RG, 13.03.1889 - V 343/88
1. Gehören laufende Mietzinsen, welche der Konkursverwalter von den Mietern eines dem Gemeinschuldner gehörigen und von einem Hypothekengläubiger zur Zwangsversteigerung, aber nicht zur Zwangsverwaltung gebrachten Grundstückes erhoben hat, nach preußischem Allgem. Landrechte zur Konkursmasse, oder steht den absonderungsberechtigten Gläubigern ein Vorrecht auf dieselben zu?
2. Kann die Konkursmasse die von dem Verwalter zu Unrecht an absonderungsberechtigte Gläubiger auf deren Forderungen gezahlten Beträge zurückfordern?
Unter Aufhebung des zweiten Urteiles ist die Klage abgewiesen und der Kläger nach dem Widerklagantrage verurteilt.
Gründe
"Der Thatbestand wird von den Instanzrichtern dahin angegeben.
Auf dem zu Stettin gelegenen Grundstücke des Kaufmannes V. standen für den Kläger im Grundbuche Abtl. III. Nr. 19 3000 M, und Nr. 22 21000 M verzinslich eingetragen. V. verfiel in Konkurs, Das Pfandgrundstück wurde auf Antrag eines Hypothekengläubigers zur Zwangsversteigerung gebracht. Bei der Verteilung der Kaufgelder fiel der Kläger mit seinen beiden Forderungen in Höhe von 103,97 M bezüglich 21243,52 M aus.
Die Einleitung der Zwangsverwaltung des Grundstückes ist weder von einem Realgläubiger noch von dem Konkursverwalter beantragt. Letzterer hatte jedoch nach der Eröffnung des Konkursverfahrens die Verwaltung des Grundstückes übernommen und die Mieten von den Mietern eingezogen. Er zahlte von dem erhobenen Betrage an den Kläger auf dessen Zinsforderungen wegen der beiden Hypotheken 1300 M, weigerte sich jedoch im Kaufgelderbelegungstermine, den in seinen Händen verbliebenen Rest von 1185 M an den Kläger zu zahlen, führte denselben vielmehr zur Konkursmasse ab. Der Kläger verlangt jetzt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung dieser 1185 M, weil nach seiner Ansicht der Konkursverwalter verpflichtet war, die Einkünfte von dem verpfändeten Grundstücke zur Deckung der hypothekarischen Forderungen zu verwenden, die Beklagte mithin durch die Überweisung der 1185 M einen Vorteil erlangt habe, der ihr rechtlich nicht gebühre. Daß andere Hypothekengläubiger ein Vorrecht vor dem Kläger besitzen, ist, wie der Berufungsrichter bemerkt, weder bekannt noch behauptet. Eventuell führt der Kläger aus, handle es sich um einen Dolus des Konkursverwalters, weil derselbe ihm - dem Kläger - von der Einleitung der Zwangsverwaltung abgeraten habe.
Die Beklagte ist dagegen der Ansicht, dem Kläger stehe bis zum Zuschlage kein Recht auf die von dem Verwalter erhobenen Mietzinsen zu; wegen des von ihr bestrittenen Dolus des Verwalters brauche sie nicht zu haften. Sie macht sodann geltend, die Zahlung der 1300 M an den Kläger beruhe auf einem Rechtsirrtume des Verwalters. Da dem Kläger sein Recht auf diese Summe zustehe, beantragt sie widerklagend, ihn zur Rückzahlung derselben zu verurteilen.
