RG, 02.04.1917 - VI 450/16

Daten
Fall: 
Auftragwidrige Handlungen des Beauftragten
Fundstellen: 
RGZ 90, 129
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
02.04.1917
Aktenzeichen: 
VI 450/16
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Königsberg
  • OLG Königsberg

1. Auftragwidrige Handlungen des Beauftragten.
2. Bedeutung allgemeiner Weisungen über die Verwendung eingenommener Geldbeträge, die im Antragsverhältnis der Auftraggeber den Beauftragten erteilt. Befreien sie diesen von den Verpflichtungen der Rechenschaft und der Herausgabe?

Tatbestand

Der Kläger war Eigentümer des Gutes Königstann; er geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten und erteilte am 6. März 1909 dem Beklagten, dem Bruder seiner Ehefrau, eine Generalvollmacht mit dem Auftrage, seine Vermögensverhältnisse in Ordnung zu bringen und zu diesem Zwecke das Gut Königstann zu verkaufen. Mittels Kaufvertrags vom 9. August 1909 verkaufte darauf der Beklagte das Gut für den Preis von 305.000 M gegen eine Anzahlung von 45.000 M, Übernahme der eingetragenen Hypotheken von 210.000 M und hypothekarische Eintragung des Restkaufpreises von 50.000 M. Diese Kaufpreisrestforderung trat der Beklagte sogleich in dem Kaufvertrag an die Ehefrau des Klägers ab und beantragte die Eintragung von drei Briefhypotheken für die Genannte mit 20.000 M, 10.000 M und wieder 20.000 M. Die erste Post von 20.000 M wurde am 14. Oktober 1909 wieder gelöscht. Die beiden anderen Hypotheken trat die Ehefrau des Klägers am 29. Januar 1910 zurück an den Beklagten ab; erstere Post verpfändete der Beklagte am gleichen Tage für eigene Schulden einem Rentner L. und trat sie später am 10. Februar 1913 an einen Rentner B. ab; auch die andere verpfändete er einem anderen Gläubiger für eigene Schulden und übertrug sie dann am 13. Juli 1912 wiederum an die Ehefrau des Klägers, die zu dieser Zeit sich im Scheidungsprozesse mit ihrem Ehemanne befand. Das Urteil erster Instanz auf Scheidung war schon ergangen und wurde am 3. Oktober 1912 vom Oberlandesgerichte bestätigt.

Unter der Behauptung, daß der Beklagte die Geschäfte des Klägers auftragswidrig und zum Schaden des Klägers geführt, auch Gelder aus dem Verkaufe des Gutes für sich verwendet habe, hat der Kläger gegen den Beklagten zunächst auf Rechnungslegung und auf Herauszahlung des aus der Rechnung zu seinen Gunsten sich ergebenden Betrags, nachdem im Laufe der ersten Instanz der Beklagte eine Rechnungsausstellung vorgelegt hatte, aber auf Zahlung von 5.000 M und auf Rückübertragung der beiden Hypotheken von 10.000 M und 20.000 M an ihn Klage erhoben. Das Landgericht erkannte gegen den Beklagten. Auf seine Berufung legte das Oberlandesgericht abändernd dem Beklagten einen Schiedseid dahin auf, daß zwischen ihm und dem Kläger eine Rückübertragung der Hypotheken auf diesen nicht vereinbart worden sei, und machte von der Leistung oder Nichtleistung dieses Eides die Entscheidung abhängig.

Auf die Revision des Klägers wurde das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben aus folgenden Gründen:

Gründe

"Im Gegensatz zum Landgerichte, das auf Grund des Auftragsverhältnisses, dessen Verpflichtungen er zuwidergehandelt habe, den Beklagten zur Rückübertragung und Wiederbeschaffung der beiden dem Kläger als dem Machtgeber entfremdeten Hypotheken verurteilte und durch Zwischenurteil nach § 304 ZPO. den Leistungsanspruch auf Zahlung von 5.000 M dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärte, ist das Berufungsgericht zur bedingten Abweisung der Klage gelangt, weil der Kläger der Abtretung der Hypotheken seitens seiner Ehefrau an den Beklagten vom 29. Januar 1910 zugestimmt und zur Erklärung dieser Handlungsweise Stichhaltiges nicht vorgebracht habe. Diese Zustimmung, meint das Berufungsgericht, wäre unerklärlich, wenn der Kläger selbst das Recht gehabt hätte, über den Kaufgelderlös des Gutes zu verfügen, also die Abtretung an sich hätte verlangen können; sie sei nur verständlich bei der Annahme, daß er auf seine Rechte an dem Erlöse zugunsten seiner Familie verzichtet habe, wie dies der Behauptung des Beklagten entspreche, die deshalb nunmehr der Kläger widerlegen müsse. Der Kläger habe nun behauptet, daß am 29. Januar 1910 zwischen den Parteien die Wiederumschreibung der Hypotheken auf seinen Namen nach der Rechnungslegung vereinbart worden sei. Die Behauptung sei "wenig wahrscheinlich," indessen "nicht geradezu ausgeschlossen", so daß es auf den darüber dem Beklagten zugeschobenen Eid ankomme, auf den zu erkennen gewesen sei; nur, wenn dieser Eid vom Beklagten geweigert werde, erscheine der Klaganspruch begründet.

