RG, 02.05.1917 - V 13/17

Daten
Fall: 
Auftrag auf Erlassung eines Anerkenntnisurteils
Fundstellen: 
RGZ 90, 186
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
02.05.1917
Aktenzeichen: 
V 13/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Leipzig
  • OLG Dresden

Ist dem Auftrag auf Erlassung eines Anerkenntnisurteils auch dann stattzugeben, wenn er erst nachträglich auf Grund eines in einer früheren mündlichen Behandlung abgegebenen Anerkenntnisses gestellt wird und die Parteien inzwischen über den Anspruch streitig verhandelt haben?

Tatbestand

Die Klägerin machte mit der Klage gegen den Beklagten W. und die beiden andern Beklagten, Eheleute M. einen Anspruch auf Schadensersatz von 10.754,50 M geltend, weil sie bei dem im Jahre 1908 erfolgten Kaufe eines Grundstücks des Ehemanns M. von den zusammenwirkenden Beklagten arglistig getäuscht worden sei. Der erste Richter wies durch Teilurteil die Klage gegen den Beklagten W. ab. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen, das Berufungsurteil aber durch Revisionsurteil vom 11. Januar 1913 aufgehoben. In der erneuten Verhandlung vor dem Berufungsgerichte gründete dann die Klägerin einen Teil des Zahlungsverlangens und einen auf Abtretung zweier Forderungen von 3.000 und 3.500 M gerichteten Hilfsantrag nicht nur auf Schadenersatzpflicht, sondern auch auf sechs Bereicherungsansprüche. Der Beklagte W. beantragte zunächst Zurückweisung der Berufung in vollem Umfang und wendete gegen die Bereicherungsfrage unzulässige Klagänderung ein, ließ demnächst aber diesen Einwand fallen und erklärte, er wolle gegen die Bereicherungsansprüche zu 1, 2, 3, 5 und 6 keine Einwendungen weiter erheben und sich der Klage insoweit unterwerfen. Die Bereicherungsansprüche zu 1, 2 ,3, 5 waren auf Zahlung von 445.43 M, der Bereicherungsanspruch zu 6 auf Abtretung der beiden Forderungen gerichtet. Durch Urteil vom 8. April 1914 verurteilte der Berufungsrichter den Beklagten W. zur Zahlung von 445,45 M und Abtretung der Forderungen mit der Begründung, es sei, was die Bereicherungsklage anlange, der Beklagte W., soweit er sich der Klage unterworfen habe, antraggemäß zu verurteilen; im übrigen wies er die Berufung der Klägerin zurück.