Der erste Richter hat die Klage für begründet, die Widerklage für unbegründet befunden, und der zweite Richter die Berufung der Beklagten gegen das erste Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung führt der Berufungsrichter aus: dem Kläger stehe nach §. 30 des Eigentumserwerbsgesetzes vom 5. Mai 1872 ein Anspruch auf die Mietzinsen wegen seines Pfandrechtes an dem Grundstücke zu, welchen er weder durch die Konkurseröffnung, noch durch die Zwangsversteigerung verloren habe; nicht der Pfandschuldner - V. -, sondern der Konkursverwalter habe die Mieten eingezogen, letzterer sei aber zur Berücksichtigung des ihm bekannten Realrechtes des Klägers verpflichtet gewesen, habe auch "unzweideutig" die Verwaltung des Grundstückes im Interesse der Absonderungsberechtigten geführt: eine besondere gerichtliche Beschlagnahme der Mietzinsen durch den Kläger sei nicht erforderlich, die Beklagte vielmehr durch die Zahlung der 1185 M an sie ungerechtfertigt bereichert und deshalb zur Zahlung dieses Betrages an den Kläger verpflichtet. - Die Widerklage weist der Berufungsrichter aus demselben Grunde zurück, hält sie aber auch aus dem weiteren Grunde für verfehlt, weil Kläger nur dasjenige erhalten habe, was ihm von Rechts wegen zustand.
Diese Entscheidung muß sowohl in betreff der Klage, als auch der Widerklage für rechtsirrtümlich erachtet werden. I. Anlangend die Klage.
Das Allgem. Landrecht schreibt im §. 476 I. 20 vor, daß der Eigentümer einer verpfändeten Sache über die Pacht- und Mietgelder so lange verfügen kann, als der Gläubiger dieselben noch nicht in gerichtlichen Beschlag genommen hat. Dagegen sind nach §. 477 das. Verträge über künftige Nutzungen unter den dort angegebenen Umständen unkräftig. Diese Bestimmungen sind in betreff der laufenden Pacht- und Mietzinsen, um welche es sich hier handelt, durch §. 30 des Eigentumserwerbsgesetzes vom 5. Mai 1872 nicht geändert.1
Der Pfandschuldner kann deshalb, bis eine Beschlagnahme der Mietzinsen im Wege der Zwangsvollstreckung, des Arrestes, oder bei Zwangsverwaltung stattfindet, über dieselben disponieren oder sie selbst von den Mietern einziehen. Thut er letzteres, so erstreckt sich das Pfandrecht des Gläubigers nicht auf den in seinem Vermögen befindlichen Betrag des Mietgeldes, weil die im §. 30 a. a. O. getroffene Vorschrift über den Umfang des Pfandrechtes zwar die Forderung seines Schuldners auf Miet- und Pachtzinsen ihm haftbar erklärt, eine solche Forderung aber durch Zahlung erloschen ist.2
Der nach früherem preußischen Rechte bestehende Rechtszustand, daß die Einleitung der Zwangsversteigerung eines Grundstückes gleichzeitig eine Beschlagnahme der Einkünfte desselben zu Gunsten der Hypothekengläubiger enthielt, ist durch §. 16 des Gesetzes vom 13. Juli 1883 über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen dahin geändert, daß die auch jetzt eintretende Beschlagnahme sich auf die zur Immobiliarmasse gehörigen beweglichen Gegenstände mit Ausnahme der Pacht- und Mietzinsen erstreckt. Als Grund dieser Ausnahme geben die Motive (S. 18) an, daß die Beschlagnahme nur solche Verfügungen auszuschließen habe, welche nicht durch die den, Schuldner verbleibende Verwaltung und Nutzung des Grundstückes gerechtfertigt werden. Um die Beschlagnahme auf die Revenuen auszudehnen, muß der Gläubiger deshalb neben der Zwangsversteigerung die Zwangsverwaltung beantragen (§§. 139 flg. des Gesetzes vom 13. Juli 1883).
Wendet man diese Grundsätze des geltenden Rechtes an, so kann kein Zweifel darüber bestehen, daß der Pfandschuldner V., wenn keine Konkurseröffnung über sein Vermögen stattgefunden hätte, durch die geschehene Einleitung der Zwangsversteigerung nicht behindert gewesen wäre, die Mietzinsen einzuziehen, und daß auf den erhobenen Betrag dem Kläger vermöge seines Pfandrechtes an dem Grundstücke kein Anspruch zugestanden hatte. Es kommt deshalb nur in Frage, ob der Umstand, daß der Konkurs eröffnet ist, und daß der Konkursverwalter die Mieten erhoben hat, eine Änderung zu Gunsten des Klägers bewirkte. Das kann nicht angenommen werden.