Die gegen diese Entscheidung vom Kläger eingelegte Revision war für begründet zu erachten. Das Berufungsgericht übersieht durchaus, daß die Beziehungen der Parteien zueinander von dem Auftragsverhältnis beherrscht sind, das den Beklagten als Beauftragten von dem Kläger als Machtgeber abhängig macht, und daß von diesem Auftragsverhältnis aus auch alle Einzelhandlungen der Parteien in Ansehung des Gegenstandes des Auftrags zu beurteilen sind. Der Beauftragte hat nach den Weisungen des Auftraggebers zu handeln; von beabsichtigten Abweichungen hat er dem Auftraggeber Mitteilung zu machen und dessen Entschließung abzuwarten. Er hat in allem nach dem Willen und beim Mangel bestimmter Weisungen nach dem Interesse des Machtgebers zu verfahren (§§ 682,665 BGB.; Jur. Wochenschr. 1905 S.43 Nr. 5). Er ist dem Auftraggeber über die Ausführung des Auftrags Rechenschaft schuldig (§ 666 BGB.) und hat ihm, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, herauszugeben (§ 667 BGB.). Der Beklagte hat mithin bei den von ihm in Ausführung des ihm erteilten Auftrags vorgenommenen Handlungen, die von vornherein als Abweichungen von der geraden Richtschnur des Auftrags erscheinen, darzutun, daß sie mit dem Willen, und wo dieser etwa nicht zu ermitteln ist, mit dem Interesse des Klägers übereinstimmen.

Als erste dieser Handlungen stellt sich die gleichzeitig mit dem Gutsverkauf erfolgte Zuweisung der Kaufgelderhypotheken von 20.000 M und 10.000 M an die Ehefrau des Klägers und Schwester des Beklagten, anstatt an den Kläger selbst, dar. Es erhellt nicht, ob der Beklagte dazu die Einwilligung des Klägers eingeholt hat. Daraus, daß der Kläger nachträglich, nachdem einmal diese Zuweisung in dem vom Beklagten mit dem Käufer geschlossenen Vertrage festgelegt war, bei den Grundbuchverhandlungen zur Ausführung auch hinsichtlich der fraglichen Hypothekenübertragung mitwirkte, ergibt sich nicht, daß er sich mit der Handlungsweise des Beklagten zur Ausführung des diesem erteilten Auftrags ihm gegenüber einverstanden erklärte. Die Rückübertragung der Hypotheken an den Beklagten am 29. Januar 1910, die unter Zustimmung des Klägers erfolgt ist, spricht gegen diese Einwilligung und findet ihre natürliche Erklärung gerade nur so, wie der Kläger ihre Bedeutung dargestellt hat, daß nämlich jene Zuweisung der Kaufgelder an die Ehefrau des Klägers rückgängig gemacht werden und der Beklagte, der das Vermögen des Klägers verwaltete, in dieser Stellung auch die fraglichen Hypotheken bis zur Erledigung des Auftragsverhältnisses überhaupt oder bis zu einer endgültigen Verfügung des Klägers über ihre Verwendung als Treuhänder des Klägers in seine Verwaltung übernehmen sollte. Er blieb jedenfalls in der Verfügung darüber dem Kläger als seinem Auftraggeber schlechthin verantwortlich. Die Umschreibung der Hypotheken auf den Beklagten erscheint lediglich als eine Maßregel innerhalb des Auftragsverhältnisses, um die endgültige Verfügung über den Vermögensgegenstand vorzubereiten.

