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RG, 13.03.1917 - II 484/16

Daten
Fall: 
Cif-Klausel
Fundstellen: 
RGZ 90, 1
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
13.03.1917
Aktenzeichen: 
II 484/16
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hamburg, Kammer für Handelssachen.
  • OLG Kammer

Zur Bedeutung der Cif-Klausel und der Vertragsbestimmung "Zahlung gegen Dokumente bei Eintreffen des Dampfers auf der Elbe".

Tatbestand

Die Klägerin verkaufte der Beklagten etwa 10 Ballen prima Kobe Agar-Agar in Gemäßheit der Usancen für den Handel mit Kolonialwaren, getrockneten Früchten und Drogen. Laut der Schlußnote vom 17. Juni 1914 war bedungen:

Preis: 3,47 M für ein Kilo ausgeliefertes Nettogewicht, cif Hamburg; Zahlung gegen Dokumente bei Eintreffen des Dampfers auf der Elbe.
Juni/Juli Dampfer Abladung von Japan nach Hamburg.

Die Ware wurde am 27. Juni 1914 von Kobe mit dem Dampfer Derfflinger nach Hamburg abgeladen. Dieser Dampfer wurde von den Engländern nach Alexandrien aufgebracht und dort durch Urteil des Prisengerichts vom 20. Januar 1915 für gute Prise erklärt. Die Klägerin erhob darauf Klage auf Zahlung des Preises von 4406,90 M Zoll nebst 5 % Zinsen seit dem 21. Mai 1915. Sie stellte sich im wesentlichen auf den Standpunkt des Urteils RGZ. Bd. 87 S. 134. Die Beklagte machte geltend, daß sie nur bei Eintreffen des Dampfers auf der Elbe zu zahlen habe und deswegen nicht zu zahlen habe, wenn der Dampfer nicht eintreffe.

Die Beklagte ist in beiden Vorinstanzen verurteilt worden; ihre Revision ist erfolglos geblieben.

Gründe

"Zu entscheiden ist die Frage, ob gemäß dem gesamten Inhalte des streitigen Kaufvertrags und insbesondere mit Rücksicht auf die Bestimmung "Zahlung bei Eintreffen des Dampfers auf der Elbe" der Käufer verpflichtet ist, die Dokumente einzulösen, nachdem sich herausgestellt hat, daß der Dampfer mit der Ladung in Feindes Hand gefallen ist, also die Elbe nicht erreichen wird. Hierfür kommt es in erster Linie darauf an, ob der Verkäufer seine Lieferpflicht am Abladeplatz oder im Bestimmungshafen zu erfüllen hat; denn hiernach entscheidet sich, falls keine abweichenden Vertragsabreden vorliegen, wer die Gefahr der Reise trägt.