Nachdem durch Revisionsurteil vom 21. November 1914 auf Aufhebung auch des Berufungsurteils vom 8. April erkannt worden war, wurden in der erneuten Verhandlung vor dem Berufungsgerichte die Bereicherungsansprüche und die darauf bezüglichen Behauptungen der Klägerin von W. unter Annahme der von der Klägerin darüber zugeschobenen Eide bestritten. Nach Eintritt der jetzigen Beklagten Witwe W. an Stelle des inzwischen verstorbenen W. in den Rechtsstreit wurden die Eideszuschiebungen von der Klägerin wiederholt und die Eide von der Beklagten angenommen. Demnächst beantragte die Klägerin, die Beklagte dem im Tatbestände des früheren Berufungsurteils vom 8. April 1914 enthaltenen Anerkenntnis gemäß zu verurteilen, gab aber dabei die Erklärung ab, daß sie bis zu dem Termine vom 24. Oktober 1916 keinen Antrag aus § 807 ZPO. gestellt habe. Die Beklagte widersprach dem Antrage; er sei unzulässig, weil verspätet, und unbegründet, weil die von der Klägerin in Bezug genommene Erklärung des W. kein Anerkenntnis enthalte. Der Berufungsrichter erkannte durch Urteil vom 21. November 1916 dahin: Der Antrag der Klägerin, die Beklagte gemäß dem in dem Tatbestände des früheren Berufungsurteils vom 8. April 1914 enthaltenen Anerkenntnis zu verurteilen, habe sich durch die dort festgestellte Erklärung des W., daß er keine Einwendungen weiter erheben und sich der Klage insoweit unterwerfen wolle, erledigt. Der Berufungsrichter nahm an, W. habe die Bereicherungsansprüche in dem Umfange, in dem das Urteil vom 8. April 1914 die Verurteilung des W. ausgesprochen habe, anerkannt, und führte weiter folgendes aus. Weder W. noch die Beklagte hätten das Anerkenntnis angefochten, vielmehr hätten sie nur die Behauptungen der Klägerin bestritten, was der Wirksamkeit des Anerkenntnisses keinen Eintrag tue. Eine Verurteilung auf Grund des Anerkenntnisses hätte indes nur ausgesprochen werden können, wenn die Klägerin den im § 807 ZPO. vorausgesetzten besonderen Antrag gestellt hätte. Diesen Antrag habe die Klägerin zwar nunmehr, aber doch erst gestellt, nachdem über die Bereicherungsansprüche anderweit in den Verhandlungen vom 11. Mai 1915 und 24. Oktober 1916 streitig verhandelt und sie unter Beweis gestellt worden wären. Dieser Antrag sei verspätet und deshalb nicht zulässig gewesen. Infolge des Anerkenntnisses seien die anerkannten Bereicherungsansprüche für die zu erteilende Entscheidung erledigt. Auf die Revision der Klägerin wurde dieses Berufungsurteil aufgehoben und die Beklagte Witwe W. zur Zahlung der 445,43 M und zur Abtretung der beiden Forderungen verurteilt.

Gründe

(Zunächst wird ausgeführt, daß die Revision zulässig sei, weil der Berufungsrichter nicht ein Zwischenurteil nach § 303 ZPO., sondern ein Endurteil über die Bereicherungsansprüche zu 1, 2, 3, 5 und 6 als einen Teil des Rechtsstreits habe erlassen wollen und nach Inhalt des Urteils auch tatsächlich erlassen habe. Sodann wird fortgefahren:)

... "Wenn die fragliche Erklärung des früheren Beklagten W., wie vom Berufungsrichter ausgeführt ist, ein Anerkenntnis der Bereicherungsansprüche zu 1, 2, 3, 5 und 6 enthielt, wurden diese Ansprüche zwar durch das Anerkenntnis erledigt (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.; RGZ. Bd. 44 S. 349; Jur. Wochenschr. 1894 S. 139 Nr. 6). Aber der Rechtsstreit über diese Ansprüche wurde dadurch noch nicht beendigt. Die Klägerin konnte vielmehr noch durch besonderen Antrag auf Erlassung eines Anerkenntnisurteils gemäß § 307 ZPO., der freilich nicht durch den vor Abgabe des Anerkenntnisses gestellten allgemeinen Klagantrag ersetzt wurde (RGZ. Bd. 3 S. 200, Bd. 60 S. 316; Warneyer Rechtspr. 1908 Nr. 96). die Verurteilung des Gegners dem Anerkenntnis gemäß herbeiführen. Durch das frühere Berufungsurteil vom 8. April 1914 ist auch der frühere Beklagte W. entsprechend verurteilt worden. Allerdings ist aus dem Urteil, insbesondere auch aus der Bemerkung in den Gründen: "Was die Bereicherungsklage anlangt, so ist der Beklagte W., soweit er sich der Klage unterworfen hat, antraggemäß zu verurteilen", nicht mit Bestimmtheit zu ersehen, ob die Klägerin einen besonderen Antrag im vorbezeichneten Sinne gestellt hatte. War dieses Urteil nicht nur, soweit dadurch die Klage abgewiesen worden war, sondern auch, soweit es die Verurteilung des Beklagten W. gemäß seinem Anerkenntnis aussprach, durch das frühere Revisionsurteil aufgehoben worden, so war der Rechtsstreit im ganzen Umfang in diejenige Lage zurückversetzt, in der er sich befand, bevor das aufgehobene Berufungsurteil erging (RGZ. Bd. 6 S. 376, Bd. 12 S. 410, Bd. 26 S.411). Daher konnte die Klägerin in dem neuen Berufungsverfahren einen Antrag auf Verurteilung des Gegners gemäß dem abgegebenen Anerkenntnis stellen.