Dem zweiten Urteile liegt die Ansicht zu Grunde, daß der Konkursverwalter befugt und verpflichtet gewesen, bei seiner Verwaltung das Interesse der absonderungsberechtigten Gläubiger wahrzunehmen, indem ihm obgelegen, die Revenuenüberschüsse aus den zu ihrer Befriedigung dienenden Vermögensstücken zu einer besonderen Masse abzuführen und aus dieser ihre Bezahlung zu bewirken; es habe also im gegebenen Falle der Konkursverwalter aus den vereinnahmten Mietzinsen die Forderung des Klägers als Hypothekengläubigers befriedigen müssen. Allein diese Ausführung entspricht zwar dem früheren preußischen, nicht aber dem jetzt geltenden Reichsrechte. Die preußische Konkursordnung vom 8. Mai 1855 bestimmte allerdings, daß das Verwaltungs- und Verfügungsrecht der Gläubigerschaft vom Konkurskurator nur unbeschadet der Rechte der Realgläubiger ausgeübt werden dürfe (§. 263), daß die abgesonderte Befriedigung von Ansprüchen, welche auf Immobilien haften, im Wege der Sequestration und Subhastation geschehen solle, und daß das Verfahren wegen Verteilung der Revenuen von Amts wegen und durch das Konkursgericht einzuleiten sei (§§. 266. 267. 270. 150 das.). Dieser Standpunkt des preußischen Gesetzes ist jedoch von der Reichskonkursordnung verlassen. Die Motive zu letzterer sagen:
Die Pfandstücke gehören dem Gemeinschuldner und zur Konkursmasse; sie sind der Verfügung des Gemeinschuldners entzogen; der Verwalter übt dieselbe an dessen Stelle aus. Die Ausübung der Realrechte erfolgt, wenn sie erfolgt, nicht als ein Teil des Konkursverfahrens, sondern völlig unabhängig von demselben; die Realgläubiger haben sich, um ihre Realansprüche geltend zu machen, in den Konkurs nicht einzulassen. Wenn aber der Realgläubiger seinen Anspruch auf abgesonderte Befriedigung nicht erhebt, so fehlt jede Veranlassung zu einer Absonderung; das Pfandstück wird, natürlich unbeschadet der auf ihm haftenden Ansprüche, wie die übrigen Gegenstände der Konkursmasse verwaltet und verwertet (S. 30).
Die Motive geben ferner (zu §. 39 S. 190 flg.) die Grundsätze des früheren preußischen Rechtes an und bemerken:
Der Entwurf beschränkt die Wirkung der Konkurseröffnung auf die Konkursgläubiger; wird nicht zugleich seitens der Realgläubiger oder behufs Versilberung der Konkursmasse von dem Konkursverwalter das Grundstück zur Zwangsverwaltung ober Zwangsversteigerung gebracht, so liegt ein Grund zur Bildung einer besonderen Immobiliarmasse nicht vor. Die Geltendmachung des Real- und Separationsrechtes aber führt zur wirklichen Realexekution. Die Realzwangsvollstreckung und die Realgläubiger als solche stehen außerhalb des Konkurses.
Bei §. 116 (S. 348) endlich sagen die Motive:
Die Wirkungen der Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung sind gegenüber den Realgläubigern dieselben, wie wenn ein Konkurs nicht schwebte.
Diese in den Motiven näher begründeten Ansichten haben auch im Gesetze selbst deutlichen Ausdruck gefunden, indem
- im §. 3 Abs. 2 R.K.O. die Stellung der Absonderungsberechtigten dahin geordnet wird, daß ihre Befriedigung unabhängig vom Konkursverfahren erfolgt. Nur soweit sie gleichzeitig persönliche Gläubiger des Gemeinschuldners sind, steht ihnen frei, wegen des Ausfalles ihre Rechte zur Konkursmasse anzumelden und geltend zu machen (§. 57 das.). Aus der Unabhängigkeit von dem Konkursverfahren folgt, daß ihre Befriedigung nicht durch die Organe der Konkursmasse auf dem für die Verteilung der Masse an die Konkursgläubiger vorgeschriebenen Wege bewirkt wird, sondern, daß ihnen selbst überlassen bleibt, ihre Rechte durch die gesetzlichen Mittel zu realisieren. Geschieht das, so bestimmen nach §. 39 die Reichs- und (was hier allein in Betracht kommt) die Landesgesetze den Umfang der Immobiliarmasse, sowie den Umfang und die Rangordnung der aus derselben zu berichtigenden Ansprüche. Für Preußen sind hierbei das Eigentumserwerbsgesetz vom 5. Mai 1872 und das Gesetz dom 13. Juli 1883 maßgebend.