Der Beklagte hat nun behauptet, der Kläger habe mit ihm vereinbart, der Überschuß, der von dem Kauferlöse nach Zahlung der Schulden des Klägers verbleibe, solle für Frau und Kinder des Klägers verwendet werden; er selbst wolle für sich nichts haben. Selbst wenn aber diese Behauptung, die das Berufungsgericht wegen der Zustimmung des Klägers zu der Abtretung vom 29. Januar 1910 dergestalt seiner Entscheidung zugrunde legen zu können glaubt, daß es dem Kläger nun überlassen bleiben müsse, sie durch Gegenbeweis aus der Welt zu schaffen, wenn er noch Ansprüche an den Beklagten erheben wolle, richtig und erwiesen wäre, würde sie an dem Verhältnis der Parteien zueinander nichts Wesentliches ändern. Denn diese Vereinbarung würde sich wiederum nur als eine Weisung, und zwar allgemeiner Natur, an den Beauftragten über die Art und Weise der Ausführung des Auftrags darstellen. Der Beklagte war weder Vertreter der Ehefrau des Klägers noch der Kinder des Klägers; von einer Zuwendung, die seitens des Klägers zu Händen des Beklagten an die Genannten gemacht worden wäre, kann deshalb keine Rede sein. Daß aber der Beklagte berechtigt werden sollte, über die fraglichen Überschüsse, die er als Beauftragter des Klägers in seine Hand bekommen hatte, vollständig frei, nach seiner Willkür und seinem Gutdünken, ohne Verantwortung gegenüber irgend jemandem als über sein Eigentum zu verfügen, lediglich mit der allgemeinen, ihn nicht verpflichtenden Erwartung, er werde sie für die Ehefrau und die Kinder des Klägers verwenden, liegt weit ab von dem zwischen den Parteien bestehenden Verhältnis und ist in dieser Weise jedenfalls weder festgestellt noch auch nur behauptet worden. Auch die von dem Beklagten vorgetragene angebliche Äußerung des Klägers, die sich auf die Rückübertragung der Hypotheken an den Beklagten vom 29. Januar 1910 bezieht, der Beklagte werde noch besser für die Kinder zu sorgen in der Lage sein, als die Ehefrau des Klägers, bestätigt nur eine Auftragsweisung, enthält aber nicht eine solche Verfügung, die einen Verzicht auf die eigenen Rechte aus dem Auftragsverhältnis oder einen Erlaß der Auftragsschuld des Beklagten auf Herausgabe des durch die Geschäftsbesorgung Erlangten (§ 397 BGB.) darstellen würde. Ein Verzicht des Klägers auf seine Rechte an dem Erlöse zugunsten seiner Ehefrau und seiner Kinder in dem Sinne, wie ihn das Berufungsgericht annimmt, stellt keinen Erlaß der Auftragsschuld gegenüber dem Beklagten dar, sondern gibt nur den von diesem nachzuweisenden Verwendungen zu dem angegebenen Zwecke - wobei aber im Sinne des Auftrags jedenfalls nach der dem Beklagten bekannt gewordenen Einleitung der Ehescheidung die Ehefrau auszuscheiden hatte - den Charakter der Auftragserfüllung und befreit ihn insoweit von der Herausgabepflicht des § 667 BGB.; was weisungsgemäß verwendet, was nach dem Willen des Auftraggebers verausgabt worden ist, braucht nicht mehr herausgegeben zu werden.

Der dem Beklagten erteilte Vermögensverwaltungsauftrag war mit dem Verkaufe des Gutes noch nicht schlechthin erledigt, sondern erst mit der Rechnungslegung und der auftraggemäßen Verfügung über die verentnahmten Gelder und Vermögenswerte, also mit der Ausantwortung an den Auftraggeber nach § 667 BGB. oder nach dessen Weisungen an Dritte, Weisungen, die gleich dem Auftrage selbst § 671 BGB.) jederzeit widerrufen werden konnten. Immer blieb der Beklagte als Beauftragter dem Kläger als dem Auftraggeber verantwortlich. Der Kläger blieb berechtigt, nicht nur gemäß § 666 BGB. Rechenschaftsablage, sondern auch nach § 667 BGB. Herausgabe alles in die Verwaltung des Beklagten gekommenen Gutes zu verlangen, dessen auftragsmäßige Verwendung ihm noch nicht nachgewiesen ist; der Beklagte hat dann darzutun, daß er den Weisungen des Auftraggebers entsprechend und in dessen Interesse darüber verfügt hat. Es ist abwegig, wenn das Berufungsgericht dem Kläger nur als Vertreter seiner Kinder, zu deren Gunsten er verzichtet habe, Ansprüche gegen den Beklagten zuerkennen will. Gerade das Auftragsverhältnis macht den Kläger als den Machtgeber zum Herrn über die Verfügungen des Beklagten; als solcher nimmt er diesen in Anspruch.