In dem Urteile des erkennenden Senats vom 2. Juli 1888 V 81/88 (Jur. Wochenschr. 1888 S. 328 Nr. 4) ist allerdings ausgeführt, es sei nach § 307 ZPO. Voraussetzung für die Erlassung eines Anerkenntnisurteils außer einem hierauf gerichteten Antrage der Gegenpartei, daß das Anerkenntnis bei derjenigen mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erfolge, abgegeben worden sei. Diese Rechtsauffassung jedoch, auf der die damalige Entscheidung nicht beruht, da nach den weiteren Ausführungen in dem Urteil ein Anerkenntnis überhaupt nicht abgegeben worden war, und über die bereits in dem anderen Urteile des erkennenden Senats vom 12. April 1902 V 21/02 (Gruchot Beitr. Bd. 46 S. 1076) bemerkt worden ist, daß ihr die fast einstimmige Meinung der Rechtslehre entgegen sei, kann nicht aufrechterhalten werden. Aus den Worten "bei der mündlichen Verhandlung" im § 307 ZPO. ist nicht zu folgern, daß das Anerkenntnis in der letzten mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung ergeht, abgegeben sein muß. Vielmehr bedeuten die Worte nur, daß der geltend gemachte Anspruch (ganz oder zum Teil) überhaupt in einer mündlichen Verhandlung anerkannt sein muß, daß also ein Anerkenntnis außerhalb einer mündlichen Verhandlung zur Erlassung eines Anerkenntnisurteils nicht genügt. Das vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung abgegebene Anerkenntnis der Klageforderung enthält als dispositiver Akt eine Verfügung über die Schuld und eine Verpflichtungserklärung, wodurch der Beklagte sich dem Klaganspruch als einem zu Recht bestehenden Anspruch unterwirft (RGZ. Bd. 44 S. 349; Jur. Wochenschrift 1894 S. 314 Nr. 6). Deshalb behält ein solches Anerkenntnis, solange es nicht mit Rechtsbehelfen, die etwa nach der Sachlage gegeben sein können, angefochten ist, seine Wirksamkeit auch dann, wenn der Kläger nicht sogleich die Erlassung eines Anerkenntnisurteils beantragt (Jur. Wochenschr. 1894 S. 314 Nr. 6). Demnach und da aus § 307 ZPO. sich eine zeitliche Schranke für die Stellung dieses Antrags nicht ergibt, kann der Kläger grundsätzlich auch in einer späteren mündlichen Verhandlung noch den Antrag stellen, den Beklagten gemäß dem von ihm in einer früheren mündlichen Verhandlung abgegebenen Anerkenntnis zu verurteilen.