- Dieser Rechtslage der Absonderungsberechtigten entspricht die Stellung des Konkursverwalters. Nach §. 5 R.K.O. verliert der Gemeinschuldner mit der Eröffnung des Verfahrens die Befugnis, sein zur Konkursmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht wird fortan durch den Konkursverwalter ausgeübt. Dieser hat nach näherer Bestimmung der §§. 107 flg. die Masse in Besitz zu nehmen, festzustellen, zu verwalten und den Gläubigern Rechnung zu legen. Alle diese seine Handlungen dienen dem Zwecke, das Vermögen des Gemeinschuldners behufs der Verteilung an die Konkursgläubiger festzustellen und flüssig zu machen. Die besonderen Rechte einzelner Gläubiger hat er nicht wahrzunehmen. Er kann zwar nach §. 116 R.K.O. die Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung der zur Masse gehörigen unbeweglichen, und nach §. 117 das. die Verwertung der beweglichen mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstände betreiben, ist jedoch dazu nur verpflichtet, soweit er es im Interesse der Konkursmasse für nötig hält (Motive S. 349). Revenuen von den nach den §§. 5. 107 flg. in seine Verwaltung gelangten Grundstücken hat er zur Masse abzuführen. Abgesehen von den Fällen der Einleitung einer Zwangsverwaltung und von der Kaufgeldermasse bei einer Zwangsversteigerung kennt die Reichskonkursordnung keine besondere, zur Befriedigung absonderungsberechtigter Gläubiger bestimmte Masse.
Mit dieser Auslegung des Gesetzes stehen auch die Kommentare zur Reichskonkursordnung in Einklang.3
Wendet man diese Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Fall an, so führen sie zur Abweisung der Klage. Der Kläger war durch das Konkursverfahren nicht behindert, die ihm nach preußischen Landesgesetzen als Hypothekengläubiger gegen die Masse zustehenden Rechte geltend zu machen. Er hat das aber nicht gethan, insbesondere die Beschlagnahme der Mieten nicht ausgebracht. Die Mieter konnten deshalb rechtsgültig ihre Verbindlichkeit durch Zahlung an den Verwalter erfüllen. Dieser hatte keine Verpflichtung, die Rechte der Realgläubiger wahrzunehmen. Er empfing vielmehr die Mietzinsen als zur Konkursmasse gehörige Vermögensstücke, und zwar für die Konkursmasse, nicht für die Absonderungsberechtigten. Eine besondere Masse, zu welcher er sie vereinnahmen konnte, gab es nicht. Was der Berufungsrichter von dem "gesonderten Besitze eines Revenuenüberschusses" sagt, enthält keine thatsächliche Feststellung, sondern nur eine Folgerung aus den von ihm angewendeten rechtsirrtümlichen Grundsätzen. Wenn ferner im zweiten Urteile ausgeführt wird, daß der Konkursverwalter bei der Veräußerung von Gegenständen, welche den Absonderungsberechtigten haften, die ihm bekannten Realrechte berücksichtigen müsse, so kann dahingestellt bleiben, ob dieser Fall hier überhaupt zutrifft. Jedenfalls findet der Grundsatz keine Anwendung, weil das Realrecht des Klägers an den laufenden Mietzinsen durch deren Zahlung an den Verwalter erlosch.
Was endlich die Behauptung des Klägers betrifft, daß der Konkursverwalter ihm dolose von der Beantragung der Zwangsverwaltung abgeraten habe, so ist dem ersten Richter darin beizustimmen, daß der im Thatbestande mitgeteilte Sachverhalt eine Verpflichtung der Beklagten, für die angebliche Handlung ihres Verwalters zu haften, nicht begründet.
