bedeutung haben, nämlich die, daß das Geld aus der Verwaltung des Testamentsvollstreckers ausgeschieden und der Verwaltung des Vormundes unterworfen wird. Ist dies die Absicht der Beteiligten, so bedarf der Vormund der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nach § 1821 Nr. 4 BGB., wenn er mit dem ihm zur Verfügung gestellten Gelde ein Grundstück für den Mündel erwerben will. Hat in einem solchen Falle der Vormund das Grundstück mit den ihm vom Testamentsvollstrecker überwiesenen Geldern auf eigenen Namen erworben, so ist der Mündel geschädigt, da mangels eines formgültigen Vertrags zwischen Vormund und Mündel eine Verpflichtung des ersteren, dem letzteren das Grundstück zu übereignen, und eine Verpflichtung des letzteren, das Grundstück zu übernehmen, nicht besteht.

In diesem zweiten Sinne hat das Landgericht die Sachlage beurteilt. Dagegen bleibt es zweifelhaft, welchen der beiden möglichen Fälle das Berufungsgericht angenommen hat. Es stützt seine Entscheidung auf folgende Erwägungen."... (diese werden mitgeteilt; dann wird fortgefahren:) "Das Berufungsgericht findet hiernach den entscheidenden Grund darin, daß der Testamentsvollstrecker den Erwerb "genehmigt" habe. In welchem Sinne das gemeint ist, ob im Sinne einer Beauftragung des Vormunds oder im technischen Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs, d. h. einer nachträglichen Zustimmung zum Erwerbe für den Nachlaß (vgl. § 184 Abs. 1 BGB,), oder ob es damit hat sagen wollen, der Testamentsvollstrecker habe seine Zustimmung dazu erteilt, daß der Vormund das ihm von jenem zur Verfügung gestellte Geld im Interesse des Mündels zum Ankaufe des Grundstücks verwende, läßt sich aus seinen Ausführungen mit Sicherheit nicht entnehmen. Es muß damit gerechnet werden, daß es sich der Möglichkeit einer verschiedenen tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung des Vorgangs, wie sie oben erörtert ist, nicht bewußt geworden ist. Entscheidend ist die Auffassung, welche Vormund und Testamentsvollstrecker bei den Verhandlungen über die Hingabe der Gelder hatten. In dieser Beziehung ist der vom Berufungsgericht unerörtert gelassene Umstand nicht ohne Bedeutung, daß der Vormund tatsächlich die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zur Ersteigerung des Grundstücke eingeholt hat. Denn das wäre, wie ausgeführt, nicht nötig gewesen, wenn der Testamentsvollstrecker den Vormund mit dem Erwerbe des Grundstücks für Rechnung des Nachlasses beauftragt hatte." ...