Es ist der Revision zuzugeben, daß die sogenannte Cif-Klausel ihrem Inhalte nach über die Frage des Erfüllungsorts nichts bestimmt. Die Abrede "Preis ... cif Bestimmungshafen" besagt nur, daß in den genannten Preis Kosten, Versicherung, Fracht bis zum Bestimmungshafen einbegriffen sind. Sie kommt nicht nur bei Umladegeschäften, bei denen der Abladeplatz Erfüllungsort für die Lieferung ist, vor, sondern auch bei Loco-Verkäufen und gelegentlich bei solchen Umladegeschäften, bei denen der Verkäufer im Bestimmungshafen (ab Kai) zu liefern hat. Wird aber in einem Abladegeschäfte mittels der Cif-Klausel besonders ausgesprochen, daß Kosten, Versicherung und Fracht bis zum Bestimmungshafen in den Kaufpreis eingeschlossen sind, so ist dies ein starkes Anzeichen dafür, daß der Abladeplatz der Erfüllungsort für den Verkäufer sein soll. Andernfalls wäre die Cif-Klausel überflüssig oder doch nur von geringer Bedeutung. Hat der Verkäufer im Bestimmungshafen zuliefern, so ist es selbstverständlich und braucht nicht besonders gesagt zu werden, daß er die Fracht und sonstigen Unkosten des Transportes bis dahin zu tragen hat. Die Versicherung hat in solchem Falle für den Käufer meistens kein Interesse, weil er die Gefahr der Reise nicht trägt. Wird in Loco-Verkäufe oder in Abladegeschäfte, bei denen der Verkäufer im Bestimmungshafen zu liefern Hat, die Cif-Klausel aufgenommen, so hat dies nur die untergeordnete Bedeutung, daß die Auslieferungsspesen, Wägekosten u. dgl. dem Käufer zur Last fallen. Ihre Hauptanwendung und wichtigste Bedeutung hat die Cif-Klausel also bei Abladegeschäften, bei denen der Verkäufer seine Lieferpflicht am Abladeplatz erfüllt. Deswegen spricht die in einem Abladegeschäft enthaltene Cif-Klausel dafür, daß dieser Erfüllungsort gewollt ist. Der § 18 der Hamburger Platzusancen (Hamb. Gesetzsamml. 1904, II. S. 377) zeigt, daß dies im allgemeinen die Auffassung der Handelskreise ist. Es wird bestätigt durch die Schrift der vierzehn Hamburger Warenvereine über die Einwirkungen des Krieges auf Kaufverträge über Importwaren, in der auf Seite 12 ausgesprochen ist, daß bei den Cif- und C. u. F.-Geschäften in der Regel der Abladeort der Erfüllungsort ist. In dem hier streitigen Falle kommen in erster Linie die Usancen für den Handel mit Kolonialwaren, getrockneten Früchten und Drogen (Hamb. Gesetzsamml. 1909, II. S.79) in Betracht; denn auf Grund dieser Usancen ist der Kauf abgeschlossen. Sie besagen in § 39:

Bei C. u. F.- und Cif-Geschäften ist der Abladeort der Erfüllungsort für die Lieferung.

Freilich können solche allgemeinen Anschauungen und die Norm der Usancen durch den Inhalt des einzelnen Kaufvertrags außer Kraft gesetzt weisen. Aber nach allem Angeführten muß bei überseeischen Abladegeschäften, welche die Cif-Klausel enthalten, und ganz besonders bei solchen, die auf Grund der Usancen für den Handel mit Kolonialwaren usw. abgeschlossen sind, der überseeische Abladeplatz als Erfüllungsort für die Ablieferung gelten, es sei denn, daß eine ausdrückliche Bestimmung oder der Zusammenhang des Vertrags etwas anderes ergibt.

Auf einen von der Regel abweichenden Willen der Parteien läßt sich aus dem Inhalte des streitigen Vertrags nicht schließen. Die Bestimmung des Preises nach ausgeliefertem Gewicht und die Abrede freundschaftlicher Arbitrage sind in dieser Beziehung unerheblich; dies hat der Senat schon in dem Urteile RGZ. Bd. 87 S. 135 ausgesprochen. Bei der Arbitrage kann sehr wohl festgestellt werden, ob vorgefundene Mängel auf der Reise entstanden, oder schon bei der Abladung der Ware vorhanden gewesen sind. Hinsichtlich des ausgelieferten Gewichts enthalten die maßgeblichen Usancen in § 5 die ausdrückliche Vorschrift, daß, wenn infolge Verlustes der Ware ein Landungsgewicht nicht zu ermitteln ist, die Berechnung auf Grund des Abladegewichts abzüglich des erfahrungsmäßigen Gewichtsabganges auf der Reise erfolgen soll. Beide Vertragsbestimmungen sprechen also durchaus nicht gegen die Annahme, daß der Käufer die Gefahr der Beförderung zu tragen und demgemäß auch im Falle des Verlustes der Ware den Kaufpreis zu zahlen hat.