1 I. Anlangend die Widerklage, so erledigt sich der erste Grund des Berufungsrichters für deren Abweisung durch die obigen Ausführungen in betreff der Zulässigkeit der Klage. Aber auch der zweite Grund des Berufungsrichters muß für rechtsirrtümlich erachtet werden.
Der §. 180 A.L.N. I 16 schreibt vor, daß der Empfänger einer Zahlung, wenn er nur dasjenige erhielt, was ihm wirklich zukam, zur Rückgabe nicht verpflichtet ist, wenngleich nicht der Zahlende, sondern ein Anderer ihm die Zahlung hätte leisten sollen. Diesen Rechtssatz scheint der Berufungsrichter anwenden zu wollen, wenn er ausspricht, die Widerklage sei abzuweisen, weil Kläger nur dasjenige erhalten, was ihm von Rechts wegen zustand. Der Fall des §. 180 a. a. O. (bezüglich §. 170 Nr. 2 das.) liegt hier jedoch nicht vor. Durch die Konkurseröffnung tritt für die sämtlichen Gläubiger des Gemeinschuldners das Rechtsverhältnis ein, daß sie gemeinschaftliche Befriedigung aus der Masse nach den näheren Bestimmungen der Reichskonkursordnung über die Rangordnung zu beanspruchen haben. Auch den absonderungspflichtigen Gläubigern stehen nur die ihnen vom Gesetze gewährten, besonderen Rechte zu. Erhält, wie im vorliegenden Falle, ein Gläubiger durch eine Handlung des Konkursverwalters oder durch irrtümliche richterliche Verfügung mehr, als ihm bei Berücksichtigung seines konkursmäßigen Anspruches gebührte, so empfängt er damit etwas, worauf er kein Recht hat. Zur Ausgleichung einer derartigen unrechtmäßigen Bereicherung hat die konstante Rechtsprechung der höchsten Gerichtshöfe für preußisches Recht bei Konkursen und Zwangsversteigerungen sowohl dem beschädigten Gläubiger, als der Konkursmasse eine Klage (die condictio sine causa) gegeben. So sagt das frühere preußische Obertribunal in dem Plenarbeschlusse vom 19. Oktober 1840:
vgl. Entsch. des Obertrib. Bd. 6 S. 403:
Wenn in einem Konkurse sich der Fall ereignet, daß ein Gläubiger eine größere Summe zugeteilt und gezahlt erhält, als ihm nach seiner Priorität und der Zulänglichkeit der Masse gebührt, so waltet darüber kein Zweifel ob, daß der Gläubiger durch die Rückforderungsklage zur Erstattung des Überhobenen angehalten werden kann.
Dies wird näher ausgeführt, und die Anwendbarkeit des §. 180 A.L.R. I. 16 auf Fälle der vorliegenden Art verneint. An dieser Ansicht hat das Obertribunal sowohl bei Konkursen als bei notwendigen Subhastationen festgehalten.4
Auf diese Praxis beruft sich auch das frühere Reichsoberhandelsgericht in seinem Urteile vom 21. September 18725 hervorhebend:
Die Kondiktion soll dazu dienen, das den Verklagten (das heißt den befriedigten Gläubigern) infolge irrtümlicher Verfügungen aus der fraglichen Masse mehr, als ihnen bei gesetzlicher Verteilung zukam, Gezahlte auszugleichen.
