RG, 30.09.1895 - VI 168/95
Hat nach gemeinem protestantischen Kirchenrechte ein Pfarrer, der die Vornahme einer Amtshandlung innerhalb seines Bezirkes durch einen anderen Geistlichen gestattet, ohne weiteres Anspruch auf die der Amtshandlung entsprechende Stolgebühr?
Aus den Gründe
... "Die Entscheidung beruht nach den Gründen des Berufungsurteiles mit auf der Annahme, daß nach gemeinem protestantischen Kirchenrechte der Pfarrer, welcher die Vornahme einer Amtshandlung innerhalb seines Bezirkes durch einen anderen Geistlichen gestatte, seinerseits Anspruch auf die der Amtshandlung entsprechende Stolgebühr habe, und diese Annahme ist vom Beklagten als eine rechtsirrige angegriffen worden. Allein mag auch bei Richter-Dove-Kahl (Kirchenrecht 8. Aufl. § 159 S. 531) wörtlich nur zu lesen sein, daß nach allgemeinem Herkommen das Dimissoriale gegen Erlegung der Stolgebühr nicht verweigert werde, und mag auch z. B. die Vorschrift im § 428 II. 11 des Preußischen Allgemeinen Landrechts entsprechend lauten, so ist dabei schon stillschweigend vorausgesetzt, daß der zuständige Pfarrer eben von Rechts wegen den Anspruch auf die Stolgebühr behalte. Dieser Satz ist auch sonst, soweit bekannt, als ein Satz des gemeinen Gewohnheitsrechtes nie bezweifelt worden. Er wird bezeugt z. B. von J. H. Boehmer ( Jus parochiale sect. 7 cap. 2 § 13) und von Friedberg (Kirchenrecht 3. Aufl. § 170 S. 448); für den Fall des Begräbnisses bei einer anderen Kirche findet er sich auch bei Richter-Dove-Kahl (a. a. O. § 291 S. 1215) ausdrücklich ausgesprochen." ...