Es verbleibt mithin zur Begründung der von der Revision vertretenen Ansicht, daß nach dem streitigen Vertrage der Verkäufer die Gefahr der Reise tragen sollte, oder daß jedenfalls der Kauf aufgehoben sei, wenn die Ware nicht mit dem angezeigten Dampfer ankomme, nur die Klausel "Zahlung gegen Dokumente bei Eintreffen des Dampfers auf der Elbe," auf welche die Revision auch ihren Angriff hauptsächlich stützt. Das Berufungsgericht hat aber übereinstimmend mit den Urteilen zweier anderer Senate des Oberlandesgerichts und des erkennenden Senats des Reichsgerichts diese Klausel nicht als Bedingung, sondern als bloße Zeitbestimmung verstanden. Wenn die Revision einwirft, daß man zu dieser Auslegung allein auf Grund der Entstehungsgeschichte und des wirtschaftlichen Zweckes der Klausel hätte kommen dürfen, so ist daran nur so viel richtig, daß eine eingehendere Untersuchung dieser Punkte möglicherweise Gründe für die Entscheidung hätte liefern können und daß jedenfalls eine nur auf juristischer Dialektik beruhende Auslegung nicht genügen würde. Eine solche gibt das Berufungsgericht aber auch nicht. Es spricht aus, daß die Klausel nur für den Regelfall der Ankunft des Dampfers gemeint ist und für den Ausnahmefall, daß der Dampfer nicht ankommt, nichts bestimmen soll. Das ist eine auf tatsächlichem Grunde beruhende Auslegung. Der vorgelegte Spruch des Schiedsgerichts der Handelskammer vom 8. Oktober 1914 steht mit ihr nicht in Widerspruch; denn er betrifft einen Fall, in dem - wenigstens nach dem Inhalte der Gründe - die Ankunft des Dampfers noch nicht ausgeschlossen war. Allerdings findet, wie gerichtsbekannt, die von der Revision vertretene Ansicht ihre Verteidiger in Handelskreisen. Aber ebenso bekannt ist, daß sehr weite Kreise der Kaufmannschaft der von den Gerichten gebilligten Ansicht zustimmen. Es genügt hierfür, auf die mehrfach ergangenen Urteile der sachkundigen Kammern für Handelssachen und auf die schon angeführte Schrift der vierzehn Hamburger Warenvereine (S.22) zu verweisen. Wenn nun das Berufungsgericht den mehrfachen Entscheidungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts und den bestätigenden Urteilen des Reichsgerichts folgend sich überzeugt gehalten hat, daß diese Auslegung richtig ist und daß die streitige Klausel in der Tat für den Ausnahmefall, daß der Dampfer sein Reiseziel nicht erreicht, nicht hat bestimmen sollen, sondern nur hat festsetzen sollen, wann im Regelfalle die Einlösung der Dokumente zu erfolgen hat, so ist dann ein Rechtsirrtum nicht enthalten.

Bei dieser Auslegung passen aber auch sämtliche Bestimmungen des Schlußscheins sehr wohl zueinander. Es ist ein Verkauf über eine in den Monaten Juni, Juli 1914 von Japan abzuladende Ware geschlossen, den der Verkäufer durch die vertragsmäßige Verschiffung der Ware und die Übergabe des Konnossements nebst Police zu erfüllen hatte. Der Kaufpreis schloß die Transportkosten und die übliche Versicherung bis Hamburg ein; er sollte im Regelfälle zur Zeit des Eintreffens des Dampfers auf der Elbe gegen die Dokumente gemäß der Faktura bezahlt, aber später nach dem ausgelieferten Gewicht oder im Falle des Verlustes der Ware (laut § 5 der maßgeblichen Usancen) unter Berücksichtigung des erfahrungsgemäß auf der Reise eintretenden Gewichtsabganges genau berechnet werden. Für den Fall des Verlustes von Dampfer oder Ware ist über die Zeit der Zahlung nichts bestimmt.

Bei solchem Verständnis ist in der Gesamtheit des Vertrags nichts enthalten, was darauf hindeutet, daß von den Kontrahenten hinsichtlich des Erfüllungsorts des Verkäufers und wegen der Tragung der Transportgefahr etwas anderes gewollt ist, als was bei Abladegeschäften mit der Cif-Klausel die Regel bildet. Es hat also der Käufer die Gefahr der Reise zu tragen und demzufolge auch nach Verlust der Ware den Kaufpreis zu zahlen.

Da nun im Falle des Verlustes des Dampfers die Bestimmung, daß die Zahlung bei Eintreffen des Dampfers zu leisten ist, nicht mehr anwendbar bleibt, so muß sie erfolgen, sobald der Verlust feststeht. Demnach ist die Beklagte mit Recht der Klage gemäß verurteilt worden."