RG, 13.03.1884 - III 339/83
Gegenbeweis gegen die Legitimität eines während der Ehe geborenen Kindes im Falle von Ehedissidien und faktischer Trennung der Eheleute.
Aus den Gründen
"Mit Unrecht macht der Revisionskläger geltend, daß der Gegenbeweis gegen die in den Gesetzen begründete Präsumtion der Legitimität eines während der Ehe geborenen Kindes nur durch den Nachweis der Abwesenheit des Ehemannes oder einer den Beischlaf verhindernden Krankheit desselben geführt werden könne.
Eine derartige Beschränkung des Gegenbeweises ist allerdings in denjenigen Fällen gerechtfertigt, wo eine ungetrennte Gemeinschaft (assidutias s. 1. 6 Dig. de his, qui sui 1, 6) der Ehegatten stattgefunden hat, weil der geschlechtliche Umgang zweier Ehegatten als die dem Wesen der Ehe entsprechende Regel zu präsumieren ist. Wo aber, wie im gegenwärtigen Falle, die thatsächlichen Voraussetzungen für den Eintritt dieser Regel fehlen, weil die Ehegatten schon seit Jahren in Ehedissidien sich befunden und in getrennten Orten oder Wohnungen gelebt haben, kann im richtig verstandenen Sinne der J. 6 cit. die gedachte Präsumtion auch durch den Nachweis entkräftet werden, es habe in der kritischen Zeit ein Geschlechtsumgang der Ehegatten nicht stattgefunden.
Was aber die für diesen Nachweis geeigneten Beweismittel anbelangt, so liegt kein gesetzliches Hindernis vor, als solches auch den richterlichen Eid anzuerkennen, wenn derselbe im konkreten Falle dazu bestimmt ist, die durch Umstände der ebenerwähnten Art nahegelegte Annahme, daß der Ehemann seiner Frau nicht beigewohnt habe und deshalb nicht Vater des von ihr geborenen Kindes sein könne, zur rechtlichen Gewißheit zu erheben."