In einem anderen Urteile vom 13. März 1875 hat das Reichsoberhandelsgericht ausgeführt, daß die Gläubigerschaft die durch Irrtum des Richters geschehene Befriedigung eines Gläubigers anfechten dürfe; sie stütze dabei ihr Rückforderungsrecht nicht auf ein Recht des Gemeinschuldners, sondern fuße auf eigenem Rechte; dieses folge aus der für alle Konkursgläubiger mit der Eröffnung des Verfahrens eintretenden Befugnis, die Herausgabe des widerrechtlich einem Gläubiger Gezahlten zur Konkursmasse zu fordern; solche Klage stimme zwar insofern mit der condictio indebiti überein, als dem zu Unrecht Befriedigten eine unrechtmäßige Bereicherung entzogen werden solle; im übrigen bedürfen aber die klagenden Konkursgläubiger nicht des Nachweises, daß die Voraussetzungen dieser Kondiktion vorliegen, weil sie nicht als Zahlungsleister klagen, sondern sich auf ihr besonderes, durch die Konkurseröffnung begründetes Recht auf Feststellung, Verfolgung und vorschriftsmäßige Distribution der Masse stützen.6
Dieselben Rechtsgrundsätze hat auch schon das Reichsgericht bei irrtümlichen Zahlungen an einen Gläubiger im Zwangsversteigerungsverfahren, und zwar unter ausdrücklichem Hinweis auf die Praxis des Obertribunales, angewendet.7
Von dieser Praxis abzuweichen, zwingt weder die Reichskonkursordnung, noch liegen sonstige Gründe dafür vor. Einer Erörterung der in der Litteratur,8 angelegten Frage, ob durch eigenes Versehen des Beschädigten seine Klage ausgeschlossen werde, bedarf es bei dem hier vorliegenden Thatbestande nicht. Die vom Kläger vorgetragene Ansicht, daß der Konkursverwalter dieselbe Stellung wie der Gemeinschuldner einnehme, und daß er deshalb ebensowenig wie dieser die Zahlung der rechtsgültigen Zinsschuld anfechten könne, läßt sich nicht billigen. Der Gemeinschuldner war, solange die Einleitung des Konkurses über sein Vermögen noch nicht stattgefunden hatte, unbehindert, abgesehen von fraudulosen Zahlungen, seine Gläubiger aus seinem Vermögen ohne Einhaltung einer Folgeordnung und ungleichmäßig zu befriedigen. Eine gleiche Befugnis zur Verwendung der Masse steht dem Konkursverwalter aber nicht zu. Zahlungen, welche er den Vorschriften der Konkursordnung zuwider leistet, enthalten vielmehr stets eine ungesetzmäßige Bevorzugung einzelner Gläubiger. Dieser Fall trifft hier bei dem Kläger zu. Er hat in seiner Eigenschaft als absonderungsberechtigter Gläubiger die Befriedigung seines Anspruches gegen die Konkursmasse durch den Verwalter erlangt, obgleich ihm ein Recht darauf nach der Konkursordnung nicht zustand. Er kann sich deshalb der Klage auf Ausgleichung dieser unrechtmäßigen Bereicherung nicht entziehen.
Aus die Frage, ob dem Kläger als Konkursgläubiger ein verhältnismäßiger Anspruch auf die empfangenen 1300 M zusteht, kann im vorliegenden Rechtsstreite nicht eingegangen werden, weil es an allen thatsächlichen Grundlagen für die Entscheidung fehlt."
- 1. Vgl. Turnau, Grundbuchordnung, §. 30 des Eigentumserwerbsgesetzes Nr. ?VI. 1. 4. Aufl. Bd. 1 S. 741.
- 2. Vgl. Heidenfeld in Gruchot, Beiträge Ad. W S. 500 flg.; Förster Eccius, Preußisches Privatrecht §. 199 Note 21, 5. Aufl. Bd. 4 S. 534.
- 3. Vgl. Sarwey, 2. Aufl. S. 23 flg. 305 flg. 635 flg. v. Wilmowski, 3. Aufl. S. 53-64. 194; v. Völderndorff, 2. Aufl. Bd.1 S. 112.491; Petersen und Kleinfeller, 2. Aufl. S. 24.203.
- 4. Vgl. die Nachweisung bei Rehbein, Entsch. des Obertrib, Bd. 3 S. 80 Note.
- 5. vgl. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 7 S. 163 flg.
- 6. Vgl. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 17 S. 26 flg.
- 7. Vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 6 S. 312; Gruchot, Beiträge Bd. 32 S. 402 etc.
- 8. vgl. Rehbein, Entsch. des Obertrib. Bd. 2 S. 641 flg.