Die Allgemeinheit der Weisung und Zweckbestimmung für die Verwendung des Kaufgelderüberschusses zugunsten der Ehefrau und der Kinder überhob den Beklagten auch nicht der Verpflichtung des Beauftragten, hinsichtlich der einzelnen Verfügungshandlungen im Zweifelsfalle die Weisungen des Klägers einzuholen und jedenfalls in allem dessen Interesse wahrzunehmen. Das muß um so mehr gelten, nachdem, wie dem Beklagten wohl bekannt geworden sein muß, Mißhelligkeiten zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau entstanden waren. Als der Beklagte die Hypothek der 20.000 M am 13. Juli 1912 zum zweiten Male der Ehefrau des Klägers übertrug, war die Ehe des Klägers mit dieser in erster Instanz bereits geschieden; der Prozeß schwebte vor dem Oberlandesgerichte. Diese Verfügung des Beklagten stellt sich hiernach von vornherein und ohne eingehende Darlegung der Berechtigung seitens des Beklagten als schlechthin auftragwidrig dar. Hat der Beklagte ferner die Weisung erhalten, für Frau und Kinder des Klägers die Überschüsse der Kaufgelder zu verwenden, so ist jeder Versuch eines Nachweises zu vermissen, in welcher Weise der Beklagte für die Kinder des Klägers gesorgt haben will. Nach seiner eigenen Darlegung im Schriftsatze vom 3. November 1915 soll ja gerade die Rückübertragung vom 29. Januar 1910 auf Wunsch des Klägers erfolgt sein, weil der Beklagte besser für die Kinder sorgen werde, als die Ehefrau. Auftragwidrig und unerlaubt waren die Verpfändungen der Hypotheken durch den Beklagten für seine eigenen Schulden an seine Gläubiger; kommen diese Verletzungen der Vertragspflicht auch gegenwärtig insofern nicht in Betracht, als der Beklagte die verpfändeten Werte wieder eingelöst hat, so zeigen sie doch, wie wenig genau der Beklagte es mit seinen Verpflichtungen nahm. Die Abtretung der Hypothek von 10.000 M an einen Dritten im Jahre 1913 ist völlig unaufgeklärt und nicht minder auftragwidrig wie jene Verpfändungen, sofern nicht der Gegenwert der Abtretung zur Verwaltungsmasse abgeführt und auftraggemäß verwendet worden ist.

Dem Kläger als Auftraggeber liegt mithin keineswegs der Nachweis ob, wie er dazu komme, Herausgabe der durch die Geschäftsbesorgung des Auftrags an den Beklagten gelangten Vermögenswerte zu verlangen; vielmehr hat der Beklagte gegenüber der an sich wohlbegründeten Klage darzutun, wie er seinerseits dem Auftrage nachgekommen ist. Die Zustimmung des Klägers zu dem Übertragungsakte vom 29. Januar 1910 ändert an dem Auftragsverhältnis nichts und kehrt die Beweislast nicht um, die bei dem Beklagten bleibt, auch nachdem er bewiesen haben wird, daß jene Vereinbarung, wonach die überschießenden Kaufgelder der Ehefrau und den Kindern des Klägers zugute kommen sollten, in Wirklichkeit getroffen worden sei. Der Beklagte hat dann nachzuweisen, inwiefern seine einzelnen Verfügungshandlungen zu den Zeiten, da sie vorgenommen wurden, im Rahmen der Vereinbarung dem Auftrage, weil dem Willen und dem Interesse des Klägers entsprachen. Verfügungen, die in unstatthafter Abweichung von seinen Weisungen oder gegen seinen Willen vom Beklagten getroffen sind, braucht der Kläger nicht anzuerkennen; erscheinen sie als vorsätzliche oder fahrlässige Verletzungen der Vertragspflicht des Beklagten, so verpflichten sie diesen ferner zum Schadensersatz und lassen alsdann den Klaganspruch auch als Schadensersatzanspruch begründet erkennen. Daß ein Verschulden ihm nicht zur Last fällt, hat aber nach den Grundsätzen des Vertragsrechts der Beklagte, wenn er gegenständlich vertragswidrig gehandelt hat, zu beweisen.

Der Kläger fordert neben der Wiederbeschaffung der zwei Hypotheken von 20.000 und 10.000 M auch einen Geldbetrag, der sich nach seiner Behauptung aus den Einwendungen gegen die vom Beklagten in erster Instanz beigebrachte Rechnungsaufstellung ergibt; das Landgericht hat diesen Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Berufungsgericht hat sich darüber nicht ausgesprochen und offenbar auch ihn durch die Zustimmung des Klägers zu der Abtretung vom 29. Januar 1910 als erledigt angesehen, sofern nicht der Kläger den unter Eideszuschiebung gestellten Gegenbeweis führt, der der Gegenstand des Urteilseides ist. Es handelt sich hier aber um Geldwerte, die außerhalb jener Hypotheken liegen; auch hier trifft den Beklagten die Beweislast der auftragsmäßigen Verwendung der Gelder und die Pflicht der Herauszahlung, sofern er diesen Nachweis nicht führt." ...