Im vorliegenden Falle ist auch, wenngleich die in dem Berufungsurteile vom 8. April 1914 ausgesprochene Verurteilung des Beklagten W. gemäß seinem Anerkenntnis durch die in dem Revisionsurteile vom 21. November 1914 erklärte Aufhebung des Urteils mitbetroffen worden ist, das von W. in mündlicher Verhandlung abgegebene Anerkenntnis selbst dadurch in seiner Wirksamkeit nicht berührt worden. Es war daher, wenn von der Klägerin in der erneuten Verhandlung vor dem Berufungsgericht ein Antrag gemäß § 307 ZPO. auf Erlassung eines Anerkenntnisurteils gestellt wurde, der Antrag zulässig und nach Maßgabe des wirksam gebliebenen Anerkenntnisses auch gerechtfertigt. Anscheinend ist an sich auch der Berufungsrichter dieser Ansicht, da er ausführt, daß das Anerkenntnis seine Wirksamkeit behalten habe und dadurch die Bereicherungsansprüche zu 1, 2, 3, 5 und 6 erledigt seien. Der Berufungsrichter erachtet aber den vor ihm in der letzten mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 1916 von der Klägerin gestellten Antrag, die jetzige Beklagte gemäß dem von dem früheren Beklagten W. abgegebenen Anerkenntnis zu verurteilen, für verspätet und daher unzulässig deswegen, weil in vorhergehenden Verhandlungen über die Bereicherungsansprüche streitig verhandelt und sie unter Beweis gestellt worden seien. Dieser Meinung kann nicht beigetreten werden. Das vorerwähnte, in Gruchots Beitr. Bd. 4S S. 1073 flg. abgedruckte Urteil des erkennenden Senats, auf das der Berufungsrichter Bezug nimmt, betrifft einen wesentlich anders liegenden Fall. Dort war, nachdem in einer mündlichen Verhandlung ein Antrag des Beklagten, der ein Anerkenntnis eines Teiles des vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzanspruchs nach der vom Kläger in der zweiten Instanz geäußerten Auffassung enthalten sollte, verlesen worden war, in der nämlichen ersten Instanz über den Grund des ganzen Klaganspruchs, auch des von dem angeblichen Anerkenntnis betroffenen Teiles, streitig verhandelt und Beweis erhoben, war dann durch kontradiktorisches Urteil die Klage abgewiesen und demnächst der Antrag auf Erlassung eines Anerkenntnisurteils, den der erkennende Senat dort für unzulässig erklärt hat, erst in der Berufungsinstanz vom Kläger gestellt worden. Es war also das angebliche Anerkenntnis in der ganzen ersten Instanz als gar nicht abgegeben von den Parteien behandelt und von dem erkennenden Gericht angesehen worden. Im gegenwärtigen Falle aber war in der nämlichen Berufungsinstanz, in der von dem damaligen Beklagten W. das Anerkenntnis abgegeben worden war, bereits die Verurteilung des Beklagten gemäß dem Anerkenntnis erfolgt. Wenn nun auch nach Erlassung des Revisionsurteils vom 21. November 1914 in der erneuten Verhandlung vor dem Berufungsgerichte die Klägerin zufolge des nunmehr erfolgten Bestreitens der fraglichen Bereicherungsansprüche durch den Beklagten W. und, nachdem die jetzige Beklagte als dessen Rechtsnachfolgerin in den Rechtsstreit eingetreten war, durch diese sich darauf eingelassen hatte, ihre auf die Bereicherungsansprüche bezüglichen Behauptungen wieder vorzutragen und unter Beweis zu stellen, so war sie doch dadurch, wenigstens solange noch nicht die Berufungsinstanz abgeschlossen war, ihres Rechtes nicht verlustig gegangen, auf das abgegebene Anerkenntnis zurückzugreifen und den Ausspruch der Folge zu beantragen, die sich aus dem wirksam gebliebenen Anerkenntnis ergab. Insbesondere kam darin, daß die Klägerin sich gegenüber dem nachträglichen gegnerischen Ableugnen des Bestehens der Bereicherungsansprüche zunächst nicht auf das vorher abgegebene Anerkenntnis berufen hat, nicht etwa ein Verzicht der Klägerin auf die Rechte aus dem Anerkenntnis oder auf Stellung des Antrags gemäß § 307 ZPO. gefunden werden.

Demnach war das Berufungsurteil aufzuheben. Die Sache ist auch zur anderweiten Endentscheidung reif. Mit Recht hat der Berufungsrichter ein Anerkenntnis als von dem früheren Beklagten W abgegeben erachtet".

(Dies wird ausgeführt, sowie daß die jetzige Beklagte, Witwe W., das Anerkenntnis gegen sich gelten lassen müsse.)